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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 23.08.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-08-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110823017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911082301
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911082301
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-08
- Tag 1911-08-23
-
Monat
1911-08
-
Jahr
1911
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müssen die Kosten aufaebracht werden, durch eine gerechte Steuer auf Einkommen, Vermögen und Erbschaft. l2. Deutscher Sanüwerks- unü Gewervekammertaz. II«. Diisseldorf, 22. August. Di« Verhandlungen de» Deutschen Handwerks- und Gewerbekammertag«» wurd«n heut« früh im Ritter saal« der Tonhall« in Gegenwart zahlr«ick)er Vertreter der Reichs- und Staatsbehörden durch Klempnerober meister H. Plat«- Hannover al» das Parlament des Deutschen Handwerk» eröffnet. Nach Begrüßung der Regierungsvertreter und der zahlreichen Ehrengäste sowie der Vertreter der verschiedenen Korporationen wies er darauf hin, doch der diesmalige Kammcrtag im Zentrum der Industrie stattfinde. Trotzdem aber erblicken wir auch hier ein Blühen und Gedeihen des Handwerkes. Es geht daraus hervor, daß zwischen Industrie und Handwerk keine (Gegensätze bestehen, sondern daß sie sich ergänzen und daß Industrie, Han del und Handrverk aufeinander angewiesen seien. Der Redner schloß mit einem begeistert ausgenommen«« Hoch auf den Kaiser und di« deutschen Bundesfürsten. Daraufhin nahm als Vertreter der Reichsregie- runa Geh. Oberregiernngsrat und Vortragender Rat im Reichsamt des Innern Iaup - Berlin das Wort, um die Tagung im Namen des Staatssekretärs des Innern Dr. Delbrück zu begrüßen und den Verhand lungen einen glücklichen und gedeihlichen Verlauf zu wünschen. Es mag ja auf einzelnen Gebieten dem Handlverk nicht immer leicht sein, gegenüber der über mächtigen Industrie sich zu behaupten, aber Sie sehen, daß Industrie und Handwerk sich nicht ausschließen, sondern ergänzen. Das Handwerk und überhaupt «inen gesunden Mittelstand zu erhalten, ist immer eine der vornehmsten Ausgaben der Neichsregierung und der verbündeten Staatsregierungcn gewesen und wird cs bleiben, liedhaftes Bravo!) Di« Negierung betrack)- tet es als einen Gewinn, daß sie seit vielen Jahren aus Ihren Verhandlungen reic!)e Belehrung schöpfen kann. Ich bin überzeugt, daß, solange Sie unter der Leitung eines so erprobten und erfahrenen Mannes wie des jetzigen Vorsitzenden tagen, und solang« Si« in dersellren besonnenen und maßvollen aber doch ziel bewußten Weis« di« Interessen des Handwerks ver treten, auch weiter reicher Gewinn aus Ihren Ver handlungen erwachsen wird. (Lebh. stürm. Beifall.) An zweiter Stell« begrüßte den Kongreß der Ver treter des preußischen Ministers für Handel und Ge werbe Geh. Oberregierungsrat Dr. Franke-Berlin; er überbrachte zugleich auch die Grüße d«s Oberpräsi denten d«r Rhcinprovinz. Er sprach d«n Wunsch aus, daß es gelingen möge, die wichtigen zur Verhandlung stehenden Fragen der Handwerkssörderung einer ge deihlichen Lösung entgegenzubringen. Svenn heute weite Kreise des Handwerks eine hoffnungsvolle Stimmung erfüllt, so gereicht das auch uns Vertretern der Staatsbehörde zur Genugtuung. Si« wißen, daß nicht immer Uebcreinstimmung zwischen Ihnen und der Staatsregierung über die einzuschlagenden Weg«, die zum Ziel« führen konnten, (»«standen hat, sondern daß manche Differenzpunkte vorhanden waren. Das soll uns aber nicht veranlaßen, das Vertrauen der Staatsregierung zum Handwerk und den Glauben an besten Zukunft zu erschüttern, vielmehr ist dieses Ver trauen immer größer geworden. (Lebhaftes Bravo!) Als Zeichen dieses Vertrauens können Sie erblicken, dftß Ihr Vorsitzender zum Mitglied des Herrenhauses auf Lebenszeit ernannt wurde. Es ist mir eine be sonder« Freud«, Ihnen, verehrter Herr Vorsitzender, auch hier an dieser Stell« mein« Glückwünsche auszu sprechen. (Lebhafter Beifall.) Es folgen dann noch mehrere Begrüßungs ansprachen, so des Landeshauptmanns der Rtzeinpro- vinz König!. Regierungspräsidenten a. D. v. Ren ners, von Vertretern der Stadt Düsseldorf, der Han delskammer Düsseldorf, der Handiverkskammcr Düssel dorf und der Landwirtschastskammer für die Rlzein- provinz. Di« nächstjährige Tagung wird in Hannover stattfinden. Darauf wurde in di« Tagesordnung einae- trete». ZuuLchst erstattet« Generalsekretär Dr. M e > s ch - Hannover einen Jahresrückblick über die Lage des Handwerk». Er beschäftigt« sich zunächst mit der Reichsver sicherungsordnung und konstatierte, daß das Gesetz in der Form, in der es schließlich zur Verab schiedung gelangte, im großen und ganzen die Billi gung des Handwerks finden könne. Was die Pri vatbeamtenversicherung anbetrifft, so muß bei aller Anerkennung der sozialen Berechtigung des Prinzip, dieser Versicherung bebauen werden, daß di« Regierung dies« Versickerung nicht auch in den Nah men der allgemeinen Reichsversicherungsovbnung hin- cingebracht hat, und daß sie damit das eben erst müh sam herg«stellte Einigungswcrl der sozialen Versiche rungsgesetzgebung selbst wieder zerstören will. Di« Verabschiedung des Gesetzes über die Arbeits kammern harrt noch der Lösung. Eine Reihe wei terer Aufgaben der Handwcrkerforderung, bei denen die Mitwirkung des Reichstages notwendig ist, harrt noch der Erledigung. Redner spricht den Wunsch aus, daß man zunächst nicht durch weiter« Einschränkung der Recht« der Arbeitgeber zugunsten «ter Arbeiter noch weitere Erbitterung in die Reihen der stlbständi- gen Handwerker hineinbringen möge. Sodann wendet er sich den Bestrebungen zu einer Einigung des Hand werks- und Kleingewerbes in einem neuzugrüirdenden Mittelstandsbundes zu. Sie wissen, daß dieser Verband sich in erster Linie die Ausgabe gestellt hat, die in -en einzelnen Ver bänden zerstreuten Kräfte des Handwerks und Klein handels zu einer mächtigen Organisation zusammen zu schließen. Dieses Ziel ist an und für sich vollständig aner kennenswert, und dieses Streben des Mittelstandes muß mit Freuden l>egrllßt werden. Aber vor zwei Fehlern muß gewarnt werden: einmal vor dem utopischen Gedanken als könne die Bildung «iner selbständigen Handwerker- und Mittelstands partei für di« Parlamente erreicht werden, und ferner vor dem Versuch, den neuen Verband in eine einseitige parteipolitische Richtung hineinzudrängen. Vor beiden Fehlern muß der neue Verband sich hüten, wenn er seinem bisherigen Pro gramm folgen will. Gelingt die Stärkung einer eigenen Organisation in einer Form, bei der das Handwerk frei und kräftig bleiben kann, und bei -er nach politischer Richtung keinem zuleide, und keinem zuliebe gehandelt wirch dann wird man von feiten d«r Jnterestentenvertretung des Handwerks dem nur zustimmen können, dann wird die Jntcressenvev- tretung des Handwerks zu gemeinsamer Arbeit zum Besten des ganzen Standes gern und willig sich be reitfinden lassen. Die gegenwärtige Lage ist ernst, und es ist nicht abzusel-en, wie der Charakter des nächsten Reichstages sein wird, dem die Entscheidungen über viele Geschicke des Handwerks obliegen. (Leb hafte Zustimmung.) Darauf sprach der Syndikus der Düsseldorfer Hand werks- und Eewerbekammer Dr. Wilden über kommunale Handwerkssörderung. Rach kurzer Debatte wurde nachfolgenden von dem Referenten ausgestellten Leitsätzen zugestimmt: Zu»: Zwecke der Handwerkssörderung kommen für die Gemeinden unter anderem folgende Aufgaben in Betracht: Die Errichtung von Handwerker- oder Ge- rverbeausschiisscn mit dein Bürgermeister oder seinem Vertreter als Vorsitzendem zur Beratung und Begut achtung von Anträgen und Maßnahmen zur wirt schaftlichen und sozialen Förderung des Handwerks; Mitwirkung der Volksschulen bei der Lehrstellenver- mittlung; Errichtung unü Unterstützung von Fort bildungs- und Fachschulen, wobei kleinere Gemeinden sich zu einem Fortbildungsschulverbandc vereinigen können, Beteiligung der Gemeinde an der Jugend fürsorge, besonders an ihrer sittlichen und staats bürgerlichen Erziehung; Unterstützung der Gesellen und Meister zum Besuche der sog. großen Meister kurse; Geschmacksbildung der Handwerker und Ver edelung der Handwerksarbeit durch Schaffung guter Vorbilder in Museen. Regelung des Verdingungs wesens und Erlaß einer Verdingungsordnung; Unter lassung sog. gemeinschaftlicher Regiebetriebe, Verbot an di« Beamten gegen den heimlichen Warenhand«l und gegen dienstlich« Beteiligung an den Konsum vereinen. Bet der Gründung von Ueberlandzentralen sollen die Gemeinden jed« Monopolstellung großer Werke verhindern. Ferner wird die Errichtung sog. Werkstättenhäuser. wie in der Schweiz und in Oesterreich, angeregt. Bei der Befriedigung des Be dürfnisses nach gewcrblichcmKredtt sollen LieGemeinde- sparkassen den Handwerkern durch Gewährung von Darlehen an die Genostenscksaften und die gemein schaftlichen Geschäftsbetriebe der Innungen behilflich jein. Das Gewerbesteuersystem ist durch die Errich tung besonderer Gemnndcgewerbcsteucrn an Stelle der üblichen Zuschläge zur staatlich veranlagten Ge werbesteuer zu verbessern. Der nächste Punkt der Tagesordnung betraf die Versicherung der Privatangestelltrn. Syndikus Dr. P a c j ch ke - Breslau begründete ein gehend den ablehnenden Standpunkt des Handwerks- und Gcwerbekammertaaes gegen diesen Entwurf. Er legt schließlich der Versammlung fol genden Antrag zur Annahme vor: Der Gesetzent wurf fällt aus dem Nahmen der allgemeinen In validenversicherung heraus und zerstört damit wieder bas eben abgeschlossene Werl der Vereinigung der sozialen Gesetze. Durch Annahme dieses Gesetzent wurfes würde der sozial« Frieden nicht gefördert, son dern gestört werden; denn das Gesetz bringt den- ienigen Personen, die dadurch versichert werden, ein« Anzahl von Eondervorteilen, wie Errichtung einer Einkommensgrenz« von 5000 -ck, Herabsetzung der Altersgrenze auf 6b Jahre, gesetzliche Festlegung des Begriffes: „Berussinvalrdität", Doppelversicherung in den unteren Einkommensklasten gegenüber den nicht unter das Spezialgcsetz fallenden Versicherten, Vor teile, welche die durch das allgemeine Gesetz versicher ten Personen nicht erhalten haben. Für diejenigen Personen, denen staatlich geleitete oder beaufsichtigte Pensionskassen mindestens dieselben Rechte sichern, wie es die Ncichsversicherung tut, hat der Dcrsiche- rungszwang wegzufallen. Die schon bestehenden Pen- sionseinrichtungen müssen aufrechterhalten bleiben, falls durch ihren Wegfall ihr« Mitglieder geschädigt werden. Der Kostenaufwand, der durch die Doppel versicherung und die besondere Verwaltung entstehen würde, ist übermäßig und daher nicht zu billigen. Der Deutsche Handwerks- und Eewerbetammertag kann daher einem derartigen Gesetzentwurf« nicht zustimmen. In der Debatte führte Baumeister Sames« Darmstadt aus, Arbeiter und Privatangestellte können nicht in einen Topf geworfen werden. Die Mehrzahl der Privatangestellten wünscht eine Sondcrversiche- rung und will nicht der Arbeiterverficherung unter stellt sein. Ich bitte daher, den Antrag nicht anzu nehmen. Die Versammlung nahm darauf ohne weitere Debatte nahezu einstimmig den Antrag des Referenten an. Darauf wurden die Verhandlungen auf Mittwoch früh vertagt. Parteitag öer Srrzjalüemakrstie im Königreich Sachlen. (Nachdruck verboten.) m. I>. Meißen, 22. August. Die Verhandlungen des heutigen Sitzungstages wurden um !> Uhr 15 Min. durch Abg. Fleißner eröff net, der Mitteilung von dem Ableben des Partei genossen Ze Hl-Dresden macht. Abg. Fraßdorf-Dresden hebt dann hervor, daß die Dürre «inen großen Futtermittel mangel ge zeitigt hab«, auch stehe eine Lebensmittclteue- rung nicht nur in Aussicht, sondern sei teilweise bereits eingetreten. Nicht nur die Interessen d«r Pro duzenten, auch die der Konsumenten müßten gewahrt werden. (Sehr richtig.) Die Landtagsfroktion werd« deshalb noch heute «in« Eingabe an die Regierung richten, worin gefordert werd«: Fracht ermäßigung nicht nur für Futtermittel, sondern auch für Nahrungsmittel, di« der Ernährung der großen Mass« dienen, ferner nach Zusammentritt des Land tags ein« Vorlage, die die inländische Fleischbesteue rung aufhebt. Außerdem soll in der Eingabe die säch sische Regierung aufgesordert werden, im Bundesrat di« Mittel zu beantrag«», die di« Ernährung erleich- 1«rn, also Suspendierung der Zölle für Nahrungs mittel und Futtermittel, Abschaffung der Einfuhr schein«, di« wie eine Ausfuhrprämie auf Eetreid« wirkten. Ein solches Vorgehen geschehe nicht nur im Interesse der Parteigenossen, sondern in dem des ge samten werktätigen Volkes. Unter lebhaftem Beifall nimmt di« Versammlung hiervon Kenntnis. Namens der Kommission für da» Organisationsstatut berichtet Abg. Geyer-Leipzig und geht auf die in der gestrigen Sitzung angefochtenen Punkte des Entwurfs zum neuen Organisationsstatut «in. Er sucht noch mals nachzuweisen, daß die neuere Fassung praktisch keine wesentliche Aenderung ds bestehenden Rechts be deute, und tritt für Annahme des Organisations statuts nach dem vom Zentralkomitee vorg«legt«n Ent wurf mit unwesentlichen, meist redaktionellen Aende- runacn ein. Deleg. Schöpflin-Leipzig schlägt zur Geschäftsord nung vor, nach dem Verlause der gestrigen Debatte auf eine Epezialdiskussion zu verzichten. Vorsitzender Abg. Fleißner-Dresden teilt mit, es lieg« ein Antrag auf an bloo-Annahme vor. Deleg. Schmidt-Meißen bekämpft beide Anträge, ebenso die Deleg. Lipinski-Leipzig und Uhlig-Zittau, während die Deleg. Illg« und Sindermann für sn bloa- Annahme eintreten und Deleg. Riem den Antrag Schöpflin befürwortet. Die sn bloa-Annahme wird hierauf gegen 38Stim- men abgelehnt; dagegen wird beschlossen, nach dem Antrag« Schöpflin §u verfahren. In der Einzel abstimmung werden sämtliche Paragraphen mit grosier Mehrheit angenommen, ebenso schließlich gegen 9 Stimmen der ganze Entwurf. Ueber die Gemeindesteuerreform referiert alsdann Abg. Lange-Leipzig. In jedem Klassenstaat« hätten die Besitzenden sich die Macht gesichert, suchten aber die Steuerlasten auf di« weniger bemittelten Klassen abzuwälzen. Das sei schon im 16. Jahrhundert so ge wesen und bis Mitte des vorigen Jahrhunderts so ge blieben. Deshalb hätten auch die Konservativen stets sich gegen Vesitzstcuern und allgemeines Wahl recht gestemmt. In Sachsen habe man seit 1876 die Einkommensteuer, aber auch noch immer die Schlacht steuer. Die Gemeindesteuern haben sich zu einem sehr bunten System (17 verschiedene Arten) entwickelt. - Mehr und mehr übertrage Las Reich den Gemeinden neue Aufgaben. Darum suchten die Gemeinden eifrig nach neuen Steuerquellen. Als Hauptquell« bleibe ihnen di« Einkommensteuer, die aber auch der Staat gern habe« wolle. 1901 und 1904 habe die sächsische Regierung Versuche zu einer Reform des Gemeinde- steuerwesens gemacht, die aber verfehlt gewesen seien, und deshalb d«n lebhaften Protest der Sozialdemo kratie zur Folge gehabt. Der nächste Landtag werde sich wieder mit einer Geineindest«uerreform zu be schäftigen haben. Prinzipiell könne man der Gc- meindeselbständigkeit zuliebe di« staatliche Regelung - des Gemeindesteuerwesens nicht bekämpfen. Redner gibt dann kurz Proben verschiedener System« der Ge meindesteuer in sächsischen Gemeinden. In 1385 Ge meinden lasse sich das Steuersystem mit der Staats einkommensteuer vergleichen. 496 von ihnen blieben unter 100 Prozent der Staatssteuer, 288 erhöben 100 bis 150 Prozent, 271 bis zu 200 Prozent, 222 bis zu vom jungen Raabe. (Nachdruck verboten.) „Vom alten Raab« weiß man seit dem 9. Sep tember 1901, seinem Auserstehungs- und 70. Geburts tag, einiges; vom jungen Raabe dagegen noch wenig." Mit diesen hübschen und treffenden Worten leitet Hermann Anders Krüger jein soeben im Lenien-Verlage zu Leipzig erscheinendes Büch lein „Der junge Raabe" ein, das die Jugend jahre und Erstlingswerke des Dichters des „Schüdde- rump" biographisch und literarisch behandelt. Raabe selbst war im allgemeinen über sein Leben und insonderheit über seine Schul-, Lehr- und Stu dienjahre recht schweigsam, und wenn er irrige 'Nach richten über seinen Lebenslauf zu lesen bekam, so er götzte ihn das eher; „je mythischer, um jo bester", pflegte der alte Schalk dann wohl zu bemerken. Aber er hatte doch auch Stunden, wo er rn der Gebe laune war, und seine Mitteilungen fanden eine vor treffliche Ergänzung durch seinen Bruder Heinrich, der für Tatsachen und Daten ein besonders scharfes Gedächtnis hatte oder sie gar altenmäßig zu belegen wußte. Das sind die beiden Quellen, aus denen Krüger die Miteilungen seiner Schrift geschöpft hat, durch die nun Raabes Frühzeit zum ersten Male in voller Anschaulichkeit vors Äuge tritt. Es war diese Jugendzeit Wilhelm Raabe» nicht anders, als wie sein ganzes Leben gewesen ist: äußer lich nicht reich an bewegten oder bedeutenden Er eignissen, um so reicher an stiller innerer Entwicke lung und tiefwurzelndem Erleben. Das Ergebnis seiner Echulstudien faßte bei seinem Ucbergange ins praktische Leben sein Abgangszeugnis mit -en Worten zusammen: „Im deutschen Stil und im freien Handzeichnen hat er einen Grad der Vollkommenheit erlangt, wie er auf der Bildungsstufe, auf welcher er steht, nicht häufig ist." An diesen Worten ist ebenso interessant, was si« sagen, wie was sie ver schweigen; denn es geht daraus hervor, daß in den anderen Disziplinis der Schüler Wilhelm Raabe es nicht gerade sonderlich weit gebracht hat. Daß er al«r ein nicht gewöhnliches zeichnerisches Talent be saß, das wird durch Krüger völlig bestätigt. Der kleine Wilhelm pflegte zu den elterlichen Geburts tagen kunstvolle Glückwunschschreiben mit Eng- lcin usw. anzufertigen. Als die Mutter dabei ein mal bemerkte, die Engel sollten aber etwas anhaben, kostümierte st« Wilhelm höchst wirkungsvoll mit tunten Nöcken und Fracks, ließ sie lange Pfeifen rauchen, gab ihnen Regenschirme in die Hand, und was dergleichen witzige Einfälle mehr waren. Einige Lieser ergötzlichen Bogen sind noch vorhanden. Später trat in Raabes künstlerischen Versuchen die Romantik mehr in den Vordergrund und be sonders Landsknechtsszcnen waren bei ihm beliebt. In Randzeichnungen seiner Manuskripte oder als launiger Fcsttarikarurist der Ktciderjeller hat Raabe auch in späteren Jahren sein Zeichentalcnt noch manchmal ausgcnützt, im übrigen aber hat er nie be- sonderen Wert darauf gelegt. Das andere Faa.,. worin er nach dem Urteile des Schulzeugnisses her vorragend war, war der „deutsche Stil". Wirklich konnte schon der Tertianer Raabe unter seinem Auf sätze einmal die etwas mißtrauische Anerkennung lesen: „Wenn dieser Aufsatz vom Schüler selbst versaßt ist. jo berechtigt dieser zu Len größten Erwartungen." Und er war wirklich vom Schüler selbst verfaßt. Auf die ihn weniger anziehenden Fächer aber hat sich Raabe in der Schule nie konzentrieren können, und ein Unglück ist ja Las schließlich für ihn auch nicht gewesen: „Co wie letzt, stramm, stramm — alles über einen Kamm, so bin ich nicht hcrausgekommen", also hörte man ihn wohl schmunzelnd bekennen. Die Schulstudien wurden abgebrocl)en, es ging ins Leben hinaus — das will jagen in die Creutzsche Buchhandlung zu Magdeburg, wo Raabe al» Lehrling eintrar. Die Bedeutung Lieser vier Lehr lingsjahre liegt vor allem darin, daß er in der nicht gar zu rege beschäftigten Buchhandlung seinen Lese hunger voll befriedigen konnte. Dabei war es ein besonderer Elücksfall, daß sich in der Creutzschen Buchhandlung die ganzen Cortimentshefte seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in albi«; er halten hatten, wodurch Raabe Gelegenheit zur Kennt nis der Literatur auch auf abgelegenen Gebieten er langte. Was er in Magdeburg wähl- und systemlos in sich ausgenommen hatte, das hat er dann in seinen Berliner Jahren still in sich verarbeitet. Nichts ist aus dem Berliner Aufenthalte gerade für Raab« so charakteristisch, als daß er in der preußischen Haupt- und Königsstadt auch die Kleinstadt, die da mals noch einen größeren Raum als heute einnahm, scharfäugig zu entdecken und gemütvoll zu beobachten verstand. Volksleben, Volkstypen, Volkstheatcr: das war eine Art speziellen Forschungsfeldes für den werdenden Dichter, der dann hier, großenteils im Kolleg — schon um die Heizung zu sparen — seine „Ehronik der Sperlingsgaste" schrieb und damit seinen eigentlichen Beruf fand. Anerkennende Kri tiken gaben dem jungen Dichter, der nun nach Wolfenbütcl einkehrte, um hier weiter zu schaffen, im heimischen Kreise ein gewisses Relief. Die Wolfenbütteler Tage, die nun folgten, waren Tage des Glücks. Er fand dort Freunde — der noch heute parlamentarisch tätige greise Karl Schrader gehörte damals zu seinem Wolfenbütteler Stammtische —, er fand seine Braut Bertha Leiste, die der Stern dieser schönen Wolfenbütteler Tage wurde. Den Abschluß seiner eigentlichen Bildungs jahre machte Raabes erste große Reise, die er im Frühling 1859 antrat. Es war recht eigentlich eine Bildungsreise, die der „Literat, schlank, Haare und Augen braun", wie ihn sein Paß beschrieb, ins deutsche Land unternahm. Sie führte ihn über L ei o- z i g und Dresden nach Prag und Wien, nach Mün chen, Stuttgart und an den Rhein und vermittelte ihm eine Fülle interestanter menschlicher und lite rarischer Bekanntschaften. Bemerkenswert ist darunter sein Besuch bei Gustav Frey tag in Leipzig. Als Raabe dem Herausgeber der „Grcuzboten" von seiner Ab sicht erzählte, nach Italien zu wandern, riet ihm Frcytag dringend ab und meinte: „Was wollen nur die deutschen Künstler immer in Italien! Sie sollten Neber nach den Niederlanden gehen, da ist das gelobte Land germanischer Kunst, da sollten sie hin ziehen,wenn sie etwas Brauchbares lernen wollen." Die beabsichtigte Reise nach Italien wurde übrigen» durch die politischen Ereignisse des Jahres 1859 von selbst unmöglich gemacht. Äls er im Herbste nach Wolfenbüttel zurückkehrte, war er zum Manne ge reift. Zeugnis davon legt die klare und scharfe Selbstck-araktcristik ab, die er in einem Freundes briefe aus jener Zeit von sich selbst gegeben hat: „Träge und indolent im höchsten Grade, bin ich doch der größten Energie fähig. Einen Vorsatz, Plan, Wunsch gebe ich selten auf. Ich komme hartnäckig auf den Gedanken zurück, wenn auch Jahre seit dem ersten Auftauchen vergangen sind. Ich habe niemals ein Trauerspiel der französischen Klassiker durchlesen können. Für die antike Welt ist mein Verständnis und meine Teilnahme eine geringe. ... Es stecken eine Menge Gegensätze in mir, und seit frühester Jugend habe ich mich selbstquälerisch mit ihrer Ana lyse beschäftigt. Im gesellschaftlichen Leben will niemand den Poeten in mir erkennen; ein ästhetisches Gespräch kann mich in den Sumpf jagen. Ich lieb« einen Kreis guter Gesellen, eine gute Zigarre und, wenn es sein muß, einen guten Trunk. . . . Das Volkstümliche faste ich instinktiv auf. Von Natur etwas blöde und scheu, werde ich deshalb ost für hof färtig und anmaßend gehalten. Doch was soll ich Ihnen meine schillernde Seele noch weiter schildern, Sie haben gewiß schon genug und übergenug davon." Sankt unü Willenlüiakt. 8t. Die Akademie der Künste in Berlin beak- sichtigt zu Ehren ihrer verstorbenen Mitglieder Rein- hold Begas und Ludwig Knaus eine große Gedächtnisausstellung im November und Dezember zu veranstalten. Es sollen die gesamten Werke der beiden Künstler, soweit sie aus Galerien und Privatbesitz -u beschaffen sind, zur Ausstellung gelangen. Folgen der Lustbarkritsftene«. Die dänische Lusidarkeitssteuer, die am 1. Oktober in Kraft treten soll, hat schon ihre Schattenseiten durch die geringen Preise bei der für die neue Theatersaison eröffneten Logenauktion des königlichen Theaters erwiesen. Die Einnahmen stellten sich um 30000 Kronen niedriger als im vorigen Jahre. Die fehlende Summe soll nun durch den einzelnen Verkauf der Kastenbillette eingeholt werden, wozu sehr wenig Aussicht ist. Früher als erwartet zeigt sich die Wir kung dieses wenig durchdachten und kulturfeind, lichen Gesetzes sogar im Staatstheater. Dieses kann den Verlust freilich ertragen, da eine eventuelle Unterbilanz vom Staat ersetzt wird. Theaterchronik. In Homburg ist der Bau eines antiken Theaters mit anschließender Arena ge plant. Die Anregung hierzu soll vom Kaiser ausgehen. 8i. Hochschulnachrichten. Zum Nachfolger des ordentlichen Professors Dr. F. Kiefl in Würzburg wurde der Regent am bischöflichen Klerikaiseminar Dr. Joseph Zahn, früher Ordinarius der Pastoral theologie und Homiletik in Straßburg, ernannt. — Der außerordentliche Professor des Kirchenrechts an der Universität Würzburg Dr. Fr. Gillmann ist zum ordentlichen Professor ernannt worden. — In Prag erhielt der außerordentliche Professor der indi schen Philologie und Ethnologie an der deu'schen Universität Dr. Moritz Winternitz seine Ernennung zum Ordinarius. — Der ordentliche Professor der allgemeinen und analytischen Chemie an der deutschen Technischen Hochschule in Prag Dr. Johannes Meyer ist zum ordentlichen Profeßor der Chemie an der deutschen Universität ernannt worden. — Der Privat dozent der Philosophie an der Universität Zürich Dr. A. E l e u the r o p u l o s ist als ordentlicher Professor an die Universität Athen berufen worden. Mkiu Molkst 8. petsl-ssit- s.
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