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Den Herren Tschechen iil, wie männiglich bekannt, ihr 'Mazedonien. das kleine Böhinerland. längst zu klein, seit Jahren kolonisieren sie — was men auf Tschechisch so kolonisieren heißt - Nieder-Oesterreick, und vor Jahr und Tag ist berichtet worden, ohne das? wir bisher non einem Widerruf gelesen hätten, das; irgendeine spekulative und nationale Banka Ziemska auch auf oberöstcrreichischem Boden — zwischen Linz und Salzburg - ein Terrain erworben hätte. Aber die zähen und betriebsamen Slawen streben seit ge raumer 'Weile auch bereits über die schwarz gelben Grenzpsähle hinaus. Und dieses von ihrem Stand punkt ja nicht weiter tadelnswerte Bestreben geden ken sie demnächst auf eine ebenso feierliche wie ein drucksvolle Weise zu dokumentieren. In Berlin, wo schliesslich, wenn auch noch nicht in Londoner oder New Aorkcr Dimensionen, der Anhub der ganzen Wclt zusaimnenläuft und so viel Bereine existieren, existiert auch ein tschechischer Verein. Der begeht in diesem Hcilsjabrc das Jubiläum seines .'mjährigen Bestehens, und das soll -en Anlaß abgeben für einen tschechisch-slawischen Festrunimel auf märkischem Sande. Seit Wochen haben die Tschechen, denen alles deutsche Wesen sonst in tiefster Seele verhasst ist, und die in Prag jeden Trambahnschaffner ohne Erbarmen und Besinnen aus Lohn und Brot jagb'N. der es wagen würde, einem ihres interessanten Idioms un kundigen Reichsdeutschen deutsch zu antworten, in ihren. Blättern zu diesem Ausflug nach Berlin auf gefordert. Richt Alltägliches versprachen sie. Aus führungen und Versammlungen und einen veritabK'n Festzug. Alles aber natürlich unter dem Motto: Wie herrlich weit haben wir's gebracht. Kurz, eine Apotheose des Tschechentums auf reichsdeutschem Boden, eine mit Absicht in die fremde verlegte ck-.iriov--t.rai io u<l ooula-, die den debeimgcbliebenen Brüde n zur Hcrzstärkung, den österreichischen Deut schen aber rum gerechten Aerger die unwiderstehlich sieghafte Lebenskraft der Wenzelsprosscn dartun und darüber hinaus vielleicht auf von den meisten kaum geahnte, von andern nur leis geslüstrrte ferne Zukunftsmöglichkeiten Hinweisen sollte. Herr Iagow scheint gegen diesen slawischen Fcstrummel nichts zu erinnern zu haben. Vielleicht denkt er, wie bis kurz vor seinem Sterben auch Lueger gedacht hat: „Laßt's mir meine liabcn Böhm'n in Ruah." Aber es rühren sich andere Kreise. Eine Anzahl nationaler Vereine hat sich zusammengetan und in einem Aufruf, der in den konservativen Blättern veröffentlicht ward, gegen dos Tschechensest aus reichsdeutschem Boden prote stiert. Wir müssen gestehen, in unserem Falle haben sie, die sonst manchmal überempfindlich sind, recht. Dieses Tschechenjubiläum in der Hauptstadt des Deut schen Reiches ist schlechthin ein Skandal. Vergessen wir doch nicht, die Tschechen sind die er bittertsten Feinde des deutschen Volkes, unsagbar ge hässige, stets kleinliche, aber wo sie sich in der Mehr heit wissen, auch gewalttätige Feinde. Fritz Mauth- ner hat einmal erzähl:, wie Prag, als er dort stu dierte, noch eins urdeutsche Stadt war, der die deut schen Studenten das Expräge geben, und wo man aus dem „Graben" noch kein Wort tschechisch vernahm. Wer beute nach Prag kommt, kann einen langen Rachmittag unter den hochbuschigen, mehr oder weni ger diskret gepuderten Schönen flanieren, ehe ihm aus demselben Graben, der freilich längst nicht mehr Graben heisst, deutsche Laute ans Ohr dringen. Die Hotels mit den traditionellen Rainen, an denen sich ein Stück deutscher Geschichte hängt, „Das schwarze Rössel" und „Die goldene Gans" und all die anderen stehen noch auf dem alten Fleck: abe. sie nennen stch nun „Slatagus" oder, um die reichsdcutschen Besucher nicht gleich fortzuscheuchen..,Eheval noir", und ihre Be sitzer wurden Tschechen oder deutsche Renegaten. Auch das Stadtbild ist noch das alte, unvergleichliche. Der breite Moldaustrom mit seinen grünen Ufern und darüber auf der Kleinseite die wuchtigen Adelspaläste und die gotischen Kirchen und aus der Höhe darüber beherrschend und weit hinausleuchtend ins gesegnete Land, die schönste und stolzeste Königsburg: der Hradschin. Allenthalten stösst man aus di« Zeugen ehrwürdiger deutscher Vergangenheit. Man jpürt's bei jedem Schritt, das ist uralter Kulturboden, von unsern Vorvätern den slawischen Rundschädeln abge rungen, urbar gemacht und mit Gut und Blut durch stürmische Jahrhunderte verteidigt. Aber die Szenerie nur ist deutsch geblietien. Jetzt haust - mitunter mutet's einem inmitten seiner Umgebung ordentlich spukhaft an — zwischen diesen gotischen Domen und barocke!» Adelshäusern ein neues Geschlecht, das gegen alles Deutsche einen systematischen Vernichtungskrieg führt, das um jede Klippschule und jeden Nacht- wächterposten ringt und durch zähe Verschlagenheit im Verein mit einer stupenden sexrn^» Betrieb samkeit die deutschen Mitbewohner des r»ndes von Jahr zu Jahr mehr zurüägedrängt hat. Bis denen nur noch der schmale Rordrand geblieben ist, den sie nun in einem erbitterten Kleintamps Mann gegen Mann und mitunter auch Auge um Auge mit einer bewunderungswürdigen Treue, non der ab und zu ein paar Industrielle abwcichen, verteidigen. Einen Per- nichtungskrieg, sagten wir, führen die Tschechen seit Jahrzehnten gegen die Dcutphen. Einen unermüd lrchen planmässigen Kanins, bei dem sic keinen Pardon kennen. Das ba> uns nicht gehindert, den Wenzel söhnen trotzdem die Tore unseres Landes auszu machen: sie überschwemmen seit langem das könig liche Sachsen gnd haben selbst in Berlin sich eipe ganze Reihe geselliger Mittelpunkte geschaffen, was einen Rückschluß auf ihre Anzahl wohl zulässt. Damit aher, scheint uns, sollten wir des Entgegenkommens auch genug sein lassen. Wenn die Herren Tschechen nach nationalen Jubelfesten gelüsten, wenn sie zu zeigen wünschen, wie weit ein Volk cs auch ohne den Besitz von Vokalen zu bringen vermag, dann müssen wir sie doch schon cinladen, das gefälligst bei sich zu Hause im Schutze des heiligen Nepomuk zu be sorgen. Wir können das mit um so ruhigerem Ge wissen tun, als die Sicherheit besteht, dast, falls cs etwa uns Deutschen bestatten sollte, in gleicher Form ein ähnliches Fest in der böhmischen Hauptstadt zu feiern, die schliessiich doch zugleich auch die äl'eftc deutsche Universität ist, -er Pöbel von ganz Prag ausgeboten würde, uns unter kräftigen Flüchen die Schädel einzuschlagen. In einem Sonderzuge rrafen gestern in Berkin an '»00 tschechische Gäste ein, um an der fünfzigjährigen Gründungsfeier des böhmisch-slavischen Klubs und an dem gleichzeitig stattfindeuden Kongreß tschechischer Vereine im Auslände teilzunehmen. Die Gäste wnr den von dem Obmann r u s ch a des hiesigen Ver eins mit einer Ansprache begrüßt. Als der Zug in die Halle einfuhr, sangen über .'»0 junge Leute. Teil nehmer der gestern Abend veranstalteten Protest versammlung gegen den Einbruch der Tschechen in Berlin, die „Wacht am Rhein", zerstreuten sich aber auf di' Aufforderung des anwesenden Polizeimajors, so daß das auf dem Bahnhofe anwesende stärkere Schutzmannsaufgebot keinen Anlaß hatte einzu- schreiten. Ole englischen Streikbewegungen. Wenn auch in Landon der Friede zwischen Arbeit gebern und Arbeitnehmern wieder hergestellt ist, so ist im Gegensatz dazu die Lage in anderen Großstädten dcs britischen Reiches recht ernst geworden. Mehr fach ist es vor allem in Liverpool zu schweren Aus schreitungen gekommen. Der Draht meldet: London, It. August. (Eig Drahtmeldung.j Der König sandte an das Handelsantt ein Telegrainm, worin er seine Genugtuung darüber ausdrückt, daß de: Streik in London beendet ist uird die zuversicht liche Hoffnung ausspricht, daß die Arbeit überall heute wieder ausgenommen werde. Glasgow, II. August. sEig. Drahtmeld.j Die Streikunruhen begannen gestern abend non neuem. Mehrere Schutzleute und Straßenbahnangestellte wur den verletzt, viele Personen verhaftet. Liverpool, It. August. ^Eigene Drahtmeldung.s Ain gestrigen Nachmittag« veranstalteten etwa hun derttausend Transportarbeiter Kund gebungen, wobei es zu wilden Szenen kam. In- I folge der großen Aufregung, die in der Stadt < herrschte, wurde,» alle Polizeireserven ansgeboten, > um die Straßen ,zu säubern, sie wurde» aber heftig mit Steinen und Flaschen angegriffen. Erst nachdem berittene Schutzleute wiederholt gegen den Mob vor- gegantzen waren, ließen die Unruhen nach, obwohl an einzelnen Stellen noch längere Zeit Zusammenstöße erfolgten. Die Zeitungsredattionen werden poli zeilich bewacht. Ein Schutzmann ist getütet worden. Di« Limostreet-Station und St. Geor ges Hall dienen als Spitäler. Liverpool, 1t. Augiis». sEig. Drahtmeld.j Bei den Unruhen sind über zwanzig Schutzleute und fünfzig Zivilpersonen verletzt worden. London, 1t. August. (Eig. Drahtmeld.j Die Un ruhen in Liverpool sind ohne Beispiel in ter Geschichte der britischen Strciknnruhen. In der Nach barschaft von St. Georges Hall sand eine r e g e l re ch »e S t r a ß e n s ch l a ch t statt. Di-Schutz leute wurden bei dem Bemühen, auf dem Platze vor der St. Georges Hall eine Bahn durch die Menge zu brechen, mehrfach zurückgetrieben. Viele von ihnen wurden verwundet. Die Ausständigen behaup teten standhaft ihre Stellung. Eine Stunde lang war die Polizei nicht in der Lage, den Platz zu räumen. De Magistrat ließ schließlich das Aufrnhrg« sctz verlesen. Militär wurde aufgeboten, das schußbereit marschierte und die Ausständigen in di« Ncbcnstreßen zuriicktrieb, wo der Kleinkrieg noch bis Mit ternacht andauerte. Die Hospitäler sind eifrig am Werk, den Verwunderen Hilfe zu gewähren. Nach der letzten Schätzung sind Mtt Personen, meist Schutz leute, verletzt worden. Die Ausständigen versuchten, in die Line-Street Station einzndringcn. Sic brachen die Tore nieder, wurden aber von Polizeimannschaf ten, die Verstärkungen erhielten, zurinkgetrieben. Di« Firehouse-Station ist für den Augenblick in ein Hospi- tal verwandelt worden. In der Erbitterung bewarf die Menge die Krankenwagen und Tarametercabs, in denen sich Verwundete befanden, mit Steinen. Ein Polizeioffizier brach ein Bein. Einem Schutz mann wurde die Kinnlade zerschmettert. Eine Mili tärpatrouille wurde von Dächern aus mit Steinen beworfen. Ueber 100 Personen wurden verhaftet. politische Nachrichten. Aufstand im Susgebiet. Der „Matin" will von einen» Aufstand im Sns- gebiet wissen. Bei den Gebrüdern Mannesmann, die in der Gegend hauptsächlich interessiert sind und denen nach dem „Matin" — indirekt mindestens — die Schuld an dcm Ausstande zuzuschreiben wäre, liegen Nachrichten nicht vor. — Wir erhalten nachstehende Telegramme: Paris, II. August. Der „Matin" mcloct Un ruhen im Susgebiet. Das tatkräftige Vor gehen der Gebrüder Mannesmann, die mit Hilfe ihrer Agenten und dank ter Unterstützung der ein geborenen Kaids große Erwerbungen für Minen anlagen gemacht haben, sott aus den Widerstand der Bevölkerung des Susgebictes stoßen. Die Stämme des Hinterlandes von Agadir seien vor Tarvdant. der Hauptstadt dcs Sustales, dessen Kart den Brüdern Mannesmann besonders gewogen ist. gezogen und hätten dessen Abdankung verlangt Die Stadt soll von den Stämmen im Kampfe genommen worden sein, wobei mehrere Einwohner ihr Leben lassen mußten. Ueber Las Schicksal der in Tarudanr an wesenden Europäer, dreier Deutscher Agenten von Mannesmann — und dreier Franzosen liegen bisher llnü es entgeht ihr keiner. 4') Roman von Ioachttn von Dürow. lNochaiuc» verbo.cn.1 Jäh hob jetzt der Dackel den Kopf, gab einen kurzen verlorenen Blaff ab, und stürzte sich aus dem Korbe. „Der verdammte Köter bringt mich wahrhaftig urn die gcnrze Ueberraschung". sagte Fred, stieg schnell non der Bank, umging Las Haus und drückte die Tür zu der Halle, vor der der Dackel bereits stand, leise auf. Infolge des langgezogenen Tones, in den Las Bellen einfach überging, warei» Schritte durch die Halle gekommen, unter ahnunasoollem Herzklopfen stark beschleunigt. Im nächsten Moment hing Wanda an Freds Halse, fühlte seine heißen Küsse auf ihren Lippen, hielt ihn plötzlich von sich fort, nur um ihn von neuem ansehen zu können, lachte ein wenig, weinte ein wenig, und dazwischen dann wieder: „Der Dackel darf nicht zu kurz kommen! Der Dackel darf nicht zu kurz kommen!" Während Fred diesen doppelten Freudenstrom über sich hingchen ließ, kam das Gefühl zu seinen» Recht. Laß um einer solchen Stunde häuslichen Glücks halber man schon ein gutes Teil hinnehmen konnte von den Gebresten dieser Zeitlichkeit. Wenn wir die Karte vor der Tür des Hauses ab geben wollen, deren Schild den Namen „Graf Hohen felde" trägt, müssen wir leise auftreten, sintemalen vor wenigen Tagen erst ein neuer Erdenbürger — nicht etwa eine Bürgerin — seinen Einzug in die Welt gehalten, um sich nach einem Platze darin um zusehen. Es hatte von feher festqestanden, daß dieser Erdenbürger nur Wilhelm heißen konnte, wie der Ur großvater, und so standen denn an dem Wagen, in dem dieser Wilhelm in das Leben hinausfuhr, die Großeltern Rütenbach, jeder ein Händchen haltend, kleine, runzlige, noch etwas papageienartige Neu geborenenhändchen. Während der Oberst ganz unverändert dreinschaut, sieht Frau Regine etwas anders aus denn ehedem, in sofern eine leichte Fülle des Fleisches, die ihr in dem letzten Jahre angeflogen, ihr zu einer gewissen Rund lichkeit verhilft, die die Schärfe der Linien in ihrem Gesicht angenehm mildert. Auch der gewisse Jet im Auge kommt seltener zum Funkeln, seitdem die zwel Leute ohne die Unrast, die eine erwachsene Tochter mehr oder minder in jede Häuslichkeit bringt, nun 'infach „ich und du" sind. Als nun der Oberst, der vor einer Stunde erst an- pekommen war, leise sagte: „Da haben wir nun einen Enkel, Regine. und dem müssen wir wohl Ehre machen!" geschah das für ihn Seltsame, daß die Arme der Fra», sich um den Hals ihres Mannes schlangen, ja. daß sie ihn küßte, warm und herzlich, worauf der Oberst zwar ein wenig verlegen, aber doch sichtlich ge hoben dreinschautc. In Astraweiken hatte die „Pesch" gewirkt, wie keine bisher gewillt hatte: als der Amtsrat zu un gewohnter Zeit ül-er den Has der Fabrik gegangen war, hatte >eder, der ihn gesehen, sofort gesagt: „Jetzt komm» der Urgroßvater — und es ist ein Junge." Die Fabriken hatten für einen Tag gefeiert, die Leute hatten ein Fest gehabt, in der Kirche war ein Papier in den Beutel geschoben worden, bei dessen Emfallung der Küster leicht errötete und „Herrje!" sagte: er hatte noch nie einen Tausendmarkschein in der Hand gehabt. Die Statuten über die Majoratsgründung, die lauge in der Tiefe des Pultes gelegen, wurden wieder einmal von der Sonne angeschienen. Im Lichte dieser Sonne wurde es Herrn Hauptvogel plötzlich klar, daß die Versorgung für die „dereinstige Witwe" in der Veranlagung viel zu knapp bemessen worden war. Wie stand ein Majorat da, das nach dieser Richtung hin sich lumpen ließ? „Die Witwen meiner Generale dürfen nicht Mangel leiden!" hatte Kaiser Wilhelm beim Tode eines hochverdienten Generals, der viel Töchter, aber kein Vermögen hinterließ, gesagt, und er hatte die Pension schlankweg verdoppelt. „Die Witwen meiner Stiftungen sollen des Stifters »ich» mit Bitterkeit gc denken", sagte Herr Hauptvogel und verdoppelte eben falls schlankweg den ausgesetzten Posten, ehe er zum Abschluß der Sache nach Königsberg fuhr. — Gleich zeitig mußte dort ei», Schmuck für Agnete gekauft wer den und ein Patengeschenk für den Jungen, beides ebenfalls daraufhin angelegt, daß es sich vor den Leuten sehen lassen konnte. Als nach glücklich ersolqter Verbriefung in Sachen des Majorats Herr Hauptnogel nach Astraweiken heimkehrte, sah er auf dem Tische ein Schreiben von der Hand des Grafen Hohenfelde liegen, dem Agnete ein paar inhaltsvolle Worte in Bleistift beigefügt hatte. „Der Junge will bei der Mntterbrust nicht recht gedeihen, der Sorhlet will dem Doktor nicht scheinen, und er besteht auf einer Amme, die ich am liebsten von dem kräftigen Ostpreußcnichlage haben möchte. Bitte, bitte. Opapa, sieh' dich nach einer solchen Person um." „Na. da schlag' doch Kott den Deubel tot!" Was batte er. der Amtsrat, nickt alles besorgt iin Leben? Den Männern passende Frauen und den Frauen passende Männer: — Güter. Hypotheken. Zuchtstiere, Stiftstellen, Häuser Lokomobilen und Büchsen! Aber Ammen? — Die Male sollte kommen. — Die Male wußte von allem, von noch Ungeborenem und von eben Geborenem, da rund herum. Donnerwetter! Die Male sollte kommen! . Wo steckt sie wieder? Mamsell, schreiben Sie der Male im Lohnzettel!" Wehe ihr, wenn sie nichts wußte! Groß stand die Male da! Herr Hauptvoael gönnte sich kaum „sein bißchen Esten" — der Kutscher mußte anspannen — rauf auf den Wagen — hin zum Doktor. Der Doktor mit, und nun los? Wer konnte sagen, ob dem Jungen da nicht irgend was anflog in der Zeit! Nachdem diese Angelegenheit zur vollen Besricdi gung beendet wordci» war, würde nun endlich Ruhe werden. Ja — ja. — Ruhe! Da war nach einer kleinen Zeit wieder ein Brief von der Gesellschaft da. Bin neugierig, was sic jetzt von mir wollen! „Opapa," schrieb Agnctc, „ich kann immer noch nicht recht zu Kräften hier in der Stadt kommen. Die harte Kampagne will ihre»» Lohn haben, und mich packt's mit einer Sehnsucht nach Astraweiken, wie ich sie nie empfunden habe. Nimm uns für einige Wochen bei dir auf, mein Kind und mich: gestatte cs, daß mein geliebter Mann uns zu dir bringt." Das hätte ja nicht Agnete, und das hätte ja nicht der alte Hauptvogel sein müssen, wenn auf diesen Brief eine andere Entgegnung möglich gewesen wäre, als das eine Wort: „Kommt!" Abermals hieß cs anspannen, wegen einer Fahrt zu Oberförsters. Die Oberförstern» würde ganz genau Bescheid wissen über das, was für ein Kind der Jetzt zeit anzuschafsen war. Seine Erinnerungen? Da war eine dumpfe, enge Stube, und für ihn und die folgenden Geschwister eine rot angestrichene Wiege mit Tulpen drauf — dicke Kissen mit harten Federn und blaubuntem Bezug. Das, was in der Wiege lag, hatte immer einen gewissen Grind auf dem Köpfchen gehabt, insofern cs als Todsünde galt, kleinen Kin dern den Kopf zu waschen. Auch das Vorhandensein dcs Läusleins unter der dicken Mütze galt bei dem gemeinen Mann als außerordentlich gesund. Weise Frauen wollten behaupten, daß kein Kind gedeihen könne, wenn es nicht zur rechten Zeit sei»» Läuslein gehabt. Zur Ernährung des Säuglings war, wenn die Milch knapp war, den Erinnerungei» des Amtmanns nachgehend, ihm ein Ding in den Mund gesteckt wor den, was da „Zulp" hieß oder „Schnuller" — ein Lappen mit Schwarzbrot und einem Stückchen Zucker, dem in einzelnen Familien ein Zusatz von Schnaps bcigcgeben wurde. Dieses halt« das Seine getan, um den Amtsrat zu dein heranzuziehen, was er war. Was aber brauchte sein Urenkel, um zu werden, was er werden sollte? „Die Bettchen und so was würden sie mitbrin gen," hoffte die Oberförsterin: „entschieden anzu schaffen aber war der Wagen, insofern man heute, wenn überhaupt gesungen wird, keine Wiegen, son dern nur noch Wagenlieder kennt. Außerdem die Wickelkommode, die Badewanne (das Thermometer nicht zu vergessenj, die Wagschale, die Spiritus maschine — und vor allem: Morgensonn' in die Sink'." Der Amtsrat betete sich bei der Rückfahrt die Reihenfolge vor: „Wickelkommode, Badewanne, Thermometer — Morgensonne in der Stub'." — Und er stand vor der Türe des Hauses, winkte mit dem Hut, in dem Moment, da der Wagen in die Allee cinbog: nahm das Kind ans den Armen de» Amme und trug cs selbst mit einer gewttsen Weihe über oie Schwelle. Einen Moment 'nachte er halt, »vendete das Köpfchen des Knaben so, daß dessen heile Aeug lein den Hof übersehen »onnten, und nickte ihn» blinzelnd zu: „Kuck' dirs an. 's ist alles deins." Am anderen Vormittag kehrten der Graf und sein Wirt in sichtlicher Gehobenheit von der großen Rund fahrt heim, die sie durch die Fabriken und das Gut gemacht hatten. Der Graf, dessen sachverständige Be merkungen von dem Amtsrat mit innerer Genug tuling aufgesaßt worden waren, drückte die Hand dcs alten Herrn: „Ich baute Ihnen, mein verehrter Großvater! Ick habe kaum im Leben eine so humane Ausnutzung der Arbeitskraft gesehen, die so großdentcnd mit den» Wohle für den Arbeiter Hand in Hand geht." Im Garten gewahrten sie Agnete, neben dem Kinderwagen allein unter einer der mächtigen Linden sitzend. Cie sah etwas blaß aus, erhob sich aber m»c einem strahlenden Lächeln, als sie der Herren gcwayr wurde. Der Graf beschleunigte seinen Schritt, sie lief ihm entgegen, un» seinen warmen Kuß zu empfangen, und wandte sich dann dem Amtsrat zu. „O, wie diu ich hier glücklich, Opapa, wie bin ich hier glücklich! Komm dir doch Len Jungen ansehcn. »vie prachtvoll er in dcr gesegneten Lust von Astra »veiken schläft." Der Junge dachte mit Nichten ans Schlafen: als die Drei sich über ihn beug»«», sah er sie mit lustigem Blinzeln hell an. „Er hat ja Ihre Augen, Grzßvater?" rief Graf Hohenfelde: „möchte er doch das Lehen ansehen lernen, auch aus Ihren Augen." Der Amtsrat schüttelte den Kopf: ..Das »st aus geschlossen." sagte er gelassen, „insofern es doch sehr ouf den Standpunkt antomint, auf dem der Sehende sicht. Für dieses Kind ist von Hanse aus gesorgt worden: es braucht nach menschlichem Ermessen nicht mit dein Wolf zu kämpfen, der an der Türe kratzt — der Armut. Wie sich aber auch sein Leben gestalten möge. Ihr habt ihin beizeiten den Blick dafür zu wecken, daß alle offene Riedertracht der Feinde dem Menschen nicht so zuzujetzen vermag als die Falsch münzerei dcr Schmeichelei und der Selbstüberhebung. Ihr sollt mir außerdem den Junger» in dcr Erkennt nis großziehen, daß das, was nach der Schöpfungs geschichte der Menschheit zur Strafe gegeben ist. dem einzelnen zum Segen wird: die Arbeit!" „Großpapa!" riei Agnete, während üe jubelnd die Arme um seinen Hals schlang, „mein Eampanile steht ja wieder!" Und darauf er — verlorenen Blickes, mit leicht bebender Hand über ihr blondes ^>aar hinstreichend: „Ein Campanile steht — aber der Campanile ist cs nicht." Ende.