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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 06.01.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-01-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140106011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914010601
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914010601
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-01
- Tag 1914-01-06
-
Monat
1914-01
-
Jahr
1914
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Morgen-Ausgabe «»kr». für Letpzia onü Vorort, Surch «ns«« Triiaer VeAUASPkklsk» ur»0 Sprüiteur« »mol täglich In« Hao» gedeacht r monatlich M-, »I.rtellShrUch ,.7» M. Sei «»lchilstesteU», «nsern Ziiiale» on0 NuegadesteUen obgeholt: monatlich > M., vlertellührtlch 3 M. Vnrch »l« Post: lnnrrhald veutfchlanü, un» »er üeutfchen «alanlen monatlich I.S0 M.. vierteilährltch ».SS M.. auoschlletzlich poftdeslrUgeiü. va» Leipziger Tageblatt erscheint werktags rma>,Sonn-u. Feiertag« lmal- In Leipzig, den Nachbarorte« nn» de» Orten mit eigenen Malen wird die ftbendansgad, »och am sidend »«« «rscheinen, in, -an« geliefert. oerUner Nedaktton: Inden Zelten >7, Zernsprech-finschlug: Moabit Nr. 447. hmrdelsSeUung /lrntsblatt des Rates und des poUreüuntes der Etocdt Leipzig Nedaktlon oad OeschSflsfiell«: ^ohanntogass« Nr.» o Zrrnsprech-Aaschlu- Nr. 7»»«, >«d« na» I4dd<» ISS. Jahrgang flnzelgenprels«: «! von auowart» 30 Pf., Neklamea 1.20 m., Zamilien- u. klein» finzligen dl« petttzeil« nnrro Pf., Inserat« »on VehSrden im amtlichen Teil dl» petitzetle »0 Pf. Oeschdftoonzeigen mit plohvorschrist im Preise erhöht. Nadatt noch Tarif. Srilagegebühr: OesamtauflogrSM.proTausend rxkl.postgebühr. finzeigea-finaakm«: Zohanaisgalse«, bei sämtlichen Malen de» Leipzig« Tageblatt»» und allen finaonern-Tepedltionen de» In- und fiueload«. Oeschäftostell» sllr Seriin u.Ll» pr.Vranüenbnrg: direktionwalterZiirgel, Verli« w. 1», Margorethenstrah» «. Zernsprech-flnschluA: Lühow »071. Nr. S. Dienstag, üen 6. Januar. l914. Des Hohneujahrsfesies kn Sachfen ivegen erscheint -ie nächste Nummer am Mittwoch früh. Vas Wichtigste. * In dem Prozeß gegen den Oberst von Reuter und Leutnant Schadt wurden am Montag die beiden Angeklagten, Kreis- direktor Mahl, Regierungsamtmann Großmann, Bürgermeister Knöpfler, Staatsanwalt Krantz, Leutnant p. For st ner rind viele andere Zeugen vernommen. (S. bes. Artikel.) * In Königsberg wurde eine große Anzahl von Militärbeamten unter dem Verdacht der Spionage zugunsten Rußlands verhaftet. (S. Dischs. Reich.) * Der griechische Ministerpräsident Veni- zelos begibt sich heute von Athen nach Rom und von dort aus nach Paris. * Heute vormittag trifft das Militär luftschiff 2. VI in Mockau-Leipzig ein; der neue 2. VII macht morgen seine c r st e Fahrt. (S. Sp. u. Sp.) * Die Mitteleuropäische Wirt schaf t s ko n f e r e n z ist am Montag in Pest '.röffnet worden. (S. Pol. Uebers.) * Der Dampfer „Delaware" ist mit 40 Mann an Bord in der Nähe der Küste von New Aork leck geworden. Bei dem herrschen den Orkan erscheint eine Rettung unmög lich. (S. Nachr. v. Tage.) ver preußische Landtag 1-14. Von Landgerichtsdirektor Dr. v. Campe in Hildesheim, M. d. A. Die erste Tagung nach Neuwahlen pflegt parteipolitische Auseinandersetzungen zu bringen — auch über die Wahlsündcu der verehrten Geg ner. Im Preußenhause ist die Neigung dazu nicht gerade groß; das ehrt das Haus. Heute liegen zudem die Wahlen mehr als ein halbes Jahr zurück. Die erste Hitze ist verflogen. So wird die Wahlmäsche zum guten Teil ungewaschen bleiben. Gut so. Aber an allgemeinpolitischen, auch parteipolitischen Erörterungen wird es nicht fehlen. Zwar nahm der Reichstag das Neueste vorweg. Zubern und Welfenfrage werden aber auch jetzt noch ihr Recht verlangen. Tas unglückselige Zabern! Wahrlich nichts Welt bewegendes, meinte der Kanzler. Das stimmt: dennoch bewegte es die deutsche Welt. Um so bedauerlicher, daß unsere Staatskunst diese Be wegung nicht zu meistern wußte. Das ist doch der springende Punkt, den ein Wust von Agitation immer wieder verwischt. Und daneben die un verantwortliche Kritik, die die Oeffcntlichkeit hüben und drüben — wahrlich nicht erst seit Jagow — an dem noch nicht rechtskräftigen Richterspruch übt. Dsts darf nicht sein. Das darf nicht einreißen. Das trägt öffentliche Stim mungen in den Gerichtssaal. Mutz denn Zabern uns auch die Unabhängigkeit des Rechts noch gefährden? Auch da steht viel auf dem Spiel. Wir glaubten vor Monden das Grabgcläute welfischer Agitation zu hören. Wir hatten An laß dazu. Wir freuten uns des Einzuges des Herzogs in Braunschweig. Daß damit die Welfenfrage erledigt sei, schien dem beschränk ten Untertancnversiande so selbstverständlich, so natürlich, so unmittelbar in der Sache gegeben. Nichts von all dem. Kühner als vorher erboben die Führer ihr Haupt. Verwegener nach Form und Inhalt wird die Agitation. Die „Nord deutsche" schreibt und schreibt, aber — sie änderte nichts. Auch da ist das letzte Wort noch nicht ge sprochen. In beiden Fragen und so in mancher anderen stehen Konservative gegen Zentrum. Wird der Riß, den der blauschwarze Block längst erhielt, auch nach Preußen herübersprinaen? Doch all das wird die Parteien nicht der Fülle an Arbeit entziehen, die vor Ihnen liegt. Jahr um Jahr drängt der Landtag nach zeitiger Einberufung. Spruchreife Fragen, zum Teil seit Jahren spruch reif, heischen Erledigung, aber eine stmhzcitigc Einberufung erfolgt nicht, Preußen bleibt voll unerledig er Reformen. Da ist das Fideikommißgesetz im Entwurf seit 1895, zur Vorlage an den Landtag seit 1903 fertig. Mehr denn 7 Prozent des Grundbesitzes ist gebunden, in Oppeln und Stralsund gar 21 Prozent, in manchen Kreisen fast 50 Prozent. In den letzten fünf Jahren sind 142 000 Hektar neu fidcikommissarisch ge bunden. Wir verkennen die Bedeutung der Fi deikommisse nicht. Aber in einer Zeit, da es mehr denn je gilt, die landwirtschaftliche Pro duktion so zu steigern, daß wir ganz auf eigenen Füßen stehen, in einer Zeit, da Rußland sich anschickt, uns die Menschenzufuhr ernstlich zu unterbinden, da gilt es, durch eine großzügige innere Kolonisation Bauernbesitz zu schaffen; er allein garantiert uns Menschen, Ge treide, Vieh. — Innere Kolonisatiousanfänge haben wir genug gemacht; — der letzte Etat warf 25 Mill. Mark, einschließlich der Forderung des Ostmarkengesetzes sogar 200 Mill. Mark, aus —; aber innere Kolonisation in großem Zuge, als die Aufgabe unserer inneren Politik will bei uns noch nicht werden. Hier erwarten wir eine Initiative der Regierung, die über alle offenen oder latenten Widerstände der Hochagrarier und ihrer Freunde dahinschreitet, eine Initiative, die systematisch diesein wichtigsten Ziele innerer Po litik zusteüert. Ein modernes Fideikommißgesetz ist nur ein bescheidenes Stück dieses Reform werkes, daß die Grundlagen unserer äußeren und wirtschaftlichen Machtstellung zu sichern hat. Es ist höchste, allerhöchste Zeit. . . Im Zusammenhang dainit das längst an gekündigte Parzellrerungsgesetz, das unserer Polengesetzgebung zu vollem Erfolge noch fehlt und gleichfalls der Sicherung klein bäuerlichen Besitzes dient. Ein Wohnungsgesetz ist angekündigt. Unsere sozialdurchsetzte Zeit will es nicht missen. Wohnung ist uns nötiger fast als Essen und Trinken. Mißstände dort rächen sich an Leib und Seele wie Entbehrungen hier. Der Herd der Tuberkulose, des fürchterlichsten Würg engels umeres Volkes, ist die Wohnung. In un zähligen Prozessen habe ich beobachtet, daß Grund und Anlaß zu Straftaten in unzulänglichen Wob- nuugsvcrhältnissen zu suchen war. Aber es gibt eine Wohnungsfrage nicht nur für Großstädte, nicht nur für Städte — nein auch für das platte Laub. Wird die Regierung auch hier durch greifen mögen und können? Das kostet etwas. Es wäre um so nötiger, als wir damit dem Problem der Entvölkerung des plat ten Landes endlich praktisch näher träten. Eine Novelle zum Kommunal st euer- gcsetz wird vor allem Anlaß geben, die Grund steuer neu zu regeln. Ob die Novelle sich an eine Neuordnung der Aufbringung der Schul lasten heranwagen wird, wie in Aussicht ge-' stellt wurde, scheint noch nicht sicher. Hier ist bis dahin noch jede Lösung unbefriedigend ge wesen. Doch scheint heute die Ueberreugung immer mehr Gemeingut zu werden, daß die mittleren Gemeinden noch mehr als die ganz kleinen belastet sind . . . Daneben harrt die Einkommensteuer reform der Erledigung. Nach dem Miß ¬ erfolg der letzten Session scheint die Regierung warten zu wollen. Sie hat ja die Zuschläge; sie bringen etwas ein, so häßlich sie drcinschauen. Wichtiger als ihre organische Einarbeitung wäre ein von Schikanen freies, aber gerecht durch- greifeudesEinschätzungsverfahrcn. Sachverständige munkeln, daß 'es mehr bringen würde, als alle Zuschläge. Möglich, daß man mit all dem wartet, bis die große Inventur, die die Wehrsteuer bringt, beendet ist. Und im Hintergründe schlummert die W a h l r e ch t S f r a g e. Wenn sich doch end lich ein „Preußenbund" fände, der als Prinz dieses Dornröschen zum Leben erweckte. Aus dem Röschen wird allmählig eine Rose und die Dornen werden immer stachlicher und härter. Das Versprechen der Thronrede von 1908 ist noch unerfüllt. Es war noch stets zwingendes Gebot jeglicher Staatsweisheit, unaufhaltbare Forderungen beizeiten zu erfüllen, um nicht dem Radikalismus zuzutreiben. Wird der schwarz blaue Block hier noch halten? Die öffentliche Wahl wird überall als unerträglich empfunden. Von der großen Verwaltungsreform ward cs stiller und stiller. Sie ruht im Zeitenschoße, will heißen dec Jmmediatkommission. Ja Preußen ist das Land der Reformen, bevor stehender Reformen . . . Neben all dem pocht die soziale Frage des Mittel st an des laut vernehmbar an die Tür der Preußenkammer. Die uationalliberale Frak tion hat diese Laute nie überhört. Da sind unzählige größere und kleinere Fragen des schwer ringenden gewerblichen Mittelstandes in Stadt und Land: Konkurrenz des Großkapitals, steuerliche Belastung, Verhältnis von Fabrik und Handwerk und was der Dinge mehr sind . . . Und endlich Beamtenfragen aller Art. Die Militäranwürter haben so manche Wünsche; sie scheinen nicht unberechtigt — auch aus an deren als Standesgründen. — Die leidige As s ist en te n i ra g e wird sicl/er — hofsenl- lich für alle Assistenten — gesetzliche Regelung finden, hoffentlich auch die Frage oer Alt- pensionäre, die nach dem Vorgänge an derer Staaten auf gesetzliche Ansprüche statt auf Unterstützungen sich yingewiesen sehen möchten. Der Etat wirft, eine Million meor aus; damit allein ist's nicht getan — gesetzliche Regelung heißt die Losung. Möchten mit den 19 Mill. Mark, die der Etat für Beamten mehr aus wirft, auch die dringendsten Forderungen der Untcrbeamten erfüllt werden können! — Hier gibt's so manche Unzufriedenheit zu bc- I seitigen. Es muß endlich gelingen. OdkkA m Rciitn vor im KritWmcht. (Fortsetzung aus der gestrigen Abendausgabe.) Straßburg, 5. Januar. Gbersi von Reuter rechtfertigt sich. Auf die Frage, warum Landgerichtsrat Kalisch verhaftet Im weiteren Verlaufe seiner Vernehmung er klärte der Angeklagte Oberst v. Reuter auf Be fragen. daß seine Offiziere durckaus be sonnen gewesen seien. Leutnant Schadt habe ihn ruhig und klar gefragt, ob er berechtigt sei, Leute sestzunchmen, worauf er, Reuter, ihm bemerkt habe, daß er dies tun dürfe. Der An geklagte habe seine Rekruten nach der ersten Ver öffentlichung in der Presse belehrt, saß sie unter allen Umständen Beschwerden an ihre Vorgesetz ten zu richten hätten. Der Inhalt dieser militäri schen Instruktion sei am anderen Tage wieder in den Zeitungen veröffentlicht worden. Unter den von ihm belehrten Leuten habe sich auch sein eigener Pferdebursche. ein Elsässer, befunden. Er habe diesen bestrafen müssen; er habe die Auffassung, daß dieser Bursche auch die erste Zeitungsmel dung veranlaßt habe. Am 28. November sei Leut nant Quaring gezwungen gewesen, mehrere Leute fest zunehmen, weil die Schreiereien und die Unruhen auf der Straße kein Ende nahmen und kein Schutzmann zu sehen war. Er habe die Ueber- zeugung gewonnen, daß er nunmehr für Ruh« sorgen müsse. Er habe sich durchaus für berechtigt gehalten, auf Grund einer Bestimmung vom Jahre 1820 über den Waffengebrauch des Militärs. Wegen der Ab, Wesenheit der Polizei hätte er das Mili tär schützen müssen. Am Abend des 28. No vember, nachdem er bereits auf dem Schloßplatz die Wache habe in« Semehr treten, laden und trommeln lassen, wäre das Gejohle und Geschrei fortgesetzt worden. Die Menge sammelte sich mit großer Schnelligkeit, und es sei sehr schwierig gewesen, sie auseinander zu bringen. Ein Oberlehrer habe einem seiner Zahl meister an jenem Abend gesagt: „Gott sei Dank, daß endlich die Soldaten eingreiifen, damit es Ruhe gibt." Auf eine telephonische Anfrage beim Kreisdirektor sei ihm erwidert worden, der Kreisdirektor habe sich zu einem Diner in Straßburg begeben, es sei niemand da. Der Bürgermeister lag krank im Bett. Oberst o. Reuter sagte ferner aus, er Kade am Abend des 28. November ernstlich eingegriffen, um zu zeigen, daß man «nr mit Ernst den Unruhen «in Ende machen könne und, um die Zivilverwaltungzu ver» anlassen, jetzt auch endlia» einmal die Ruhe wiederherzuftellen. worden sei. erklärte Oberst v. Reuter, dieser habe der Aufforderung, sich zu entfernen, nicht Folge geleistet. Die Offiziere hätten den Be fehl gehabt, jeden zu verhaften, der sich nicht freiwillig entferne. Obgleich die Un ruhen um 247 Uhr begonnen hätten, habe er erst nach ^8 Uhr von der Zioilbehörde den Regierungsamt mann Großmann erreichen können. Dieser sei sehr aufgeregt gewesen und habe angefragt, ob man auf die Menge schießen wolle, worauf er ihm erklärt habe, er werde nur im Not fall schießen. Er habe die Verpflichtung, nicht nur das Ansehen der Armee, sondern auch die starkerschütterte Autori tät zu schützen. Die Regierung habe die ganzen Tage über die Zügel am Boden schleifen lassen. Er habe das Versprechen gegeben, nicht schießen zu lasten, wenn Großmann die Leute auseinandertreibe. Auf die Frage des Verhandlungsführers, warum er die Leute nicht aus dem Pandurenkeller in daS Bezirksgefängnis habe überführen lasten, erklärte Oberst v. Reuter: „Ich konnte die Leute nicht aus dem Keller lasten, solange dis Straße voll Menschen war; ich mußte eine Revolte befürchten. Ein anderer Raum stand mir nicht zur Verfügung. Ich habe dafür gesorgt, daß die Leute zu essen bekamen. DieVernehmungder Verhafteten dauerte bis Ve2 Uhr nachts und wurde abgebrochen, um am anderen Morgen fortgesetzt zu werden. Auf die Frage des Vsrhandlungsführers, warum Leutnant Schadt in die Häuser eingedrungen sei, erklärte der Oberst, daß er mit Bezug auf die Kundgebungen vor dem Lokal „Zur Sonne" gesagt habe: „Wenn die Schreier dort nicht aufhören, gehen Sie dort hinein und holen Sie die Schreier!" Oberst von Reuter klagt sodann die Zivil»«r»»Uung heftig an, daß sie nicht genügend Sorge dafür getroffen habe, in Fallen, wo ein« Beleidigung von Militärs ersonen erfolgt lei. die Leute fest zu st eil en. Die Zivikböhörde sei immer erst eingeschritten, wenn e« zu spät gewesen sei. Hätte sie mit größerer Schnelligkeit gearbeitet, dann wären weitere Tumulte vermieden worden. Auf eine Frage des Verhandlungsführers, ob er sich bervuszt fei vorschriftswidrig ge» handelt zu haben, erklärte Oberst von Reuter: „Ich habe noch das Gefühl, nach Gesetz und Recht gehandelt zu haben. Ich würde heute wieder so handeln, denn ich bin dem Kaiser gegenüber verantwortlich". Auf eine weitere Frage, ob er das gleiche Gefühl noch nach der Rücksprache mit den Juristen gehabt hätte, erwiderte der Oberst: „Die Jurisprudenz war jür mich in jenem Augenblick nicht maßgebend, denn die Richter waren beteiligt und daher nicht unbefangen". Auf die Frage des Anklagevertreters Oslan der, ob er sich mit dem Regierungsamtmann Großmann dahin verständigt habe, daß er. wenn jener weitere Ansammlungen verhüten würde, kie Exekutivgewalt bei der Zivilverwaltung belasten würde, erklärte der Oberst, das habe er aller dings versprochen. Als aber dann einige Zeit später neue Unruhen einsetzten, die von der Zivilverwaltung nicht gedämpft wurden, habe er jedes Vertrauen zu dieser vollständig verloren: denn die Polizei habe trotz der wiederholten Versiche rung nicht eingegriffen. Er sei auf seine eigene Initiative angewiesen gewesen. Vie Vernehmung -es Angeklagten Leutnants Scha-t. Angeklagter, Leutnant Schadt: „Wir waren völlig schutzlos. Die Bevölkerung höhnte uns und joklende Zurufe wurden uns fortgesetzt entgegengeschleudert. Am 26. November habe ich einen Schreier fest- nehmen lassen, von dem bekannt war, daß er fortgesetzt Schlägereien mit Militär personen hatte. Etwa hundert Leute johlten und pfiffen vor der „Sonne". Am 28. November sei er wegen des furchtbaren Gebrülls an der Kanalbrücke mit zwanzig Mann ausgerückt, um die Schrerer fest zunehmen. Der Angeklagte bestreitet entschieden, den Zivilisten Kormann geschlagen zu haben, so daß dieser einen Backenzahn ver loren hätte. Kormann könne ebensogut von einem Zivilisten geschlagen worden sein. Er halte sich als Offizier für zu hochstehend, um sich in Schlägereien einzulassen. In das Haus des Beigeordneten Gunz habe sich einer der Schreier, ein Fortbildungsschule!, geflüchtet und die Tür hinter sich zugeschlagen. Er habe einen Po lizisten aufgefordert, das Haus zum Zwecke der Ver haftung des Schreiers öffnen zu lasten. Das fei nicht geschehen, und erst bann habe er die Tür einschlagen lasten. Zu seinem Vorgehen sei er berechtigt gewesen, weil es sich um eine Verfolgung auf frischer T a t gehandelt habe, zu der er gemäß den militäri schen Bestimmungen berechtigt gewesen sei. Die Polizei habe den Schreier nicht sestgehalten, trotz seiner Aufforderung. Den Bankbeamten Kahn habe er sestgehalten, weil er ihn, den Leutnant, wegen seiner Maßnahmen herausfordernd und höhnisch angelächelt habe. Am Schloßplatz seien etwa fünfzig bis hundert Men schen gestanden, die johlten und puffen, als Leutnant v. Forstner kam. Vernehmung -es kreis-irektors Mahl. Der erste Zeuge, Kreisdirektor Mahl, erklärte: Die Unruhen setzten am 7. November ein. Am „Karpfen" wurden Offiziere von Zivilisten b e l ä st i g t. Oberst Reuter hat sich nicht direkt an mich gewandt, was er hätte tun müssen, weil ich Vorgesetzter des Bürgermeisters und Ver treter der Landespolizeibehörde bin. Ak an hat mich als Kreisdirektor ignoriert. Auf Befragen gibt der Zeuge aber zu, daß bereits am 3. November ein Brief des Obersten an den P o l i z e i w a ch t m e i st e r gelangt sei, worin der Oberst Mitteilung von den fortgesetzten Beschimpfungen der Offizier« macht und die Polizei ersucht, die Ordnung auf der Straße wiederl)«rzustellen. Sechs Polizeibeamte hätten dann später die Straße gesäubert. Am 9. November habe er dem Wachtmeister Döring befohlen, streng durchzugreifen, weil das Militär geschützt werden müsse. Er habe dem Biiraermeist-'r an jenem Sonntag ge sagt: „Heute sind Unruhen und Demonstrationen zu erwarten. Es müssen Maßnahmen getroffen werden. Ziehen Sie alle Polizeibeamten mit Einschluß der Bannwarte zusammen!" Daß Herr v. Forstner an jenem Tage die Ronde gehabt habe, sei ihm nicht bekannt gewesen. Der Vorsitzende hält dem Kreisdirektor einen Brief entgegen, woraus das Gegenteil her vorgehe. Am 9. November sei ein zweiter Brief des Obersten an die Polizeibehörde gelangt und ein dritter Brief an die Kreis direktion, worin der Oberst mitteilt, wenn die Beschimpfungen und Angriffe auf die Offiziere nicht aufhörten, dann werde er den Velngernngsznftnnd »erhängen. Daraufhin habe er dem Obersten mitgeteilt, daß er zur Verhängung de, Belagerungszustandes nicht be rechtigt sei, Las sei ja Hache des Kaisers. Er verspreche ihm dagegen, alles zu tun. um dos
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