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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 29.08.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-08-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110829011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911082901
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911082901
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-08
- Tag 1911-08-29
-
Monat
1911-08
-
Jahr
1911
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Lelprtyrr Tayevisn. Nr. 2ZS. lOS. Zstiriiang. leiten mit zäher Energie leine Entwicklung durch, zusühren versteht. Ich hoffe, daß die Staats« regierung den Wünschen der Stadt ent« gegenkommt. Soweit mir möglich, will ich dazu beitragen. Die Arbeiten an der Waffe rstra he, die Ihnen da» Hinterland eröffnen foll, machen Fortschritte, und ich hoffe, daß sie Ihnen Segen und Nutzen bringen werden. Möge die Stadt unter den Segnungen des Friedens und unter dem Schutze des Herrn weitergedeihen und blühen." Junge Damen überreichten der Kaiserin und den beiden Prinzefsinnen Blumensträuße. Oberbürger meister Ackermann brachte ein dreifaches Hurra auf die Majestäten aus. Der Zug setzte sich dann zum König sicht otz fort, wo die Majestäten wohnen. 2m Schloßhof erwies eine Kompanie des Füselier- regiments Nr. .14 die Honneurs. Nach der Ankunft hielten die Majestäten grasten Zivil empfang ab. Ankunft des schwedischen Königspaares. Kurz vor 12 Ubr kam das Panzerschiff „Os kar li." mit dem schwedischen Königspaar an Bord in Sicht, kurz nachdem das Kaiserpaar an der Landungsüellc vor der Hasenierrassc erschienen war. Punkt 2 Uhr legte das Schiff an. Die Musik der Ehrenkompanie des Fiiselierregiments Königin Viktoria von Schweden Nr. 31 intonierte die schwe dische Hymne. Das Kaiser paar begab sich an Bord, wo es vom Königspaar von Schweden be- grüstte wurde. Der Kaiser trug schwedische Admirals uniform, der König von Schweden die Uni form seines Grenadier - Regiments zu Pferde Nr. .1. Nach der Begrüßung begaben sich die Majestäten an Land. Die Königin ven Schweden begrüßte das Osfizicrkorps des -'N. Regiments, der Köniz von Schweden die Offiziere seines Grenadicrregiments. Der Kaiser reichte der Königin den Arm und schritt mit ihr die Front der Ehrentomvanie ad. Der König geleitete die Kaiserin und schritt mit ihr die Front der Ehreneskadron seines Regiments ab. An der Landungsstelle hatte auch die schwedische Kolonie Ausstellung genommen. Das schwedische Königspaar begrüsttc die Herren der Kolonie und unterhielt sich mit einigen Personen längere Zeit. Dann bestieg der Kaiser mit seinem hohen Gaste einen ». m Äaumont bespannten Wagen und fuhr -um Schlost. Im Zweiten Wagen folgte die Kaiserin mit der schwedischen Königin. Eine Eskorte von Grenadieren zu Pferde geleitete die Wagen. Truppen bildeten bis -um Schlost Spalier. Im Schlahe fand alsbald eine Familientasel und eine Mar schall täfel für die Gefolge statt. 2m Gefolge des schwedischen Königspaares befin den sich dte Oberhofmeisterin der Königin. Gräfin Lewenhaupt, der Kammerherr Gras dOtrante, Generalleutnant v. Uggla, Hofstallmeister v. Rosen blad und Major Hallenborg. Zum Ehrendienst beim König sind kommandiert Generalleutnant v. Jacobi und Major v Giese, Militärattache in Stockholm, und bei der Königin Generalmajor von Schwerin. Abends 6 Uhr sand im königlichen Schlost bei den Majestäten eine Tafel für die Provinz Pommern statt. Hierbei führte der König von Schweden die Kaiserin, der Kaiser die Prinzessin Eitel Friedrich, der Grostherzog von Mecklenburg-Strelitz di« Prin zessin Viktoria Luise. Bei der Tafel fast Sdr Kaiserin zwischen dem Kaiser und dem König von Schweden. Der Kaiser hielt während der Tafel folgende Rede: Der jutelnde Empfang, d«n heute Pommerns getreue Hauptstadt ihrer Majestät der Kaiserin, mir und meinen Kindern sowie Seiner Majestät d«m König von Schweden, meinem vielgeliebten treuen Freunde, und seiner erlauchten Gemahlin be reitet hat, die unter uns zu sehen eine besondere Ehr« und Freude ist, bat meinem Herzen wohl getan, und ich spreche unfern herzlichsten Dank dafür au». Trost ist der Fortschritt und die Entwicklung, di« Stettin genommen hat als Hafen stadt, als Handelsstadt und als industrielle Stadt, und es gereicht mir zur Befriedigung, hast ich ihr durch die Verbesserung der Seewege und den neuerdings stattfindenLen Ausbau d«s Erost- schiffahrtsweges, der Stettin mit meiner Hauptstadt verbinden soll, habe «ntgezenkommen können. Besonders aber möchte ich rühmend am heutigen Tage der pommerschen Landwirt schaft gedenken, zu der ick> mich als Besitzer von Schmolfin doch auch rechnen kann. Sie hat mit der Anwendung aller modernen Hilfsmittel rastlos vorwärts gestrebt und ist dadurch gerade zu vor bildlich geworden für die Landwirtschaft des Königreiches Prensten, und dazu, meine Herren, möchte ich Ihnen meine Anerkennung und meine Glückwünsche aussprechen. Einen Umstand möchte ich ganz besonders erwähnen, der heut« wieder, als ich durch die Strosten von Stettin ritt, in Erschei nung trat: Der Ausdruck der alten traditionellen Pommerntreue. Dank ihr haben di« alten Häuptlinge und Herzöge jahrhundertelang mit ihren tapferen und von Liebe zu der heimat lichen Scholle erfüllten Leuten ihr schönes Land geg«n den Ansturm mancher Völker be wahrt, die di« Hand darauf legen wollten. Dies« Gesinnungen sind in der Provinz noch lebendig, und ich weist, daß ich auf sie bauen kann und in ernsten Zeiten mich auf sie verlassen lann. Meinerseits kann die Provinz meines be sonderen landesväterlichen Wohlwollens und meiner Fürsorge stets versichert sein. Um der Provinz einen neuen Ausdruck und Be weis dieser meiner Zuneigung zu geben, habe ich beschlossen, einem langjährigen Wunsche der Provinz zu entsprechen und die seit langer Zeit unbesetzte Stelle eines Statthalters wieder zu be- setzen. Schon einmal hat «in Großmeister des Jo- hannitcrordens die Stelle innegehabt, und zuletzt mein hochseliger Herr Vater. Ich ernenn« hiermit meinen Sohn, den Prinzen Eit«l Friedrich zum Statthalter von Pommern. Mein Glas weihe ich dem Fort schritt, der Entwicklung und der Treue der Provinz. Die Provinz Pommern Hurra! Hurra! Hurra! Dampferfahrt auf der Oder. Der Kaiser, der König von Schweden und die in Stettin anwesenden Fürsten und Prinzen begaben sich abends 8s/? Uhr nach dem Bollwerk an der Hafen terrasse, um den Dampfer „Hertha" zu besteigen und eine von der Stadt dargebotene Dampferfahrt auf der Oder bei festlicher Beleuchtung dtzr Ufer zu unternehmen. Die Fahrt ging zu- nächst stromabwärts. Dte Gebäude an den Ufern waren festlich beleuchtet. Teerfackeln erhellten die Oderwiesen und Hügel. Sobald der Dampfer ge wendet hatte und stromaufwärts nach Stettin zurück kehrte, begann ein großartiges Feuerwerk. Die Ufer waren mit Duntfeuer erleuchtet, und alle er denklichen Lichtcffekte wirkten zu einem schönen Bild zusammen. Auch die Stadt hatte allenthalben illuminiert. Unfreiwilliger Aufenthalt de» Hoszuges in Lübeck. D«r kaiserliche Hofzug erlitt um di« Mitternachts stund« einen kurzen, unfreiwilligen Aufenthalt auf dem Hauptbahnhof zu Lübeck. Der Hofzug war dem „B. I." zufolge um 11 Uhr 37 Minuten in Lübeck eingetroffen und stand auf einem Gleis des Bahnsteigs 4, von wo er um 12 Uhr 7 Min. weiter fahren sollte. In der Zwischenzeit war auf dem Bahn steig 2 ein Zug von Travemünde eingetroffen, der vorschriftsmäßig von diesem Gleis entfernt werden sollte, um einem Zug von Eutin Platz zu machen. Durch irgendwelches Versehen, das in seinen Einzelheiten noch nicht ganz aufgeklärt ist, ließ der diensttuende Beamte den Travemünder Zug nur so weit zurückfahren, daß noch drei Wagen aus dem Eutiner Gleis stehen blieben. Punkt 12 Uhr fand dann der Wechsel der Beamten statt. Der neue Beamte, der die Gleise nicht übersehen konnte, fragte den ersten Beamten, ob er den Eutiner Zug einlassen könne. Als dies« Frage bejaht wurde, gab er das Signal zur Einfahrt. Zm nächsten Augen blick fuhr der Eutiner Zug, der sich glück licherweise in langsamer Fahrt befand, auf die drei letzten, dichtbesetzten Wagen des Travemünder Zuges auf. Es entstand ein lauter Krach, der durch die Resonanz d«r Bahn- hofshalle noch erhöht wurde. In dem Travemünder Zug brach unter den Fahrgästen «in« Panik aus, und alle Reisenden stürzten auf den Perron. Wie sich ergab, meldeten sich «twa dreißig Personen, die ganz leichte Verletzungen und Kon tusionen erlitten hatten. Sie konnten sämtlich, nachdem sie von dem Vahnhofsarzt untersucht waren, ihre Reise fortsetzen. Der Materialschaden ist da gegen sehr erheblich. Der Kaiser, der in seinem Wagen schlief, wurde durch den gewaltigen Lärm aus dem Schlaf geweckt und ließ durch einen Hofbeamten sofort nähere Erkundigungen über den Unfall einziehen. Erst als «r hörte, daß niemand ernstlich verletzt sei, gab er den Befehl zur Weiter fahrt. Mit einer Verspätung von wenigen Minttten setzte sich dann der kaiserliche Hofzug in Bewegung. * Auszeichnungen in Hamburg. Anläßlich der Anwesenheit des Kaisers in Ham burg wurden nachstehende Ordensauszeich' nungen verliehen: der Stern des Roten Adler- ordens 2. Klasse Frhrn. Heinrich zu Ohlsdorf, die Königliche Krone zum Roten Adlerorden 2. Klaffe dem Vorsitzenden der See-Berufsgenoffenschast Richard Kroghmann, der Rote Adlerorden 2. Klaffe Frhrn. John v. Beerenberg-Eoßler, Edmund I. A. Sumer, Max Schinkel und Hermann Blohm, der Note Adlerorden 4. Klaffe dem Direktor der Ham burger Vulkanwerft Wallwitz, den Professoren Marcks (früher Universitätsprofessor in Leipzig. D. Red.) und v. Weinhoff, der Kronenorden 2. Klaffe Max Warburg, dem Generaldirektor der Nobel-Dynamit- Aktiengesellschaft, Dr. jur Aufschläger, der Kronen orden 3. Klaffe dem Direktor der Hamburg-Süd- amerikanischen Dampfschiffahrtsgesellschaft Amsing, Arnold Amsing und Eduard Woermann und dem Direktor der Kosmoslinie Overweg, ferner dem Direktor der Deutsch-Australischen Dampfschiffahrts. gesellschaft Otto Harms und den Professoren Dr. Nathgen und Direktor Lichtwark. vtenslsy, L9. llusutt lSll. Oer Sampl in üer Metallinüustrle. Am Montag sind die Verhandlungen zwischen den Arbeitern und den Vertretern des Ver bandes der Metallindustriellen in Leiozig wieder aus» genommen worden. Sie werden heute fortgesetzt. Was dabei herauskommen wird, ob man zu einer Einigung kommt oder nicht, läßt sich im Augenblick noch nicht sagen. Man hält das Ergebnis der bis- herrgen Unterhandlungen streng geheim. Wahr scheinlich ist es jedoch, daß ein Ausweg gefunden wird, der eine Einigung auf der mittleren Linie möglich macht. Wäre das nicht der Fall, so würden wir in Deutschland einen wirt chaftlichen Kampf erleben, wrr wir rhn noch nicht gesehen haben. Denn beide Par- teien — Arbeitgeber und Arbeitnehmer — stehen sich in geradezu vorbildlicher Organisation gegenüber. Was bei einem Kampfe an Arbeitslohn verloren gehen würde, ist enorm. Rechnet man nur den Durch- chnittsverdrenst. wie er von der Eilen- und Stahl- »erufsgenossenschaft Sachsens und Thüringens ange- etzt ist, mit etwa 25 so würden durch die Aus- perrung den 30 000 Arbeitern pro Woche 750 000 an Lohn entgehen. An Wirklichkeit jedoch ist diese Summe bedeutend höher; denn es werden von der Aussperrung in erster Linie die besser bezahlten Ar beitskräfte betroffen (weniger die rn dem Genossen- schaftsbericht auch einoegriftenen weiblichen Arbeits kräfte und die jüngeren Leute). Für Sachsen und Thüringen kann man bei 30 000 ausgesperrten Ar beitern wohl mit einem Lohnverlust von annähernd einer Million rechnen. Demgegenüber ist die gezahlte Streikunterstützung gering; sie würde noch lange nicht eine halbe Million (für alle Organisationen) betragen. T.e Differenz ginge demnach unserem Wirtschafts vermögen schon verloren. Aus diesen Zahlen heraus läßt sich ern Schluß zieben, von welch unheimlicher Tragweite eine Gesamt..:.^sperrung über das ganze Reich sein müßte. Die Ausfuhr an Maschinen beträgt etwa 6 vom Hundert des gesamten Handels und stellt so die Maschinenindustrie in bezug auf die Ausfuhr an dre erste Stelle. In den Berufsgenossenschaften, die für die Metallindustrie in Frage kommen, waren nach dem Jahres bericht von 1910 insgesamt 1 229 871 Arbeiter und Beamte mit Löhnen in Höhe von 1 Milliarde 555 Millionen versichert. Bei einer Aussperrung über ganz Deutschland kämen somit volkswirtschaftliche Verluste heraus, die den gesamten Staatsköcper er schüttern müßten. Bei der Bauarbeiterbewegung im vorigen Jahre hat es sich schon deutlich gezeigt, und die Folgen treten heute noch zutage, von welcher Tragweite derartige Riesenkämpfe für unser Wirt schaftsleben sind. Es ist demnach nur zu hoffen, daß man die äußersten Konsequenzen vermeidet. * ws). Dresden, 28. August. (Eig. Drahtmeld.) Anläßlich der Aussperrung in der Metallindustrie war zum Sonnab.nd, Len 26. August, der Aus schuß für Arbeiterfragen zu einer Sitzung einberufen worden. Nach einer Diskussion, an der auch der Reichstagsabgeordnets Landgerichtsdirektor Dr. Heinze und der Landtagsabgeordnete Rcch- nungsrat Anders teilnahmcn, wurde einstimmig nachstehende Resolution angenommen: Der Arbeiter ausschuß ersucht im Interesse des sozialen Friedens die Industrie, bei Aussperrungen unbedingt auf die Organisationen der nationalen Arbeiterschaft dergestalt Rücksicht zu nehmen, daß diese nicht in erster Linie Aul Len Spuren Les Libers. Von Edmund Leupolt (Dresden). (Nachdruck verboten.) Heimat- und Naturschutz sind ein». Die Natur unsere Heimat. In stillen Stunden empfinden wir die Größe dieses Wortes, in stillen Stunden auf der weiten Heide, im dunklen Waldtal, auf ragender Höhe, am ewigen M«er: Natur und Heimat. Und am deutlichsten fühlen wir di« Fäden, die zur Tier welt hinübersllhren, zu den freien Tieren, zu dem, was da fleucht und kreucht. Ich weiß nicht, ob die Daten, die Li« Bücher über den Biber geben, heute noch stimmen, ob die Notizen, daß noch einige wenige Vertreter des Lastor fibei an der Rhone, an russischen Strömen, an der mitt leren Donau l>aus«n, den Tatsacl)en nicht nachhinken. Der deutsch« Biber beschränkt sich nach zuverlässi gen Mitteilungen auf 60 bis 70 Köpfe. E: h a u st an der mittleren Elbe zwischen Witten berg und Magdeburg, meist wohl auf an halt i s ch e m Gebiet. Man kann, ohne einen großen ,Fehler zu machen, kurz von dem anhaltischen Biber reden. Wie lang« noch, ist «ine Frage, die man mit ziemlicher Genauigkeit beantworten kann. In wenigen Jahrzehnten ist die Tragödie ausge spielt. Ueberschwemmungen, Nachstellungen durch ge wissenlose Schiffer lichten das klein« Häuflein über mäßig, und der gesetzliche Schutz — in Anhalt und Preußen ist der Biber für tabu erklärt, lein Weid mann rührt ihn an, wird ihn vor dem unvermeid lichen Untergange retten. Daß er sich aus den Tagen grauen Altertums bis in unsere Zeit erhalten hat, verdankt er neben d«m gesetzlichen Schutz« der Eigen art der Gegend. Schon Li« Eisenbahn von Leipzig nach Dessau oder die von Falkenberg westwärts zeigt das Land als eine ideal« Landschaft für das selt same, geheimnisvolle Ti«r. Wies« und Eichenwald; stille, halb im Grünen verlorene Wasserlaufe und Gräben; stille Seen, die durch vergessen« Abflüsse mit Elb« oder Mulde in Verbindung stehen, kennzeichnen seinen Charakter. Ein weite« Ueberschwemmungs- g«biet der Elbe, das der Strom zwischen stillen Saich- und Wiesenufern gemächlich durchzieht, ohne daß man die Ufer durch besonder« Dammbauten gesichert hat; nur der Schiffahrt dienen hi«r und da im Strombett eingebaut« Bühnen. Dünn verstreut wohnen die Menschen. Einsam sind Ufer und Strom, nur in der Ferne ertönt der klagend« Ruf des Dampfers, und das Rauschen des Flusses, das Brausen der Wipfel und das Flüstern des Schiffes fliesten zu einem melancholischen Tönen zusammen. Und immer am Horizont« dies«lbe blaue Kette Baumriesen von einem halben Jahrtausend bergen diese herzoglichen Wälder. Die lichten Laubhallen mit hohem Gras und sumpfi gen Brüchen gleichen ein«m Naturpark seltener Art. Wege und Steg find vergrast; ihr Betreten ist an di« Erlaubnis des Försters gebunden. Ein Paradies der Wasser- und Sumpfvögel ist dieses Territorium: di« Rohrdommel ruft ihren Orgelpfeifenton, die Himmelsziege jammert; hier und da nistet auf einem ziegelroten Bauernhause der Storch. Ueb«r Wald kronen und Wiesenbreiten kreist der prachtvolle, stolze Königsmilan, di« Gmbclweih«, von der Schiller singt: Wie im Reich der Lüfte, König ist d«r Weih — und der kurzgedrungene Wespenbuffard. Lin Land, das Stille und Einsamkeit atmet. Was mich bewog von Dessau aus in dieses Gebiet zu wandern, war eine Notiz im Führer, daß im GrostkühnauerSee — Kllhnau liegt eine Stunde nordwestlich von Dessau — einig« Biberbau« zu sehen seien. Das war es, was mich tapfer machte, in drückender Mittagsglut hinauszuwandern durch sonnenglühenden Wald in den Park nach dem See. Umsonst suchten mein« Augen die Biberbau«. Ent täuscht wandt« ich mich dem kleinen Gasthofe des Ortes zu, näheres zu erkunden. Der biedere Wirt wies mich an den Hofgärtner, Lieser an den Förster, einen freundlichen Mann, der mein Herz schon da durch gewann, daß er mir beim Durchschreiten seiner Wohnung, von deren Wänden prächtig« Geweihe ragten und ausgestopfte Weihen und Bussarde in kühnem Schwung« klafterten, erklärte: Weihen und Bussarde seien in seinem Revier geschont. Aber der Biber? Im Kühnauer See, berichtete der Weid mann, seien noch ein Bau (in jener bekannten Form der Hottentottenhütte), aber der sei schon seit einem Jahre unbewohnt; der Biber habe sich zurückgezogen. Aber unweit Les Sees Hause näher der Elbe ein Einsiedler derer von Biber, der jetzt in einer Sand höhl« am Rande eines Wasserlaufs wohne; da er mich nicht selbst führen könne, wolle er mir einen zuverlässigen Mann mitgeben, der mich auf di« Spuren des Bibers führen soll«. Das war nicht viel. Meine Träume von großen Biberkolonien schrumpften traurig zusammen. Aber ich beschloß, selbst auf di« Gefahr hin, so gut wi« nichts zu sehen, doch Len Versuch zu machen. Und al» mich eine Stunde später mein Begleiter in d«r Her berge aufsucht«, ging ich guten Mutes trotz sengender Himmelsgluten mit ihm durch die eichengeschmückten Wiesen nach d«m nahen Walde hinüber. Vorher hatten wir einen vergeblichen Versuch gemacht, den einzigen Biberbau der am SeeranLe von hohem Schilfe vollständig verdeckt war, zu erreichen. Der Versuch mißlang, da wir weder Wasserstiefeln noch einen Nachen besaßen. Zwei Bussarde erfreuten uns mit ihren hoben Kreisen, Ringelnattern huschten über Weg und Fuß. Jetzt war der Wald erreicht. Hohes Gras und mächtig« Stämme. Ein schmaler Wasser- arm dunkelt durch das Helle Grün der Gräser, von einer Brück« überdacht. „Hier", sagte mein Führer, „sehen Sie die Biberwege. Bis hierher kommt er, mit unter auch bis in den See." Mehrer« Stellen zeigten sein« Wege, di« er durchs Ufergras gebahnt hatte. Oft ein wenig eingegraben, daß er ungesehen unter Gras und Schilf heraufsteigen konnte. Still« lastete auf dem Walde, Einsamkeit, dämmernde Einsamkeit, als wir uns weiterwandten, die Spuren des seltsamen Nagers deutlicher zu sehen. Eine kurze Strecke — wir standen in der Werkstatt unseres Freundes aus dem Tierreiche. Halb im Grase verborgen ragten die kegel förmig abgestumpften Reste der Bäume, die er im vorigen Winter gefällt. Und wie bewundernswert hat er sein Werk verrichtet. Die Genauigkeit und Gleichförmigkeit der Kegelflächen ist verblüsfend. Fast auf den Zentimeter genau gleicht der Umfang eines Stumpfes dem des anderen. Nicht jeden Baum greift Freund Kastor an. Er sucht sich stets «ine mittler« Stärk« heraus, 18—20 Zentimeter, am lieb sten Erle und Espe. Im Geiste sehe ich den Biber ar beiten; sehe ihn im Geiste die Stämme in meterlang« Stücke zerlegen und sie geschäftig davonschleppen, die jungen Zweige sich zur Nahrung aufhebend, die star ken im Wasserlauf zum Hausbau benutzend. In seinem Arbeisgebiet« wandelte mein Fuß. Am Ufer des nächsten Wassergrabens zahlreiche Bibergänge. Jetzt fand sie mein Auge bereits selbst; schnell geschärft durch kurze Winke des Forstmannes. Auch am Elb- ufer drüben setzen sich die Spuren fort, am zahlreich sten in einem toten Arm Les Stromes, der nur strecken weise noch blinkendes tiefes Wasser zeigte. Ein Wink des Führers: jetzt stand ich an seinem Bau. „Hier wohnt er jetzt", sagte mein Begleiter. „Nicht in einem Holzbau, sondern in einer Erdhöhle, wie Fuchs und Dachs sie graben. Unter den Wurzeln einer alten Eich« führten mehrere Gänge ins Innere, und mehrere gutgebahnte Wege leiteten hinab in das stille dunkle Wasser, das wie brauner Samm«t in di« Tiefe gebettet lag. Eine L«r Höhl« vorgelagerte Sandbank bot dem geschickten Schwimmer einen Lan dungsplatz. Und siehe da, hier haben wir die Spur des Meisters dieser Wälder: hier auf der Sandbank, noch feucht, schaust du auf tropfendem Lehm den Ab druck seiner Vorderfütz«, wie sie das feste Land erklom men? Hier den Abdruck seiner Hinterfüße plastisch und deutlich bis auf die feinste Linie im feuchten Ufergrunde. Da den breiten Wischer, mit dem der schwere Schwanz des Bibers auf dem Sand« geschleift, der beim Hineintauchen ins Wasser jenen seltsamen Wellenschlag erzeugt? Ja, hier sind wir in seiner Näh«, nur durch «inen halben Meter Erde von ihm getrennt. Noch «in« Stunde «twa, da kommt er vor sichtig heraus, putzt sich und gleitet mit kurzem Klatsch in die Flut, um unter Wasser, das nur eine feine per- lende Linie zieht, hinüberzuschwimmen nach dem an deren Ufer und nach dem Wild zu spazieren. Oder noch zwei Stunden — ja, ich hätte vier gewartet, um den Einsiedler von Kühnau zu sehen, der im kühlen Dunkel harrt«, bis di« ihm verhaßte Sonn« hinter L<m Waldessaum« zur Rüste geht. Abendschatten müs sen dunkeln, wenn Freund Biber sein unterirdisches Reich verläßt. So ließ ich mich unweit des Baues nieder im grü nen Grase. Stille, dämmernde Stille. Hoch oben in den Aesten «iner mächtigen Eiche ruhte ein Weiher nest. Von einem Baume in der Nähe sprang ein dunkles Tier herab, im hohen Grase verschwindend, und einen Hasen scheuchend, der entsetzt durch die grüne Prärie sprang. Mücken und Libellen surrten und summten über dem Wasser. Träumendes Schwei gen hüllte uns ein. Die Stunden verrannen. Das Herz klopfte mir. Vielleicht kam er heute nicht — oder war nicht wohl — oder wir hatten ihn gestört — oder er hatte noch andere Ausgänge, die auch mein Forstmann nicht kannte. Da — ein Geräusch, ein Scharren und Gra ben und Schleifen, wie wenn einer Lurch einen engen Gang sich schiebt. Ein dunkler Kopf mit schwarzen Augen und weißen leuchtenden Nagern schob sich aus der Höhle mit witternder Nase: zwei Schwimmfüß« stemmten sich ein — ein leises Knirschen und Schaben — der Biber ließ sich auf di« Sandbank h-inab. Ich hielt den Atem an. Ich konnte ihn in seiner vollen Gestalt und Größe schauen. Er war wohl 80 Zenti meter lang, dick und dunkelfarbig wie ein Otter, und am Hinterteile glänzt« der wohl 30 Zentimeter lange silberne, blaugrauleuchtende Fischschwanz, der uns«rn seltsamen Nager mit den schuppigen Wasserbewohnern so merkwürdig verbindet. So schnell die Augenblicke waren, sie genügten zu diesem Momentbild. Meister Biber wandte ein wenig den Kopf — ob er uns sah, ich weiß es nicht. Er schob sich dem Wasser zu. Ein Heller Schlag, wi« wenn man im Bade mit der flachen Hand das Wasser schlägt — und nur eine Helle Linie wie mit einem Silbergriffel in den dunkeln Schiefer des Wassers geritzt, zeigte Lj« Spur des seltenen Schwimmers, d«r langsam seinen Weg in der Längs richtung des Grabens nahm. Zitternd« Wellen ran nen an di« Uf«r. JH sah ihn nicht heraussteigen; dichtes Gebüsch und mächtige Stämme verbargen ihn den Blicken. Ehe ich zum Dorfe zurückkehrte, führte mich mein Begleiter mein«! Bitte folgend auf den ElbLamm. Der Förster von K. sagte mir, daß eine Ursache L«r raschen Verminderung des Bibers die sei, daß man die Kopfweiden am Elbufer abgesetzt hab«, die dem Biber in Zeiten der Hochflut ein Zufluchtsort gewesen seien; er schien überhaupt den großen Frühjahrs überschwemmungen eine Schuld an dem langsamen Aussterben des Bibers zu geben. Daneben wird di« Kopfzahl d«s Bibers durch die Nachstellung gewissen loser Schiffer verringert. Noch ist es möglich, den Untergang des s«lt«nsten deutschen Tieres aufzuhalten oder wenigstens zu verlangsamen. Di« natürlichen Bedingungen für L«n Biber sind im anhaltischen Elb- gebiet nach wi« vor gegeben. Heimat- und Natur schutz — fi« bedeuten auch beim Biber dasselbe. MIM Mülkir 8. Pele k- 6 .
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