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Beilage z«m „Aiesaer Tageblatt". Dm« Md »MW am »««,«, « W Mes«. - bi, MbaM« Herma», «chmidt w Mala. 17. «outag, S->. Januar IW«, abrud». "Ä^Jahrg?' Keine Exzesse. Der »rote Sonntag* scheint dank der umfassenden BorstchtSmaßnahmen der Regierungen überall ruhig ver laufen zu sein. SS liegen bi» jetzt keinerlei Meldungen über irgendwelche Ausschreitungen vor. Die Versammlung«. Lesucher in Berlin zählten nach ungefährer Schätzung etwa 27600 Personen. Gegen 10000 mögen unverrichteter Sache wieder umgekehrt sein. Auch die Versammlungen in Len Kreisen Teltow und 'Ntederbarnim sowie in den Nach, barstädten Eharlottenburg, Schöneberg und Rixdorf ver liefen durchaus ruhig. In Berlin waren die Straßen auch im verlaufe deS Nachmittags weniger belebt als an ge wöhnlichen Sonntagen. Der Lustgarten war für den Fuß- gängeroerkehr gesperrt. Etwas Leben brachten die Ab- Lösungen der Truppen in daS Bild. Das Schloß bezogen um 5 Nhr drei Bataillone des 4 Garde Regiments und «in« zweite kombinierte Batterie deS 1. Garde-Feldartillerie- RegimentS. Soweit bis jetzt Berichte au» der Provinz uorltegen, ist auch dort der Tag ruhig verlaufen — Ebenso liegen aus Dresden, Leipzig rc. keine Melkung n non Nuhe- rstürungen vor. Der Venezuela-Konflikt. rr Herr Castro fühlt wieder einmal dasl Bedürfnis, Won sich reden zu machen, indem er seinem hasse gegen ^Frankreich — wie er ja überhaupt von den Ausländern nicht viel w-issen will, da sie ihm zk. viel auf die Finger gucken — die Zügel schießen ließ und Beleidigung auf Be leidigung gegen den Vertreter Frankreichs häufte. Ter ganze Streit dreht sich bekanntlich um die Kabelgesellschaft, -welche sich in französischen Händen befindet, was Herrn Castro sehr unangenehm'ist, weil auf diese Weise das Aus land von seinen „Taten" erfährt, da sich das Kabel nicht in seiner Macht befindet. Lestvegtzn übt er allerlei Chi- kauen gegen die französische Gesellschaft und' sein Ver halten ist schon mehrfach der Gegenstand eines sehr schar fen Notenwechsels gewesen. Unverschämt, wie der Präs°i dent dieses Raubstaates nun einmal ist, kümmert er sich absolut nicht um die T-rvhungen der Großmächte, wie ja wohl auch das Vorgehen Englands, Deutschlands und der Vereinigten Staaten erinnerlich iftz welch« durch ihre ge- nreinsame Flottendemtonstratton erst Herrn Castro zur Rai- son bringen mußte. Von selbst zeigt der würdige Herr Easy» keinerlei Entgegenkommen, er läßt die Tinge auf die Spitze treiben, gleich als wolle er den Mächten einen Schabernack spielen, weil er ja eben nichts zu riskieren hat. Schulden werden nicht bezahlt oder Man läßt sie solange «nstehen, bis ein kräftigier Truck Ann Zahlen nötigt und so geht das ad infinitum. Co glaubte auch diesmal Herr Castro der französischen Regierung mitspielen zu können. Allein dieses versteht keinen Spaß. Nachdem man den französischen Vertreter, dec sich zum Empfange von Te- peschen auf ein Schiff begeben hatte, verbot man ihm wieder an Land zu gehen, war denr Fasse der Boden aus geschlagen worden und die französische Regierung tat das einzige, was sie in diesem Jacke iM Interesse ihrer Würde tun konnte, sie stellte dem venezolanischen Gesandten in Paris seine Pässe zu. Ter letzte Ministerrat hat tveitere Schritte beschlossen, falls Herr Caftjrto nicht eine eklatante -Genugtuung gibt und wenn auch hierüber der Oeffentlich- Seit noch nichts mitHeteilt worden ish so darf man doch ivvhl annehmen, daß ein französisches Geschwader eine Strafexpedition unlernehmen und eventuell Truppen lan den wird. Tiefer Kvnslitt behagt aber den Bankces sehr wenig, welche die von ihnen selbst; ausgestellte Fiktion aufrecht erhalten »vollen, wonach die europäischen Mächte in Amerika nichts zu suchen hätten, und das durch ein gelegentliches Einschreiten derselben die Autorität der Ver einigten Staaten verletzt tverden könnt«. Obwohl dieser Standpunkt völkerrechtlich durch nichts begründet ist, sind aber doch die Curvpamächte stets so höflich;, sich mit der llnionsregierung wegen des großen Interesses der Ver einigten Staaten auf dem Amerikavontingent sich mit Was hington ins Einvernehmen zu setzen. Merdings wird da durch den Hochmut der Yankees nur gestärkt und es könnt« nichts scbaden, tvenn bei aller Wahrung der diplomatischen Kvurloisie den Herren einmal zu verstehen gegeben würde, daß Amerika auf eine derartig zarte Behandlung keinerlei Anspruch hat. Man denke nur daran, wie bei dcM vorigen Venezuela-Konflikt in Nordamerika gegen Teutschland ge hetzt wurde, »veil es seine Interessen wahrnahm. So sieht u an auch jetzt wieder, daß inan trotz der Freundschaft, mit Frankreich eifersüchtig den» Vorgehen der französischen Re gierung dort zublickt unds durch die Blume zu verstehen geben wird, daß man es nicht dulden würde, wenn Frank reich allzuweit vorgehen würde. Tes Spaßes halber sei noch registriert, daß einige Hetzblätter in Newyvrk, die auch Ableger in Paris haben, ohne jeden Beweis die kühne Be hauptung aufstellen, Teutschland stehe hinter Castro, da dieser sonst schwerlich so unverschämt gewesen wäre. Man sollte meinen, Teutschland hätte Air Genüge gezeigt, wie inan über Herrn Castro denkt und Teutschland würde sicherlich, wenn es erforderlich wäre, dsas Vorgehen Frank reichs in jeder Weise unterstützen, denn eine Züchtigung „jenes Präsidenten" könnte nur im Interesse Europas und des dort investierten Kapitals liegen. Tagesgeschichte. Deutsche» «eich. Eine gestern iM Rathaus zu Stuttgart zu gunsten freundschaftlicher Beziehungen zwischen England und Teutschland abgehaltene Versammlung nahm einstimmig eine Resolution an, worin es. heißt: Es sei keil» Grund vorhanden, Gegensätze zwischen den beiden Nationen zu schaffen oder zu dulden, die ihre größten Güter zu gefähr den geeignet seien. Tie VersarnMlung verurteilt jeden Versuch, beide Nationen zu entzweien, und sie begrüßt alle auf die Aufrechterhaltung' und Förderung guter Bezieh ungen zwischen ihnen gerichteten Bestrebungen, wie sie in England und Teutschland in zahlreichen Kundgebungen dev Bevölkerung zu tage treten. Tie „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" meldet: Ter Königliche Gesandte in Hamburg v. Tschirschky, ist zum Nachfolger des Freiherr)» v. Richthofen als Staatssekretär des Auswärtigen Amts ii» Aussicht genommen. — Herr v. Tschirschky hatte gestern eine längere Unterredung mit dem Reichskanzler Fürsten v. Bülow und wurde darauf von Seiner Majestsät dem Kaiser empfangen. Gestern vormittag fand'in Berlin die Feier des Krö nung«- unk Ordensfestzes irrt Königl. Schlosse in gewohnter Weise statt. UM IIV2 Uhr begann die Cour der vorzustel lenden neudekorierten Personen vor den Majestäten. Ta- rauf fand Gottesdienst in der Schlvßkirche statt, wozu sich auch das diplomatische Korps einsand. Bei dem Mahl im Weißen Saal trank der Kaiser auf das Wohl der neu dekorierten Herren. Nachher hielten die Majestätei» Cercle ob. )( Etwa 35 italienische Arbeiter haben alsbald nach dein Bauunfall in» Altenbekener Tunnel, wobei zwei Ita liener umkamen, die Arbeit niedergelegt >»nd Altenbeken verlassen. Etwa 60—70 der übrigen 200 Arbeiter yaben am Sonnabend morgen mit der Forderung auf Lohner höhung und Arbeitsverkürzung die Arbeit niedergelegt; der Unternehmer verhandelt mit ihnen, wie es scheint, mit Erfolg, wenigstens ist Sonnabend abend die Nachtschicht in Arbeit. Ersatz für die Jntaliener hat der Unternehmer be reits einberufen. Unter den 42390 Studenten, die gegentvärtig an de»» sämtlichen deutschen Universitäten immatrikuliert sind, befinde»» sich, wie die „Franks. Ztg," erfährt, 3555 Auslän der, gegen 3178 iin letzten SornMer und^3097 im vorigen Minter: vor 10 Jahren waren es 2353, vor 20 Jahren 1711. Tie Ausländer machen gegenwärtig 8,7 Prozent der Gesamtzahl ans, der höchste Prozentsatz, der je zu ver zeichnen war; 3119 kamen aus europäischen, 436 aus außer europäischen Staaten; unter den ersteren sind 1326 Rus sen, 648 Oesterreicher und Ungarn, 359 Schweizer, 159 Eng länder, 116 Bulgaren, 80 Rumänen, 58 Serben, je 53 Grie chen und Niederländer, 51 Franzosen und 49 Italiener, 41 Luxemburger, 38 Schweden und Norweger, 33 Türken, 20 Spanier, 17 Belgier, 8 Portugiesen, 4 Tönen, 2 Monte negriner und 1 Lichtensteiner; von den übrigen kommen 309 aus Amerika, zumeist aus den Vereinigte»» Staaten, 101 aus Asien, der gxößte Teil aus Japan, 15 aus Afrika und 11 aus Australien^ Tie Zahl der in 'Hamburg bei den letzten K raivallen wegen Beteiligung an den Ruhestörungen oder Wege,» Tieb- stahls verhafteten Personen beträgt 42, darunter zwei weibliche. Tie Geschäftsführung der Hauptstelle Deutscher Arbeil- geberverbäpde hat ihren Mitgliedern einen Satzungsent- wurs über die Bilduüg eines Schutzverbandes gegen Streik schäden übermittelt. Sie hat sich damit eines^ Auftrages erledigt, der ihr in einer Besprechung der beteiligten Ver- bandsvertreter am 7. Tezember 1906 erteilt worden ist. Turch den Schutzverband soll eine Zusammenfassung der jenigen Arbeitgeberverbände eyziekt tverden, die ihren Mit gliedern im Falle unberechtigter Streiks' Geldentschädi gungen gewähren; aus den Beiträgen zuM Schutzverbande soll ein Garantiefionds angesantmelt werden, der es er möglicht, die Entschädigungsleistungen unter bestimmten Voraussetzungen auf den Schutzverband A» übernehmen. Nach Eingang der A» erwartenden Beitritterklarungen soll dann im März dieses Jahres die konstituierende Versamm lung dieses sich als eine Gruppe der Hauptstelle darstellen den Schutzverbandos'stattfind-en und die endgültige Fest setzung der Satzungen erfolgen. Frankreich. In den ersten Tagen deS Februar werden wiederum Mitglieder deS Londoner Grafschaftsrats in Paris zu längerem Aufenthalt eintreffen. Wiederum ist cin reich haltiges Programm, Besuch in Hospitälern und Schulen, im Louvre, in der Börse, Festoorstellungen in den Theatern, eine Fahr» nach Versailles, in AriSstcht genommen. Eine besondere Aufmerksamkeit wird diesmal die Statt Paris Der Kefreier. Noma»» von Reinbold Ortmann. Hßj (Nachdruck verboten.) »Meines Sohne» Verhalten bat Ihnen zur Genüge be wiesen, daß er meiner Zustimmung nicht bedarf; wem» ich Len Wunsch gehabt hätte, sie zu verweigern, würde daraus Lhrern Glücke kaum ein Hindernis erwachse» sein. Aber ich habe Sie als meine Tochter begrübt, und ich »reiß nicht, was ich noch mehr hätte tun sollen, um meine Einwilligung V» erkennen zu geben." (Der Befreier 82. Nr. 7.) .Sie haben es getan, well Sie sich einer vollendeten Tatsache gegenüber glaubten. — aber wenn Horst Sie vorher irm Ihren mütterlichen Rat angegangen wäre, wenn er die «Entscheidung von Ihnen abhängig gemacht hätte — würden ! ^ie ihn» auch dann geraten haben, den» Antrieb seines Herzen» j Mu folgen?' V4 »Sie fragen mehr, meine Liebe, als ich beantworten Möchte und als zu beantworten gut wäre. Gerade weil wir — wie Sie es nennen — vor einer vollendeten Tatsache stehen, sollten wir uns aller Grübeleien enthalten, wie er vielleicht Anders oder besser hätte werden können.' »Nein — nein! — Als eine Fran müssen Sie meinen Seelenzustand zur Genüge begreifen können, um mich nicht mit Beruhigungen adznfertigen, die in Wahrheit so wenig be ruhigend sind. Auf Ihrem Gesicht wie in Ihren Augen habe Ich es schon im ersten Moment gelesen, daß Sie mir grollen, baß Sie meine Begegnung mit Ihren» Sohn als ein Unglück für ihn mischen, und daß Sie mir die Tür gewiesen haben würden, wenn Sie nicht gefürchtet häiten, damit auch Horst von Ihrer Schwelle zu vertreiben.' Die Präsidentin setzte den leidenschaftlichen Anklagen eine ! «rüste würdevolle Miene entgegen. »Ich glaube »licht, weil» liebes Fräulein, daß ich Ihnen s Rechenschaft schuldig bin über meine innerster» Gedanken, und i ich wiederhole, daß rs meiner Meinung nach, viel besser ge wesen wäre, wenn wir alle derartigen Erörterungen vorläufig unterlassen hätten. Ta Sie aber gewissermaßen eine Recht fertigung meine? Benehmens von mir verlangen, verhehle ich Ihnen nicht, daß Ihre Vermutungen wenigstens in einem Punkte das Richtige treffen. Ich kann es allerdings nickt für ein Glück anseben, daß der Zufall Sie auf den Lebensweg meines Sohnes führte - sür ein Glück so wenig in bezug auf ihn, als in bezug auf Sie selbst. — Aber in dieser meiner Ueberzeugung ist wahrlich nichts, das Sie verletzen oder be leidigen müßte; denn es kommt mir nicht in den Sinn, Sie für eine Ungunst der Verhältnisse verantwortlich zu machen, über die Sie doch keine Macht besitzen.' ' Die letzten Worte waren dazu bestimmt gewesen, den Eindruck der vorhergegangenen abznschwächen; denn die jähe Röte, welche für einen Moment auf Astrids Wangen erschien, hatte deutlich genug bewiesen,, wie schmerzlich dieser Eindruck gewesen war. Aber es schien fast, als ob die unzweideutige Bestätigung eines Argwohns, der während der langen, schlummerlosen Nacht wie ein Alv auf ihr gelastet batte, der Tochter deS Bildhauers ihre verloren gegangene Fassung und äußere Ruhe zurückgegeben hatte. SS «Ich danke Ibnen für diese Offenheit, Frau von Kainach', sagte sie mit fast gelassen klingender Stimme. »Daß es nicht eigentlich meine Person ist, welche Sie mit Abneigung gegen diese Verbindung erfüllt, darf ich Ihnen wohl glauben; denn unsere Bekanntschaft ist ja »»»kurz, al» daß Ihnen alle meine Fehler und Mängel bereit» hätten offenbar werden sollen. Nur die Ungunst der Verhältnisse also läßt Sie in der Wahl Ihres Sohnes ein Unglück für ihn wie für mich er blicken? — Und würde» Sie es nickt für eine Pflicht des Mit leids halten, mich mit diesen Verhältnissen bekannt zu machen?' Die Präsidentin zauderte. .So wissen Sie vielleicht nicht, daß meii» Sohi» kein Vermögen besitzt', sagte sie endlich, .und daß die Militär behörden den Nachweis eines bestimmten Vermögen» fordern, ehe sie eine» Leutnant den Konsens zur Heirat «teilen?' „Nein, das wußte ich nicht — oder wenn ich es wußte, habe ich doch nickt daran gedacht. — Aber ich bin Ihnen dankbar, gnädige Frau, daß Sie mich noch zur rechten Zett darauf aufmerksam gemacht haben.' Es war bei aller scheinbaren Ruhe etwas la ihrer Antwort das Frau von Kainach betroffen machte. .Sie dürfen mich nicht mißverstehen, mein Kind', fügte sie rasch hinzu. .ES ist ganz selbstverständlich, daß an dem Entschluß meines Sohnes dadurch nickt das geringste geändert wird. Ich habe die volle Gewißheit, daß er das Opfer, welches ibn die Bereinigung mit Ihnen kostet, freudigen Herzens bringt.' »Und dies Opfer — worin würde es bestehen?' .Darin, daß er um seine Verabschiedung einkommt. Denn er kann Ihnen wohl unmöglich zumute», auf die Hochzeit zu warten, bis er zum Major befördert ist. Er wäre ja auch nicht der erste Offizier, der aus solchem Grunde in da» bürgerliche Leben »nrückkehrt und sich eine Stellung darin zu !. erkämpfen sucht.' SS > .E» gäbe also keine andere Möglichkeit al» diese?' .Keine, mein liebe» Kindl — Die Vorschriften, welche in bezug auf diese Dinge bestehen, dulden keine Ausnahme. — Aber ich wiederhole Ihnen, daß Sie sich darum keiner Sorge hinzngeben brauchen. Horst hat vor allem eine Ehrenpflicht gegen Sie M erfüllen, und er wäre kein Edelmann, wenn e» angesichts testen auch nur da» kleinste Schwanken oder . Zaudern für ihn gebe« könnte.' Astrid, die bisher in ihrer erheuchelten Gelassenheit un- > beweglich dagestanden batte, erfaßte plötzlich, ehe noch Frau j von Kainach ihre Absicht erraten konnte, die Hand der alten 1 Daiiie »ind führte sie au ihre Lippen. »Verzeihen Sie mir'.' sagte sie demütig. .Sie sind tausend» ! mal gütiger gegen mich gewesen, als ich es verdient habe.' ! .Aber was ist Ihnen?" fragte die Präsidentin, der da» Benehmen des junge» Mädchens immer rätselhafter wurde. ^Wa» sollte ich Ihne»» zu verzeihen haben-' (Forts, folgte