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1. Beilage zum „Riesaer Tageblatt". Rotatio»«dmL und Verlag vo» Langer 4 vintrrlich in Riesa. — Für di« Redaktion veranttvoMch: I. v.: F. Teichgräber in Riesa. ISS Freitag. 24. Juli 1»14, ab»»»«. «7. Aahrg. Oesterreich nnS Serbien. Tie Note der österreichisch-ungarifchcn Re gierung wurde gestern abend 6 Uhr vom öster reichischen Gesandten in Belgrad der serbischen Regierung überreicht. Tie Antwort auf dis in der Note enthaltenen Forderungen wird bis Sonnabend, den 25. Juli, abend-Z 6 Uhr ver engt. Die Note besagt: Es erhellt aus dem Geständnis der Urheber de- Attentats, daß der Mord in Belgrad aus geheckt wurde, daß die Mörder Waffen und Bomben von serbischen Offizieren und Beamten erhielten und daß die Beförderung der Verbrecher und der Waffen von leitenden serbischen Grenzorganen durchgeführt wor den ist. Tie Note verlangt, daß die serbische Regierung sich verpflichtet, die verbrecherische Propaganda mit allen Mitteln zu unterdrücken und eine entsprechende Erklärung, deren Wortlaut vorgeschrieben ist, im Regierungsorgan und durch Armeebefehl veröffentlicht wird. Sie Erlangt ferner u. a. die sofortige Auflösung des Vereins Narodna Odbrana, Entfernung der Offiziere und Beamten, die dec Propaganda gegen Oesterreich schuldig sind, die Mit wirkung von Organen der österreichisch-ungarischen Re gierung bei Unterdrückung der gegen die territoriale Integrität der Monarchie gerichteten Bewegung in Ser bien, gerichtliche Untersuchung gegen die Teilnehmer des Komplotts vom 28. Juni unter Teilnahme von Delegier ten der österreichisch-ungarischen Organe an den bezüg lichen Erhebungen, Verhaftung bestimmter kompromittier ter Persönlichkeiten, Maßnahmen gegen den Waffen- und Bombenschmuggel, Dienstentlassung, strenge Bestrafung gewisser Organe des Grenzdienstes, Aufklärung über Aeußerungen hoher serbischer Funktionäre zum Attentat, unverzügliche Verständigung der österreichisch-ungarischen Regierung von der Durchführung obiger Maßnahmen und endlich Antwort bis Sonnabend abend 6 Uhr. Zu den österreichischen Forderungen schreibt die „Voss. Ztg.": Ter Stein ist im Rollen. Tie Forde rungen, die Oesterreich stellt, sind rein politischer Natur. Tie Entschlossenheit, die aus Ton und Inhalt der Slot«: spricht, läßt keinen Zweifel darüber aufkommen, daß fast jeder Punkt der von Oesterreich aufgestellten Lift? ein Eingriff in die Hoheitsrechte des serbischen Staates bedeutet. Oesterreich tritt als die Polizei auf, die eS auf sich nimmt, in Serbien Ordnung zu schaffen, da die serbische Regierung nach österreichischer Auffassung nicht imstande ist, jene Elemente, die die österreichische Ruhe stören, im Schach zu halten. Jede Rücksicht gegenüber Serbien fehlt, da es Oesterreichs Pflicht ist, sich in dieser Richtung zn schützen. Wir halten es für unwahrscheinlich, daß die serbische Regierung auf die Bedingungen Oester reichs eingehen wird: selbst wenn sie eS wollte, ivaS jedoch nicht der Fall ist, könnte sie es im Hinblick auf die eigenen Untertanen nicht tun, ein Entrüstungssturm würde sie hinwegwehen. An dem gestrigen Donnerstag abend um 10 Uhr wurden die Korrespondenten der Blätter in das Aus wärtige Amt in Wien beschieden, um den Wortlaut der Note entgegen zu nehmen. Tie Vertreter der Deutschen Tageszeitung und des Deutschen Volksblattes melden ans Semlin, daß, wie sie von einer gut instruierten Persön lichkeit in Belgrad erfahren haben, der Ministerpräsi dent Pasitsch mit Rücksicht auf den bevorstehenden Schritt Oesterreich-Ungarns seine Agitationsreise unterbricht und Sonnabend Nach Belgrad zurückkehren werde. Hier i:i Semlin wird die Lage andauernd vollkommen ruhig an gesehen. In Belgrad erwartet man noch lange keine Entscheidung, weil die serbische Regierung entschlossen ist, die Antwort auf die österreichische Note mög lichst lange aus sich warten zu lassen. Die voraussichtliche Aufnahme -er österreichische» Rote tu Serbien. Das Pressebüro läßt sich mitteilen: Wenn dis öster reichische Regierung in ihrer angekündigten Demarche wirklich so absurde Dinge von uns verlangen sollte, wie die Wiener Blätter behaupten, nämlich die Auf lösung der patriotischen Vereine, Aenderung der Lehr bücher in den Schulen, Maßregelung der Belgrader Blät ter, die die Idee der Vereinigung des Serbentnms pro pagieren usw., so kann sie sich ihre Mühe sparen, denn es gab und gibt keine Negierung in Serbien, die sich io etwas bieten lassen könnte. Tie Kriegsdrohungen Wiens schrecken uns nicht. Wir glauben, daß, wer Krieg führen will, nicht so lange droht. Auch sollte man in Wien beherzigen, daß das Serbien von heute nicht mehr das der Annektionslrise ist. Zwei große Kriege liegen dazwi schen, 'die uns das Bewußtsein unserer Kraft und wcrc- polle Freundschaften eingetragen haben. Deutsch-feindliche Legenden. Viel Feind viel Ehr! Tas Interesse, mit dein eine eifrige Auslandspresse jede passende und unpassend.' Ge legenheit wahrnimmt, um dem deutschen Ansehen in der Welt eins auszuwischen, läßt auf eine gewisse liochach- tungSvolle Abneigung schließen. Sie könnte sogar ehren, wie jenes bekannte Sprichwort sagt, wenn nicht die Be mühungen gelegentlich so läppisch ansficlen, daß man nicht versteht, wie ernsthafte Organe oder sogar Persön lichkeiten, die eine verantwortliche Stellung im öffent lichen Leben besitzen, sich zur Vertretung solcher Legen den hergeben können. Ter Caillaux-Prozeß zeitigt ja manches, das für unsere deutsche Auffassung von Zweck und Aufgabe eines öffentlichen Gerichtsverfahrens auch bei gutem Willen nicht verständlich ist. Wir verstehen nicht, daß, wie im Drevfust-Prozeß, so auch hier politisches Theater mit allem Bluff und Effekthascherei getrieben wird, ohne daß eigentlich die „Sache" zur Behandlung kommt. Ter Figaro wird in Abhängigkeit von einer deutschen Groß bank gebracht, so berichtet man dort ernsthaft und die Dresdener Bank dementiert ganz ernsthaft. Ter Ver such, den Figaro mit einem biederen deutschen Hände druck ins deutsche Lager herüberzuziehen, gehört doch wohl zu den Dingen, „die uns am meisten verblüffen". — Weiter soll unser auswärtiger Vertreter, Herr von Sckwen, eine Chiffredepesche nach Berlin aufgegeben haben, in der von Caillaux' Geneigtheit „mehr zu geben, als de Selbes und Cambon" gesprochen wurde. Natür lich mußte diese Chiffredepesche ausgerechnet in franzö- sizche Hände geraten. Man stellt Herrn Caillaux darob zur Rede. Eigentlich ist solcher Verdacht etwas zu stark, als'daß man deshalb einen Minister der Republik nur zur Rede stellen dürfte. Aber daß der Figaro solche Märchen auftischt und einen „suggestipen" Einfluß Teutschlands auf einen französischen Minister offenbar vor wenig kritischen Lesern erörtert, das ist doch wieder ein Punkt, der uns' baß darüber erstaunen machen sollte, was man uns nicht alles zutrant. Einige Zeit ging es den Engländern so. Ueberall galten sie als vens ex machina, und zwar vornehmlich dort, wo etwas beson ders Geschicktes, Intrigantes angenommen wurde Da mals waren die Engländer ausschlaggebend im politischen Konzert. Sollten wir etwa an die Reihe kommen? Nein, deshalb noch keine Ueberheblichkeft, ich bitte! Daß der deutsche Kronprinz so wenig Erziehung und persönlichen Takt besitzen soll, daß er als Gast des englischen Bot schafters an diesen die herausfordernde Frage gerichtet habe: „Wo sind Ihre Spione?" — damit sollten die englischen Marine- und MilitärathacheeS gemeint sein — solche Unterstellung möchten wir uns aber doch schon stärker verbitten. Niemand hat das Recht, auch nicht der gehässige „TempS", der dieses Märchen erfand oder we nigstens wiedergab, dem Kronprinzen die selbstverständ lichsten Anstandspflichten des Gastsreundes abzusprecken, nnr nm dw Engländer gegen solche erfundenen Takt losigkeiten aufzureizen. Ter Platzkommandant von Verdun, vielleicht ein Mann von weniger umfaßendem politischen Ueberblick nnd geringerer Erfahrung, als die Leitungen der ge nannten Blätter, dafür aber doch eine Persönlichkeit mit behördlicher Etikettierung erläßt zur selben Zeit einen Befehl, in dem es wahrhaftig heißt: „Den Offi zieren wird die größte Vorsicht bei der Anstellnng von Ausländern empfohlen. Indem sie dieselben bei fick' auf nehmen. laden sie eine große Verantwortung cnif sich. Sie müssen diese Fremden beständig überwachen, sie dürfen keinerlei militärische Schriftstücke in ihrem Be reich lassen und müssen sich in ihrer Gegenwart jedes Gesprächs über dienstliche Dinge enthalten." Und solcher Befehl bezieht sich auf das vermehrte Anstellen aus- länoischer, deutscher Dienstboten und Gouvernanten im genannten Bezirk. Es wird dazu von anderer Seite ge sagt, das; solches Verdächtigen und Verleumden zu Tra gödien führen kann. Nein, das ist doch wohl kaum an- zuuehmen. Zunächst wirkt solche Nervosität nur erhei ternd auf uns. Wir haben uns doch auch über Albions Spionagcriechcrei lustig gemacht, die in jeden; deut schen Kellner einen militärischen Sendling witterte. Allerdings hat diese Nervosität daun auch zu Belästi gungen deutscher Reisenden in England geführt. Aber man wird doch nicht annehmen können, daß als geschicht liche Weiterentwicklung des Erlasses des Verduner Platz kommandanten die massenweise Verhaftung deutscher Gouvernanten in Frankreich nunmehr zu verzeichnen sein dürfte. Ans das Märchen, das der Figaro über einen Ent- führnngsversuch seitens deutscher Kriminalbeamten, der an dem verurteilten Zeichner Hansi verübt sei» fall, austischt, wollen wir garnicht erst weiter eingehsn. .Hansi hat uns bereits genug ermüdet. Wir wollen das Ma terial beschließen und jenen Gutgläubigen oder Schleast- gläubigen zurufen: Genug der deutsch-feindlichen Legen den! Wir wollen keine falschen Freundlichkeiten. Tie brauchen wir auch nicht. Wir finden aber auch keinen Geschmack an solcher Nervosität der Auslandspresse uns gegenüber. Wir haben keine Veranlassung dazu geboten. Wir weisen auf das Lächerliche solcher Legenden und Unterstellungen hin und meinen, daß diejenigen, die sich zu ihrer Verbreitung hergeben, sie sich doch einmal näher ansehcn könnten. So läppisch solche Erfindungen sind, sie können, wenn sie gleich Hcuschreckenschwärmcn auftreten, doch nicht nur lästig, sondern sogar gefähr lich werde«. Gefährlich jedenfalls für redliches Verstän- dignngsbemühen. TiMsgeschlchie. Deutsches Reich. Frachtermäßigungen auf dem Nh ein - Hernc-Kanal. Mit der Eröffnung der Schiffahrt auf dem neuen Rhein-Hernc-Kanal sollte bekanntlich für die . Verfrachtung wichtigsten Rohstoffe der Eisenerzeu gung, für Erze und KokS, eine Tarifermäßigung ans dec Eisenbahn eintretcn. Nachdem nunmehr die ersten Schiffe den Kanal befahren haben, melden sich auch die Inter essenten sofort mit Wünschen wegen dieser Tarisermäßi- gnngen. Tie Ciscnbahndirektion Essen teilt der „Rheinisch- Westfälischen Ztg " zn dieser wichtigen Frage Folgendes mit: Tie von der Staatseisenbahnverwaltungkgeplantcn Frachtermäßigungen für Eisenerze und Koks zum Hoch ofenbetrieb im Rnhr-Mosel-Verkehr und in den davon berührten Bezirken werden in Geltung gesetzt werden, sobald die baulichen und betrieblichen Vorbereitungen auf dem Rhein-Hernc-Kanxil soweit vorgeschritten sind, daß ein regelmäßiger Betrieb auf dem Kanal völlig sicher-gestellt ist. Verhaftungen von drei Mädchenhänd ler n. Wie die Braunschweigische Landeszeitnng auS Ber lin meldet, haben in den letzten Tagen wieder Ver haftungen von internationalen Müdchenhändlern an der preußisch-rusfiscben Grenze stattgefunden. Durch einen aufgefangencn Brief, de» ein zum Transport nach süd- amerikänischen Freudenhüinern bestimmtes Mädchen au ihre Eltern richtete, kamen die Behörden auf die Svnr der als Gesindcvermittlcr ansteckenden Müdchenhündlee. Cs handelt sich nm einen ganzen Trupp von Mädchen händlern, die direkt an der Grenze in Sosnowize ihre Zusammenkünfte hatten. Durch Zusammenwirken dec preußischen und russischen Polizei gelang cs, zwei der Mädchentzändler, welche bereits 8 Mädchen als lebende Ware ziisammengebracht hatten, festznnehmen, während die übrigen auf preußisches Gebiet verschwanden und noch nicht ergriffen sind. Ferner wurde auf dem Bahnhof Radom ein anderer Mädchcnhändler verhaftet, der mit zwei sehr hübschen Mädchen Karten nach Hamburg ge löst hatte. ' T i c M o n o p o l v o r l a g c n. Auch den erneuten Be hauptungen einiger Blätter von dem Bcvorstehen ver schiedener Mvnovolvvrlagen zum Zwecke neuer Reichs» einnahmen gegenüber versichert man in den dem Reichs schatzamt nahestehenden Kreisen, daß von der Absick't, dem Reichstage im kommenden Winter derartige Vorlagen zu unterbreiten, keine Rede sein könne. Richtig sei, daß Vorarbeiten für ein Zigarettenmonopol schon ans der Zeit voc der ReichSfinanzreform von ll)O!) datierten nnd daß diese Vorarbeiten seitdem vervollständigt worden sind. In ähnlicher Weise feien noch andere Monopol pläne im Ncichsschatzäint ausgcarbeitct worden nnd es sei sehr wohl möglich, daß im Bedarfsfälle darauf zu- rückgegriffen werde, aber ein solcher Bedarfsfall liege zurzeit nicht vor und werde sich auch kür die nächste Rcichstagsscssion schwerlich ergeben. Eine Million Sozialdemokraten. In seinem für den Parteitag zu Würzburg bestimmten Bericht kann der Vorstand der sozialdemokratischen Partei konsta tieren, daß die Zahl der organisierten Genossen zum ersten Mal eine Million überstiegen habe. Genau waren eS am 1. März 1914 1 085 905, die sich zur rolen Fahne bekann ten, gegen 982 850 am Ende dcS Vorjahres. DaS klingt recht erhebend für die Genossen. Bei der Beurteilung de« Ergebnisses wird aber selbst der Parteivorstand etwas klein laut. ES ärgert ihn, daß die Zunahme der Milgliederzahl im letzten Jahre nur 10,5 Prozent betragen hat, rihcblich weniger als zu anderen Zeiten, wenn auch mehr al« im Vorjahr. Die rote Internationale hat also schon nach dem Urteil der Herren lm eigenen Hause die Anziehungskraft eingebüßt. Merkwürdigerweise läßt der Bericht auch noch etwa« andere« durchblicken, was tatsächlich verschwiegen wird, was aber gleichfalls das Nachlassen des Wachstumstempo« der Sozialdemokratie auffallend beleuchtet. Man konstatiert mit Befriedigung, daß die „Rote Woche" die Mitglieder bewegung günstig beeinflußt habe. Diese habe der Partei allein 148 109 ncu.> Mitglieder gebracht. Run hat aber der JahreSzuwachs nur 103 055 Mitglieder betragen. Also — und das behält man schön für sich — müssen tm letzten Jahre mindesten« 45 000 Mitglieder au« der Partei aus« getreten sein! Schnlgelderhebung beim 11 ebergang in eine andere Schule. Bei der bisherigen Regelung der Schuldgeldleistung in dem Falle, daß ein Schüler von der Mittelschule einer Gemeinde zu der einer anderen über geht, haben sich in Preußen erhebliche Härten herauSgestellt. Da« traf insbesondere dann zn, wenn der Uebergang im Laufe de« Vierteljahres erfolgte. Infolgedessen hat sich der preußische Städtetag an da« preußische Kultusministerium gewandt mit der Bitte, daß in solchen Fällen die in einem Erlasse vom 14. November 1905 niedergelegien Be stimmungen für höhere Schulen fortab auch für mittlere Schulen zur Anwendung kommen sollten. Diese Regelung