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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 12.01.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-01-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140112013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914011201
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914011201
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-01
- Tag 1914-01-12
-
Monat
1914-01
-
Jahr
1914
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LeUe 2. Nr. 19. Mocsen-ttUüggur.Lediger Tageblatt. Sinn kommen, je rückhaltloser sie die Verdienste Preußens mn das Reich und seine Kraft allezeit anzuerkennen bereit ist." Ventsche» Reich. * Die Kronprinzessin hat sich nach Danzig be geben und wird am 18. d. M. mit den tronprinz- lichen Kindern endgültig nach Berlin zurückkebren. * Die fortschrittliche Bolkspartei de, prenßilchen Abgeordnetenhauses hat eine Reihe von An trägen gestellt, die zum glühten Teil Wieder holungen aus der letzten Session sind. Die Anträge verlangen die Vorlegung eines Gesetzentwurfes, der das allgemeine gleiche und direkt« Wahlrecht init geheimer Stimmabgabe für Preußen einführen soll, Vorlegung eines Gesetzentwurfes, in dem den Gemeinte- und Kirchenbeamtcn sowie den Lehrern das passive Wahlrecht zu den Kommunalwahlen ver liehen wird, einen Gesetzentwurf betr. Befreiung der Dissidententinder vom Religionsuntcricht, die Vor legung eines Gesetzentwurfes, durch den in ganz Preußen den wirtschaftlich selbständigen fragen das aktive kommunale Wahlrecht verliehen wird, die Vorlegung eines Ministeroerantwortliä keitsgesetzes, die Regelung des Arbeiter- und Bcamteurcchts, die Neuregelung der Bezüge ter Altpennonärc, die Er Weiterung des Wahlrechts zu den Kreis und Pro vinziallandtagen. die Einwirkung der Armenunter stützung aus öffentliche Rechte, tue Zulassung der Voltsschullenrer zum akademischen Studium, die Be seitigung der Geschästsordnungsbcstimiiiung des Ab geordnetenhauses. nach der ein Abgeordneter von dcr Sitzung ausgeschlossen werden kann. Norwegen. * Das Staatsbudget für 1914 15 ist im Staatsrat vom König gebilligt worden und wird dem am Montag zuiammentretenden s'.orting vor^elegt lverden. Die ordentlichen Ausgaben betragen 154 900 000 Kronen, die außerordentlichen Ausgaben 15 081 000 Kronen. Die Einnahmen decken die ordent lichen Ausgaben, die gegen das Vorjahr eine Steige rung von 12 880 000 Kronen zeigen, von der auf das Heer etwa eine Million, aus die flotte 700 000 Kro nen entfallen. Unter den außerordentlichen Aus gaben entfallen 11611000 Kronen auf Eisenbahn anlagen, 710000 Kronen auf Tuberkuloien-Sanato- rien. 10 750 000 Kronen der außerordentlichen Aus gaben sollen durch die letzte Staatsanleihe gedeckt werden, der Rest durch den Ueberschuß des Budgets für 1912/10, der 8 Millionen Kronen beträgt. China. * Auflösung des Parlament». Ein Erlaß des Präsidenten Puanschikai ordnet die Auslösung des Parlaments an. Heinrich Eduard Srockhaus ch. Einen schweren Schlag hat am Sonntag der Leip ziger Buchhandel und mit ihm die ganze gebildete Welt erlitten: Der Seniorchef der weltbekannten Brockhausschen Verlagsanstalt, Heinrich Eduard Brockhaus, ist am Sonntag in Leipzig im 85. Le bensjahre gestorben. Heinrich Eduard Blockhaus wurde am 7. August 1829 in Leipzig geboren. Er besuchte die Universi täten zu Leipzig, Heidelberg und Berlin, promovierte 1850 als Doktor der Philosophie in Leipzig uitd wurde dann am 1. Juli 1854 von seinem Vater Hein rich Brockhaus als Teilhaber in di« Jirnur ausgenom men. 1880—94 war der Verstorbene Vorsitzender des Vererns der Buchhändler zu Leipzig, 1889—91 zwei ter, 1892—94 erster Borsteher des Borsenoereins der Deutschen Buchhändler, sowie länger« Zeit Vorsitzen der des Deutschen Buchdruckervereins und der Deut schen Buchdruckcr-Bcrussgenossenschast. Inhaber der Firma wurde dcr Verstorbene im Jahre 1874, als er nach dem Tod« seines Vaters das Geschäft in Gemein schaft mit seinem am 16. Juli 1838 zu Leipzig ge borenen Bruder Heinrich Rudolf übernahm. Am 30. Juni 1895 zogen sich beide Brüder ins Pri vatleben zurück und übergaben die Firma den beiden Söhnen Heinrich Eduard Brockhaus', Albert und Fritz. Heinrich Rudolf Blockhaus starb bereits 1898. Eduard Brockhaus überlebte seinen Bruder noch um mehr als 15 Jahre. Ein an Arbeit und unvergänglichem Schaffen reiches Leben liegt hinter dem Verstorbenen. Er war sich bewußt, der Erbe einer ruhmreichen Uederlieserung zu sein, und die stattliche Zahl großer Werke, dl« seiner Anregung ihr Erscheinen verdankt, legt Zeug nis ab von seinem nimmer rastenden Arbeitseifer. Von den größten Unternehmungen des Verlags seien hier genannt: die zehnte bis vierzehnte Auflage des „Konversations-Lexikons"^ „Staat» Lexikon". „Schiller-, Goethe, Lessing-, Shakespeare-Galerie": eine Bibliothek der wutschen Nationallitcratur, vom Mittelalter bis auf di« neueste Zeit: „Illustrierte Bibel" von Bendemann, Schnorr von Tarolsfeld u. a.; „Internationale wissenschaftliche Bibliothek"; „Bilder-Atlas", und außer den Werken deutscher und ausländischer Dichter und Gelehrter die Ver öffentlichungen der bedeutendsten wissenschaftlichen Reise- und Forschungswerke der neuesten Zett. Welche universelle Bedeutung der Verlag F. A. Brockhaus einnimmt, bewies der glänzende Verlauf der hundertjährigen Jubiläumsfeier der Firma, die am 16. Oktober 1905 in Leipzig staltfand. Es waren nicht nur die Angestellten und Freund« des Verlags, es waren Vertreter der ganzen gebildeten Welt, die hier ihren Dant abstatteten für alles, was die Firma und an ihrer Spitze Eduard Brockhaus ihrer Zeit geschenkt hatte. Die Erzeugnisse deutschen Geistes haben bei der Firma jederzeit eine ausgezeichnete Pflegstätte gefunden. Mit der tiefen und überzeugten Dankbarkeit des Enkels hat Eduard Brockhaus auch die Lebens- gejchichte seines Großvaters Friedrich Arnold Brock haus, des Gründers der Firma, geschrieben. Was er dort zur Ehre seines Vorfahren jagte, darf die Rach welk auch von ihm selbst sagen: Er war ein echt deutscher Mann. Das gilt nicht zuletzt auch in bezug aus di« politische Tätigten von Eduard Broahaus. Von 1871—78 gehörte er als Vertreter des Wahl- ireises Zschopau—Marienberg dem deutschen Reichs tage an. Wie die Sachsen Stephani, der_ Vertreter Leipzigs, Blum. Biedermann, Frühauf, Geniel und Pfeiffer, hatte er sich dort der nationallibe- ralcn Fraktion «ngcschlosjen und wirkte mit ihnen zusammen in jenen Jahren nachdrücklich für den Aue- lxnl der Reichsoerfassung in freiheitlicher Richtung, für die Vereinheitlichung des Rechte, für die Sicher stellung des Reiches durch Krafttguirg des Heeres. Als erster letzte er sich im Reichstage bei der Beratung des Preygesetzes im Jahre 1873 für die Gründung einer Deutschen Bücherei ein. Wie es uns Leipziger mit Stolz erfüllte, daß ein Sohn unserer Stadt in der deutschen Volksvertretung die erste An regung zur Verwirklichung dieses großen Gedankens gegeben hat, so wird Eduard Brockhaus vor Jahres frist die lebhafteste Befriedigung darüber empfunden haben, daß das lange anaestrebt« Ziel endlich erreicht worden ist. Mit aufrichtiger Dankbarkeit gedenken wir heute an seiner Bahre seines segensreichen Wir kens für den deutschen Buchhandel und für unser engeres und weiteres Vaterland. Das stolze, jetzt noch im Entstehen begriffene Gebäude der Deutschen Bücherei wird aber auch lünstigcn Geschlechtern un auslöschlich emprügen, was Eduard Brockhaus seiner Vaterstadt und seiner Zeit gewesen ist. Leiprig uns Umgebung Leipzig. 11. Januar. Vas Wetter -er Woche. DaS Wetter der letzten Woche brachte zlvei- ucaligeu Umschwung von Wärme zu Kälte. Die Wetterlage hat also bis heute die im Winter übliche Beständigkeit noch nicht erlangt. Tief druckwirbel, die bei Island entstehen, ziehen in ununterbrochener Folge nördlich an unS vorüber. DaS südwestliche Hoch macht vergebliche An strengungen, die Vorherrschaft zu erlangen. Kaum hat es seine Ausläufer bis nach Süddeutschland vorgeschoben, da drängt das Ties den Kern des Hoch nach dem Meere zurück. Wenn also die zentrale Lage des Hoch vorübergehend Tempe raturrückgang bringt, so kann doch dieser dann nicht anhalten, wenn der Windursprung wieder das Meer wird. Dieser wechselnde Wetter charakter ist auf die Schneebedcckung des Lan des nicht oyne Einfluß geblieben. Starke Schnee decke liegt nur noch bis zu 600 Meter herab. Bis dahin zeigt sie auch noch einen starken Zu- sanrmenhang. In tieferen Lagen ist Schnee nur noch stellenweise und vereinzelt zu finden. Im Tieflande ist der Schnee völlig verschwunden. Trotz zeitweise günstiger Entwickelung der Luftdruckverteilung hält die Entstehung einer reinen Winterwetterlage außerordentlich schwer. Vor allen Dingen stört die andauernde Bewe ¬ gung tiefen Druckes von Island nach der Mitte Rußlands. Jede Bildung eines Hoch im No» den, die für eine beständige Wniterlvetterwge Grundbedingung ist, wird auf diese Weise ver hindert. Man kann aber trotz alledem die Hoff nung nicht aufgeben, daß sich die Luftdru«>«r- teilung auch in diesem Winter noch gleichmäßig günstig gestaltet. Die heutige Wetterlage läßt uns tue Erwartung hegen, daß schon die nach- sten Tage eine reine Winterwetterlage bringen. Vom Nördlichen Eismeere her setzt sich seit etwa drei Tagen ein Hoch in Bewegung, das heute das Weiße Meer erreicht hat. Von hier au8 schiebt sich ein Keil flachen Druckes nach der Nordsee her. Dem neuen Tief, das bei Is land bereits gebildet und eben im Begriffe ist, südostwärts sortznschreiten, wird auf diese Weise der Weg gesperrt. Von ganz besonderem Werte würde cs nun sein, wenn das Hoch im Norden sich in den nächsten Tagen kräftigen würde. Die Vorbedingungen dafür find vorhanden. Die tiefen Temperaturen, die bisher Finnland und Nordschweden aufwiesen, haben sich erhalten. Die Temperatur erreichte in den letzten Tagen dort die Tiefe von — 2ö,0° 0. Die Beständigkeit tie fer Temperaturen erleichtert die Bildung eines kräftigen Hoch in hohem Maße. Die Aussicht auf beständiges Dinterwetter ist also vorhan den. Anzeichen dafür, daß das Hoch nicht voll und andauernd die Vorherrschaft erlangen wird, sind nicht vorhanden. Infolgedessen kann auch mit großer Sicherheit erwartet werden, daß sich in den ersten Tagen der kommenden Woche Neuschnee elnstellt und daß diesem alsbald ein weiterer starker TcmperaturrÜckgang mit Auf heiterung folgt. , * Kammrr-erichtsrat Ludwig Karl Münster s. Wie aus den Familienanzeigen der vorliegenden Ausgabe unseres Blattes ersichtlich ist. starb am Sonntag in Leipzig der Kammergerichtsrat und Hilfsrichter beim Reichsgericht Ludwig Karl Münster. Der Verstorbene, der am 23. Juli 1866 als Sohn eines Notars in Brühl geboren war, ver fügte iioer ein reiches juristisches Wissen. Die Ueber- sührung der Leiche des Verstorbenen nach Friedenau findet unter Assistenz der Beerdigungsgesellschaft „Ruhe sanft" statt. » Zum Sonntagsruhegesetz-Entwurs. Der neue Sonntagsruhegesetz-Entwurr sieht vor, daß es den Gemeindebehörden überlassen bleibt, die Verkaufs- bzw. Arbeitszeit weiter zu beschränken. Nun haben wir in Leipzig gegenüber mehreren anderen Großstädten bisher schon teilweise bes sere Sonntagsruhebestimmungen, als der neue Gesetzentwurf vorsieht, wenigstens für die Ladengeschäfte. Wir wollen hoffen, daß die Leip ziger Stadtverwaltung sozial genug denkt und nun keine Verschlechterung einlreten läßt, son dern vielleicht einmal daran geht, für die völ lige Sonntagsruhe einzutrcten. Namentlich waren der Rat und das Stadtverordneteutolle- gium des Dankes vieler tausend Handelsange- stcllter sicher, wenn sie die Arbeitszeit in den Kontoren an Sonntagen ganz verbieten würden. Es kommt natürlich viel darauf mit an, wie die Gemeindevertretung zusammengesetzt ill, um derartige Beschlüsse zustande zu bringen. Leider ist die gesamte nationale Arbeiter- und Ge- hilfenschafr Leipzigs bisher ohne jede Ver tretung in unserer Gemeindevertretung. Daß dies bald anders werden möge, ist die Auf- I gäbe deS „Wahlvereins nationaler Arbeiter und » Angestellter". Darum kann nur immer wieder ausgefordert werden: Angestellte und Arbeiter Leipzigs, schließt euch dem Wahlverein natio naler Arbeiter und Angestellter an und erwerbt daS Bürgerrecht! (Die Geschäftsstelle ist: Nürn berger Straße 30.) * Ausstellung über de» Alkoholismus. Der Leip ziger Bezkksverein gegen den Mißbrauch geistige. Getränke veranstaltet in der Zeit vom 18. Januar bis 8. Februar in den vom Rat der Stadt Leipzig be willigten Räumen des Städtischen Kaufhauses am Neumarkt eine Ausstellung überden Alko. Holismus, deren Besuch jedermann unentgeltlich offen stehen soll. Sie besteht aus den reichen Samm lungen des Deutschen Vereins gegen den Mißbrauch geistiger Getränke, ist schon in 98 Städten gezeigt und von Hundcrttausenden be sucht worden. Die feierliche Eröffnung dieser Aus stellung ist auf Sonntag, den 18. Ianuar, vorm. !41L Uhr, anberaumt. „Mre picsm Mehrung." 47j Roman von Arthur Babillotte. Nachdruck verboten. Die beiden Frauen halten sich viel zn er zählen. Madame Pipiucttc schlug einmal um öas andere die Hände über dem Kopf zusammen, als sie von den Schönheiten der französischen Hauptstadt hörte. Sie tanntc ja nur die idylli schen Kleinigkeiten ihres Heimatstädlchens. „Hat er einen schweren Tod gehabt?" fragte Germaine plötzlich. Madame Pipinctte erzählte, wie cs geschehen war, so viel sie selber wußte. „Ich möchte so gern seine Arbeiten haben," sagte Germaine. „ES ist da? Schönste, was ich mir von ihm wünschen könnte." „Ab, die blauen Hefte," sagte Madame Pipi nctte. „Irl, glaube, Picard hak sie für <Äe zu- rückbchallcn . . . Nicht ivabr, M'sicur Andre?" „Ja," sagte Picard, der sich hinter dem Büffet zu schaffen machte. „Ich will sie Ihnen holen, Germaine." „Sie guter Mensch," sagte das Mädchen ganz leise, als er ihr die engbcschriebenen Blatter in die Hand legte. „Wie Sie an mich gedacht haben . . ." „Germaine," — Picard trat auf sie zu, Ma dame Pipiuettc war in die Küche verschwunden, um nach dem Essen zu sehen — „Germaine, Sie müssen mir etwas sagen: Habe ich Ihnen damals sehr weh getan, als ich so . . . so brutal war wie die andern Männer . . .?" Sir hob das Gesicht zn ihm auf und lächelie. „Ja," sagte sie ehrlich „Aber später habe ich geiel^en, daß Sic besser sind als die andern..." „Daß Sie gerade so gut sind, wie Emile ivar," fügte sie nach einem NeineiMvon hin nrrd her schwirrenden Wünschen erfüllten Schwei gen hinzu. „Germaine!" Jetzt gab cö keine Macht der Erde, die ihn hätte zurückhalten können. Alles dränate sich in diesem Augenblick zusammen: da» verlangen, das ihm der von ihr ausgehende Duft in das enthaltsame Blut gepeitscht hatte, daS Zögern und Verzichten, da er sie in der Gewalt gehabt und nur hätte zugreifen dürfen, am Luger des kleinen kranken Schreibers, das heimliche Sichsorgen und Sichumtun für sie, das ihm selbst nur dunkel bewußt gewesen war, — alle? ballte sich in diesem Augenblick zu- saurmen und stieß ihn vorwärts, rrß ihin die Arme auseinander, daß er sie uni die Gestalt des Mädchens lege, beugte ihm den Kopf nach vorn, daß er ihren Mund, ihre Augen und ihre Wangen küsse. „Germaine!" Madame Pivinette räusperte sich in der Küche, draußen fuhr ein Auto vor. „Germaine!" sagte der Mann noch einmal ganz leise. Dann trat er vor die Tür, wieder ganz Geschäftsmann, Besitzer dcr Aubcrge „äu nolesi IsvLnt" und zweiter Direktor der Beyer-Picard- schen Automobilgesellschaft. Er begrüßte die Touristen, die von der deutschen Seite herauf kamen und sich lobend über die neue Verbindung aussprachen. „Jetzt will ich hiniibcrgehen," sagte Ger maine und fühlte sich mit einem Male wieder müde und unlustig. „Ich lverde Sic begleiten, Kind," — Ma dame Pipinette band die große blaue Mchen- schürze ab, — „aber nur auf einen Sprung, — damit es Ihnen nicht so schwer wird, Ger maine." Das Mädchen nahm die Reisetasche auf nnd öffnete die Tür. Die vielen Leute, die plötzlich in der Stube umherlärmten, machten sie ver wirrt. Madame Ptpinettc trippelte hinter ihr her. Als sie die Tür zur Wirtschaft „Bellevue" öffnete, schlug ihr eine gähnende Leere entgegen, erfüllt von widerlichem Geruch und dem bei zenden Rauch eines schlecht bedienten Herdseuers. Und mitten in dieser Oede, bejammernswert in seiner Verlassenheit, daS aufgedunsene Ge sicht voller rauher schmutziger Bartstoppeln, faß Eucharistc Grandidier: vor sich hatte er einen Liter Wein stehen, und seiner Haltung war an ¬ zumerken, daß dies nicht der erste war, den er sich an diesem Tage gönnte. Er blickte nicht auf, cs war ihm alles gleichgültig geworden; am zufriedensten fühlte er sich, wenn niemand sein Lokal betrat. „Pater," sagte Germaine leise. Ihre Stimme zitterte wie ein Kind, das für ein Vergehen, das es nicht begangen hat, büßen soll. „Vater." Nun geschah etwas Furchtbares. Beim Klang dieser Sriiiiinc, als cc das Wort ver nahm, das er bis an das Ende seiner Tage und darüber hinaus nicht mehr vernehmen zu dürfen glaubte, fuhr der unbeholfene Mann empor, mit aller Kraft, die ihm der viele Al kohol noch gelassen hatte' strack stand er da, seine flackernden Augen schienen die Muskeln zerreißen zu wollen, die sie festhielten, um aus das Mädchen hinübcrzuspringen und ihr Ge sicht, ihren Hals und den ganzen Körper abzu tasten, ob sie es denn sei . . . „Viadlv! viadls!" brüllte er, drehte sich wie von einer starken Hand geschoben, dreimal um sich selbst und fiel läng über den Tisch, über das Glas und die Flasche, daß sie in tausend Splitter zer krachten. Die Haushälterin stand unter der Tür und machte blöde Augen. Dann dämmerte in ihrem armseligen Bewußtsein die Erkenntnis, daß mit dem Eintritt dieses Mädchens ihre guten Tage gezählt seien, ja, daß sie vielleicht überhaupt gehen mußte —: da garte Haß in ihr. „Ich bin Germaine, die Tochter des Herrn Grandidier," sagte das Mädchen; es bereitete ihr eine wohltuende Erleichterung, daß tie in das Entsetzen, das sie beim Anblick ihres Vaters ergriffen hatte, ein gleichgültiges Wort hin- cinsprecheu konnte. „Herr Grandioicr will nichts mehr von Ihnen wissen," sagte die Haushälterin grob, in einem mit dem Beil zugehäuenen Französisch. „Xest-eo pas. mrwsiear Urrmäiäier?" Sie war zum Tisch getreten nnd schiittette nun den regungs los Daliegendeu wie einen vollen Sact. „Eh?" Sie brüllte ihm in die Ohren, und ein Toter hätte davon lebendig werden müssen. kV KEM' fäkaik NLlW' marsch zum Kampfe um das Koalitionsrecht und eine allgemeine Bewegung eingeleitet werden. Der Besuch der Versammlungen, die um IG/. Uhr vormittags begannen, war ziemlich gut' Im Vvlkshaus verbreitete sich der Refe- „r?«t-os prul, Sie haben keine Tochter mehr, Herr Grandidier?" brüllte das häßliche Meib. Da bewegte sich Madame Pipinette mit hasti gen Schritten auf sie zu, riß sie herum und be- aann, in dem schmutzigen verwahrlosten Gesicht Arbeit für ihre Hände zu suchen. Germaine stand wie gelähmt, mit gerunge nen Händen, im Hintergründe und hatte nur noch einen Gedankn: In dieser Luft soll ich von jetzt an wieder leben, großer Gott! lieber den Lärm kamen Picard und der Rechtsanwalt herbeigestürzt. „Zum Donnerwetter, sind denn diese Weiber ganz des Teufels?!" polterte Beyer. „Auseinander!" schrie Picard. Seine Wut warf sich aus Grandidier, der teilnahmslos über seinem Tische lag. Er riß ihn empor und suchte ihn auf die Küße zu stellen. „Jaja, . . . jajaja," lallte der Trunkene. Dann erblickte er mit seinen häßlichen, ge schwollenen Augen plötzlich die Tochter. Ein Zucken zerwühlte sein Gesicht, in seinem um nebelten Gehirn schien noch einmal em schwaches Licht aufzubrennen — er streckte beide Arme von sich und wankte einen Schritt auf das Mädchen zu. „Ich hab meine Tochter nmgebracht," lallte er, „und jetzt ist sie kommen, um mich zu ver dammen . . . Aber, aber . . Es schien, als wachse er mit einem Mal« zu einer Größe, die er in seinem armen Leben nie besessen hatte; fast ehern in einer seltsamen Starrheit stand er da, das verquollene Gesicht auf alle gerichtet, die um ihn her den Atem anhielten, — selbst die beiden Frauen lösten sich voneinander, — seine Hand, die er gegen alle auSgestreckt hielt, zitterte nicht wie sonst; mit einer Stimme, die alle erschauern ließ, mit einer tiefen, klaren Stimme sagte er nur: „Ich hab gefehlt. Aber wenn einer weiß, was c» heißt, zur Strafe so tief sinken zu müssen wie ich, der weiß auch, daß ich aller gebüßt hab.. Montto, IL Jeimar lS« * Die Liedertafel pes Verein, LetPztO« teote» beging «n Sonntag ihr» »0. Stiftungs feier durch ein Konzert tm Großen Saale des Zentralhotel de Poloane, »« dem sich eine zahl reiche Zuhörerschar ein gefunden hatte, unter der wir u. a. Bürgermeister Roth und Leipzigs jüngsten Ehrenbürger, Stadtrat Esche, be merkten. Da» Konzert begann der Männerchor unter der Leitung seine» Dirigenten Chor meister» Paul Gutbier mit dem „Graduale" von Grell und dem Liede „Set getreu" von Blumner. Opernsänger Possonh vom Leip ziger Gtadttheater sana darauf einige Lieder für Bariton, und zwar „Die beiden Grenadiere" von Schumann, die „Morgenhymne" von Hentschel und die „Wanderer" von Herrmann, die er mit seinem sympathischen Organ vortrefflich zum Vortrag brachte. Durch den Waldhornvortrag der Romanze „Am Abend" erfreute das Stadt- und GewandhauS-Orchestermitglied D. E. Mül ler. Der Chor sang ferner die Lieder „Auf hoher See" von Heyne, „Schlaftvandel" von Hegar. „Kommt ein Vogel" von Othegraven, das „Schelmenlied" von Nagler und „Der Sviel- mann ist da" von Henne, dann folgte der Vor trag der Arte und Romanze au» dem „Frei schütz", von Frau Großherzogl. Hofopernsängerin Antoinette Ries glänzend gesungen, und den Beschluß bildete dec Chor „Gustav Adolf" von Seminarmusiklehrer Hugo Herold, dessen Baritonsolo von Herrn Possony gesungen wurde, während die Klavierbegleitung der Komponist selbst übernommen hatte. Der Chor zeigte sich bei allen Vorträgen auf der Höhe seines Könnens und erntete, wie die So listen, den lebhaftesten Beifall, so daß auch Zu gaben nicht auSblieben. * Prolrstversammlungen. Der Bezirksvorstand der sozialdemokratischen Partei und das Ge- tverkschaftökartell Leipzig hatten für den gc strigen Sonntag acht Protestversammlungen em- berufen. In allen Versammlungen lautete die Tagesordnung: Kampf gegen die ge planten Ausnahmegesetze. Mit den ge strigen Protestversammlungen sollte der Auf- allgemeine Bewegung eingeleitet werden. Besuch der Versammlungen, die um IG/. ' jannen, war ziemlich gut' verbreitete sich, der Refe rent in seinen etwa 1*/,stündigen Vortrag zu nächst über die Entwicklung der deutschen Sozial demokratie, deren Wirken für die Arbeiterklas sen und ihre bisherigen Erfolge im Kampfe gegen das Kapital. Vor 15 Jahren sei es der klassenbewußten Arbeiterschaft gelungen, das Zuchthausgcsetz zum Scheitern zu bringen. Jetzt verlangten industrielle Verbände einen bcson deren Schutz der Arbeitswilligen bzw. Erlaß eines solchn Gesetzes. Die Regierung sei auch bereit, den „Scharfmachern" entgegenzukommei, Zwar lehne sie direkte Ausnahmegesetze ab, aber ihre Absichten seien genau so gefährlich wie die Forderungen der Arbeiterfeinde. Denn durch Verschlechterung oder strengere Auslegung der bereits bestehenden strafgesetzlichen Bestimmungen glaube die Negierung zum gleichen Ziele wie die Scharfmacher zn kommen. Das wichtige Koalitionsrecht sei also in Gefahr. Im Bolls Haus wie auch in den übrigen Versammlungen wurde eine längere Resolution angenommen, in der ein völlig freies Koalitionsrecht, das eine Lebensfrage der Arbeiter sei, gefordert und die von den Unternehmern gegen dieses in Szene gesetzte Hetze verurteilt wurde. * vortrasALÜend »er Deutschnationale» Hand- lungsgehilfen-Berbandes. Zum fünften Male in diesem Winterhalbjahr ruft die hiesige Orts gruwre des Deutschnationalen Handlungsgehil- sen-Verbandes seine Mitglieder und Gäste zu (Fortsetzung in der Abendausgabe.) ein« tag, trac Bu da» gen Bur lied Zwei Leit Vol vori Dr. holt wir! bett sch« Pro zu I abei der Hin fabr unb Da fant gen kett Sch Zig< arbe * 5 Ui Herr oom Tier Jom boge find! und bei I diese Eifer scha ziem! dürft ein j Wag auf I schul sr Petit -tad der § besser Leipz Verei unser nalen Leipz Aussi gefchr oemb o. R' Frei, wun c Handl draht, war d bcgliü grüße. : i von H den seine l vor di Ende auch «i Mimst junge schrieb, möglicl H ächze i er alle, teilte I Tochter Firma hat d«: angebli behaup habe; inzwiscl Guthe düngen diese P insgesa Jahr« . Mark r pfändet Angcklo und in Er hat. blicher < gegeben kasscnbü heben, i Frau L und me den wa ausgefn niären! jährlich großen 1 redete t brachte, bruche st barungs Guth« a sängn ftnnung rechte ar der seit Hatter w verbüßt wegen ?
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