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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 15.12.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-12-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19111215012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911121501
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911121501
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-12
- Tag 1911-12-15
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Monat
1911-12
-
Jahr
1911
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gekommen sei, sei die Korporation aufgelöst worden. Es sei jedoch dann ein Weg gefunden worden, der zu einer Verständigung znnschen dem Senat und der Stubentenschast geführt hab«, und d«r sogar für andere Hochschulen als vorbildlich bezeichnet worden sei. Er hoffe, daß di« Ansichten de» Abg. Uhlig in diesem Hause immer so aufoefaßt werden möchten, daß die Regierung und die Ordnungs parteien stets zusammenstehen, wenn es gelt«, un gerechte Angriffe auf di« Schule und di« Kirche ab zuwehren. Bezüglich des sozialen Verständnisse» im Ministerium könne er nur bemerken, daß dort aller« dings Verständnis für die sozialen Forderung«» vor handen sei, niemals aber Verständnis für di« Forderungen der Sozialdemokratie. (Lebhaftes Bravo!) Dj« sich anschliessend« Debatte betraf in der Haupt« fache wieder die Abwehr gegenseitiger Angriff« und entg«gensteh«nder Behauptungen seitens der Debatte redner, so daß es sich nicht lohnt, hierauf einzugehen. Die Kammer genehmigte hierauf teilweise gegen di« Stimmen der Sozialdemokraten die Kap. 88, 89 und 90, sowie 98 des ordentlichen Staatshaushalts etats, womit die Tagesordnung erledigt war. Nächste Sitzung: Freitag s-4 10 Uhr. Tagesordnung: Petitionen. Zur Reform üec LsnützemeinüeorLnung. Ter Verband Sächsischer Industriel ler übersendet uns mit der Bitte um Verössent- lichung folgende Ausfübrungen: Zu dem von der Regierung oorgelegtcn Ent wurf eines Gesetzes, Äenderung und Ergänzung von Bestimmungen der re vidierten Landgemeindeordnung be treuend, hat der Verband Sächsischer In dustrieller soeben eine Eingabe an den Land tag gerichtet, in der die Frage des Wahlrechts der juristischen Personen zu dem Gemeinde rat in den Landgemeinden einer eingehenden Be trachtung unterzogen nnrd. Bekanntlich sind die jurijtiscl-en Personen nach den gegenwärtigen Be stimmungen der Landgemeindeoronung nicht stimm berechtigt und ihre gesetzlichen Vertreter als solche mäst wählbar. Tie Folge davon ist, daß Aktien gesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haf tung, Kommanditgesellschaften auf Aktten, deren es in de» Landgemeinden nach den vom Berband Sächsi- sicher Industrieller aufgestellten Erhebungen eine ganze Reihe gibt, ohne jeden Einfluß auf die Ge meindeverwaltungen bleiben. Ter Mißstand wird noch dadurch verschärft, daß in den meisten Gemeinden das Gemeindewahlrecht ein derartiges ist, daß auch die Tirektorcn von Äktiengesellftyasten aus Grund ihrer an ihre physische Person sich knüpfenden Wahlberechtigung und Wähl barkeit nur höchst selten in den Gemeinderat ge langen rönnen, während der landwirtschaftlict)e Grundbesitz und die Gruppe der sogenannten Häusler eine ausreichende Vertretung im Gemeinderat finden. Zur Zeit des Erlasses der Landgemeindeordnung im Jahre 1873, die sich iviederum in der Haupt sache an die Landgemeindeordnung von 1838 an schließt, mögen diese Bestimmungen zweckmäßig ge wesen sein, denn damals waren die Landgemeinden in weit überwiegender Zahl rein ländlich und die Gemeindeverwaltung daher mit Recht unter rein ländlia-en Gesichtspunkten zu wählen. Ter gerade in Lachsen hervortretend« Zug der Tezentralisation der Industrie und ihre Verbreitung in die Landgemein den und Dörfer hat dazu geführt, daß früher rein ländliche Gemeinden jetzt stark industriell durchsetzt sind. Tie Industrie tritt natürlich auch hier vieljach in der Form der Aktiengesellschaften und ähnlicher juristischer Per sonen auf. Tieje bilden in vielen Gemeinden sogar sehr bedeutsame Steuerkräfte und tragen einen erheblichen Teil zur Deckung des Gemeinde haushaltes bei, der in nicht seltenen Fällen bis zu 50 Proz. und darüber geht. Unter diesen Umständen und von dem Gesichtspunkt ausgehend, daß dem Ge- mcindemitglied für seine Pflicht, durch Steuern zur Deckung des Gcmeindeaufwandes beizutragen, auch das Recht zugestanden werden muß, seine Interessen in der Gemeindeverwaltung vertreten zu können, bedeutet der Ausschluß der juristischen Personen in dustrieller Art von der Wahlberechtigung zweifel los eine Härte. Ter von der Regierung vorgelegte Entwurf hält nun an dem Ausschluß der juristischen Personen von Wahlberechtigung und Wählbarkeit fest, sucht aber den aucki im Entwurf zugestandenen Uevelständen, daß wichtige Steuerzahler der Gemeinde von dem wichtigsten Recht ausgeschlossen sind, dadurch abzu- , helfen, daß er den Gemoinderat ermächtigt, unter . Umständen den als Steuerträger bedeutsamen Aktien gesellschaften industrieller Natur einen Sitz im Ge meinderat zu gewähren. Ter Entwurf sagt in dieser Beziehung: „Ferner kann durch Ortsgesetz juristischen Personen, welche ihren Sitz oder eine Gewerbeniederlassuna im Gemeindebezirk haben und für die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gemeinden dauernd von Bedeutung sind, eine entsprechende Vertretung im Gemeinderat eingeräumt werden." In der Begründung ist dann ausgeführt, daß eine solche Ermächtigung um so unbedenklicher erscheine, als die Gemeinde sich auf ortsgesetzliche Bestimmungen dieser Art nur dort einlassen werde, „wo sie wirk lich im Interesse aller Teile liegen." > In der Eingabe des Verbandes Sächsischer In dustrieller wird aber nachgewiesen, daß eine solche gesetzliche Regelung den berechtigten Inter essen der Industrie nicht entsprechen, würde, da die Heranziehung der juristischen Per sonen zum Gemeinderat in das Ermessen desselben gesetzt sei. Tie Aktiengesellschaften haben selbst weder ein Anrecht auf eine solche Vertretung, wie dies unter Umständen den sogenannten Guts bezirken zusteht — noch wird ihnen ein Beschwerde recht zugestanden, wenn der Gemeinderat aus irgend- ivelchen Gründen die Heranziehung einer juristischen Person industrieller Natur als „nicht im Interesse aller Teile liegend" erachtet. Bei der außerordent lichen Verschiedenheit der Verhältnisse und der in den Gemeindevertretungen vorherrschenden wirt schaftlichen Anschauungen, die in der Eingabe des Verbandes an einigen sehr interessanten Beispielen illustriert werden, kann durch die vom Regierungs entwurf vorgeschlagene Aenderung der bestehenden Verhältnisse eine Abhilfe der bestehenden Mißstände nicht erwartet werden, und es ist diese Ansicht dem Berband von den Vertretern der Aktiengesell schaften unter Beibringung von Beschwerden auch bestätigt worden. Ter Verband kommt daher zu Vorschlägen, die eine etwas weitcrgehende, aber den gerechtfertigten Ansprüchen der Industrie entsprechende Regelung der wichtigen Fragen des Gemeindewahlrechtes bezweckest und kann sich dabei auf die preußische und auf die bay rische Gesetzgebung berufen, welch letztere landes rechtlich den Höch st besteuerten eine Ver tretung im Gemeinderat etnräumt. Tie Vorschläge des Verbandes gehen nach folgender Richtung: Ist in einem Steuerjahre mehr al- ein Tritte! der direkten Gemeindesteuern durch fünf oder weniger Personen aufgebracht worden, fo ist tm nächsten Jahre jeder dieser Höchstbesteuerten zur Vertretung im Gemeinderat berechtigt. Ferner können vorwiegend industrielle Gemein den durch Ortsgesetz 1. bei größeren Gewerbebetrieben von dauernder Bedeutung für die Gemeinde den Inhabern ein schließlich der juristischen Personen, fall- sie den Wohnsitz (Sitz^ oder eine Gerverbeniederlassung im Gemeindebezirk haben, eine entsprechende Vertretung im Gemeinderate einräumen oder 2. die Gesamtzahl der Gemeindevertreter auf verschiedene Klassen der Grundbesitzer, Gewerbe treibenden, einschließlich der gewerbetreibenden, juri stischen Personen und der sonstigen Stimmberechtigten verteilen. Lehnt die Gemeinde di« Errichtung eines solchen Ortsgesetzes ab, so kann sie ihr auf Antrag eines Beteiligten vom Bezirksausschüsse aufge- aeben und im Weigerungsfälle von diesem bewirkt werden; über den Rekurs gegen die Beschlüsse des Bezirksausschusses, auch so weit sie den Antrag ablehnen, entscheidet der Kreis- auSschuß. Soweit juristischen Personen die Vertretung im Gemeinderate zugestanden wird, haben sie das Recht, ein bei ihnen angestelltes oder ihrem Vorstände oder Aufsichtsrate angehörige? wählbares Gemeinde- Mitglied abznordnen. Tas gleiche gilt, falls sie zu Gemeindevertretern gewählt werden; in diesem Falle braucht der von ihnen Abgeordnete der Klasse, die er mit vertritt, nicht selbst anzugehören. Bei der Bedeutung dieser Frage wird es von be sonderen! Interesse sein, wie die an der Regelung der Frage beseitigten Faktoren sich zu den Vor schlägen stellen n-erden. Die Msrokkoüedstte in üec lranMllchen Sammer. Nachdem sich der deutsche Reichstag mehrfach mit dem deutsch-französischen Abkommen beschäftigt hat und auch dem englischen Unterhaus durch Grey eine ausführliche Darstellung der deutsch-französischen Ver handlungen gegeben worden ist, begann am Donners tag in der französischen Deputiertenkammer die De batte über das Abkommen. War die Behandlung dieses Themas in den letzten Wochen mehrfach hinaus geschoben, so drohte ihr auch gestern eine neue Ver tagung. Der Abgeordnet« d«r monarchistischen Rech, ten Graf De Mun stellte, wie wir schon in unserer gestrigen Abendausgabe berichteten, den Antrag zur Geschäftsordnung, die ganze Erörterung bis nach Be endigung der jetzt eingeleiteten französisch-spanischen Marokkoverhandlungen zu verschieben. Konnte man schon voraussagen, daß dieser Antrag abgelehnt wer- den würde, so beschäftigte er doch die Angehörigen aller Parteien aus prinzipiellen politischen Grün den in leidenschaftlicher Weise. Caillaux, dem im Interesse der Regierung wie auch in dem ganz Frank reichs an der möglichst raschen Erledigung des Ab kommens gelegen ist, kündigte denn auch an, daß der die Vertrauensfrage stellen, sich also vor der Gewalt zurückziehen werde, falls die Verschiebung der Beratung durch gehen sollte. Der Antrag de Muns wurde denn auch am Schlüsse der Sitzung glatt abgelehnt. Ueber den Verlauf der Sitzung, in der die Minister de Seines und Lebrun ausführlich über die deutsch-französischen Verhandlungen referierten, erhalten wir folgenden telegraphischen Sitzungsbericht. Paris, 14. Dezember. (Tel.) Bei Beginn der Nachmittagssitzung, der Depu- tiertenkammer, in der der Gesetzentwurf betr. Rati fizierung des deutsch-französischen Abkommens zur Be ratung steht, waren Galerien und Tribünen von einem eleganten Publikum, unter dem sich viele Diplomaten befanden, dicht besetzt. Im Saale waren zunächst etwa 250, bald aber mehr als 400 Abgeord nete anwesend. Gras de Mun begründete seinen Antrag, die Ratifizierung bis zum Abschluß der französisch spanischen Verhandlungen auszuschieben. Er betonte, daß das Abkommen Deutschland einen Teil eines französischen Territoriums überlaste. Es sei nicht bas erste Mal, daß Frantreich «in der- artiges Unglück zustoß«. Das Abkommen öffn« Deutschland die Tore zum Inner» Afrikas. Die Er klärungen Caillaux' und Kiderlens ließen tiefer gebende Umgestaltungen Afrika» vor- aussehen. Di« Regierung werde darüber Erklärungen abgeben müssen. Man habe gesagt, der „Panther" sei nach Agadir gegangen, um die Regierung zu nötigen, die unterbrochene Unterredung wieder aufzunehmen. Die Regierung müsse sagen, s«it mann man sich besprochen habe. Redner möchte di« Ausdehnung des Protektorats in Marokko wissen und bat die Regierung um Auskunft, ob dem Abkommen von 1909 eine geheim« Klausel angesügt sei, di« Frantreich schon «in Protektorat zusichere. Er ver- urtelle das System der Gehei in vertrüge, da sie aber existierten, müsse man sie achten. Di« Re gierung könne nicht sagen, was sie von Spanten fordere, noch was sie von ihm erhalte. Die Kammer aber könne nicht ein Abkommen votieren, besten Haupt klausel ihr unbekannt sei. In den französisch-spanischen Verhandlungen sind wir auf England gestoßen. Frankreich hat nicht mehr Gründe als England, die alt« Freundschaft zu vergessen. Bei dem gegenwärtigen Stande Europas hat weder der ein« noch d«r andere ein« Freundschaft zu viel. (Lebhafter Beifall. Die Minister applaudieren.) In keinem Augenblick war die Lage bedrohlicher Wir werden nicht in di« Falle gehen, «ine Freundschaft um einer neuen Freundschaft willen aufzugeben. (Beifall.) Redner schloß, indem er die Kammer beschwor, sich ihr Votum vor zu- behalten. Minister de» Aeußern de Selve» erklärte, daß er keine Verbindung zwischen den französisch-spanischen Verhandlungen und der Annahme des sranzöiisch deutschen Marokkoabkom men» erkenne, die übrigens die Besprechungen nur erleichtern könne. Mehrere Mächte hätten bereits ihr« Zustimmung ge, geben, andere müßten sie noch ihrem Parla ment unterbreiten. Redner erklärte, daß er, sobald die Kammer den Antrag d« Mun» zurüüaewiesen hätte. Aufklärungen über die Verhandlungen mit Deutschland geben werde. Der Minister verließ hierauf die Tribüne, wäh- rcnd die Rechte, das Zentrum und die äußerst« Linke lebhaft protestierten, und unterhielt sich mit Caillaux, worauf er die Tribüne wieder bestieg. De Selo«» gab alsdann einen historischen Ueberbltck über di« Verhandlungen mit Deutsch land. indem er an da» Abkommen von 1909 und an die Algenrasakte erinnerte. Deutschland hab« wissen lasten, daß Frankreichs Okkupation in Marokko und die Expedition nach Fez der Lla«cira»akt« widersprächen, und den Wunsch ausgedrückt, über alle beide Länder interessierende Fragen, be sonders Marokko, zu verhandeln. Das war damals, als wir zur Regierung kamen. De Eelves erinnerte sodann an die Entsend»»» de» „Panther" und sagte, die Regierung habe in höherem Interesse die Entsendung eine, Kriegsschiffes nach Agadir verschoben. Sie habe nicht geglaubt, daß e» an gebracht gewesen wäre, eine Konferenz einzuberufen. Deutschland habe deutlich erklärt, daß «» oen Zu sammentritt einer solchen Konferenz nicht an nehmen und ihm nicht Rechnung tragen würde. (Zurufe.) Hören Sie mich ruhig an. Ich spreche von ernsten Dingen. Man hat anerkannt, daß die Macht des Sultans ein« fiktive und Frank reich bestimmt war. sie zu stützen. Die Frage war von Deutschland gestellt. Man mußte sie lösen. Nachdem wir Deutschland wegen der Entsendung eines Schiffes, die die Verhandlungen stören könnte, unser Bedauern ausgesprochen hatten, haben wir die Verhandlungen oegonnen. Spanien nahm nicht daran t«il. weil dann auch England hätte teilnehmen müssen. Wir stellten für unsere Besprechungen drei Bedingungen. 1) Unsere Freunde und Verbündeten müssen auf dem laufenden gehalten werden, 2) die Signatar Mächte der Algecirasakte müßten do.mit befaßt werden, 3) Deutschland dürfe keinen Ersatz in Ma rokko fordern. De Selves hob hervor, daß MarokkodieFort- setzung von Algerien s-i, und fuhr 'odann fort: Deutschland ließ misten, daß sein« öffentliche Meinung Kompensationen fordere, wenn es unser Protektoratsrecht über Marokko annehmen würde. Deutschland sagt«: Ihr habt mit England, Italien, Spanien verhandelt, was wollt ihr mit uns machen? (Zuruf.) Der deutsche Botschafter sagte immer, daß man am Kongo eine Kompensation finden könne. Dasselbe sagte auch Staatssekretär von Kiderlen-Wächter zu unserm Botschafter Jules Cambon. (De Mun: Hatte man vorher davon aesprochen?) De Selve» fortfahrend: Es wurde Bedauern über die Langsamkeit der Verhand lungen geäußert. Diese Langsamkeit beweist den Widerstand. den wir beständig den deutschen Ansprüchen entgegengesetzt haben. Herr o. Kiderlen-Wüchter erklärte Cambon gegenüber, daß Deutschland bereit sei, in einen Tausch in Togo und in Kamerun einzuwilligen, aber es fordere Teile von Gabon und vom Kongo Wir er klärten. daß wir die Verhandlungen auf dieser Grundlage nicht fortsetzen könnten. In dies, m Augen, blick gab es eine Zeit der Spannung, die S ie in Erinnerung haben. Mau hat gesagt, daß unsere Freund« zum Streite trieben. Das ist «in vollständiger Irrtum. Gewiß, unsere Freunde standen uns zur Seite, dazu de^eir, uns die Hilfe zu gewähren, die die Umstände begründen konnten. Aber in keinem Augenblick ließen sie ein aufreizendes Wort hören. Die Worte der Versöhnunq. die sie fanden, lagen im Inter este Frankreichs. (Beifall.) Wir haben aus die For derungen Deutschlands geantwortet. Als Deutschland seine Forderungen reduziert hatte, verlangte die Regierung, daß von territorialen Abtre tungen erst nach Reaelunm der Marokkofrage ge sprochen würde. In diesem Augenblick seien die Ver handlungen dadurch unterbrochen worden daß der Staatssekretär auf Reisen ging, und Botschafter Cambon nach Paris kam. Bei Wiederaufnahme der Verhandlungen widerstand Frankreich den wirt schaftlichen Prätentionen Deutsch lands, welches in Marokko die Schaffung zweier Zonen wünschte. Wir wollten wirtschaftliche Gleichberechtigung. Der Minister sprach seine Zufriedenheit aus über die Klausel, die etwaige Schwierigkeiten dem Haager Schiedsgericht übergibt. In bezug auf den Kongo erklärt« der Minister, Frankreich habe niemals daran gedacht, sein Vorzugsrecht aus Belgisch-Kongo aufzugeben. Die Klausel, welche einen eventuellen Tausch von den Signatarmächten von 1885 abhängig macht, ist garantiert. Weiter legte der Minister dar. daß das Abkommen Frankreich völlig«Frei- heit in Marokko gebe, sowohl hinsichtlich der Verwaltung als auch des Militärs und der Finanzen. Der Minister setzte auseinander, daß es notwendig gewesen sei, die wirtschaftliche Freiheitin Marokko zm garantieren. Insbesondere drückt« De Selves seine Freude darüber aus, daß die Verhandlungen eine friedliche Lösung gefunden haben die über dies die Sicherheit der Entwicklung de» algerischen Gebietes erhöbe und ferner einen Zuwachs an Macht bringe. Ueberall in der Welt sei das anerkannt worden. Der Ruhm hierfür ge bühre zum größten Teil der öffentlichen Mei nung, welche der Welt und Frankreich die Kraft ihres Nationalbewußtseins offenbart habe. Zu den spanisch-französischen Verhandlnngen erklärte de Selves: Wir haben in Marokko unter Opfern eine neue Lage geschaffen. Ihr wollt an d«in Erworbenen teilnehmen, nehmt auch an den Opfern teil, die wir gebracht haben. Wir werden bemüht sein, die» Spanienzu sagen, ohne damit zu verletzen. (Bei- fall.) Ich habe da» Gefühl, daß «ine groß« Nation wie Frankreich nicht seine Macht miß. braucht. (Lebhafte Unruhe und Entrüstung im Zentrum und auf der äußersten Linken: d«r Lärm dauert mehrere Minuten.) Es würde zu bedauern sein, wenn wir unsere Beziehung«» zu Spanien anker» al» in freundschaftlichem Geiste auf fasten würden. (Lebhafter Beifall.) Weiter gab der Minister seiner Freude darüber Ausdruck, daß das deutsch-französische Abkommen die auswärtige Politik von der Marokkofrage befreit habe, die die be ständige Quelle von Konflikten gewesen sei. Das sei ein nicht zu gering einzuschätzender Vorteil, in einem Augenblick, wo die äußere Lage besondere Aufmerk samkeit erfordere. De Selves schloß: Frankreich muß in der Lage sein, an den auswärtige» Verhandlungen in friedlichem Geiste teilzunehmen. Und jetzt ist der Augenblick, wo wir die Wohltätigkeit unserer Freundschaft und «userer Bündnisse würdigen können. (Lebhafter Beifall.) Indem wir sie noch enger gestalten. wenn es möglich ist. wünschen wir unsere Auf gaben zu erfüllen. Wenn wir das tun, entsprechen wir nur den kürzM von Grey au»ae- drückten Gefühlen England, und dem Ge fühle. welches kürzlich bet seinem Besuche, den wir in wertvoller Erinnerung behalten werden, der Minister des Aeußern Rußlands, zum Ausdruck gebracht hat. (Beifall auf der Linken und verschiedenen anderen Bänken.) Kolonialminilter Lebrun betritt die Tribüne. Er führt unter außerordent lichem Beifall au», in welchem Geist« die Regtenmg in die Abtretung de» Gebiet» eingewilltgt sei. Die Regierung habe Libreville und den mittle ren Kongo behalten wollen wegen seines Reich tums und der guten Verwaltung in diesen Ge bieten. Da» Aokommen werde für die Länder keine unangenehme« Folgen haben, «» sei sich selbst genug. Lebrun erörterte sodann die Zufahrt», straßen in da» Innere Afrika» und legte dar, daß der Zugang zu den französischen Gebieten auch nach dem Abkommen durch den Kongo und den Ubangi gesichert sei. Lebrun machte de» weiteren Angaben über di« Ausdehnung de» abgetretene» Gebiete», welche» au» 50 000 Quadratkilometer Sumpfboden, 60 000 Quadratkilometer Urwald und 100 000 bi» 120 000 Quadratkilometer anbaufähigem Lande be stehe. Der Kolonialminister stellte sodann den abge tretenen Gebieten den Zuwachs gegenüber, den da» Kolonialreich in Afrika erfahren hat und sagte zum Schluß: Kann man nicht sagen, daß es die Brazza sind, die Frankreich Marokko geschenkt haben? Frankreich wird ihnen ewig dankbar sein. (Lebhafter Beifall.) Der Abg. Jaur-s forderte genaue Anagben über die Art, in der die französisch s panischen V-rhandlungen geführt werden sollen. Die Regie rung möge sagen, daß. was auch geschehen möge, Spanien für Frankreich der große Freund sein werde. (Beifall links.) Nachdem Iaufts Bedenken über die Opportunität des Antrages De Mnn geäußert hatte, bestieg Ministerpräsident Caillaux die Rednertribüne und führte aus: Die Verhandlungen mit Spanien gründen sich aut das Abkommen von 1904. Frankreich wird sich mir Spanien in den Gefühlen vollster Freund- schäft und größter Herzlichkeit auseinander setzen. Es oeabsichtigt, die Würde Spaniens zu wahren. (Lebhafter Beifall.) Auf das nochmalige Verlangen des Grafen De Mun, etwas über die Besprechungen zu erfahren, die der Entsendung des „Panther" nach Agadir vor- ausgegangen seien, erwiderte Caillaux. er werde daraus antworten, wenn die Kammer sich über die Vorfrage ausgesprochen habe. Er habe die Pflicht, vorher noch verschiedene ander« Redner zu hören. Der Abg. Deschanel, der Vorsitzende des Kammer ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, be kämpfte den Antrag De Mun und betonte, die Lage Europas verlange, daß die Frage geregelt werde. Wir haben Deutschland gebeten, die Frage miteinander nicht zu verbinden, e» ist unzuläßlich, daß wir das jetzt anderseits tun. Der vom Grafen de Mun gestellte Antrag wurde mit 448 gegen 98 Stimmen abgelehnt. Hierauf wurde die Sitzung geschlossen. SngMchrs Unterhaus. London, 14. Dezember, j Telegramm.) Asquith erwiderte im Unterhaus auf eine Anfrage über die Brüsseler Zuckerkouferenz und die Ausfuhr russischen Zuckers nach dem Westen, die Zuckerkommistion s ei bis zum 29. Januar vertagt worden; die vorliegenden Fragen würden dann weiter diskutiert. Bei allen weiteren eventuell stattfindenden Verhandlungen mache sich die britische Regierung nicht verbindlich, über den gegenwärtig festgesetzten Zeitpunkt hinaus Teilnehmer der Konvention zu bleiben, sondern werde sich die Hände freihalten, Hi das Unterhaus Gelegenheit gehabt habe, das Ergeb nis de: nach der Vertagung stattfindenden Verhand lungen in Erwägung zu ziehen. Die Debatte über die auswärtigen Angelegenheiten eröffnete Henry Norman wieder. Er erklärte, die Reden Greys und des deutschen Reichs kanzlers hätten gewiß die Schiefertafel gereinigt, wenn sie nichts Neues darauf geschrieben hätten. Englands Freundschaft mit Frankreich sei aus der Spannung, der sie ausgesetzt worden sei, nur noch stärker hervorgegangen. Di« Beziehungen mit Deutschland würden jetzt so werden, wie die beiden Mächte es wünschen. Man sei erlöst vo» allem müßigen Geschwätz einer drohenden Kriegsgefahr. Wenn di« Lage in Persien nicht ohne Sorge betrachtet werden könnte, sei dies doch jetzt weniger der Fall als zuvor. Er hoffe, Grey werde imstande sein, dem Hause die Versicherung zu geben, daß Aussicht auf eine dem nationalen Emp finden Englands nicht widerstrebend« Lösung vor handen sei. England freue sich über das englisch, russische Abkommen, weil es einen langen Zeitraum verhüllter Feindseligkeit zwilchen Rußland und England beendet hab«, weil es auf immer der afghanischen Frage «in Ende bereitet habe und weil England glaube, daß es die Unabhängig, keit Persiens garantier« auf einer Grundlage, die zwar keine ganz zufriedenstellende, aber wahrschein lich die beste sei, die man hätte erreichen können. Großbritannien habe daher mit allgemeinem Kummer da» vorgehe« der russischen Regierung mit anqesehen. das sicherlich die Unabhängig keit Persiens zu bedrohen scheine und dazu angetan sei. eine gefährliche Unruhe in einen Teil der mohammedanischen Welt zu bringen, an dem Eng- land interessiert sei Norman wendete sich sodann zu den Beziehungen zwischen England und Deutsch land. von denen alles abhänge, sowohl die soziale Wohlfahrt im Lande als Englands Handel im Aus lande. Wenn freundliche Beziehungen mit Deutschland beständen, aäbe es kaum etwas in der Welt, das England Sorge verursachen könne. Ein Krieg mit Deutschland würde England in eine« Abqrnnd stürzen, dessen Tiefe niemand kenne. Glücklicherweise lei jedoch alle unmittelbare Gefahr vorüber. England könne nun mit reiner Schiefer, täfel beginnen. Wenn aber die Zukunft von der Ver gangenheit verschieden sein solle, so mülle man in England zu verstehen versuchen, wie Deutschland Eng lands Vorgehen angesehen hab«. Die erste Tatsache, die an«rkannt werde» mülle, sei die wenig anqe- nehm« öffentliche Meinung in Deutsch land; sie lei freundliiber gegen Großbritannien als je zuvor. Es sei ein glücklicher Umstand, daß Deutsch land während der jetzigen Krisis einen starken Kaiser und eine starke Regieruna gehabt habe; andernfalls hätte der Gang der Volksmeinung vielleicht dazu ge führt. daß ein Kri«g über Europa hinweqsegte. (Leb hafter B-iiall) Nach Norman sprachen noch Lord Beresford und der Abgeordnete Atherlen Jones (Lib ). di; ebenfalls in ihren Reden deutschfreundliche Friedens- b«zeiqung«n zum Ausdruck brachten. Asquith gab dann bekannt, das Unterhaus würde am 16. Dezember vertagt. Besuch englischer Arbeiter in Deutschland. H London, 1t. Dezember. (Eig. Drahtmeld.l Die Arbeiterpartei plant einen neuen Be such Deutschlands, um damit eine Arie- denskundgebung zu veranstalten. Es wird «ine Anfrage in Deutschland ooraufgehen, ob der Be such Pfingsten oder später angenehm sei« würde«
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