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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 17.08.1911
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-08-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110817025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911081702
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911081702
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-08
- Tag 1911-08-17
-
Monat
1911-08
-
Jahr
1911
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BquqS Preit Pir u»tr>>i» »>u> Porott« v»rch »nler« Irai«, »nd kpedtr»»« 2 «al täallch ln» v«t, ,»dro«l « PI. monatig L.7U »k. oiericliährl. B», anlcrn Filialen n. An. nahmeftrllen adachoN 75 Ps. monalU, LS VIl. otetteljatzkU »«ch »t, P,ft: tnnerhaU» Denllchland» anv der drntlchen Kolonien »terteljährl. I.« »lt„ «onaU. aurschl. PoltdrfteUgcid Fern«« tn Belg,«», Dänemark. den Donanstaalen, Italien. Uurrmbura. Niederlande, Nor wegen. Oesterreich. Ungarn. Nusiland. Schweden, ischwe»» n Span»», In alle» adrigen Staaten nur direkt durch dt« lbelchaftslrell» de» Blatte» «rdaltlich. Da, L«t»„g«r Lageblar» erichernr I»al täglich. Kann. n. Ferenag» nnr morgen». illdonnement»-tlnnavm« I,tzaa»i»,,Il« 8, drt nnlerrn Tragern. Filialen. Spediteur«» »ad Annahmestellen, iowt« Postämtern und Briefträgern. Abend-Ausgabe. WpMtrTagMaü «ti.-Anlchl.iuM- Haudeiszettung. «'>.-^^1.!,.^- Amtsvkatt -es Aales und -es Aolizeiamtes -er Lta-1 Leipzig. Lnzeiqtn-Prei- fllr Inserat« au» U«tp,,a a«b Umgebung di« Ispaltige Petttzetle L Pf die RrName» »eil« l Mk.' von au»wärr» 30 Pf, Reklamen Mk.' Inserat« von Behörden im amt lichen Teil dl« Petit,eil« 50 Ps. S«Ichäst»anj«igrn mit Planvorlchnsten u. in der Abendausgabe im Preis, erhöht Rabatt nach Tarif. Beilagegebudr Gesamt auslag« L Mk. p. Tausend erkl. Postgebühr. TeUdetlag« Höher. Fefterteilt« Aufträge können nicht «urück» ae,o,«n werden Für da» Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird kein» Garantie übernommen. An,eigen. Annahme: I,b«aai»,»ss« 8. bei fämtlichen Filialen u. alten Annoncen» E,pedttionen des In» und Au»lande». Druck »n» Verl«, »,» Fisch«, ch Mürste» Inhaber: Port ttürste». «edakti.n und «eschist.stell«: Iohanniigass« 8. -««»«-Atli«l« De«»»««: Eeestrahe 4. l (Telephon 4W1i. Ar. 227 Vonnrrsiag, den 17. klugust lSll. >25. Jahrgang. Die vorliegende Angabe umfaßt 6 Seiten. Die Warnung üer lächlilchen Regierunz sn öle viehdelitzer Wir haben bereits in der heutigen Morgen nummer mitgeteilt, daß die sächsische Regierung die Niehbesitzcr warnt, unter dem Eindrücke des jetzigen Futtermangels ihr Vieh voreilig zu verkaufen. Die betreffende Warnung hat folgenden Wortlaut: „Das Kgl. Sächsische Ministerium des Innern ist aus Anlaf; des infolge der anhaltenden Dürre einge- trctenen Futtermangels bereits Ende voriger Woche mit den zuständigen wirtschaftlichen Körper schaften in Verbindung getreten. Wenn der Landeskulturrat für das Königreich Sachsen die beteiligten Viehbesitzer dringend davor warnt, ihr Vieh unter dem Eindrücke des jetzigen Futtermangels voreilig zu verkaufen, so ist diesem Rate unbedinat zuzustimme n." — Das Ein greifen der sächsischen Negierung ist allgemein er wartet worden, denn die sächsischen Landwirte haben notgedrungen immer mehr ihren Viehstand ver ringern müssen. Wie verlautet, ist er in manchen Gegenden Sachsen jetzt schon geradezu dezimiert. Der Rest der Bestände wird an vielen Orten schon jetzt mit dem Winterfutter gefüttert. — Wie uns von gutunterrichtetcr Seite mitgeteilt wird, finden in Len nächsten Tagen im Ministerium des Innern eingehende Beratungen statt, auf welche Weise der drohenden Futter not und Fleischteuerung entgegen- gewirkt werden kann. Das Ministerium will Vertreter der verschiedenen wirtschaftlichen Körper schaften zu den Beratungen zuziehcn. Von mehreren Seiten soll auch der Vorschlag gemacht werden, eine besondere Tagung Les Landtags anzu setzen, um mit diesem über Abhilfe zu beraten. Beim Landeskulturrat ist aus Steier mark eine Mitteilung des dortigen Zentralausschusses der k. k. Landwirtschaftsgesellschaft eingegangen, wo nach in Steiermark, im Gegensätze zu den meisten Gegenden im Deutschen Reiche, eine sehr gute Heuernte zu verzeichnen ist. Man will nun Heu in gepresstem Zustande mit Ausschluss des Zwischen handels nach Sachsen beziehen, und das Ministerium soll beabsichtigen, alle erdenklichen Einfuhr erleichterungen und Frachtemäßigun- gen eintreten zu lasten. Es soll auch erwogen wer den, ob es sich empfiehlt, Len Landwirten zum Ankauf von Grünfuttermitteln unverzinsliche Vor schüsse zu gewähren. Auch erwartet man, Latz die Negierung die Dienststellen anweist, den notleidenden Bauern aus den Wäldern Futtermittel zu geben und ihnen zu gestatten, ihre Viehherden auf die öffent lichen Waldbestände zu treiben. Der Stanü -er Marakknuerhanülungen. Die Beunruhigung über den Stand der Marokko- verhandlungen nimmt wieder zu. Besonders die fran zösische Presse zeigt neuerdings wieder eine bemerkens werte Nervosität. Sie gibt der Meinung Ausdruck, daß morgen in Wilhelmshöhe, wohin sich anläßlich des Geburtstags Kaiser Franz Josefs Reichskanzler und Staatssekretär des Auswärtigen zusammen mit dem Berliner österreichischen Botschafter begeben, die Entscheidung fallen werd«. Für die Richtigkeit dieser Ansicht spricht nicht das allergeringst«. Die Verhand lungen sind noch keineswegs so weit gediehen, daß die Zustimmung des Kaisers zu ihrem Abschluß eingeholt werden könnte. Ucber Len Stand der Angelegenheit erfährt der „V. L.-A.", daß Herr von Kiderlcn-Wächter und Herr Jules Cambon immer noch bemüht sind, ülier die all gemeinen Grundlagen des Abkommens zu einer Eini gung zu gelangen; eine volle Verständigung hierüber ist noch nicht erzielt, man wird sich also noch gedulden müssen. Augenscheinlich legt Frankreich kein großes Gewicht auf die deutsche Kolonie Togo, so daß über die Abtretung dieser Kolonie, von der in früheren Stadien der Verhandlungen wohl gesprochen wurde, nicht mehr beraten wird, was wohl auch nutzlos sein würde, da die Kolonie uns zu wertvoll ist und nicht wir, sondern Frankreich Kompensationen zu geben hat. Man scheint jetzt hauptsächlich über das Hinter land von Kamerun zu sprechen und inwieweit Teil« von ihm als Kompensation für Deutschland in Frage kommen. Auch in diesem Punkte geht die deutsche Re gierung vorsichtig und gründlich zu Werke, denn sie wünscht nicht wertlose Landstriche zu erwerben, in di« mit zweifelhaftem Erfolge große Summen hineinge- strckt werden müßten. Die französisch« Regierung, von der übrigens «ine ganze Zahl koordinierter Per sönlichkeiten an den Verhandlungen direkt oder in direkt teilnimmt, sollte sich bewußt sein, daß es aus geschlossen ist, das Kompensationsvbjekt lediglich nach Quadratmeter zu bewerten. Außerdem dürft«, was ja selbstverständlich ist, der Siid«n Marokkos eine Nolle bei den Verhandlungen spielen. Da nicht fest steht, ob dieser Landstrich erzhaltig ist, wrrd von der französischen Regierung anzuerkennen sein, daß deutsche Firmen, die bereits Bodenrechte in jenem Gebiet erworben haben, im Falle der Entdeckung von Erzlagern berücksichtigt werden, bzw. dem Deutschen Reiche für diesen Fall die Tür in Südmarokko offen bleibt. Diese Bedingungen sind so selbstverständlicher Art, daß eine Einigung hierüber mit dem französi schen Unterhändler und seinen Auftraggebern sicher erwartet werden kann. Es werden hierbei, für den Fall der Auflegung von Erzlagern, vitale wirtschaft liche Interessen des Deutschen Reiches berührt, das erkennt die französische Regierung auch ohne weiteres an. Wenn die allgemeinen Grundlagen des Abkom mens geschaffen sein werden, wird beabsichtigt, einen Vertrag zu schließ«« und zu veröffentlichen. Dann bleibt aber noch eine Menge Kleinarbeit zu leisten, da die Ablösung und Aufrechnung einer großen Zahl von Konzessionen, Verträgen, Pachtungen usw., soweit sie nicht mitübernommen werden können, erledigt werden muß. Wenn man also hofft, jedenfalls vor Beginn des Herbstes die allgemeinen Grundlagen zu notifizieren, so wird die vollständige Ausarbeitung des Abkommens noch manche Woche nachher in An spruch nehmen. Der Reichskanzler von Bethmann Hollweg ist gestern in Berlin eingetroffen; er folgte gestern al»end einer Einladung des Staatssekretärs des Auswärti gen Amts zu einem Mahle, an dem auch der Bot schafter Frhr. von Marschall teilnahm. Heute vor mittag begaben sich der Reichskanzler und der Staats sekretär von Kiderlcn-Wächter nach Wilhelmshöhe. Ihnen schloß sich der Botschafter Frhr. von Marschall an, um sich, wie üblich, vor der Rückkehr auf seinen Posten nach Konstantinopel beim Kaiser zu melden. Daß man neuerdings auch wieder zu Verdächtigungen Deutschlands greift, beweist ebenfalls die Nervosität der französi schen Presse. Es liegt darüber folgendes Tele gramm vor: Paris, 17. August. (Prio.-Tel.) Der Berliner Korrespondent versichert, einem Artikel des „Journal de Eenöoe" zufolge, er habe aus sicherster Quelle er fahren, daß sich zurzeit in den Bureaus des deutschen Generalstabes in Berlin wieder um eine regere Tätigkeit bemerkbar mache. Er fügt hinzu, daß speziell in den Zimmern,der M a - rineabteilung diese Tätigkeit eine ganz inten sive scr. Man trage sich hier mit der Möglich keit, weitere Truppen nach Agadir zu senden und dort auszuschifsen. Er fügt jedoch hin zu, daß man diese Tätigkeit nicht allzu pessimistisch aufzufassen haben werde. Im Gegenteil, im Falle eines Krieges werde Deutschland keine Truppen nach Agadir senden. Immerhin ließe sich aus alledem ein Rückschluß aus die Tätigkeit in Berliner maßgebenden Kreisen ziehen. Auch Rußland wird von der französischen Presse als Helfershelfer gegen Deutschland angcrufen. Der „Temps" läßt sich wieder einmal die „russische Freund schaft" bestätigen und weiß ferner zu melden, daß „man in russischen Klubs und Cafes die Ursachen der Hinziehungen Deutschlands" bespricht. Ein Tele gramm meldet darüber: Paris, 17. August. tPriv.-Tel.) Dem „Temps" wird aus Petersburg gemeldet: „Man ist in Peters burg erstaunt über die Hinschl-ppung der französisch deutschen Marokkooerhandlungen. Allenthalben auf den Straßen, in den Klubs und CaföS wird die Hal tung Deutschlands lebhaft kommentiert, und die Ur sache dieser Hjnziehungc.n besprochen. Obgleich es eine bekannte Tatsache ist, daß Rußland stets zu Frankreich hinneigte, wird nochmals ausdrücklich bc tont, daß auch fernerhin Frankreich in jeder Lage Rußland zur Seite haben werde." Die Streikisye in Lnglanü. Der Charakter der englischen Streikbewegung wird immer bedrohlicher. Die Angestellten der eng, lischen Bahngesellschasten bleiben hart näckig. Sie erklären, auf alle Fälle morgen früh indenAusstandtretenzu wollen, wenn bis dahin ihre Forderungen nicht erfüllt sind. Die Bahngesellschaften ihrerseits sind nicht geneigt, auf ihre Forderungen einzugehen. Sie wollen den Kampf aufnehmen, zumal die Regierung ihnen für die Dauer des Aus standes militärischen Schutz und Hilfe zugesichert hat. Die Direktoren der Gesellschaften weisen darauf hin, daß nur 2.'» Prozent der englischen Eisenbahner organisiert sind und dem Ruf zum Generalstreik Folge leisten werden. Sie vergessen jedoch, daß unter dicien 2.'» Prozent gerade die Lokomotiv- und Zugfüh:er, sowie Weichensteller zählen, also die Bahnbeamien, die zur Aufrechterhaltung des Betriebs am not wendigsten sind. Sie versuchen zudent, die Zugführer und Maschinenmeister dadurch einzuschüchter.i, d.:si sie ihnen mit Streichung aus der Liste der ..iönialrchrn Ingenieure" drohen. Im Lager von Aldershot stehen 2.'»0W M ann marschbereit, um bei Eröffnung des Genccr'- ausstandes den Schutz der englischen Bahn linien zu übernehmen. Mit dem Signalwe.en vertraute Mannschaften sollen die ausständigen Wc:- chensteller ersetzen. Gestern nachmittag sand zwischen 2 und 3 Uyr eine Versammlung der Direktoren sämt licher Eisenbahnen statt, in der über g mci.»- same Maßnahmen gegenüber den Forderungen o«r Arbeiter beraten werden sollte. Definitive Beschlüsse wurden nicht gefaßt. Die Hungersnot in Manchester. Die Lage in Manchester wird immer verzwnfeiter. Die Hungersnot, mit der seit den letzten ^agen gedroht wurde, ist seit gestern nachmittag zur Tat sache geworden. Selbst nicht für die höchsten Sum men ist cs hier möglich frisches Fleisch oder frisch: Gemüse oufzutreibcn. Während die wohlh rb.nd're Bevölkerung noch zu Konserven ihre Zuflucht nehm-. n kann, leidet die ärmere Bevölkerung im w stiften Sinne des Wortes Hunger, da selbst das Brot st ylt. Neue Streikexzesse in Liverpool. Als Automobile gestern nachmittag Papier rollen nach einer Druckerei in Scottland Roads fuhren, griffen die Aus st ändigen den Wa gen an, mißhandelten die Chauffeure und stürzten die Automobile um. Ein Bataillon Infan terie eilt« herbei und umstellte mit ausgepflanztcm Bajonett die umgestürzten Automobile und die aus der Straße liegenden Papierrollen, bis diese auf herbeigeholte Reserocwagen geladen werden konnten. Als diese sich unter Polizcibedcckung in Bewegung setzten, drängte die Menge von neuem vor. Es kam zum Kampf mit dem Ak i l i t ä r, wobei auf beidenSeitcn zahlreiche Personen ver letzt wurden. 2N der Aufruhrer sind verhaftet. Auch die Straßenbahnwagen wurden wie derholt von den Ausständigen angegriffen. Steine flogen gegen die Wagenscheiben, zertrümmer ten diese und verletzten zahlreiche Insassen. Auch ver suchte man durch über die Straße gezogene eiserne Ketten die Wagen anszubalte». Auch in Londo n ist die Situation nach wie vor bedenklich. Während ein Streik der Angestellten der Untergrundbahn glücklich vermieden scheint, drohen jetzt die Na ch t b e a m t c n des T c l e p h o n a in t c s mit dem Streik. — Folgende Telegramme liegen noch vor: * London, 17. August. (Prio.-Tcl.) Die Nacht- Der wilüe Keuchlin. 6j Eine Geschichte aus Livland. Don Henriette von Meerheimb (Margarete Gräfin o. Bünau). Di« leidenschaftliche Bewegung rief ihm ihr un- gebändi^es Benehmen in der Reitbahn ins Ge dächtnis zurück uiÄ> stieß ihn ab. '„Steh auf, Mo deste! — Hörst du, ich will das nicht!" Seine Stimm« klang so wenig zärtlich, daß sie wie bei einem Schlage zusammenschrak und sich langsam aufrichtete. „Du bist sehr hart zu mir", Schluchzen hob ihre Brust, „sehr hart, und ich lieb« dich doch so sehr!" „Dann zeig mir deine Liebe. Tu, was ich wünsche." „Alles, nur —" „Nur nicht das, was ich fordere!'' Ein Wagen rollte laut über Len steingepflasterten Hof, dann leiser in den Kieswegen, vor der Schloßtür hielt er still. „Ich muß oufbrechen, Modest« — laß meine Hand los!" „Nein, ich lasse dich nicht fort." Sie nahm ihr langes Haar — der Knoten löste sich rasch — und wickelte es um seine Hand. Ohne ihr weh zu tun, konnte er sich nicht befreien. Ihr krampfhaftes Weinen erschütterte ihn. Sie war ja noch «in halbes Kind und hatte es sich nicht klar gemacht, wie tief sie ihn kränken würde. „Weine nicht so, Modeste!" bat er milder. „Wenn du tust, was ich wünsche, trennen wir uns vielleicht nur wenig« Tage. Ich werd« meiner Schwester schreiben, daß du bald zu ihr kommst — ja?" Sie schüttelte trostlos den Kopf. „Nein — nein, ich weiß es, wir sehen uns nicht wieder, wenn du jetzt wirklich gehst. — Bleib — ach bleib doch bei mir." „Wie kann ich bleiben nach diesem Vorgehen deines Vaters? Ich dächte, das müßtest du verstehen, wir unmöglich das für mich ist!" antwortete er, von neuem aufgebracht. „Soll mich das nicht erbittern, Laß du immer gegen mich auf seiner Seite stehst? Und so würde das fortgehen, wenn wir verheiratet sind — ein ewiger aufreibender Kampf obne Ende." „Ich will dir versprechen, nicht mehr so wild zu reiten", flehte sie. „Das ist es nicht allein. Dein« ganzen Lebens anschauungen und Gewohnheiten mußt du ändern, Modeste. Dein Vater lebt in großartigen, aber völlig ungeordneten Verhältnissen. Du hast dich da durch auch an Verschwendung und Unordnung ge wöhnt; beides ist mir unerträglich. Ich erinnere dich nur daran, wie du neulich Geld ins Wasser warfst — Geld, das dir nicht gehörte." „Mir nicht gehörte? Papa hatte es mir doch geschenkt." „Solange dein« Schneiderrechnung unbezahlt ist, gehört dem Manne das Geld — nicht dir. Du nahmst, was ihm zustand, indem du es ganz sinnlos wegwarsst." Modeste schwieg, steckte ihr Haar wieder auf und trocknete ihre Augen. Sein Tadel berührte sie un angenehm, er reizt« ihren Widerspruch. Es kam ihr kleinlich vor. daß Uexküll ihr noch einmal den Ueber- mut jener frohen Stunde vorhielt. Sie trat von ihm fort in den Erker. Ueber ihr weißes Kleid glitten die silbernen Strahlen des Mondes, der hinter den Bäumen des Parkes groß und voll hervorkam. Ihr Gesicht sah in dem kalten Licht sehr blaß, ihre verweinten Augen übernatürlich groß aus. „Es mag wohl sein, daß wir nicht zusammen passen", antwortete sie endlich leise mit gepreßter Stimme. „Papa sagte das schon oft." „D«r muß es natürlich wissen. Er hat freilich das Seinige getan, um uns unsere Verschiedenheit deutlich zu machen und zu verschärfen", entgegnete er finster. Sie blieben eine Weile stumm nebeneinander stehen. „Ich muß jetzt gehen, Modeste", fing Uexküll endlich wieder an. „Halte mich nicht länger auf." Er beugt« sich zu ihr und nahm ihr« kalte Hand. „Ich werde dir schreiben." „Geh — ich halt« dich nicht!" Sie riß ihre Hand los. Ihr Kopf sank gegen das harte Fensterkreuz. Wieder schüttelte ein schluchzendes Weinen ihren Körper. Er wollte ihr noch einig« beruhigende Worte sagen, aber da hörte er Reuchlings laute Stimm« dicht vor der Tür. Dazwischen klang Sembritzkys meckerndes Laen, Stockhausens tiefer Baß. Uexküll zuckte vor Widerwillen zusammen. Aber ehe er noch die Glastür zum Wintergarten erreicht«, um ungesehen durch den Park fortzugehen, stieß f Neuchlin schon die Tür des angrenzenden Salons auf. Eine Flut von Licht aus den glänzend erleuchteten Räumen drang mit ihm ein. Sembritzky wollte sich auch mit hinemklemmen, aber Reuchlin machte ihm schnell die Tür vor der Nase zu. „Das ist nichts für dich, geh' du wieder an deinen Spieltisch! Ich komme gleich nach!" schrie er ihm zu. Uexküll blieb stehen. „Na, was ist denn hier los?" polterte Reuchlin. „Modeste natürlich in Tränen! Das könnt ich mir denken! Laß doch das Kind in Frieden. — Weine nicht, mein Mausel! Was der schwätzt, kann dir gleichgültig sein. Du gehorchst deinem Vater — da hat kein Mensch drüber zu reden." „Diese Freiheit nahm ich mir allerdings", ent gegnete Uexküll steif. „In meinem Hause hat außer mir niemand etwas zu sagen." „Darum verlast« ich dies Haus — und betrete es nicht wieder." „Was heißt denn das? Soll das eine Auf lösung der Verlobung sein?" Uerkülls bestimmter Ton reizte und ernüchterte Reuchlin zu gleicher Zeit. Er übersah zwar noch nicht die ganz« Tragweite dieser zurückgehenden Ver lobung, aber ungemütlich wurde ihm die Geschichte doch. „Selbstverständlich halte ich mein Wort", sagte Uexküll kalt, „wenn Modeste sich meinen Bedingun gen fügt." „Und die sind?" „Daß ich dich verlosten soll, Vater!" rief Mo- deste heftig dazwischen. „Ganz verlassen — für immer. Ich nehme solche Bedingungen aber nicht an." „Hast recht. Mag er laufen!" brauste Reuchlin aus. „Wir sollen uns Vorschriften machen lasten! Dann will der Herr so gnädig sein und dich heiraten? Ausgezeichnet! Wir verzichten hiermit auf die Ehre." „Modeste!" sagte Uexküll ernst. „Nur von dir will ich die Entscheidung hören." Sie antwortete nicht deutlich — ihre Stimme er stickte in Tränen. sie zerrte ihren Ring vom Finger und Hielt ihn ihm hin. Uexküll nahm ihn nicht. Der Ring fiel zu Boden, mit leisem Klirren rollte er über das blanke Parkett. „Machen Sie, bitte, der Szene ein Ende!" herrschte Reuchlin Uexküll an. I Modeste lag in ihrem Stuhl zurückgelehnt unv verbarg das Gesicht in den Händen. Neuchlin stampfte mit dem Fuß auf. Seine Hand wies nach der Tür. „Sie brauchen mir die Tür nicht zu zeigen." Uex- küll verbeugte sich leicht. „Wenn Modeste ihre An sicht ändern sollte, bitte ich um einen Brief." „Da können Sie lange warten!" lachte Reuchlin höhnisch. Uexküll antwortete nicht. Eine Sekunde zögerte er noch an der Tür. Dann drückte er sie fest hinter sich ins Schloß. Auf den Steinstufen der Treppe ver hallte sein Schritt. Modeste schrie laut aus. Reuchlin legte ihr schnell die Hand auf den Rund: „Still! Hast dn keinen Stolz, Mädel? Soll er etwa gar hören, wie du ihm nachjammcrst?" Als Uexküll seinen Iagdwagen besteigen wollte, kam Leutnant Bassilewitsch ihm die stuien d' Trevpe eilig nachgclaufen. Seine Mütze war schief in die Stirn gedrückt, der Mantel nu. umgewo'.fcn. „Nehmen Sie mich mit!" bat er hastig Uexküll nickte nur und stieg auf. Der andere kletterte ihm rasch nach. „Da drinnen geht nämlich Las Spiel wieder los — mit dreifachen Einsätzen", flüsterte er. „Der Sembritzky gewinnt wie toll — all mein Geld ist fort, und unbar will ich nicht mehr spielen. Da mußt' lch eben ausreißen." „Das beste, was Sie tun konnten", bestätigte Uexküll. Weiter sprach er nichts. Sein Begleiter wagte nicht recht, ihn wieder anzureden. Der Ausdruck seines Gesichts war zu düster. Die Pferde rissen den leichten Wagen rasch über die glatte Chaussee. Weiße Wolken stiegen von ihren erhitzten Körpern auf. Bassilewitsch beugte sich endlich zu Uerküll. „Kopf hoch!" sagte er gutmütig. „Das renkt sich alles wie der ein." „Meine Verlobung mit Fräulein v. Neuchlin ist zurückgegangen", sagte Uexküll ernst, „sie würd«n mir «inen Dienst erweisen, wenn Sie und Ihre Ka- meraden so wenig wie möglich über die Ereignisse Les heutigen Tages, die dahin führten, sprechen wollten." Bassilewitsch drückte ihm fest die Hand. Stumm fuhren sie weiter durch die kalte Herbst, nacht. (Fortsetzung in der Morgenausgabe.)
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