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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 13.12.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-12-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19111213017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911121301
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911121301
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-12
- Tag 1911-12-13
-
Monat
1911-12
-
Jahr
1911
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Kardiual»«rn«nnungen für Abwechselung sorgt«, und daß nach der „heiligen Woche" dies« Züge immer le«rer und leerer wurden, -t, dieser Tag« das mit ge. hsimem Schaudern und offenem Ingrimm sestgestellt, Faktum eintrat, dass der Luxuazug Berlin- Rom — Neapel auch nicht «inen einzigen Gast mitbrachtr. Alles, was zur Fremdenindusttte gehört, verwünscht daher die Unfriedfertigkeit der — Türken, sucht nach Zerstreuung-Möglichkeiten für die wenigen Gäste und opponiert scharf gegen den lanL- sam einsetzenden Boykott deutscher und östcrret- chijcher Waren, mit dem die Nationalisten sich für die angebliche Missgunst auf deutscher und ösltr- reichischer Seite glauben rächen zu können. In seiner Kurzsichtigkeit har ein von nationalistischem Ueberschwang stark angekränkelter Aerztckongreg den Boykott deutscher Medikamente be schlossen. Ich glaube nicht, daß dieses Beispiel ausier bei den Gastwirten, die aus Rücksicht auf ihr Stammpublikum deutsche „itnlo/vbo" Witzblät ter in Acht und Bann erklären müssen, viel Nach ahmung finden wirb. Da» Heimatland der „Gen- tilezza" macht seinem alten guten Ruf keine Un- ehve gegenüber Gästen, sofern sie sich in ihrer „Italofobic" nicht zu Torheiten hin. reisten lassen. Der Italiener versteht in Dingen keinen Spast, die seinen Patriotis mus verletzen. Das sollt« dieser Tage ein Ber liner am eigenen Leibe erfahren, als er im Eisen bahnzuge kurz vor Florenz zu seinem deutschen Nach barn sich spöttisch über die italienischen Waffentaten äußerte. Der vorlaute Herr bekam mit einer der ben Tracht Prügel zu wissen, daß man erstens in Italien mrLr deutsch »ersteht, als man gemeinig lich in Deutschland ahnt, zweitens in Kriegszeiten die angeborene Lcntilczza schirell vergiht, wenn man gereizt wird. Im übrigen bleibt man höflich und ist bereit, Kopf uns Kragen zu riskieren, wenn es sich um die Schlichtung eines Streites unter Deut, scheu selber bandelt. Das war jüngst der Fall, als di« römischen Lerireter zweier Berliner Blätter im Verlauf eines Wortscharmützels handge- mein wurden und nur durch das beherzte Ein greifen dreier italienischer Berufsgenossen aus- einandergebracht werden konnten. Trotzdem ver mochten die letzteren nicht zu verhindern, daß die Sache doch noch ein Nachspiel haben wird. Mit diesem aber gewinnt die Geschicht« an Interesse für die weite Oeffentlichkeit. Es handelt pch um eine Säbelsorderung, die der eine der Streiter feinem Gegner ins Haus geschickt hat. Das konnte der erstere um so eher tun, al, er ein prononziert konservatives Blatt vertritt, das ihm den Zweikampf schon darum nicht verübeln wird, weil er die Fplgc einer an die ursprünglich beabsichtigte Ausweisung des Gegners geknüpften Polemik ge wesen ist. Des legieren Legan aber huldigte von jeher Luellfeindlichen Grundsätzen «und hat für Duellferc nur Spott und Hohn übrig. Da wissen auch umcre guten Römer und sehen gerade des halb der Austragung des Streites mit täglich wach- sender Spannung entgegen, weil bekanntlich in Ita lien auch «in Sozialdemokrat, zumal wenn er Jour- nalist ist, nicht zaudert, sich mit seinem Gegner im Zweikampf zu messen. Hat doch erst in der vergan genen Wocl)« der sozialdemokratische Sohn des eben falls sozialistischen Professors Donfigli mit einem Nationalisten die Klingen gekreuzt, weil dieser seinen alten Vater wegen dessen „antitripolinischen" Hal tung auf offener Straste angcpobelt hatte. Aber Duelle fremdländischer Journalisten sind bisher in Nom noch nicht in Mode gekommen. Daher ist das Interesse begreiflich. Die wiederholten Versuche, die beiden „Nomanida Berlins" — die Römer aus Berlin — zu versöhne», haben keinen Erfolg ge habt, und so werden die Säbel weiter gewetzt zur grössten Freude aller Romani da Roma. Ihr Herz gehört augenblicklich dem vielgenannten Romano da Parigi, Henn Jean Lauere, dem drüben in Tripoli» ein „gedungener Meuchelmörder d«r Iungtürken" di« b«reit» legendär geword«n«n drei Dolchstich« vrrsetzt hall«. Eie scheinen dem „pa- ris«risch«n Römer" keinen bleibenden Schaden getan zu haben. Denn zwei Tag« nach jenem „historischen Ereignis" konnte Herr Carrör« seiner Berichtev- statterpflicht «mitten in dem feindlichen Kugelregen" — ich must zitieren, sonst würde man'- nicht glauben — nachkommen. Und gestern hielt der zum Natto. nalhero» Italiens aufg«nickte Romano da Pa- rigi seinen feierlichen Einzug in der ewi ge n S t a d t, für den alt und jung di« umfassendsten Vorbereitungen zum Zwecke einer Riesendcmon- stration für die Verbrüderung Jta- liens und Frankreichs getroffen hat. Es gibt kaum ein Blatt in Nom, das nicht den Grido della LatinitL — den Schrei der lateinische» Nasse — ausstostrn, das Glück der „lateinischen Schwestern" preisen und das Volk zu Kundgebungen für d«n „Helden" aus Paris auffordern würde. Ein Blatt meint sogar, ob im Ernst oder Scherz, weist man nicht recht, daß die „lateinische Welt" dem heim tückischen Sendboten ser Hungtiirken Dank wissen müßt«, weil er durch seine Untat das Siegel aus das Herzensbündni» zwischen Franzosen und Italienern gedrückt habe. . . . Es ist schwer, in diesen bewegten Zeiten ernst zu bleiben. Namentlich dann nicht, wenn di« Nömer selber keinen Spast verstehen. Ihnen ist in der Per son des Leiters des Apollotheaters und dessen Haus- dichtere Nonato Simoni ein Spastverderber entstanden. Leiden haben sie es bei der Premiere der neuesten Iahresrevue gründlich eingstränkt. Sie nennt sich sebr vieloerheitzend das „Mysterium des Heiligen P a l a m i d o n e". Man wird sich erinnern, daß Italiens „größter" moderner Dichter, Herr d'Annnnzio, der demnächst im Auftrage eines Mailänder Blattes nach Tripolis gehen will, um seinen Kriegskanonen mehr Lokalkolorit zu geben, in Paris ein Mysterium des Heiligen Sebastian ge schrieben hatte. Der Heilige Palamidon« ist nie mand anders als der Ministerpräsident Diolitti, so benamset wegen seines traditionellen langen schwarzen Gehrock». Der Heilige „Langrock" also wird in der Iahresrevue mit all seinen Taten durch gehechelt. Die Römer amüsierten sich köstlich, bis „Langrocks" letzter und bedeutsamster Ministerakt, die Eroberung von Tripoli», aufgerollt würbe. Al» die Römer ihr« Trikolore durch den Aufmarsch von meisten Marinesoldaten, roten Infanteristen und grünen Ber- saglieri persifliert glaubten, erhoben sie einen Höllen lärm, der Vorhang siel unter den Klängen de» Königsmarsck-es und die Vorstellung darf nie und nimmer wiederholt werden. Denn in Dingen de» Patriotismus versteht der Römer keinen Spast. Auch die Bürger von Genua nickt, wo der königliche Richter Bogliolo aus dem Theater hinausgeworfen wurde, weil er es abgelehnt, im Augenblick, wo die Königshymne gespielt wurde, sich von seinem Sitz zu erheb». Also wird Mißachtung patriotischer Gefühle be straft. Im übrigen aber ist man vergnügt und fröh licher Dinge und feiert jeden neuen Sieg mit neuer Begeisterung. Und ich konstatiere: Rom ist nie so interessant gewesen, wi« jetzt. h?. * vom Kriegsschauplatz liegen heut« nur wenig Nachrichten vor. Die „Agen- zia Stefani" meldet aus Tripolis vom Montagvor mittag 11 Uhr: Nachrichten aus dem türkischen Lager besagen, daß einige Araberhäuptling« die Türken dazu nöti gen wollen, den Krieg fortzusetzen. Dl« Araber beschuldigen die Türken, sie verkauft zu haben und drohen ihnen, sie zu verlassen, wenn sie L«ir Krieg nicht fortsetzten. E» wurden Rekognoszie rungen bi, 11 Kilometer von Ain Zara auf di« Südsüdost- und di« Südwestsront ausgeführt, doch wurde vom Feind« k«in« Spar gesunden. Zn Hom, ist alle» ruhig. Dt« Hospitalschiff« „Regina Margherita" und „Menfi" sind -ter an gekommen. Bon Montagabend 11 Uhr wird au» Tri poli» gemeldet: Die Kavallerie unternahm am Montagvormit- tag von Ain Zara aus eine Rekognoszierung in südwestlicher Richtung und stieß dabei auf einige klein« Abteilungen von Arabern, di« nach Tarhuna marschierten. Einige von diesen feuerten aus großer Entfernung, verschwanden aber, als sie ver folgt wurden, in den Wäldern. Flieg«» für die Türkei. Auch die ganz neue Laufbahn der Berufsflieger scheint bereits, wie alle arrdern Berufe, an Ueber- füllung zu leiden. Aus die erste Nachricht hin, daß die Türkei zur Verwendung auf dem afrikanischen Kriegsschauplätze Flieger anzuwerbcn suchen, boten sich der Vermittlunasanstalt „Aoiator" über 70 dtolomierte Leute an, darunter viele, die einen sehr bekannten Namen haben und viele Preis« im Wettfliegen erobert haben. Anmeldungen sind u. a. auch aus Berlin, Magdeburg und Wien eingetrofsen. Unter den Bewerbern befindet sich sogar ein Chi nese, der in Paris sein Fliegerdiplom erhalten hat. Manche der Flieger verlangen, daß ihr Name ge heim bleibt und daß ibnen gestattet wird, unter einem angenommenen Namen zu fliegen. Auch eine Dame. Li« bekannte Fliegerin Annie Pascal, stellt sich dem türkischen Kriegsministerium zur Verfügung. Wenn man also bezahlen kann, hat man heute bereits dt« reichste Auswahl unter be währten Fliegern. Die Aushebung des Ausweisungsbefehls in Smyrna. Konstantinopel, 12. Dez. (Meldung des Wiener K. K. Telegr.-Korr.-Bureaus.) Nachrichten au» Smyrna bestätigen, Last die Ausweisung der Italiener aus Smyrna zurückgezogen worden ist, weil es sich dabei um eine falsche Auslegung des betreffenden Auftrages durch die Lokalbehörden gehandelt hat. Nom, 12. Dez. (E. D.) „Popolo Romano" hebt die großen Anstrengungen hervor, die der deuische Gesandte in Konstantinopel macht, um die in der Türkei lebenden Italiener zu beschützen und er mahnt gleichzeitig die deutsche und die italienische Presse, die Polemik abzubrechen, die, wenn sie fortgesetzt werde, einen gefährlichen Niederschlag der öffentlichen Meinung in beiden Staaten zurücklassen würde, die mehr als dreißig Jahre verbündet seien und jetzt mehr noch als bisher hervorragendes Interesse haben, auch weiterhin eng verbündet zu bleiben. Ssnkau im KriegsMsnü. (Von unserem Spezialkorrespondenten in Ostasien.) (Nachdruck verbot««.) Haukau, den 10. November. Die sonst so friedlich« Handelsstadt Hankau oder, wie es seines großzügigen LeschäjlsbetrielKS genannt wird, das .Chicago des Ostens" ist seit bei nahe drei Wochen der Mittelpunkt einer Aufstands bewegung, die sich gegen die bestehende Mandschu- dynastie richtet und die Errichtung einer chinesischen Han-Dynastie anstrebt. Zwi schen den Regierungstruppen und den Aufständischen ist bisher mit wechseloollem Glück gekämpft wordea und der Kampfplatz war in nächster Nähe der frem den Niederlassungen, unter denen sich auch eine statt liche deutsche vefindet. Die Erfolg« der Kaiser lichen haben aber noch nicht vermocht, der Fremden st adt Hankau ihre frühere Ruhe wiederzugeben, und wie in allen Plätzen des Aufstandsgebiets herrscht, auch noch in Hankau der Kriegszustand, der die hier ansässigen Westländer in starke Mitleidenschaft zieht. Die Mehrzahl der hiesigen West lau« der besteht aus Kaufleuten, deren zähem Fleiß es gelungen ist, Hankau zu einem der oedeu- tendsten Ausfuhrhäfen Chinas zu machen, und die Zeit wäre, wenn geordnete Zustände weiterhin vor geherrscht hätten, nicht mehr fern gewesen, wo der Handelsumfang Hankous den von Schanghai bald übertroffen hätte. Unter den heutigen Verhältnissen hat es aber den Anschein, als ob der Nackenschlag, der dem Hankauer Handel infolge des Auf standes versetzt worden ist, noch lange Zeit recht unangenehm fühlbar sein wird. Der schaden, der dem fremden Handel seit Beginn des Aufstandes zu- festigt worden ist, läßt sich gar nicht in Zahlen aus- »rücken, nicht allein sind wertvolle Güter bergende Lagerschuppen in Flammen auf gegangen, andern der Aufstand hat auch jeden geregelten Gc- chäftsverkehr unterbrochen und lahmgelegt, was im Hinblick auf die unter geordneten Verhältnissen ge rade in dieser Zeit beginnende Ausfuhrsaison von der Geschäftswelt besonder» hart empfunden wird. Da die Hauptkraft des Hankauer Handels in der Ausfuhr liegt, und infolge der kriegerischen Opera tionen die Zufuhr von Ausfuhrerzeug nissen aus dem Hinterland stockt, so leidet auch der Schiffsverkehr auf dem Pongtse, weil die Schiffe keine Frachten erhalten können. Selbst wenn die Güter angcliefert würden, wären wähl schwerlich die tausende geschäftigen Kulis vorhanden, die die Warenballen auf die Schiffe beförderten. Denn unter dem Druck der Ereignisse Hai ein all gemeiner Exodus unter der chinesischen Bevölkerung stattaefunden, zum Teil sind auch di« Kulischaren dem „N a t i o n a l h e « r" des Ne- bcllensührers Li-Piian-Hung beigetreten, wo sie eine bessere Löhnung erhalten, als unter friedlichen Ver hältnissen. Der Mangel an Arbeitskräften ist hier in Hankau bereits so groß geworden, dah sich Westländer herbeilasfen mußten Vieh zu treiben, Gräber zu schaufeln und sonstig? Arbeiten verrichten, an die sie vorher in ihrem Leben nie gedacht hatten. Da auch ein Teil der Dienerschaft der Westländer geflohen ist, so muß der verwöhnte Westländer für sich selbst sorgen; er geht Einkäufe machen und zieht mit frischem Gemüse, Fletsch und dergleichen unter dem Arm seinen Penaten zu, wo er sein eigener Kochkünstler sein muß. Wo allerdings die ehr» same Hausfrau waltet, da braucht der Familienvater in bezug auf die sorgfältige Zubereitung seiner leib- lichen Genüsse nicht trübe in dre Zukunft zu sehen: die Fälle sind aber selten, weil die meisten westländischen Frauen Hankaus die Stadt verlassen haben, und in Schanghai und anderen Küstenplätzen den Gang der Dinge abwarten, über deren Verlauf augenblicklich nicht» vorausgesagt werden kann. * Dtr Frtrdrnsverhandlunflrn. Die erste Sitzung der Friedenslommtssion hat am Montag stattaefunden. In japanisch» Kreisen herrscht die Ansicht vor, daß di« Abgeordneten unter allen Umständen das republikanische Re gime wählen werden. Vuanschikai wird von leinen Freunden der Nachlässigkeit beschuldigt. Er entfaltet jetzt infolge der Kritik «ine rege Tätigkeit und trifft umfangreiche Maßnahmen, um allen Eventualitäten begegnen zu können. In offiziellen Kreisen gibt man die Mandschudynastie allgemein verloren. — Die Republikaner planen eine neue Operationsbalis bei Chining, 80 Kilometer vom Gelben Fluß entfernt; sie wollen sich der Eisenbahnlinie nach Puku bemächtigen. Selbe Gelshr. Eilte historische Phantasie von D'. Karl Mischk«. (Nachdruck verboten.) Asien sieht in Flammen. In Chino stürzt die Mairdschu Dynastie, die seit 1613 den Lrachenthron inne hat, in Scherben. Tie zopfigen, bisher patri archalisch regierten Sühne des Reiches der Mitte wollen den Versuch einer Republik wagen. Wird Europa iv Mitleidenschaft gezogen werden? In srü.'»eren Jahrhunderte» Naben die wilden Horden aus den mongolifchen Steppen mehr al» einmal in die Geschicke unserer Vorfahren einge griffen. Wir wissen, daß 375 n. Chr. die Hunnen in Europa erschienen, und das war das Signal zu der großen Umwandlung Europas, die wir dl« Völker wanderung nennen, und die die Zertrümmerung de» Römischen Reiches bedeutete. Die Hunnen gaben nur den Aastop, vas übrige vollsührten die Goten, die Vandalen, die Langobarden. Ein paar Jahrhunderte später finden wir einen anderen mongolischen Volks stamm im Herze» Europas, die Aoarcn. Karls des Großen Franken erstürmten ihre Königsburg, die etwa im heurigen Kroatien lag, und sie erbeuteten so viel von den Anaren zusnmmengcstohlenes Gold und Silber, daß sie, die bisher die Aermsten unter den Nationen gcwcftn waren, mit einem Schlage die reichsten wurden. Tas war um 800, etwa 100 Jahre nach dem Vorstoß der Hunnen. Hinter den Avaren schoben sich die Madjaren in Ungarn ein und blieben dort; sie nahmen wohl auch die Neste der Hunnen und Aoarcn in sich aus. Im Jahre 1896 feierten sie dav Jahrtausend-Jubiläum ihrer „Landnahme". U>rd wieder rund 100 ^>ahre später erschienen die Mon golen wie ein losendes Ungcwitter unter Batu Khan, dem Sohne Dschingiskhans; sie überschwemmten ganz Rußland und rückten weiter nach Westen vor. Im Jahre l-'tl lieferten ihnen die schlesischen Ritter bei Liegnitz eine Schlacht, die unentschieden geblieben sein soll. Wir wissen nicht viel davon, so wenig, daß die Tschechen sich ein Rationalepos über eine Tataren schlacht in ihrem Lande -urcchlmachen konnten, das schließlich sich als eine Fälschung herausstcllte. Die Mongolen gingen non Liegnitz zurück, haben aber noch lange im südlichen Rußland regiert, bis sie allmählich inren Schwerpunkt wieder mehr nach dem Osten verlegten. Ist das nicht eine eigentümliche Ersichelnung, baß immer geraoe etwas über 100 Jahre vergehen mußten, ehe wieder in de» weiten Steppen Aiienss sich so viel Spannung ««gesammelt hatte, daß die gräßlichen Horden wie eine Windsbraut über den Ural dringen und ein unaufhaltsames Entsetzen um sich verbreiten konnten? Wie ein Geysir seine be stimmte Zett abwartrt, dt» die kochenden Dampfe sich angesommelt haben, so speit das ungeheure Asien in regelmäßiger periodischer Wiederkehr seinen verheerenden Strahl über Europa. Was sind die Gründe dieser loicdrrkehrenden Spannung? Liegen ste in der Bevölkerungszrmahme, verbunden mit der Sorge um die Nahrung? Ist das gewaltige nach barliche Thina, das fett Jahrtausenden mit den SteppensShnen Krieg führt, der Grund »u diesem un heimlich regelmäßigen Au»schwetfen nach dem Westen oder liegen da noch völkerpsychologische Problem« verborgen, die erst eine spätere Zeit lösen wird? Wir wissen es nicht, wie wir Übelhaupt von der Geschichte nicht viel wissen. Aber da» liegt klar auf der Hand, wenn eine solche Spannung vorhanden war und einen Ausweg suchte, jo war der bequemste Weg der nach Europa. Afrika ist ja durch die große syrisch-arabische Wüste und durch seine eigenen Wüiten gepanzert, und Amerika hat den Schutz des Weltmeeres. Es mögen wohl tastend kleine Züge sich die Aleuten entlang hinüberbcwegt and anker« im Gefolge der Perser über die Landenge von Suez den Weg in die lydischen Wüjten gefunden Haven, aber für große Völterschwärme war di« westlich« RiHtung über den Ural der gegebene Weg. War nun die Völkerwanderung, di« um 375 n. Thr. anhob, di« erste dieser Bewegungen? Kaum. Es werden gewiß schon früher ähnliche Eruptionen des großen Geysirs erfolgt sein. Wir wissen, dah etwa 100 Jahr« vor Christo die Ztmbern uird Teutonen durch Gallien gegen Italien vorrückten, so eine vorzeitige und noch einmal ver eitelte Völkerwanderung einleitend. Sie kamen irgendwoher aus dem Norden und waren aus ihren Sitzen verdrängt worden. Durch wen verdrängt? Viel leicht durch solch« Stimmen, die wiederum einen Stoß von Osten her bekommen hatten? Der Zeitunterschied beträgt diesmal rund fünfhundert Jahre. Wir wissen, daß im Jahre 300 v. Ehr. die Gallier plötzlich die Alpe» überschritten und Rom eroberten. Diesmal ist der Zeitunterschied kürzer, aber vielleicht nur schciuoar. Der Anstoß, der diese Wendung ein- leitete, kann hundert Jahre alter lein. Der Zug der Gallier gcyen Rom war nur em kreincr Teil der Be wegung, em großer Strom ergoß sich daneben über die Balkanhalbinsel, durch die Länder der Daker, Thraker, Skytbcn und endete in Kleinasien. Das waren die Galater, an deren Nachkommen Paulus feine bekannte Epistel schrieb. Und noch früher haben wir in Griechenland die dorische Wanderung, die »ran um 1000 vor Christo setzt, und noch früher die äolische Wanderung, die schon haUmpthisch ist: Vorstöße nördlicher Völker durch Tbejfalien, Hellas und den Pclcponncs, die auch auf Druck von Norden her schließen lassen. (6«»au so rückten, als die Hunnen tainen, die Ostgoten und Westgalen stegen Byzanz und Rom und Spanien vor. Ist es ein Zufall, daß alle die griechischen Wörter, die „Herrscher" bedeuten, Tyrannos, Koi- ranos, Desvo'.es. Basileus usw. so ganz ungriechisch sind, als Fremdwörter obnc Derwcndtschaft in der Sprache sieben? Deutet da» nicht auf eine Fremd- derrschaft hin, die lang« gedauert Huben muß? Und läßt nicht auch der fanatisch« Haß der Griechen gegen jede Tyrannis, die Begeisterung für die rrpuolt- kantsche Staatsform, auf eine verhaßte lange Unten drückung durch Fremdlinge schließen, die in den Ur zeiten die Herren waren? Ueberall, in Athen, in Korinth, in Syrakus, in Theben, auf den Inseln in Kleinasien haben wir, wo Griechen wohnen, Re publiken, unterbrochen gelegentlich durch kurze Usur pationen, die stets wieder beseitigt werden. Da finden wir ein merkwürdiges Zweikönigssnstem, das an gewisse Einrichtungen in Tibet. Siam, Japan er innert. Sunlt unü Mlkenlchskt. * Der LSeiliem-verei» Vaden-Vade« brachte in seinem letzten Konzerte unter Leitung de» Musik Sicherlich haben auch unsere germanischen Dor- fahren in aller Zeit, ehe die geschichtlichen Aufzeich nungen begannen — das Werk des Pytheas von Massalia ist leider verloren gegangen — mehrfach unter der Ueberjlutung von Osten her zu leiden ge habt. Woher hätten sic die Sagen von den Drachen, die Feuer speien und Schätze bewachen? In Menschen zeiten haben das Rbeinial und die Niederlande, die Stätten Jung Siegfrieds, keine Drachen oder Ich- thyosauren beherbergt. Man mag den Trachenkampf als Symbol aussassen, Licht gegen Finsternis, Früh ling gegen Winter — gut, aber damit ist der Drache selbst nicht erklärt. Der Drache ist aber das Fahnen zeichen der mongolischen Völker von alter» her, und sein natürlicher Ursprung ist bei den Alligatoren, die heute noch am Hoangho Vorkommen. So ist auch der chinesische Paradiesvogel zu einem beliebten Fabeltier geworden, dem Föna, der sich fast laut getreu im griechischen Vogel Phönix wiederfindct. Wir haben also seit Urzeiten Anzeichen von periodischen Uederjlutungen der asiatischen Völker auf die westliche Halbinsel, die wir heute Europa nennen. Wir können sie nicht genau belegen, aber die Spuren lind da. Zuerst die vorzeitlichen Besuche, als deren Reste die Basken, die Etrusker, ganz un- kenntlich geworden durch lange Vermischung, zurück geblieben sind, dann etwas später die Züge, die un» die Lappen, Finnen und ähnliche Völker hinterlassen haben — von da stammen auch die häßlichen, bos haften Zwerge der Sage, die kolossale Schätz« hüten und sie dem Helden vorenthallen, bis dieser sie kurzerhand totschlägt. In der Geschichte erfahren wir die letzten Wellen der Flut in den Wanderungen der Aeolier, der Dorer, der Gallier, der Zimbern. Dann schließlich erfolgen die Einbrüche mongolischer Völker in historischer Zett, der Hunnen, der Aoarcn und Madjaren, der echten Mongolen — jedesmal ge trennt durch einen Abstand von 100 bis 150 Jahren. In der Zwischenzeit wäre, da da» letzte Datum 1211 war, wieder ein solches Unglück fällig gewesen, und wir können froh sein, daß es ausgeblieben ist. Was wäre wohl von uns übriggeblieben, wenn die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges noch durch diese Wilden vermehrt worden wären? Die Spannung in Asien war vorhanden, sie machte sich diesmal nur in anderer Weise Luft. Vierhundert Jahre nach der Liegnitzer Mongolenschlacht eroberten die Ost- monaolcn, genannt Mandschu, das große chinesische Reich, und dieser Erfolg gab ihnen genügend Bc- schäftiariilg, so daß sie nicht an den Westen dachten. Seitdem sind nun beinahe wieder vierhundert Jahre herum .... Steht Europa in fünfzig, in hundert Jahren eine neue Invasion bevor, diesmal nicht mit Bogen und Spieß auf flüchtigem Steppenroß, sondern modern, mit Automobilen, Kanonen und Aeroplanen? Thina hat eine Bevölkerung von fünfhundert Millionen, und die Abwehrkraft Rußlands hat sich schon gegen Japan sehr gering erwiesen. direktors Otto Schäfer zwei Chorwerke de» Mün chener Komponisten Karl Bley le: „Mignons Bei setzung" für gemischten Chor. Knabenstimmen und Orchester, unü: „Die Höllenfahrt Christi" für ge milchten Chor, Baritonioio und Orchester mit außer ordentlichem Erfolge zur Aufführung. * „Das Christus-Mysterium" von Felix Drae- seke, «in« drei Abend« füllend« Tetralogie in Ora- torienform, soll im Februar 1912 an drei Dienstagen vom Bruno Kittelschen Chor« in Berlin zur Ur aufführung gebracht werden. Das in jeder Hin sicht ungewöhnlich« Werk gliedert sich in die vier Haupttelle: Christi Geburt, Weihe, vrophetisches Wirken und Vollendung, von d«n«n di« oeiden ersten den ersten Abend füllen. Der im 77. Lebensjahre siebende Komponist, der Schöpfer der auch in Berlin wiederholt gewürdigten großen Sinfonia traaica", ist einer der wenigen noch leoenden persönlichen Freunde Wagners und Liszts. Um so mehr ist es eine Ehrenschuld der musikalischen Kreise, dem früher ungerechtfertigterweise vernachlässigten Komponisten und seinem Lebenswerk die gebührcnte Beachtung zu schenken. Zu der ersten Aufführung, für die bekannte Solisten, u. a. Kammersänger Professor Albert Fischer, Sanna van Rhyn, Hertha Dehmlow, Kammersänger Liepe, Georg« A. Walter, Emil Severin, Organist Walter Fischer und das Blütbner-Orchester ihre Mit wirkung zugesagt haben, wird der greis« Felix Drae- seke selost nach Berlin kommen. * Muslkchronik. „Der Kobold", Siegfried Wagners Oper, hat sich nunmehr das erste preußische Hoftheater erobert. Das Werk ist vom Kasseler Hoftheater zur Aufführung erworben worden und wird daselbst im Lauf« dieser Saison in Szene gehen. Maria Labia wurde von Direktor Maximilian Moris eingeladen, bei der Neueinstudie rung von Puccinis „Tosca" an der Kurfürsien-Oper in Berlirrdi« Titelrolle zu singen. 8t. Hochschulnachrichten. Der Ordinarius der Kunstgc!chichte in Halle Professor Dr. Adolf Gold schmidt hat den Nu» an die Universität Berlin al» Nachfolger Heinrich Wö.fflins anpenommen. — Der ordentliche Professor der höheren Mathematik an der Technischen Hochschule in Stuttgart Dr. Georg Faber wird der Berufung nach Königsberg zum 1. April 1912 Folge leisten. — Der Ordinarius für römifche» und deutsches bürgerliches Recht in Halle Professor Dr. Wilhelm von Blume hat einen Ruf nach Tübingen erhalten. — Der ordentliche Professor Dr. Fritz Schulz in Innsbruck hat den Ruf auf den Lehrstuhl des römischen und deutschen bürger lichen Rechts in Kiel angenommen. - Der ordent liche Proiessor uno Direktor der Augenklinik in Breslau Dr. Wilhelm Uhthoff hat den Ruf an die Universität Berlin als Nachfolger von Professor I. von Michel angenommen und wird Ostern 1912 di« Leitung der Berliner Augenklinik übernehmen. — In München ist der Privatdozent für Geburtshilfe und Gynäkologie an der dortigen Universität Dr. K. Hörmann im 37. Lebensjahre gestorben. — Der Historiker Professor Dr. Gustav Salchow in Halle ist im Alter von 42 Jahren gestorben. — Der Archäologe Paul Gauckler in Rom ist wegen eine» schweren neurasthenischen Leiden» freiwillig au» dem Leben geschieden
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