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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 02.07.1911
- Erscheinungsdatum
- 1911-07-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191107026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19110702
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19110702
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-07
- Tag 1911-07-02
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Monat
1911-07
-
Jahr
1911
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Nr. 181. 10S. Iahryrmy. wichtige Frage. Zmmermehr drängt sich uns die Frage auf, wie wir dem Uebel der Arbeitslosigkeit steuern sollen. Erfreulicherweise beschäftigt sich auch der Deutsche Städte tag, der in diesem Fahre cm September in Posen tagen wirb, mit dieser wichtigen Materie. Wir sind auch aus dem Städtelag vertreten und werden in die Debatte eingreifen als Vertreter der Millionen und aber Millionen von deutschen Arbeitern, Gewiß ist es ein höhere» Ziel, di« Arbeitslosenversicherung durch das Reich Herbei zufähren, aber zunächst wollen wir es in den Kom munen durchsetzen. Pötzsch-Berlin (Verband Deutscher Gastwirts gehilfen): Wenn wir für den Arbeitsnachweis die Unternehmer gewinnen und Subventionen von den Behörden erreichen wollen, dann müssen wir die Streikklausel ausgeben, d. h. das Verlangen den Ar beitsnachweis für die Orte zu sperren, in denen ein Streik besteht. Neumann-Hamburg (Holzarbeiterverband): Wir haben die Streikklausel und die völlige Gedühren- freiheit in den paritätischen Arbeitsnachweisen der Holzindustrie bereits erreicht und sind nicht gewillt, unsere Errungensckxaflen preiszugeben. Remmelle Mannheim (Lrauereiarbeiter-Verband) gibt gleichfalls dem Wunsche Ausdruck, daß die Ar beiter die Wichtigkeit der paritätischen Arbeitsnach weis« immer mehr erkennen möchten. Die Ausfüh rungen Pötzsch über Neutralität werden uns bei den künftigen Verhandlungen noch viel zu schaffen machen. Die Kollegen werden es nicht begreifen, daß ein Arbeitsnachweis Arbeitsgelegenheil vermittelt nach Orten, in denen sie im Kamps liegen. Cohen-Berlin (Metallarbeiter-Verband: Uns in teressiert die Rach weis frage ganz besonders. Wir haben die meisten Untcrnehmernachweije, die nicht die Arbeitsvermittelung als Hauptsache be trachten, sondern die Kontrollbureaus sind. Die Ramcn der Ausgemerzten werden auch Len Be hörden mitger.ilt und dann werden diese Kollegen in den Staatsbetrieben nicht mehr eingestellt. Das ist dokumentarisch nachgcwiejen. Nait-Münct)en (Holzarbeiter Verband): Die Ge meinden haben enorme Mittel für den Empfang hin- terindischer Potentaten, aber wie knauserig ist man, wenn 100 000 Mark für Arbeitsunterstützung herge geben werden sollen! (Sehr richtig!) Pötzsch-Berlin (Gastwirtsgehilsen-Verband): Wir haben immer gebührenfreie städtische Vermittelung gefordert: es ist also irrig, anzunehmen, ich sei für eine Gebührenerhebung. Ida Baar (Hausangestellten-Verband): Die Uebernahm« der Arbeitsvermittelung durch unsere Verbände kann die Arbeitsbedingungen wesentlich verbessern. Die Christlichen und die Hausfrauen vermittlungen werden von den Gemeinden subven tioniert, unsere Eingaben aber lägt man unl>eant- worlet, obgleich wir doch die Dienstboten davor bewahren, 3 und 5 Mark den gewerbsmäßigen Ver mittlern zahlen zu müssen. Hähnel-Hamburg (Transportarbeiter-Verband): Die Hafenbetriedsvereine verstel>en es sehr geschickt, ihre Nachweise als paritätische erscheinen zu lassen. Die Arbeiter werden mitunter tagelang ausgeschlossen, indem man ihnen die Invalidenkarte einbehält. Damit schloß die Debatte. Die Reso lution wurde einstimmig angenommen. - Es folgte ein Referat von Paul Lauge-Hamburg ilöer die ^Mellung der Prioatangestellten im Wirtschaftsleben. Die überwiegende Mehrheit der Privatangestellten ist. so führte der Referent aus, im Handel und Industrie beschäftigt. Die Privatangestellten können nicht als «ine in sich völlig gleict-artiae Masse angesel)en werden: ' denn ihre Herkunft, ihre Vorbildung und ihre wirt schaftliche Lag? sind ebenso verschieden wie ihre Funk tionen im Wirtschaftsleben. Di« ungünstige Gestal tung der wirtschaftlichen Lag« der Prioatangestellten liegt in dem Mangel gewerksck)aftlicher Organisa tionen. Der Redner empfahl die Annahme folgender Resolution: „Der 8. Deutsche Gewerkschaftskongreß ruft die Privatange st eilten auf, sich durch die von der Regierung und den bürgerlichen Parteien versuchten Mitteln der Täuschung und die von dem Unter Wsnüerung sm Leeltrsnü. Don Johannes Trojan. t-IuchdriM verboten.) Es geht doch nichts über die See! Darin werden viele, besonders sollt)«, die wie ich von der Wasser kante sind, mit niir übereinstimmen. Ich bin näm lich geboren am Ostseestrante, und zwar an dem Teil dieses Strandes, der seiner großen Schönheit wegen die deutsche Riviera genannt worden ist. Dort in der Danziger Gegend habe ich schon als Kind die See aus nächster Nähe kennen gelernt und. o wie ost. von lieb lich bewaldeten Anhöhen auf sie niedergeblickt. Ich war aber noch recht jung, als ich mit dem Gebirge Bekanntschaft machte, zuerst mit dem schlesischen Riesengebirge und bald darauf mit dem Harz. Lftenn ich dann auf einem hohen Berge stand und in die Täler hinab und in das Land hinein blickte, dann mußte ich immer sagen: Ja, diese Aussicht ist sehr schön, aber etwas fehlt doch, dieses, daß man von hier aus die See nicht sehen kann. So war ich gewöhnt daran, daß die den Horizont begrenzende See mit zu dem Landschastsbilde gehörte. Worauf beruht der große Reiz des Anblicks der See? Sie ist ein Stück von der unkultiviert ge bliebenen freien und wilden Natur, an der man sich niemals satt sieht. Wer die See nicht kennt, stellt sich eine lange, andauernde Seefahrt, aus der man immer nur das Wasser zu sehen bekommt, als überaus lang weilig vor. Sehr mit Unrecht I Nur di« See anzu sehen bietet — man mag noch so lange auf dem Schiff sein — Unterhaltung dar, der man niemals über drüssig wird. Es gehört freilich dazu, daß man von der Seekrankheit verschont bleibt, die von alter Zett her so vielen schon das Vergnügen an der Seefahrt zerstört hat. Nun, auf dem Strand« ist man solcher Gefahr nicht ausgesetzt, und auch vom Strand« aus betrachtet, bietet die See immer Neues dar, was Auge und Herz erfreut. Wie schön ist die stille See, und wie eigen klingt es, wenn von Zeit zu Zeit die Welle leise auf den Strand schlägt! Wie wunderbar ist das Farbenspiel de» Wassers, in dem der Himmel sich widerspiegelt! Zu einem großartigen Schauspiel wird der Sonnenuntergang an der See. Man könnte ihn vergleichen mit dem Alpenglühen, wie denn über haupt in der Großartigkeit der Erscheinungen Meer und Hochgebirge einander nah« kommen. Und nun erst die bewegte Seel Gibt «» etwas Reizenderes als di« schneeweißen Wellen kämme. wenn sie bei stärkerem Wind« und dabei son nigem Wetter auf dem tiefblauen Grunde auf leuchten? Und wie gewaltig ist das Rauschen, wenn die hohen Wellen auf den Strand schlagen, um dann weit hinauf ihn zu überspülen. Drei große Wellen, das haben die Alten schon beobachtet, kommen hinter einander. und dann tritt eine kurze Pause ein. Ge- wattig können ja schon die Wellen sein, die bei stür- Mischern Wetter auf flachen Strand niederschlagen, Leipziger Tageblatt. Somttag, r. I«ll 1911. nehmertum versuchten Mittel der Einschüchterung nicht von dem Anschluß an die modern« Gewerk- schaftsbewegungabdrängenzu lassen. Ar beiter und Angestellte gehören in ein« ge meinsame Kampfesfront. In der Debatte führt« Giedel-Berlin (Bureau- angestrllien-Verband) aus, daß das Ziel der Privat angestellten jein müss«, weitgehende Solidarität zu schaffen, besonders beim Boykott gegen die Waren häuser und Versicherungsgesellschaften. Auch bei Aus sperrungen können die Prioatangestellten den aus gesperrten Arbeitern zu Hilfe kommen. Ein solches Zusammengehen muß den Kampf des Un ternehmertums völlig desorganisieren. Die Arbeiterorganisationen haben deshalb ein starkes Interesse an der jreien gewerlschaftlichen Prioatan- gestelltenbeu>egung schon deshalb, weil die Hälfte der Buwauangestellten aus Arbeitertreisen l-ervorgeht. Löhner - Dresden (Handlungsgehilfen-Verband): Auch die reaktionären Verbände, wie der Deutschna- tional« Haven sich bestimmten Arbeitergruppen ange- schtossen: so gehört der Deutschnationale Handlungs- gehilsenverband dem Christlich-nationalen Arbeiter kongreß an. Jetzt tritt auch der Bund der technisch industriellen Beamten auf und propagiert als grund sätzlich Forderung der Privatangestellten, sich unter allen Umständen von einer Verbindung mit den Ar beiterorganisationen scrnzuhalten. Es ist gerade ve rzeichnend, daß sich der fortschrittlich nennende Bund zur Propagierung eiir.'s solchen Standpunktes hergibt. ^>m Interesse der Angestellten und Arbeiter müssen Prcvatangestelttenverbünde und Arbeiterverbänd« zu- s ammengehen. (Lebhafter Beifäll.) Lehmann - Berlin (Bureauangestellten-Derband): Der Entwurf der Pensionsversicherung will die Be- illusorisch gemacht würde. Auch der Privatange- sicherung hineinschmuggeln, wodurch das ganze Gesetz illussorisch gemacht würde. Auch der Privatange ste Ute gehört als ausgebeutcter Prole tarier zum Proletariat. Reichsiagsabgcordneter Robert Schmidt sucht dann in längeren Ausführungen nachzuweisen, Laß die Privarangestellten-Verbände nur in Gemeinschaft mit den Arbeiterorganisationen etwas erreichen könnten und schließt mit den Worten: Nach einer Zeit des Ueberganges werden die Angestellten zu der Erkenntnis kommen, daß sie nur in An leh rt ungandieArbeiterbewegung ihre Auf gabe wirklich erüllen, ihre Kräfte stärken und ihrer Organisation Lebenskraft geben können. (Leb hafter Beifall.) Damit schloß die Debatte. Die Reso lution Lange wurde einstimmig ange nommen. Am morgig.'n Sonnabend wird der Kon greß zu Ende gehen. Kunst unü lvittenlchakl. rvaUot unü keine Schüler. In der Dresdner Kunstgalerie Arnold fand gestern die feierliche Eröffnung der von den Wallotschülern anläßlich des Uebertrittes des G.h. Hofrates Prof. Dr Wallot in den Ruhestand arrangierten Aus - stelluna statt. Mtt dieser Ausstellung wollen die Schüler Zeugnis ablegen von dem, was sie ihrem Meister verdanken, und sie bildet demnach nicht nur allein eine Ehrung für den jetzt aus dem Amte schei denden Künstler, der ein ganzes Architektengeschlecht mit seinem G-'iste befruchten konnte, sondern di« aus gestellten Projekte und Bauten sind zugleich Zeugnis für die architektonisch Qualität, welch die Schüler Wallots beherrscht. Aus der Schau wird aufs deut lichste erkennbar, daß Wallot seinen Jüngern nie ein System, ein Rezept, ein paar lernbar« Regeln mttgab, soirdern daß er als erstes ihnen den Sinn auf das Architektonische, auf das Fühlen von Rhythmen und Masse und auf das Formen problem zu richten trachtete. Infolgedessen könnt« auch bei der Lehrmethode Wtallots nirgends das Per sönliche von LemSchulmäßigen unterdrückt werden. Trotzdem in der Mehrzahl diese Leistungen als das Niveau einheitlichr Qualität wirken, so bleibt doch hi Architekten wie Hempel, Henzel, Lossow und Kühne, Höhrath, Straumer, Herfurth, Bender, Fränkel u. a. die charakteristische Eigenart unverkennbar. Die Feier, zu der sich die Schüler Wällots in großer Zahl eingefunden hatten, wurde auch durch di« Anwesenheit hervorragender Ehrengäste, Staat»mi« nister Graf Vitzthum v. Eckstädt, Minister Hs Künigl. Hauses von Metzsch-Reichenbach, Geh. Re gierungsrat Stadler, die Geh. Hofräte Professoren Bracht und Diez, Ohrhofprediger HHr. Dibelius, Direktor Prof. Lossow. Prof. Groß uftv. ausgezeichnet. Kurz »ach 11 Uhr erschien, von den Anwesenden herz lich begrüßt, der Meister in Begleitung seiner Fami lienangehörigen. Zunächst ergriff Prof. Ö. Hempel das Wort. Die Aufforderung zur Beteiligung an der Ausstellung sei allenthalben mit Begeisterung aus genommen worden, wenn auch leider eine vollständige Mitwirkung nicht zu erzielen gelvesen sei. Der Meister selbst habe nur zögernd seine Einwilligung zur Ver anstaltung der Ausstellung gegeben, doch habe er sich Ichiießlich hierzu entschlossen und auch ein« seiner letzten Arbeiten, den Vorschlag ?mr Umgestal tung des Brandenburger Tores, mit bei gesteuert. Das Komitee freue sich besonders, diese interessante Arbeit in der Ausstellung mit oorführen zu können. Jedenfalls wurh Lurch die Vielseitig keit der ganzen Ausstellung erneut der Beweis von d.r hervorragenden Lehrkraft Hs Meisters erbracht. An zweiter Stelle sprach Bildhauer Straumer- Berlin im Namen der Schüler Wallots, die heute zum erstenmal in dieser Vollständigkeit um den Meister vereint seien Auch vor 12 Jahren habe eine Schüler versammlung Wallols stattgefunden, als es galt. Protest g gen die Angriffe auf den Erbauer des deutschen Reichstagsgebäudes und seine Mitarbeiter zu erheben Der Redner dankte hm Meister und hob hervor, daß mit hm Bau des neuen Neichstagsgo- bäudes die Geschichte der neueren hutschen Archi tektur begonnen habe Wallots Lehre sei hehre Bau kunst gewesen und seine ideale Auffassung hab« sich auf alle seine Schüler übertragen. Seine Lehrtätig keit sei mit einer Freiheit des Schaffens verbunden gewesen, die von den allergrößten Gesichtspunkten ausgegangen sei. Im Namen der Schüler bringe er hier nochmals zum Ausdruck welch tiefen Dank sie hm Meister schulden und mtt welchem Stolze sie sich Walkotschüler nennen. Mtt vor Rührung bewegter Stimme ergriff Geh. Hofrat Prof. Dr. Wal lot Hs Wort. Er dank'.« allen, die seiner in so freundlicher Weise gedacht haben. Der Hauptlehrmeister sei nach seiner Auf fassung nicht die Schule, sondern das Lehn und durch diese Schule müßten wir alle gehn. Wer sich im Leben durch Intelligenz, Talent und Fleiß auszeichne, der werde auch auf Erfolge rechnen können. Wie wett er die künstlerische Enttvickelung seiner Schüler auf sich übertragen dürfe, das könne er selbstverständlich nicht sagen. Wenn jedoch auch nur ein Teil von all hm Schönen wahr sei, was er in den letzten Tagen über seine Wirksamkeit und sein Schaffen gehört hab«, dann sei er schon sehr zufrieden. Er danke in dieser Stunde nochmals auf das hrzlichste für all die Be weis« der Lieh und Zuneigung und bitte auch zu gleich im Namen seiner Angehörigen ihm für die Holge eine freundliche Erinnerung bewahren zu wollcn. Hiermit war die schlichte Feier zu Ende, worauf «ine Besichtigung der Ausstellung stattfand, Bemerkt sei noch, daß del Dresdner Architektenverein, dessen Vorsitzender, Architekt Reuther, anwesend war, Wallot zu seinem Ehrenmitglied ernannt hat. Kaiser Wilhelm als „Lenarentüecker". Im Jahre 1906 weilte Kaiser Wilhelm II. als Gast bei König Christian IX. von Dänemark auf dessen Sommerschloß Bernsdorfs bei Kopenhagen. Der König veranstaltete zu Ehren seines Gastes ein Hofkonzert, das Kammersänger Wilhelm Herold bestritt, der damals erst eine „lokale Berühmtheit" war. Kaiser Wilhelm, dem Herold als Sänger außerordentlich gefiel, unterhielt sich sehr lange mit dem Künstler, und das Gespräch kam auf Paris, wo Herold kürzlich in der Opera Comique Glucks „Armida" gehört hatte. Als Herold sagte, die Opern hätten in Paris Erfolg gehabt, rief Kaiser Wilhelm aus: „Das iuteressiert mich sehr! Kommen Eie, Graf Moltk«, und hören Ei«, das ist ja sehr inter essant. Sollte Gluck in Pari» eine Re naissance erleben?" (Wie bekannt, wurde später auf diese Anregung -in in der Berliner Hof oper Glucks „Orpheus" gegeben und erzielte einen tiefgehenden Eindruck.) Im weiteren Verlause des Abends sang Herold die Gralserzählung. Kaiser Wilhelm trat auf den Künstler zu und sagte: „Sie singen nicht allein mit dem Kehlkopf, sondern auch mit Hirn und Herz, und das ist die Hauptsache! Sie müssen bei mir in Berlin auftreten." Herold sang wiederholt in Berlin mit enthusiastischem Erfolge und erhielt vom Kaiser als Dank neben andern Geschenken den Kronenorden. Dies war der Beginn der glanzvollen internatio nalen Karriere des nordischen Tenoristen, Kaiser Wilhelm hatte einen der ursprünglichsten germa nischen Sänger entdeckt. * ' Professor Friedrich Brandes, der gegenwärtig als Universttätsmusikdirektor in Leipzig wirkt und vorher längere Zett als Musikkritiker am „Dresdner Anzeiger" tätig war, ist vom 1. Juli d. I. ab als neuer Leiter der in Leipzig im Verlag der Gebr. Reinecke erscheinenden „N e u e n Ze i t s ch r i f t f ü r M u s i k" (vereinigt mit dem „Musikalischen Wochenblatt") be rufen worden. Die „Neue Zeitschrift für Musik", die im Jahre 1834 von Robert Schumann begründet wurde, ist die älteste aller zurzeit erscheinenden deutschen Musikzeitungen. * Salvarsan in der Tierheilkunde. Gelegentlich der Landwirtschaftlichen Ausstellung in Kassel wurde aus tierärztlichen Kreisen mitgeteilt, Laß mit Prof. Ehrlichs Salvarsan bei an B r u st j e u ck e erkrankten Pferden ausgezeichnete Wirkungen erzielt wurden. * Scgantinis berühmtes Triptichou wird mit Hilfe der Gottfried-Keller-Ltiftung unü der Gemeinde St. Moritz für die Eidgenossenschaft angekauft und soll seinen Standort im Kuppelsaal des St gantinunuseums beibehalten. Am Kaufpreis fehlt noch die verhältnis mäßig kleine Summe von 40 000 Fr., die aber jeden falls aufgebracht wird. * „Nordland" ist der Titel einer neuen, demnächst in Berlin erscheinenden, reich illustrierten Halb monatsschrift, die sich zur Aufgabe stellt, dre zwischen Deutschland und den Landern des Nor dens bestehenden Wechselbeziehungen in Touristik und Sport, Handel, Literatur, Kunst und Wissenschaft enger zu knüpfen. Ein Kreis namhafter Mitarbeiter aus Deutschland unü Len nordischen Ländern ist für die Zeitschrift, deren Herausgeber Arthur Loening in Halensce-Verlin ist, gewonnen worden. * Hochschulnachrichten. Der Begründer und Leiter Les Pftanzenpjychologijchen Instituts an der Universi tät Berlin, ordentlicher Honorarprofessor Dr. Leopold K n y, feiert am 6. Juli seinen 70. Geburtstag. Kny stammt aus Breslau und gehört stit Abschluß seine: Studien, d. i. feit 44 Jahren, der Berliner Universi tät an. — Der Pnvatdozent der Geologie und Paläon tologie Dr. Philipp Wegner in Münster wurde zum außerordentlichen Professor ernannt und ihm das dort neu begründete Lxtraordlnariat sür diese Fächer übertragen. — Zum Rektor der Wiener Uni versität ist für das Studienjahr 1911/12 der Prosesjoc für historische Hilfswissenschaften und Geschichte Dr. Oswald Redlich gewählt worden. Theater unü Kanzerte. Leipzig. 1. Juli. Alte« Theater. Ensemblegastspiel vom Frank furter Komödienhaus. Zum ersten Male: „V u m- m e l st u d e n t e n." Große Posse von R. Dernauer und N. Schanzer. Neue Musikeinlagen von W. Bred- schneider und V. Zepler. — Ein Stück nacb alter Vor lage mit einigen Varianten und Musilbeilagen. Das Ganze nimmt sich aus wie ein ungeschickt ge wendeter Nock oder ein schlecht gefärbtes Kleid. Die neu« Posse zeigt aber ein altes Gesicht und der mora lische Einschlag steht ihr übel an. Es ist den Be arbeitern nur ein Quodlibet gelungen: ein Ee- mengsel von Einzelszenen, die einigen Scbauspielern Gelegenheit geben, sich hervorzutun. Die simple, aber am großartigsten ist die Brandung, die an den aus der Lee cmporragenten Klippen oder am Stein damm einer Mole sich auftürmt, höher und höher, um endlich mit dannerartigem Getöse zujammenzubreck)en und niederzustürzen. Ja. viel Schönes und Merkwürdiges ist an der See zu sehen und zu hören, wenn auch zugegeben werden muß. daß der Anblick der see in neuerer Zeit etwas von seinem Reiz eingebüßt hat. Lebhaft ist es mir in der Erinnerung geblieben, wie die Dan ziger Reet« von Segelschiffen belebt war. vornehm- lich dann, wenn längere Zeit Ostwind geweht hatte und der Wind dann nach Westen umschlug. Wenn das geschah, konnten die Segelschiffe aus der Nordsee durch den Sund in die Ostsee übergehen, und ganze Flotten von Handelsfabrzeuaen erschienen auf ein mal in den Ostseehäfen. Wenn eine solche Flotte in vollen Segeln aus dem Wasser zum Vorschein kam. gab das ein entzückendes Bild, wie'es nie wieder zu »eben sein wird, seit die Segelschissahrt nieder gegangen ist. wenigstens was große Schiffe betrifft. Fast nur noch einzelne Dampfer, die lange Wolken schwarzen Rauches hinter sich herziehen, gewahrt man heutzutage auf der See. Kleine Fahrzeuge aber mtt Segeln. Fischerboote, sind noch genug zu sehen, wo die Seefischerei be trieben wird, unü hübsche kleine Stranübiloer bieten sich Len Augen dar. wo die Boote landen, der Fang geborgen wird, die Netze vom Tang gesäubert und vor den Häusern zum Trocknen ausgehängt werden. An lolchen Plätzen findet sich, wer gerade am Strande wohnt, gern ein. um sich Seefische zu kaufen, die eben erst mit dem Boot angekommen sind, und es gibt nichts Delikateres als Seefische, die unmittelbar aus dem Fischerboot und noch lebend in die Küche ge langen. Auf sie paßt besonders das Sprichwort: „Frische Fische, gute Fische!" Dasselbe gilt von den Krablxn. Lenen der Nordsee sowohl als auch der Ost see, die mit dem Handnrtz von den im Wasser waten den Krabbcnfängern erbeutet werden. Außer den Fahrzeugen belebt auch allerhand Nogelvolk die Wasserfläche unweit des Strandes. Dazu gehören insonderheit die Möwen, die hin und her fliegen über der See und auch über dem Strande. Kommen sie häufiger als sonst und in größerer Zahl über den Strand geflogen, dann zeigen sie Sturm an. so heißt es. und warnen davor. Außer den Möwen erscheinen auf und über dem Wasser Seeschwalben. Wildenten und andere Vögel. Ein paarmal bab« ich auf d«r Ostsee auch ein Volk von wilden Schwänen gesehen, und einmal — es war La» auf einer Wanderung um die Winterszeit — dies« auch singen gehört. Ich muß sagen, daß ich mtr den Schwanengesang schöner und melodischer vor gestellt habe, als er in der Tat war. Es war eigent lich mehr ein Heulen als ein Singen. Den Seevögeln schließen sich die Strand vögel an. Zu den reizendsten von ihnen gehören die strandläufer, die man häufig zu sehen bekommt. Am Seestrande, wo er steil abfällt, sind auch besonders häufig die niedlichen Erd- oder Höhlenschwalden. die ihre Nester in Höhlungen des Bodens aulegen, die sie selbst ausbohren. Von größeren Tieren, die zur Meeresfauna ge hören, habe ich verschiedene Male Seehunde und Robben gesehen, einmal auch einen Walfisch, diesen auf einer Fahrt über den Großen Ozean. Nein Loch, ich sah einmal auch einen Walfisch, der sich in die Ostsee verirrt hatte und in einem Ostseebade für Geld gezeigt wurde. So etwas aber ist ein besonderer Glücksfall — für den Walfisch selbstverständlich nicht —, wohl aber für die Badegäste. Eigener Art ist auch die Vegetation des Seestrandes. Was dem Strandwanderer zunächst am meisten in die Augen fällt, ist dieses, daß die Fär bung der im Winde wehenden Dünengräser. des Strandhafers, des Strandhalms, der Meerstrand- binse und wie sie sonst heißen, gleichen dem Haar der Nixen, ins Meergrüne fällt. Blänlichgrün ist auch das Laub vieler größerer, kleinerer und ganz kleiner Seestrandgewächse. Solche Farbe zeigen namentlich die scharfgezackten harten Blätter der schönen blauen Stranddistel, des Cr.vn-riuin matttimum. Ich habe einmal gesagt: Am Meeresstrand Wächst allerhand. Das ist nicht zart, Sondern starr und hart. Wie hielt es sonst stand Dem Wind und den Wellen am Mceresstrand. Jawohl, dem Wind und den Wellen konnte die Stranddistel od«r Seemannstreue, wie sie auch heißt, standhalten, nicht aber der Begehrlichkeit der Bade gäste. die sie in der Umgebung fast aller unserer Ost seebäder bis auf kümmerliche Reste ausgerottet haben. Man muß schon weit hinwandern, bis auf die Kurische Nehrung, um noch Stranddisteln in der Menge und von der Pracht zu finden, wie sie vor Jahren überall auf den Dünen zu finden waren. Eine Stranddistel mit mehr als hundert Blütenköpfen war einst keine Seltenheit. Es gibt sehr niedliche Strand- und Dünen pflanzen. Als solch« sind zu nennen: der Meer senf mit violetten Blüten, die Salzblume, die Meer strandsgrasnelke und der dieser verwandte Widerstoß (hftatieo lörnoniuw), der Strandwegerich, die salz- miere mit weißen und da» Meerstrandsmilchkraut mtt blaßrosenrot«n Blumen. Auf etwas salzigen Wiesen am Seestrande stehen die schönen Strand astern oft in solcher Meng« beisammen, daß um ihre Blütezeit der Boden völlig blau gefärbt erscheint. Ein wunderhübscher Dünenstrauch, der hier und da am Strande wild wächst, oft aber auch ange pflanzt vorkommt, ist der Seedorn sttippopsiao rstarnnmstss) mit silberfarbigem Laub und gold gelben Beeren, die ihm um die Herbstzeit ein be sonders schönes Aussehen verleihen. Im Winter spenden sie den Strichvögeln willkommene Nahrung, im höheren Norden aber werden sie auch von Men- sck>cn gesammelt unü als Speise verwendet. Wilde Rosensträucher sind häufig aus den Dünen zu finden. An der Ostseeküste sind es verschiedene rot blütige Arten, auf den Inseln Ler Nordsee aber kommt dazu eine allerliebste Art mit weißen Blüten, die pimpinellblättrige Rose, die ich sonst auch im Ge birge gefunden habe. Dann lockt den Wanderer vieles zum Munehmeit, was in der See selbst wächst. Das sind, aoge,eyen von dem Seegras, das man gewöhnlich wohl liegen läßt, wenn es auch zum Ausstopfen von Malra'zen zu verwenden ist. allerlei Tange und Algen von be wundernswerter Art. Solche habe ich mir aus Helgo land mit andern zusammen eingesammelt, indem wir um tie Zett der Ebbe in einem Boot eine Rund fahrt um die Insel machten. Ab unü zu stiegen wir dann, nachdem Schuhe unü Strümpfe abgelegt waren, ins flache Wasser unü holten heraus an Tieren und Pflanzen, was uns interessant und zum Mitnehmen geeignet erschien. Zu den Pflanzen solcher Art ge hörten außer den Tangen die reizenden, häufig gelb oder rot gefärbten, den zartesten Fiederblättchen gleichen Algen. Diese zu trocknen, ohne daß sie da durch an Ansehen verlieren, ist so leicht nicht, und ich will verraten, wie es gemacht wird. Man läßt sir unter Wasser — es kann bas auch Süßwasscr jein — auf starkem Papier sich ausbreiten. Hebt man sie dann heraus, so bleiben sie auf der Unterlage haften unü können gepreßt und getrocknet werden, ohne et was an Schönheit einzubüßen. Endlich erregt die Aufmerksamkeit des Wanderers so manches, was außer dem Seegras von der See auf den Strand geworfen wird: die netten Muscheln ver schiedener Art. an der Ostseeküste der Bernstein, von dem. wer Glück hat. auch einmal ein ansehnliches, wettvolles Stück erbeuten kann. Auch kleine Ver steinerungen aus der Zeit, da zertrümmerte Gebirge von der See verschlungen wurden, sind im Seegras versteckt zu finden, und an einigen Küstenstellen, wie z. B. an der Küste von Rügen, auch Reste von Gerät schaften aus der Urzeit der Menschen. Ueberall ist es schön, am Strande zu wandern, wenn auch mitunter, wo das Ufer sehr steinig ist oder auf weite Strecken hin loser Sand den Boten bildet, ein wenig beschwerlich, ja an Stellen, wo Triebsand vorkommt, in den man einsinken kann, nicht ganz ge fahrlos. Am allerschönsten aber ist der Strand Loch da, wo an die See der Wald herantritt, mag er nun auf hohem Felsufer stehen, wie auf der Ostkiiste Rügens und der dänischen Insel Möen, die auch Kreidefelsen und Buchenwald hat, oder in geringerer Höhe über der See. wie auf einem großen Teile de» baltischen Festlandes. Wie angenehm ist es. zu wan dern da, wo man den Wald auf der einen, die See aus der andern Seite hat. da zu rasten, wo Nooel- gelang erklingt, wo i« das Rauschen der Wellen sich das Rauschen der Baumwipfel mischt!
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