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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 17.12.1911
- Erscheinungsdatum
- 1911-12-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191112171
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19111217
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19111217
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-12
- Tag 1911-12-17
-
Monat
1911-12
-
Jahr
1911
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Dezu-S-Vrelt für L»ip»ia und durch «ms«, Irüarr und 8o«dit«ur» Lmal tialtch in. Kau, gebracht » Pt. mrnatU. «.70 Mt. vtirirUahrl. v«t »nlrrntzutalra «. Au» »ahmest«-«» ada'hiit 7» Pt. «aatl., L» VU. »t«rt«ltkhrl, Durch di« ^,r innrrhald V«ut>chland, und d« brutsch« Xolantrn uirrirltibrl. 8.0U Btt., monatl. 1L0 Btt. au,scht. Postdrstrllarld Frrn« tu Belgien. Danrmart, drn DonauÜaatrn. Italien. Lureindura. Niederlande. Nor wegen. O«terr«lch-Ungarn, Nutzland, Schweden, Schwelt a Spanten. 2» allen übrigen Staaten nur direkt durch di» ibelchäit.Irell» de» Blatte» erhältlich. La» Leipzig« Tageblatt rrlchetut -mal täglich. Sonn- » -««nag» nur «argen». >dannrmrni»-Nnnohm« 2»ba,m,g»ss« 8^ de» unieren Tragern. Atltolen. Spediteure» »»»ltlanahmellellen, t-wi« Pajlämtern und Briefiragern. Gt»»»l»»rla»t»or«l» 10 KlpMtrTlUMM ,, 14 692 lNacht«»fchl»t) aLL f 14 692 (Rachta»fchl»tf Ä.-T«schl.!>«M ^uNVklvzelkttNg. rrl.-ZlnM! Amtsblatt -es Rates und -es Notizeiamtes -er Lta-t Leipzig. Luzeiqnr-PreiS flr S»s«at, au» L«p,ta und Umgebung di« lspaltig» P«M»«tl« !SPt, die Neklam«. «eile I Mk. von aurwärt. »> Pt. Netlamen llll Mk. Inierat« von Behörden >m amt lichen Teil dt« BeNtjetl« SU Pi G«lchäst»ani«tgen mit PlahoorlchNfte» im Preti» erhöht. RadaN »och Tarif «etlagegebllür chelamt» auflag« L Mk. p Tauiend «kl. Poitgedühr. Irtldeilag, höher. AekeNeilt« Busträg« können nicht »urück- aerogen werden. Mir da» Erlcheinen an »«stimmt«» Tagen und Plagen wird kein« Garantie übernommen. Nnietgen-Bnnadm«: Johanni.gals« 8, bet lämtlichen -iltalen «. ollen Bnnoncen» Grpedtttonen de» 2io und Burlande» Pru« und Verlag »»» -tlcker L Nürftr» Inhaber Paul Nitriten. Redaktion und S«schSst,ftell«: Uohanntrgalle 8. Haupt »Atiialo »«,»«»: verlirabr ch l (Telephon «SAd Nr. 349 Lonmag, ürn l7. vezemver lSll. 105. Jahrgang. Unsere gestrige Abendausgabe umsaht 8 Seite«, die vorliegende Morgennummer 44 Seite», zusammen L2 Seiten. Das Wichtigste. * Die für 1913 geplante deutsch-eng lische Ausstellung ist vorläufig bis 1914 verschoben worden. * Die Auflösung des Souvenir fran- -ais in Elsaß Lothringen soll bevor stehen. (S. Dtschs. R. Seite 10.) * Tie Geschäftsordnungskommis sion für die Zweite elsaß-lothringi sche Kammer hat ihre Arbeiten beendet. (S. Letzte Dep. Seite 3.) * Tie französische Deputierten kammer setzte am Sonnabend die Beratung des deutsch-französischer» Abkommens fort. * Tas englische Parlament wurde am Sonnabend mit einer Thronrede geschlos sen. (S. Letzte Dep. S. 3.) * In der portugiesischen Deputier tenkammer brachte der Marineminister einen Gesetzentwurf betreffend Erneuerung der Flotte ein. * Nach türkischen Meldungen sollen bei Benghasi für die Türken siegreiche Kämpfe stattgefunden haben. (S. bes. Art. Seite 2.) * TaS SiemenS-Schuckert-Luft- schiff ist nach etwa sechsstündiger Fahrt vor der Ballonhalle in Biesdorf bei Berlin glatt gelandet. (S. Sport S. 21.) * Die Mona Lisa ist angeblich i» der Schweiz wiedergesnuden worden. (S. Letzte Dep. Seite 3.) Die Lenüung -es OeuWtums. Tas deutsche Volk hat nach einem Ausspruche, den der Reichskanzler v. Bethmann Hollweg bei den letzten Reickstagsverhandluugen wiederholt hat, den festen Willen, sich mit seinen Kräf ten und mit allem, was es vermag, in der Welt durchzusetzen. Das ist em allgemein gültiger, aber lediglich for maler Ausdruck für die gesamten gei stigen und wirtschaftlichen Strömungen eines großen Volkes. In der früheren Rede hat der Kanzler gesagt, das deutsch-französische Ab kommen könne die Grundlage werden zur An bahnung und Festigung eines Verhältnisses, wie es den wahren Bedürfnissen und dem Fort schritt der beiden großen Nationen entspreche. Damit war von verantwortlicher Stelle der Fort schritt als ein Ziel deutschen Strebens bezeich net worden. Ten beamteten Vertretern unseres Nachbarvolkes ist dies Wort geläufiger. Daß die französische Nation dem Fortschritt, der Freiheit und der Menschlichkeit dienen wolle, sagt bei feierlichem Anlasse nicht nur der französische Mi nisterpräsident, sondern auch der Präsident der Republik, der über den Parteien steht und alle Bestrebungen zusammenfassen soll. Wenn wir Deutschen in den politischen Kundgebungen, die von amtlicher Stelle kommen, nachspüren, fin den wir einen merkwürdigen Mangel an idealen Zielen. Man soll seine Ideale nicht immer auf der Zunge tragen, aber man muß sich Rechen schaft davon geben können, welchen Zielen man nachstrebt. Wir wollen unS in der Welt durch setzen; da soll man auch wissen, was wir in der Welt wollen und was wir der Welt bringen. ES gilt heute al- realpvlitisch, wenn wir erklären, daß unsere Politik nur durch unsere eigenen Interessen diktiert sei. So hat Fürst Bülow einmal ausgesprochen, daß für die Politik des Deutschen Reiches lediglich dessen In teressen maßgebend seien. TaS war ein förmliches Programm. Ob eS in der damaligen Lage mehr nach innen oder mehr nach außen aufgestellt wurde, braucht nicht untersucht zu werden. ES kann wünschenswert sein, Kritikern im Innern, die da behaupten, Deutschland laufe andern Völkern nach oder eS treib« eine unangebrachte Politik der Liebenswürdigkeit zu erwidern, daß daS nicht in der Absicht der Regierung liege. ES kann nötig sein, blinden Idealisten, die aus einer HerzenS- regung heraus bald für die Polen, bald für einen Bulgarenfürsten, bald für die Buren schwärmen, entgegenzuhalten, daß Deutschland al- Macht in erster Linie für sich selber zu sorgen habe. ES kann auch ersprießlich sein, dem Aus land zu sag«, daß ech nur auf dem Boden der Gleichberechtigung und Gegenseitigkeit mit uns verkehren könne. Aber daß deutsche Männer und Frauen, wenn sie von dem Höchsten sprechen, das sie erfüllt, sagen sollen: sie wollten die „deutschen Interessen" fördern, will uns nicht in den Sinn. Dazu ist schon das Wort zu un schön. Als am 5. Dezember den deutschen Volks boten Gelegenheit gegeben war, sich zu den Er klärungen der englischen Minister und Abgeord neten vom 27. November zu äußern, da wußten sie, obwohl sie genug Zeit zur Vorbereitung gehabt hatten, nichts anderes zu sagen, als dag die „nationalen Interessen" energisch vertreten werden sollten. Die Sprachreiniger haben recht, wenn sie es eines großen Volkes für unwürdig halten, ein so unsauberes Kauderwelsch zu sprechen. Ein Volk, bei dem der Idealismus zu Hause ist, sollte, wenn es von seiner Selbstbehauptung in der Welt spricht, über die geistigen Güter ein Wort zu sagen wissen, deren Verkünder es sein will. Lloyd George, der englische Schatzkanzler, hat in der Rede, die er auf dem jährlichen Fest mahl der Stadt London am 21. Julr hielt, nicht nur von dem Wohlstand und dem Reicher werden der Welt gesprochen und von dem „Inter esse", das England an dem Wohlstand der an dern Länder habe; er hat auch die geistigen Aufgaben berührt, die England für die Welt zu erfüllen habe. „Englands mächtiger Einfluß", so sagte er, „hat sich manches Mal in der Ver gangenheit unschätzbar für oie Sache mensch licher Freiheit erwiesen und kann es viel leicht auch in Zukunft sein." Das ist die Form, wie ein radikalliberaler Engländer vor sich und der Welt rechtfertigt, daß England bei welt politischen Entscheidungen das volle Gewicht seiner Macht in die Wagschale wirft. Lloyd George hat ausgesprochen, daß er es für höchst wichtig halte, „nicht nur im Interesse Englands, sondern auch im Interesse der Welt, daß Großbritannien unter allen Umständen seinen Platz und kein Prestige unter den Großmächten aufrechterhält." Für die englische Machtpolitik ist es ungeheuer viel wert, daß so ziemlich jeder Engländer diese Ucberzeugung hegt. Der echte Engländer glaubt fest, daß, wo immer die eng lische Flagge aufgepflanzt wird, dies zum Segen und zur Freiheit der Bewohner des Landes aus schlagen wird. Demgegenüber nimmt es sich recht ärmlich aus, wenn unser Reichstag nur davon spricht, daß wir die „deutschen Inter essen" vertreten wollen. Der in letzter Zeit allzu scharf zugespitzte Gegensatz der Parteien ist dem Patrioten um des willen so unheimlich, weil er geeignet erscheint, ein Gefühl für die Sendung des Deutschtums in der Welt nicht mehr aufkommen zu lassen. Kann man noch sagen, daß Deutschland allezeit ein Hort der Freiheit und des Fortschrittes sein werde, oder muß man befürchten, daß dies von anderen als einseitiges Parteiziel bezeichnet werde? Kann man noch sagen, daß überall, wo Deutsche wohnen, die Dinge des Glaubens wohl verwahrt und mit Inbrunst gepflegt sein wer den? Ter Zweifel, ob ein durch Parteien und Konfessionen gespaltenes Volk überhaupt noch gemeinsame Ideale haben kann, kann nur durch die Tat gebannt werden. Auch in England ist der Streit der Parteien in den letzten Jahren verschärft worden, so gut wie der englische Po litiker kann auch bei uns ein jeder den Glauven an die Sendung seines Volkes mit in die Wag schale der Machtpolitik legen. Bei dem starken Individualismus der Deutschen mag das Lied von der Mission des deutschen Wesens vielstim miger gesungen werden als in England: es wird doch ein Einklang entstehen. —a. Der Wahlkampf in -er Keslüen;. (Von unserer Dresdener Redaktion.) Dresden, 15. Dezember. Durch die Straßen der Residenz eilt geschäftig der Weihnachtsmann, überall sammelnd, was groß und klein, reich und arm, am Feste der Christenheit ergötzen könnte. Hier und an derwärts sind aber zur selben Zeit auch andere, we sentlich andere Kräfte emsig tätig, — um zu sammeln, Stimmen und Anhänger zu sammeln für den Tag, an dem bald das deutsche Volk wieder einen bedeu tungsvollen schwerwiegenden Schritt zu tun berufen ist — für die Reichstagswahl. Von beiden Setten hat man die Kämpen auf den Plan gesandt: als Vertreter der sozialdemokratischen Partei debütierten Rosa Luxemburg und Dr. Gradnauer, letzterer als offizieller Kandidat dieser Partei, für di« vereinigten bürgerlichen Par teien der Nationalliberale Dr. Heinze als deren Mandatar. Neues hat der Wechlkampf bisher zwar nicht ge bracht, aber manches Wissenswerte und Interessante. In einem Leitartikel eines sozialistischen Blattes überschrieben: „Di« neue Zuchthausvorlage auf dem Marsche" heißt es am Schluß: „Wo herrscht Zwang! Und wer terrorisirt? Ueber diese Frage find die Arbeiter überall und immer bereit, ausgiebigst« Auskunft zu erteilen: jetzt im Wahl kampf«, dann im Reichstage." Die Antwort auf diese öffentliche Heraus forderung gab der Kandidat der bürgerlichen Par teien Dr. Heinze in seiner hiesigen letzten Wahl rede, aber nicht rm Sinne der Herren Sozialdemo kraten. Was er hier an B«wets material für den Terrorismus dieser Partei anzuführen in der Lag« war, muß joden Wähler die Augen öffnen. Ein Beispiel: Die „Zentralvertrauensperson der so zialdemokratischen Frauen Deutschlands" «rließ bei d«r letzten preußischen Landtagswahl ein Zirkular, das u. a. folgenden freiheitlichen Erguß enthielt: „Die öffentliche Stimmabgabe wird uns dazu dienen «ine scharfe Kontrolle über die Stimmenabgabe de* — man höre — Milchhändler, Krämer, Bäcker, Fleischer, Kohlen-, Holz- und Grünwarenhändler usw. auszuüben. Stimmen diese gegen uns, L. h. nicht für die Sozialdemokratie, so beweisen sie damit, daß sie gewillt sind, sich Bourgeoiskundschaft zu erobern. Nicht nur eine Frau muß bei einem Händler nach seinem politischen Glaubensbekenntnis forschen, sondern eine größere Anzahl Frauen solle es tun, damit dem Manne bange wird vor den vielen Kunden, die ihm ab trünnig werden könnten. Kurz, wir müßen auf die betreffenden Kreise einen Terroris mus ausüben, der so stark wie nur möglich ist." Ein Kommentar hierzu erübrigt sich, die Fest nagelung dieser Tatsache aber ist erforderlich nicht nur im Hinblick auf die eingangs erwähnte Heraus forderung des sozialdemokratischen Blattes, sondern um dieselbe den großen Worten gegenüberzustellen, welche die Linke im sächsischen Landtag« anläßlich der Interpellation über den Terrorismus der sozial- demokratischen Gewerkschaften anzuwenden für nötig fanden. Wie Dr. Heinze in seiner Rede an anderer Stelle richtig ansführte, gibt es keine Entwickelung ohne Kampf, aber mit Haß allein kommt der Arbeiter nicht vorwärts. Um diesen allein als Bundesgenossen im Wahlkampfe ist es aber der Sozialdemokratie zu tun. Davon gaben die Aus führungen der „roten Rosa" wieder einmal einen schlagenden Beweis. Nur die Rücksicht auf die gegen wärtige Zeit, in der von dieser Seite nichts unver sucht gelassen wird, Proselvten zu macken, veranlaß: uns, den maßlosen Hetzereien und llebertreibungen dieser Agitatorin an dieser Stelle Erwähnung zu tun. Hier einige Proben ihres heißen, voÜsbefreienden Temperaments: Der Friede könne nur im anti kapitalistischen Idealstaat kommen. Wer ein Kriegs- stM nach Afrika schickt, wünsche nicht, den Frieden zu erhalten. Eine neue Zeit breche an. Selbst in Ehina, dem Lande der Tradition und Stagnation, sei die Revolution siegreich geblieben. Wenn dieser Erfolg in Ehina errungen werde, wie leicht werde man dann in Deutschland siegen können. Auch bei uns werde die Revolution mitder Mon archie fertrg werden. Die Erziehung mensch licher Bestien, die zu solchen Greueln fähig seien wie die Italiener und Türken in Tripolis sei der Hauptzweck des Militarismus usw. usw." Das ge nügt, sollte wenigstens für den genügen, dem sozial demokratischer Furor noch nicht ganz das gesund« Urteilsvermögen genommen hat. Vor einigen Tagen nahmen wir Veranlassung, an der Hand einer statistischen Darstellung über die Parteienverschiebungen in den bisherigen Reichs tagswahlkreisen der Parteiführer Dr. v. Heydebrand, Bassermann und Bebel die unbedingte Notwendigkeit des Zusammenschlußes der bürgerlichen Parteien gegenüber dem gemeinsamen Gegner zu betonen, wie dies auch seitens des Konservativen Abg. Opitz kürzlich im sächsischen Landtage und zwar — dies sei besonders bemerkt — unter dem Bei- falleinesgroßenTeiles d"esHauses ge- schehen ist. Auch der Kandidat der bürgerlichen Parteien, Dr. Heinze kennzeichnete in beredten Worten die schweren Folgen einer großen sozial demokratischen Fraktion im Reichs tag. Habe die Regierung mit einer solchen zu rech nen, so sei dies« für sie ein Bleigewicht, das an unserer Auslandspolitik und unserer inneren Ent wickelung hänge. Einigkeit tue darum not. Diese Forderung kann gerade in diesen Tagen nicht genug hervorgehoben werden, ist es doch eine beklagenswerte Tatsache, daß selbst die ge wohnten Entgleisungen einer Rosa Luxemburg im mer noch gläubige Seelen finden. Die Ausführungen des sozialdemokratischen Ge genkandidaten Dr. Gradnauer brachten nichts von Bedeutung. Nach seinem Wunsche und Willen soll die bevorstehend« Wahl ein Volksgericht bringen über die bürgerlichen Par. t e i e n. Eine Blütenlese cm freundlichen Bezeichnungen der Gegenparteien und schmeichelhafte Beinamen leistet sich jetzt täglich das hiesige sozialdemo kratische Organ. Angesichts dieses bedauer lichen Mangels an Bildung und Kultur könnt« man den sozialdemokratischen Rednern im sächsischen Landtage vollkommen recht geben, wenn sie dem Finanzminister vorwarfen, im Etat zu geringe Mittel für Zwecke der Hebung der Kultur und Bil de» Volkes angesetzt zu haben. -o, Vie SelunLung -er Nelchsllnanzen. Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: Der nun schon mehr als drei Jahr« tobend« Kampf um di« Finanzgesetzgebung von 1909 und deren Wirkungen hat in der ausländi schen Preße zu den abenteuerlichsten Ge. rüchten über ein« Finanznot des Reich» «führt. Diesen, den Stempel der Unrichtigkeit an der Stirn tragenden Nachrichten ausdrücklich ent- gegenzutreten, verlohnt kaum der Mühe, wohl aber kann ein Rückblick auf die Aufgaben, di« der gegen wärtigen Finanzgebarung gestellt find, und auf da» bisher Erreicht« zur Aufklärung beitragen. Die Sanierung sollte durch drei Maß- nahmen erreicht werden: Beschränkung d«r Ausgaben, Erhöhung der Einnahm«« und systematische Schuldentilgung. Durch Beschränkung aller Ausgaben auf die unvermeidbaren wollte man den Gesamtbedarf im Jahre 1911 auf rund 2750 Millionen, im Jahr« 1912 auf rund 2850 Millionen halten. In Wirklichkeit sieht der Etat für 1911 sabzüglich der nur rechnungsmäßig er scheinenden Ueberweisung an die Bundesstaaten) 2750 Mill. Mark Ausgaben vor, und der Etats entwurf für 1912 bleibt innerhalb der gesteckten Grenzen. Die Erhöhung der Einnahmen sollte durch neue Steuern, von denen man im Beharrungs zustand« einen Ertrag von 417 Millionen erhoffte, und durch Erhöhung der Matrikularbeiträge von 40 auf 80 Pf. auf den Kopf der Bevölkerung er reicht werden. Obwohl der Beharrungszustand der neuen Steuern noch nicht eingetreten ist, werden ihre Erträgnisse im Jahre 1911 nicht wenig dahinter Zurückbleiben und die angenommen« Höhe der Ma trikularbeiträge ist bisher nicht überschritten worden, wird auch im Etatsentwurf für 1912 nicht über schritten werden. Die Reichsschulden, die von 1877 bis 1909 ununterbrochen gestiegen, insbesondere von 1900 bis 1908 in raschen Sprüngen von 2300 auf 5000 Mill. Mark emporgeeilt sind, haben sich in der Zeit vom 30. September 1910 bis dahin 1911 um 108 160 400 .tt verringert. Außerdem sind von den am 1. Oktober 1911 fällig geworbenen Verzinsungen Schatz anweisungen von 1908 im Gesamtbetrags von 100 Mill Mark 40 Mill. Mark bar eingelöst. Von der Ermächtigung, zur vorübergehenden Ver stärkung der ordentlichen Betriebsmittel Schatz anweisungen auszugeben, wurde in be deutend geringerem Umfange als früher Gebrauch gemacht. Während im Jahr« 1909 gleich zeitig mehr als 600 Mill. Mark ausgegeben wurden, hält sich der Stand jetzt seit langem unter 100 Mill. Mark und ist vorübergehend bis unter 50 Millionen gesunken, und der in dem Etatsentwurf vorgesehene Anleihebedarf ist seit 1909 ständig um rund 50 Mil lionen gefallen. Im Jahre 1911 waren es noch 97 Mill. Mark. Der Etatsentwurf für 1912 hat. wie jetzt als feststehend erachtet werden darf, 43,7 Mill. Mark in Aussicht genommen. Don den Anleihe-Ermächtigungen der Jahre 1910 und 1911 ist kein Gebrauch gemacht. Gewiß wird man von einer völligen Lösung der Auf gaben erst sprechen können, wenn all« auf den außer ordentlichen Etat nicht gehörenden Ausgaben auf den ordentlichen Etat übergegangen sind. Angesichts der mitgeteilten Tatsachen ist aber nicht zu bestreiten, daß wir schneller vorwärts gekommen sind als man im Jahre 1909 hoffte. Die ausländische Preße braucht sich also um Deutschlands finanzielle Lage keinerlei Sorg« zu machen. Die Stimmung in Italien. sDon unserem römischen Mitarbeiter.) Eine geradezu krankhafte Empfind lichkeit der Italiener äußert sich jetzt in der Kriegszeit in allerlei seltsamen Akten der Regierung und des Volkes, für die es keine andere Erklärung gibt, als daß der Südländer gleich überschwenglich in der Liebe und ebenso leicht explosiv im Haß« wird, zumal wenn außerordentliche Ereig nisse auf seinen Gemütszustand einwirken. Mit ihm haben in erster Linie die verantwortlichen Instanzen an den obersten Regierungsstellen zu rechnen. Ein italienischer Diplomat, der lange Jahre einen hohen Posten im Auslands bekleidete, erklärte mir jüngst: „Unser Volk will nach anderem Maßstabe gemessen sein, als die kühl wägenden Deut schen oder Engländer. Ich kann mir gar nicht vor stellen, welchen Eindruck die Meldung von einer entscheidenden Niederlage hier machen würde. Es wäre ein Verhängnis! Die Konsequenzen unabsehbar!" Diese Worte eines Mannes, der sein Volk liebt, seine Schwächen und eine Leidenschaftlichkeit kennt und sich die Sporen für eine diplomatische Laufbahn im Ausland verdient jat, geben zu denken. Man wird das Gefühl nicht os, daß man in Italien auf einem Vulkan lebt. Nicht um Tripolis willen, sondern um der eventuellen weiteren Komplikationen. . . . Das italienische Volk verträgt, und das ist wahrlich sehr schlimm, keine Kritik, mag sie auch noch so wohlgemeint sein! Einige Lehrer haben, weil der Profeßor Bon- fiali auf offener Straße wegen seiner abweichenden Meinung von seinen nationalistischen Studenten ver- prügelt worden war, einen geharnischten Protest an den Unterrichtsmtnister gerichtet und dabei auf die verfassungsmäßig gewährleistete Lehr- und Gewis sensfreiheit hingewresen. Nun werden die protestie renden Lehrer offen und geheim angefleqelt. Der gutbürgerliche „Secolo" meinte letzthin: Dre volle Wahrheit darf man in Italien nicht mehrzu sagen wagen, es gäbe sonst die Revolution! Tine Ausnahme gestattet man nur den sozialdemokratischen Blättern, wenn sie sich nicht etwa verleiten laßen, den „Heroen" drüben in Tri polis Uebles nachzusagen. Letzthin aber brachte ein sozialistisches Blatt in Genua, der „Lavoro . den Brief «ine» Sergeanten au» Tripolis, der da frei von der Lever weg erklärte, die offiziellen Mitteilungen über die italienischen Verluste seien trügerisch! In der Schlacht am 26. Okto- ber seien nicht Hunderte, sondern Tausende wackerer Italiener gefallen! Sofort kommt dre regierungs offiziöse „Tribuna" und rllff«lt den „Lavoro" herun ter, daß er er fertigbrächte, einen solchen Lügen- bericht abzudrucken! Der Korrespondent de» Petersburger „Rjetsch*. eines Italien durchaus nicht unfreundlichen Blatte», ist ausgewtesen worden, man weiß noch nicht recht wegen welcher verletzender Korrespondenz. In Florenz wurde dieser Tage der Journalist Eicky aus Myslowttz wegen „ehrverletzender Aeußerungen" auf offener Straße attackiert und oben, drein verhaftet! Mit Wutgeschret fallen di« Blätter über den Polen" her, ohne zu ahnen, daß Myslowttz zu Preußen gehört. Wüßten sie es, dann würde sich die Wut verdoppeln! Man^r-nt nicht, wie schwer man sich durch solche Vorgänge und durch einen albernen Boykott deutscher Waren in «ine»
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