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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 12.01.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-01-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140112013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914011201
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914011201
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-01
- Tag 1914-01-12
-
Monat
1914-01
-
Jahr
1914
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Morgen--Ausgabe ISS. Jahrgang für e«ip-ia n«s Vorort, üorch m,s«e rrü«,r VnAlr U» und Sprottrur« tmaltSgltch tu« yau» -krocht: monatlich I.1S M., »Irrtrittthrltch A.7S Ul. Sri ürr SrschäftrsteUr, unfern Mai«» uaü NuogadrstrUrn adgrhoit: monatlichlM.,»irrtrijährlichSM. Durch äi« Post: lunrrhalh vrutfchian-o unä ärr ärutfchrn lloloair» moaatlich i.r» M., »irrtrijährtich «.so M., auoschlir-tich postdrstrUgriä. vaa Lrtpztgrr kogrdlatt «rschriat wrrktag» »mal, Sonn- u. Zrirrtag» lmal. S» Erlpzig, »ra Nachbar»rtrn unb ärn Ort«» mit riarnrn Ziilalrn «irä 0t, yb«uüau»gad» »och am Mdraä Sr» Srschrlnrn, In» Hau» -rlirfrrt. Serlturr »räaMoa: SudruArUrui?» Zrrnsprrch^NnfchluA: Moabit Nr. «07. /strrtsblatd des Rate» und dcs poUreuunlLS derEtcrdtLerpzrs «räaktiv» un» SrschästofirU«: Johanni,gaff« Nr.», o r«r«sprrch.NaschluS Nr.t«««-, I«»« uu» 1«»»«. kür Insrrat, au» Lrtpztg »n» Umgrban, »i, »« >fpaitigeprtitzrilr»Pf.,»I«Nrklamrzrll«lM., »»» aurwart. so Pf., Nrkiamrn >.4S M., Zamilira- u.klrlnr flnzrigrn 0t« prtltzril« nur 20 Pf.,Snfrrat« »on Srhiirörn im amtlich»» Lril St« petitzrll« S» Pf. Orfchäftoanzeigen mit playoorfchrift im prrise rrhöht. Nadatt aaä» Larlf. Srilagr-rdUhr: Orsomtaufl.SM.öaakausrnS au»fchl.p»Ng«dlihr. Mnzrigrn-flnnabmr: )ohonnl»gaffr«, brl sämtllcbrn Filialen »«» tripzlgrr lagrdlattr» un» all«» Mnnonc«n»rxp«0itionrn ür» Sn« unü Nuolan»«». OrschäftostrU« für Srrlin u. Str pr. SranSrndurg: Direktion waltrr -lirgrl, DrrUn w. t», Margarrthrnftrafte ». Zrrnfprrch-flnjchiug: tilho» »07l. Nr. IS. Montsg, Sen 12. Isnusr. 1914. Vas wichtigste. * Der Senior des Hauses vrockhaus, Heinrich Eduard vrockhnus, ist am Sonntag morgen im 85. Lebensjahre in Leipzig gestorben. (S- bes. Art.) * Nach einer Meldung aus Köslin ist es der hunderttöpfigen Bevölkerung von Damker- ort gelungen, sich in das benachbarte Dorf Stein ort zu retten. (S. bes. Art.) * Die Sächsische Rodelmeisterschaft kam in Geising zum Austrag, der Liinder- kampf im Skispringen auf dem Semmering und die Oesterreichische Eishockeymeister- schaft in Prag. (S. Sp. u. Sp.) * Der Lawn - Tennis - Städtcwett- kampf Paris-Berlin wurde von der deut schen Reichshauptstadt überlegen gewonnen. sS. Sp. u. Sp.) * Zn Nizza wurde der mit 10V 000 Franken ausgestaltete Grand Prix von CH. LiSnarts Ma Lose unter W. Head gewonnen. (S. Sp. u. Sp.) * Der Verband Deutscher Ra drcnn- bahnen hielt in Berlin seine Hauptversammlung ab. (S. Sp. u. Sp.) Staatswerke un- Privatfabriken bei -er Lieferung von Kriegsmaterial. Bei Len Verhandlungen der Rüstungs kommission ist erneut die Krage aufgeworfen worden, ob das ^riegsmate'.ial künftighin ganz-- lich in Staatswerken hergestellt oder nach wie vor die Privatindustrie dazu hcrangczogen wer den sollte. So wünschenswert cs auch auf den ersten Blick erscheint, nur Staatswcrte für die Lieferung von Kriegsmaterial heranzuziehen, so ergibt doch eine nähere Untersuchung der ver schiedenen hier in Betracht kommenden Verhält nisse, daß ein solches Vorgehen kaum möglich ist. Es wird uns hierüber von sachverständiger Seite geschrieben: „Zunächst ist der Staat gar nicht in der Lage, die hohen Gehälter zu zah len, die für die teilenden Ingenieure, Konstruk teure und Erfinder notwendig sind, um sich die besten Persönlichkeiten zu sichern. Tie Pri vatwerke zahlen Gehälter, welche das Einkom men eines Ministers oder Kommandierenden Generals vielfach übersteigen. Es ist nicht an zunehmen, daß der Reichstag je solche hohe Be züge bewilligen würde. Dasselbe gilt von den großen Kosten, welche die Versuche beanspruchen, die oft jahrelang durchgeführt werden müssen, ehe eine neue Erfindung konstruktiv durchge bildet und reif ist, für die Truppen Verwendung zu finden. Diese Kosten steigen oft in dieMitlionen, und müssen häufig ausaegeben werden, ohne daß man sicher ist, daß sich aus den Versuchen wirklich ein kciegsbrauchbares Ergebnis ergibt. Diese hohen Unkosten können aber von den Pri vatwerken getragen werden, weil sic nicht nur für einen Staat, sondern für mehrere, nament lich auch ausländische Staaten liefern. Die Un kosten verteilen sich deshalb auch auf eine grö ßere Zahl von Lieferungen. Es kommt hinzu, daß ausländische Staaten viel größere Preise zahlen, als das Inland. Die Werke beschäftigen sich in der Regel auch nicht nur mit der Lie ferung und Anfertigung von Kriegsmaterial, sondern auch von Gegenständen anderer Art, so daß die dort gemachten Erfahrungen ohne weiteres auch der Kriegsabteilung zugute kom men und die Versuche sich billiger stellen, als wenn sie der Staat, der nur Kriegsmaterial anfertigt, machen würde. Die staatlichen Fabri ken, die nur für oen eigenen Bedarf arbeiten können, werden außerdem sehr unregelmäßig be schäftigt. Wird ein neues Geschütz, Gewehr oder Geschoß eingeführt, so muß der Betrieb außer ordentlich vergrößert werden, um den plötzlich eintretcnden großen Bedarf zu decken. 5)st die Einführung erst einmal erfolgt, so vergeht eine lange Reihe von Jahren, in denen der Betrieb nur sehr gering ist, da es sich dann nur um den Ersatz unbrauchbar gewordener Stücke han delt. Dies hat zur Folge, daß die großen An lagen mit ihren zahlreichen Maschinen zum Teil ganz unbenutzt daliegen. Außerdem wird nur ein kleiner Stamm geübter Arbeiter gehalten. Tritt nun plötzlich eine Massenan- sertiguna ein, so fehlt es an dem nötigen ge übten Arbeitspersonal, wodurch die Gute des hergestcllten Materials leidet. Die Privaiwerke sind demgegenüber in einer viel günstigeren Lage, weil sie infolge ihrer Lieferungen für die auswärtigen Mächte fortdauernd beschäftigt sind. Sie unterhalten außerdem zahlreicl-e Be ziehungen zu dem Auslande, stehen mit den oortigen Behörden und der dortigen Industrie in lebhafter Verbindung, erfahren deshalb auch vielerlei, was sich sonst der allgemeinen Kennt nis auch unserer amtlichen Stellen entzieht. Diese Kenntnisse kommen aber allen Versuchen und Konstruktionen zugute, und davon profitiert naturgemäß auch der eigene Staat. Es ist außerdem eine bekannte Tatsackie, daß die Prr- vatindustrie im allgemeinen billiger und schnel ler arbeiten kann, als die Staatswerkc. Es liegt dies in der Natur der verschiedenen Betriebe begründet, und in der besseren Ausnutzung der vorhandenen Arbeitskräfte. Bei einer Mobil machung tritt eine solche Erhöhung des Be darfes an Kriegsmaterial aller Art ein, daß die Staatswerke ihn allein nicht rechtzeitig lie fern können. Das Interesse des Staates fordert es daher, daß neben den Staatswerken auch noch eine leistungsfähige Privatindustrie vorhanden ist. Diese wird aber nur dann tatsächlich vor handen sein, wenn ihr schon im Frieden ent sprechende Aufträge zuteil werden. Aus diesen Gründen kann der Staat auf die Privatindustrie nicht gänzlich verzichten. Bisher hat auch die Heeresverwaltung mit der Heranziehung und Verwendung der Privat industrie im allgemeinen nur gute Erfahrungen gemacht, und die wichtigsten Erfindungen auf dem Gebiete der Waffentechnik sind von Privat leuten gemacht. Cs sei an die Erfindung des Zündnadelgewehrcs durch Drehsc, die Einfüh rung der Hinterladergeschütze und Verwendung der Stahlrohre durch Krupp, der neueren Ge wehre durch Mauser, in Oesterreich durch Mann licher, der vorzüglichen Fernrohre und Ent fernungsmesser der verschiedensten Arten durch Zeiß, Goerz und .Hahn, an die Konstruktion der Ballonabwehrkanonen durch Ehrhardt und Krupp, an den Bau eines Einheitsgeschosses für die Artillerie durch dieselben Firmen, an die Geschoßlieferungen von Loetve u. a. m. erinnert. Wir würden in unserer Waffentechnik noch weit zurückstehen oder gänzlich vom Auslände ab hängig sein, wenn wir nicht die Erfindung die ser Privatleute Und die Erzeugnisse ihrer Fa briken für unser Heer benutzt hätten. Und selbst tvenn sich in dem einen oder anderen Falle einmal eine Nnzuträglichkeit herausstellt, so hat der Staat stets Möglichkeiten, diesen Uebel- ständen abzuhelfen und Mißstände zu beseitigen. Es liegt kein Anlaß vor, das Kind mit dem Bade auszuschütten und die Privatindustrie bei der Lieferung von Kriegsmaterial aus,zu schlie ßen." Sv weit die Auffassung, wie sie von der Regierung und osr Militärvertoaltung vertre ten wird. Erschöpft ist die Sache damit nicht ganz, doch wird an der Hand der Beratungen der NttstungskomMission' noch' Gelegenheit sein, das Verhältnis zwischen Staat- und Privat interessen bei der Lieferung von Waffen und Kriegsmaterial und insbesondere auch die Be ziehungen zum Auslände zu erörtern. politische Uebefsjcht der Vorstoß -es Grafen gorck von Wartenburg wird in dec .^»e.ulen Presse mit Recht einer ordentlichen Kritik unterzogen. Die Konser vativen werden u. a. von der „Vossischen Ztg." daran erinnert, daß die Gründung und Festigung des Deutschen Reiches wahrhaftig nicht ihre Tat gewesen ist. Im Gegenteil! „Wer die großen Ereignisse, die zur Grün dung des neuen Reiches unter dem Kaiser tum der Hosienzollcrn führten, geistig vor bereitete, — heißt es da — das ist ganz ge wiß nicht die konservative Partei Preußens gewesen. Viele ihrer Mitglieder woll ten auch noch nach Sedan nicht sonderlich gern Kaiser noch Reich. Im Kriegstagebuch des da maligen Kronprinzen kann man darüber mancherlei ftuden. Wie Bismarck über die preu ßischen Partikularsten" urteilte. Und wie Graf Perponcher zum Prinzen Adalbert sagte: „Wir werden doch dies Kaisertum nicht für ge wöhnlich, sondern nur bei großen Hoffesten oder Feierlichkeiten anlegen." Und wie am 23. Januar 1871 der Kronprinz schreibt: „Ich fühle mich nur noch als Deutscher!" Und er ist, so zusagen, dennoch ein guter Preuße gewesen, auch nach dem Kriege, fraglich aber wird sein, ob er gestern mit der Mehrheit des Herren hauses für den Antrag gestimmt hätte, „im Reiche dahin zu wirken, dan der Stellung Preu ßens, auf die es seiner Geschichte wie seinem Schwergewichte nach Anspruch hat, nicht dadurch Abbruch geschieht, daß eine Verschiebung der staatsrechtlichen Verhältnisse zuungunsten der Einzclstaaten Platz greift". Dieser Beschluß liegt in der Richtung, die seit einem Jahrhundert der preußische Adel gegen den nationalen Ge danken und die deutsche Einheit verfolgt hat. Am letzten Ende ist vielen seiner Angehörigen noch immer das alles, auch wenn sie sich dessen nicht bewußt werden, nichts als „Nationali tät c n s ch w i n d e l". Der Reichskanzler hat sich verteidigt. Also muß er sich angegriffen gefühlt haben. Graf Höret erklärte sich mit der Antwort befriedigt und wollte nicht verstehen, wie man- seine Ausführungen als em Mißtrauens-' Votum bezeichnen könne, da er doch par lamentarische Mißtrauensvoten für unzu-! lässig erklärt habe. „Vielmehr beabsichtige' ich eher das Gegenteil." Wunderlich! Kommt cs bei einem Mißtrauensvotum nur auf Formel und Fassung an, und kann man es nickt auch in langer Rede und in kurzem Antrag abgeben, der die Person des leitenden Staatsmannes nicht erwähnt? Wenn aber „eher das Gegen teil" beabsichtigt war, nämlich ein Vertrauens votum: wie soll ein Vertrauensvotum zulässig, ein Mißtrauensvotum aber rin zulässig sein? Jedenfalls wird Herrn v. Betlnuann Hollweg die Wahl schwer werden, was ihm weniger unangenehm ist, das Mißtrauensvotum des Reichstages oder das Vertrauensvotum des Grafen Horck und der Herrenhausmehrheit. Im übrigen wird der Be schluß die Welt nicht erschüttern. Nickt das Herrenhaus, sondern der aus allgemeinen Wah-, len hcrvv'gegangene Reick Stag ist die be rufene Volksvertretung. Es ist ohnehin dafür gesorgt, daß hier die Bäume des Uni- tarismus nicht in den Himmel wachsen. Und Preußen zu „demolieren", kann der Mehrheit des deutschen Parlaments uni so weniger in den Kunst UN- Wissenschaft. Leipzig, 12. Januar. III. Eewandhauskammermusik. Sepultus, re- «urrexit, Lamento e trionfo — vor einigen Tagen sollte Arnold Schönberg abgelehnt werden, gestern jubelte man ihm zu. Sein Streichsextett hatte einen großen Erfolg. Ausführlich verbreitete sich der Chronist bereits über dies einsätzige Werk gelegent lich der Leipziger Erstausführung durch Rebner und Genoßen. Es ist der musikalische Reflex von Tehmels Gedicht „Verklärte Nacht": Tristan stimmungen, nur ganz ins Eigene, Persönliche und Ursprüngliche gekehrt, von aller Wirklichkeit entfernt und vollkommen versunken in dichterisches Schauen, gebettet in wunderbaren Wohlklang, wunder same Farbenakkorde ausstrahlend, sinnendurchglühtc Wärme verbindend mit selten zu findender Ver geistigung. Allo Kümmernis und Sorge der Erde ist geschwunden, die relativ begrenzten technischen Mittel der Saiteninstrumente scheinen sich zusehends zu erweitern, und es kommt zu Klangwirkungen durchaus domaterialisierter Art. Trotz der enorm komplizierten Arbeit klingt alles schön, klar, ja selbstverständlich, und mit der abgrundtiefen Leoens- empfiudung wechselt zuweilen bestrickende Anmut ab. Und auch die Stellen dieses auserlesenen Kammer musikwerkes, die vorübergehend aufs heftigste be wegt werden von leidenschaftlichster, hoch sich auf bäumender Bewegung, schließen sich jenen anderen entgegengesetzten gleichsam nur ergänzend an, gehen als organische, seelische Steigerung aus ihnen hervor uns bilden herrlich wirkende, das wahre künstlerische Maß niemals überschreitende Kontraste. So be trachtet ist auch von allem die von Arnold Schönberg gehandhabte musikalische Oekonomic in hohem Grade bewundernswert, tritt uns der Tondichter als ge reifter Aesthet entgegen. Schönberg strebte mit aller Kraft aus allem Realen heraus. Er ging unter die Mystiker und verfolgte, aller und jeder individuellen Willkür entsagend, konsequent nur die in die Welt der Innerlichkeit führende Linie. Sein Sextett ist ein Zeugnis vollkommenster subjektiver Kultur und höchsten künstlerischen Könnens, das sich der weitest ausgebreiteten technischen Mittel ausschließlich be? dient zur Darstellung des ihn beherrschenten, die musikalische Auslösung gebieterisch verlangenden Ge fühls. Und aufs neue stärkte der unbeschreibliche Genuß dieser wunderbar Phantasie- und gedanken reichen Komposition die schon zuvor gewonnen? Ucberzeuqung, daß es Arnold Schönberg ernst sei um die Kunst und er wahrhaft sei gegen sich selbst. Dem Gewandhause aber sei Dank gesagt, daß es seine Be sucher innerhalb nur weniger Tage mit zwei so be deutenden zeitgenössischen Tondichtungen bekannt ge macht hat Um Schönbergs Sextett gruppierten sich zwei andere Sextette, jenes von Beethoven in Es-Dur, das vornehmlich den beiden obligaten Hörnern Gelegen heit gibt sich auszuzeichnen, und das zweite, in G-Dur stehende für Streichinstrumente von Brahms. All gemeiner und überaus warmer Zustimmung zu er freuen hatten sich die Herren Konzertmeister Woll- gandt, Molschte, Herrmann, Heintzsch, Prof. Julius Klengel, Robert-Hansen, Rudolph und Frei, «einen Höhepunkt erreichte der Beifall wohl nach der Re produktion des Schönbergschen Stimmungsbildes, die von schlackenloser Reinheit war. Zwischen dem Es- Dur-Sextett und der viel umstrittenen Kammer sinfonie ist freilich ein Unterschied. Dort geleitet uns ein neuer Prophet mit freundlich führender Hand in eine neue Wslt, hier reißt er mit zorniger Faust den Schleier von einem Zsisbild, dessen starrer, in scheinenleerc Fernen und unermeßliche Weiten ge richteter Blick geeignet ist, den Beschauer zu schrecken. Folgen oder zurückbleiben ist hier allein die Frage, und eine strenge Scheidung vollzieht sich zwischen Untcrhaltungsucher und Kunstfreund. Aber wie der Kunstkritik, so ist auch einem aufnahmefähigen Pu blikum die Aufgabe gestellt, Wesen und Inhalt einer jeden künstlerischen Individualität zu erkennen zu suchen, auch wenn sie auf den ersten Blick hin noch so absonderlich erscheinen mögen. Wie sehr sich beide Faktoren irren können, beweisen statt lindert Bei spielen hinreichend nur deren zwei. Einst entsetzten sich die Hörer über dissonierende Querstände in der Einleitung eines Streichquartetts von Mozart, und nannten Len Komponisten tollhausreif, und ein seinerzeit wcitberühmtcr Kritiker erklärte als einzig schöne Stelle der Wagnerschen „Meistersinger" den ersten L-Dur-Drciklang des Vorspiels. Das gibt immerhin zu denken. Lugen Zoguitr. * * Das europäische Konzert. Lustspiel in drei Aufzügen von Max Roosen. Der Titel des gestern im Alten Theater zur Erstaufführung gelangten Stückes klang vieloerheißend. Man horste auf eine feine politische Satire. Aber man wurde enttäuscht. Das kurze europäische Konzert besteht im Grunde in der Gegenüberstellung einzelner Nationaltypen. Und diese Typen sind alles andere als originell. Da ist ein hölzerner englischer Lord mit dem üblichen Mode- und Sportspleen; da spukt ein gaunerhaft-gerissener Amerikaner, und der Deutichc wird natürlich durch einen treuherzig gelehrten Unioersitätsprofessor vcr treten. Er ist übrigens noch die beste Figur im Stück. Die eigentliche Handlung ist dürr und matt und be darf immer wieder der Peitsche, um weiter zu klap pern. Gleich anfangs taucht „Tas europäische Kon zert" auf. Ein junges Mädchen, hübsch, aber talent los — der Vater hat sich in Finanzkalamität er- * Zu« 7K. Geburtstag Viktor Blüthgen». Der Reigen der Festlichkeiten aus Anlaß des 70. Geburts tags Viktor Blüthge,s sand am Sonntag einen wür digen Abschluß in einem Festmahl, das der Ver ein Berliner Presse zusammen mit der Lite rarischen Gesellschaft zu Ehren seines lang jährigen Mitgliedes im Hotel Kaiserhof veranstaltet hatte. schossen, die Mutter versucht es mit einer Pension — entschließt sich, um der dringenden Geldnot abzuhelscn, ein Konzert zu geben und bewirbt sich bei dem Eng länder und dem Amerikaner um Protektion. Dieses Motiv wird dann vergessen; dafür spielen nunmehr vage Geldgcschichten und verhelfen zu einigen Theater szenen. Sie sind letzte Nachklänge der Gaunerroman, tik, die wir vor etlichen Zähren engros genossen haben. Gewiß ist hier und da etwas ganz lustig anzusehen, etwa, wenn der biedere deutsche Professor sich als Bonvivant versucht. Aber im übrigen klingen lange Dialoge. Die Pointen sind gezählt. Einige unvermeidliche poli tische Anspielungen geben nur wenig Würze. Allzu sehr vermißt man die bannende Schlagkraft der eng lischen Dialogdichter oder den funkelnden Witz der Franzosen, der solch undramatischer Form ein be dingtes literarisches Recht geben mag. Wie sehnt man sich aus solcher Hilflosigkeit heraus nach einer ge sunden deutschen Posse, die wenigstens dem Schau spieler die Möglichkeit gibt, aus dem Vollen zu schaf fen! Max Rossen fehlt vor allem eins: die Fähigkeit zu bühnendramatischer Gestaltung, Theaterfinn! Breite Dialoge und gewollte Geiftrcicheleien geben kein Lust spiel, und die aufgeflickten Effekte helfen über die allgemeine Dürftigkeit nicht hinweg. Interessant ist der Vergleich dieses blassen Erzeugnisses mir der hin reißenden Urwüchsigkeit der Komödie Rojenows, die wir am Abend vorher sahen. Hier ist volle Farbe uns alles Kraft. Alles lebt sich dramatisch aus, und man wird in Lieser Hinsicht an die Komödie Kleists erinnert. — Bei Roos en aber fühlt man stets Ab sicht und Konstruktion. Die Darstellung bemühte sich eifrig, diesem Flickwerk Leben zu geben. Erfrischen» wirkte in der trockenen Sphäre vor allem der herrlich oollsaftige Freiburger Unioersitätsprofessor Bruno Decarlis. Die leise Komik seines weltfrcinden Idealismus überzeugte. Emil Mamelock und Eugen Zad eck vertraten charakteristisch die englische und amerikanische Nation. Marie Schwarzer- Paschke war voll vornehmer Natürlichkeit, und Llarissa Linden gefiel durch anmutiges und be wegtes Spiel. Die Regie Carl Huths hatte das ihre getan, um dieses Lustspiel bühnenmöglich zu machen. Or. krieckriob 8obro<cki. * Aus der Theaterchronik. „Cafard", das Fremdenlcgionsschauspiel von Erwin Rosen, dem bekannten Verfasser der „Erzählungen aus der Fremdenlegion" und „Lausbub in Amerika", gelangt am 15. d. M. am T h a l i a thea te r in Ham burg zur Aufführung. * „Der gute Rus" vor dem Reichsgericht. Zn dem Prozeß, den Sudermann gegen Dr. Jacob - sohn und Dr. Lessing wegen der vorzeitigen: Veröffentlichung eine: Würdigung seines Schauspiels „Der gute Rus' in der „Schaubühne" geführt hat, und in dem Zacobsohn zu 200 und Dr. Lessing zu 100 .L Geldstrafe verurteilt worden waren, hatte Lessina Berufung eingelegt. Der Revisionsprozeß kam Sonnabend vor dem Reichsgericht zur Verhand lung. Der Neichsanwalt hielt die Einwendung der Revision für nicht beachtenswert. Daß der An geklagte als Mittäter anzukehen sei, unterliege keinem Bedenken. Wenn auch Redakteur Jacobjohn der eigentliche Täter sei, so sei nicht ersichtlich, warum der Mittäter, der einen Artikel zur Veröffentlichung cinsende, nicht als Mittäter sollte angesehen werden können. Das Reichsgericht erkannte auf Ver werfung des Rechtsmittels. * Amtliche Nachrichten von der Universität Leipzig. Die hiesige medizinische Fakultät hat dem K. S. Sa- nitätsrat Dr. med. Hauswald in Dohna aus An laß keines 50jährigen Derufsjubiläums den medi zinischen Doktortitel ehrenhalber ver liehen und ihm bei Uebersendung des Diploms ihre Glückwünsche ausgedrückt. * Ueber die Ursprünge unserer politischen Gegen sätze stellt Archwdirektor P. Wentzcke im 3. Bande der Quellen und Darstellungen zur Geschichte der Burschenschaft und der deutschen Einheitsbewegung als eines der wertvollsten Ergebnisse der cindringen- den Beschäftigung mit der Geschichte der Burschenschaft die Erkenntnis jest, „wie sich im geistigen, politiichen und religiösen Leden der Jahre nach den Befreiungs kriegen die Keime der konservativen und jiberalen Anschauungen des 19. Jahrhunderts wechselseitig be fruchten und anregen. Für das protestantische Nord deutschland ist es bekannt, daß aus der burschenschaft- lichen Bewegung die Führer der Orthodoxie, de« Pietismus und der konservativen Partei heroorgc- aangen sistz. Die Namen H e na st e n be r g. Rudolf Stier. Julius Stahl und Heinrich Leo bezeich. nen wenige Jahrzehnte spärer den Höhepunkt einer Richtung, die weit abführt von den liberalen An schauungen, die die Burschenschaft in ihrer lleber- lieferung stets icstgehalten hat. Äehnlich strebten die hervorragenden Mitglieder der alten Freiburger Burschenschaft im politischen und religiösen Leben der nächsten Jahrzehnt« auseinander".
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