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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 17.09.1911
- Erscheinungsdatum
- 1911-09-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191109171
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19110917
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19110917
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-09
- Tag 1911-09-17
-
Monat
1911-09
-
Jahr
1911
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Lauen- stein ist der Generalleutnant und Kommandeur der Earde-Kavallerie-Division Burggraf und Graf zu Dohna-Schlobitten zum Militärbevoll mächtigten am russischen Hofe ernannt worden. (S. Dischs. R.) * Der sozialdemokratische Parteitag in Jena hat am Sonnabend sein Ende erreicht. Als Ort der nächstjährigen Tagung wurde Chemnitz bestimmt. sS. Leitart. und bes. Art.) * Kaiser Nikolaus ist aus Kiew nach Owrutsch abgereist. * Das Befinden Stolypins wird von den Aerzten als befriedigend bezeichnet. sS. bes. Art.) * In der Infanterie-Kaserne zu Gent meu terten Reservisten, weil die Regierung sie vorläufig nichtentlassen will. Die Vorgesetzten wurden ausgepfiffen. (S. Ausl.) * Nach Meldungen aus Peking ist die Lage in Südchlna sehr ernst. sS. Letzte Dep.) * Zum Rektor des Leipziger Königin. Carola-Gymnasiums wurde der Rektor des König!. Gymnasiums zu Bautzen, Herr Prof. Dr. Bochmann, berufen. sS. Leipz. u. Umg.) * Durch einen Schorn steinet» stürz wurden in Berlin drei Personen getötet. sS. Tgschr.) , Ssnü in Sie Äugen! Vor zehn Jahren hatte sich Eduard Bern stein auf dem Lübecker Parteitage der Sozial demokratie zu dem in den Augen eines „Edel marxisten" ketzerischen Grundsätze bekannt, daß die Bewegung alles, das Endziel nichts sei. Mit mehr Leidenschaftlichkeit als Logik war ihm damals Rosa Luxemburg als Verteidigerin der Umkehrung dieses Satzes, als Vertreterin der reinen Lehre Marxens entgegengetreten und hatte über den Revisionisten einen glän zenden Sieg davongetragen. Auf dem dies jährigen Parteitage der Genossen in Jena hat sich kein Geringerer als August Bebel des selben Verbrechens schuldig gemacht, um des willen vor zehn Jahren Bernstein so arg gestäupt wurde. Seine drei großen Reden zeichnen sich aus durch eine planmäßige Ver schleierung der marxistischen Endziele, durch ein wohlüberlegtes, berechnendes Ent gegenkommen gegen die revisionistischen „Possi- bilisten", durch eine beinahe ängstliche, bei dem alten Führer grotesk wirkende Rücksichtnahme auf den so bitter gehaßten kuror teutovicus, dessen mächtiges Aufwallen die scheinbar willen lose Gefolgschaft doch stark erschüttert hatte. Bebel weiß, daß trotz aller Nebenumstände, die wieder einmal das sprichwörtlich gewordene „Schweineglück" der Sozialdemokratie zu be weisen scheinen, die Masten dem Gebot der sozialistischen Führer nicht allenthalben mehr bedingungslos folgen wollen. Er ermißt die Gegensätzlichkeit der Gewerkschaftsbewegung und der Parteibewegung in ihrer vollen Schwere. Er schätzt den Zulauf und die Zustimmung der Revisionisten im eigenen Lager richtig ein und warnt, von seinem Standpunkt aus mit Recht, vor einem allzu vertrauensseligen Optimismus wegen des Ausgangs der kommenden Reichs tagswahlen. Sein heißes Bemühen war darauf gerichtet, alle klaffenden Widersprüche in der Partei zu unterdrücken, um den Masten da draußen den Eindruck einer stolzen, gefestigten Geschlossenheit zu suggerieren, um ihnen Sand in die Augen zu streuen. Nicht das End ziel, sondern die Bewegung, der Zuwachs an Wählerstimmen und an Mandaten ist gegen wärtig für Bebel die Hauptsorge. Schon seine Teilnahme an der Diskussion über den Vorstandsbericht an den Partei, tag liefert dafür einen untrüglichen Beweis. Während das seltsame, schön alliterierende Vier, gestirn Ledebour, Lentsch, Liebknecht und Luxem, bürg, diese ihrem Ursprung nach so heterogenen Elemente der Partei, sich nicht genug tun konnten, gegen die „politischen SchlafmÄtzen" im Parteivorstande, gegen diese „Krähwinkler ärgster Sorte" vom Leder zu ziehen, weil der Vorstand angeblich nicht forsch genug in der Marokkofrage vorgegangen war, war Bebel eif rigst darauf bedacht, den Zorn der gewaltigen Rufer im Streite zu beschwichtigen, den vom Standpunkt der „Edelmarxisten" aus eben doch recht lässigen Parteivorstand warm zu ver teidigen. Er fand dabei — und das ist außer ordentlich bezeichnend an diesem Vorgang — in dem süddeutschen Revisionisten David einen wirkungsvollen Sekundanten, dessen Unterstützung er noch besonders dankbar anerkannte. Ledebour wurde abgekanzelt in Worten, die stark an den Dresdner Iungbrunnenton erinnerten, und es half auch nichts, als dem Bedrängten Klara Zetkin zu Hilfe eilte: die Mißbilligungs resolution, die die Radikalen gegen den Partei vorstand eingebracht hatten, fiel, oder richtiger: sie wurde noch rechtzeitig zurückgezogen, damit sic vor einem Durchfall bewahrt blieb. Ein kleines Pflaster auf diese schmerzende Wunde der Radikalen wurde dann freilich ge währt, als der württembergische Partei konflikt zur Sprache kam. 2n dem begreif lichen Bestreben, die innere Zerrissenheit der Partei ja nicht allzu offenbar werden zu lasten, hatten die Genossen die Abrede getroffen, nur eine kurze Erklärung mit ebenso kurzer Be gründung des sich benachteiligt fühlenden Häuf, leins radikaler Stuttgarter zuzulassen. Die Genossin Duncker hielt sich aber nicht an diese Abrede, sondern wetterte lang und breit in fröhlicher Unentwegtheit wider die Revisionisten Hildenbrand, Keil usw. los. Als diese aber der streitbaren Heldin eine Antwort geben wollten, schnitt der Parteitag durch Mehrheits beschluß eine Debatte ab. So mußten auch die Revisionisten sich zur Selbstbescheidung und Unterwerfung bequemen. Auch hier war das Prinzip. den Masten Sand in die Augen: gewahrr. Ganz denselben Eindruck gewinnt man aus den beiden großen Reden Bebels über die Marokkofrage und die Reichstags wahlen. Während die Sozialdemokratie bis her jede koloniale Betätigung als Unsinn ver worfen hatte, räumt jetzt plötzlich Herr Bebel dem Deutschen Reiche das Recht auf wirtschaft liche Expansion ein. Während die einsichts losen Sozialisten bisher die ganze Aufrollung der Marokkofrage durch die deutsche Regierung in Grund und Boden verdammten, erkennt jetzt Herr Bebel mit den einsichtsvollen Mitgliedern seiner Partei die Notwendigkeit wirtschaftlicher Gleichberechtigung auch der Deutschen in Ma rokko an. Während die vier großen I., die Lentzsch, Ledebour, Liebknecht und Luxemburg, sich bisher für einen Generalstreik im Falle der Kriegserklärung mit Wucht ins Zeug leg ten, erklärt Bebel, gestützt auf seine Äuße rungen auf dem Internationalen Sozialisten- Kongreß in Stuttgart, die Verwirklichung dieser Absicht für eine „Verrücktheit". Auf bestimmte Maßnahmen und Vorschläge, was nun eigent lich die „Genossen" beim Ausbruch eines Krieges tun sollen, legte er sich allerdings nicht fest und gab damit den Auslegungswünschen der Radi kalen, die bereits mit verschärfenden Ergän zungen zu Bebels langatmiger Marokko-Reso lution auf der Lauer lagen, sich aber, wieder nach einer Rede des Revisionisten David, be scheiden mußten, weitesten Spielraum. In der Rede über die Reichstagswahlen strebte der alte „Todfeind der bürgerlichen Gesellschaft" mit ersichtlichem Eifer auf ein Stichwahl abkommen eben mit dieser Gesellschaft, wenig stens mit einem Teile von ihr, hin und verleug nete natürlich ebenso wie in der Marokkorede seinen grundsätzlichen Standpunkt. Ueber alle Widersprüche mit früheren Ausführungen oder mit Darlegungen anderer Genossen setzte er sich fast gewaltsam hinweg, war aber zugleich sorg lich darauf bedacht, durch einschränkende Zu sätze in radikalem Sinne allzu leichtfertig erscheinende Zugeständnisse wieder ein zuschränken. So brachte er es tatsächlich zu wege, die auseinanderstrebenden Geister auf eine Formel zusammenzuführen; die erwarteten Ketzerrichtereien unterblieben, man redete und beschloß sich einig, uur um eben der Maste da draußen den nötigen Sand in die Augen zu streuen. So gleicht denn das Aussehen der dies jährigen Jenaer Heeresschau der Sozialdemo kratie einem Potemkinschen Dorfe. Schöne Kulissen, prächtige Leinwandgemälde, die leicht gläubigen Staatsbürgern Echtes vortäuschen sollen, um sie desto sichrer zu gewinnen. Es ist nur die Frage, ob diese Rechnung nicht ein großes Loch hat. Die Jenaer Studenten, deren derber, aber treffender Witz aus alten Zeiten sich auch in die Gegenwart herübergerettet hat, haben ja bereits in drastischer Weise bei ihrem humoristischen Umzug das Urteil denkender Außenstehender über das Ergebnis des Partei tags zum besten gegeben. Nun ist's Sache des nationalen Bürgertums, die in Jena errichteten Kulissen umzureißen, die Schleier zu lüften, damit das ganze Volk die Dürftigkeit der So zialdemokratie erkennt, die sich mit fremdem Schmucke drapiert, um noch reizend zu erscheinen. 0. In einer Besprechung der Verhandlungen des Sozialdemokratischen Parteitages sagt die „Nordd. Allg. Ztg." über die erste Rede Bebels zur Ma rokkofrage: „Wenn Bebel auch durch seine altge wohnte sozialdemokratische Brille blickt, die alles weit nach links bricht, so gab er doch einige Urteile und Ansichten zum besten, mit denen die übrigen Koryphäen der Partei nicht entfernt aufwarten könnten. Die Erfahrungen eines halben Jahrhun derts. auf die der alte „Genosse" zurückblicken darf, sind also nicht „allzumal ei'el gewesen". — Zu der Rede Bebels über die Reichstagswahlen und zur Stichwahltatik der Sozialdemokratie sagt das Organ der Regierung: „Das neue Mo ment liegt in der dringenden Empfehlung einer völlig veränderten Stichwahltaktik. Bebel bezeichnet die früher häufig ergangene An- weiiung an sozialdemokratische Minderheiten, sich der Stichwahl zu enthalten, als eine Dummhelt, die nickt mehr vorkommen sollte. Gegenüber den bisher beliebten tobenden Ausfällen wär jetzt davon die Rede, man dürfe nicht mehr verlangen, als ein ge mäßigt liberaler Mann erfüllen könne, und mau müsse sich mit Minimalwüuschen, die nicht einmal mehr an eine Herabsetzung der Zölle reifen, be gnügen. Nachdem aus diese Art die Netze für ver trauensvolle liberale Schichten und das Mitläuser- tum ausgelegt waren, wurde die Resolution des Parteivorstands angenommen." Marokko. Ueber den sachlichen Inhalt der letzten vom Bot- kcha.ter Cambon überbrachten Vor.chtäge wird in Berlin an amtlrcher Stelle Stillschweigen beob achtet. Die Unterhändler Cambon und Kiderlen- Wächter haben sich am Sonnabend soviel deiannt, nicht wieder getroffen. 2n französischen Blättern begegnet man dem Bemühen, von den Kongotom- pensationen möglichst viel herunterzuhanoeln. Es wird der Standpunkt eingenommen, daß das übrige, nämlich die Zugeständnisse Deutschlands in Marokko, ungefähr gesichert seien und man nun die Gegen leistung an Deutschland getrost herabmindern könne. Demgegenüber muß darauf aufmerksam gemacht werden, daß die Verhandlungsgegenstänüe in ihrer Gesamtheil eine Einheit darstellen, in der man nicht willkürlich einen Teil beschneiden kann. Die „Agence Havas" meldet: Der Minister des Aeußern de Salves erbielt am Freitag gegen 8 Ubr abends aus Berlin ein Telegramm, das sich auf die Mitteilung beschränkt, Cambon habe Kiderlen- Wächter die Antwort der französischen Regierung übergeben. Man glaubt, daß der Bolschafter im Laufe des Sonnabend-Abend einen besonderen Kurier mit einem eingehenden Bericht über die Zusammenkunft mit dem Staatssekretär abschickt. „Daily Eraphic" bringt an hervorragender Stelle eine Mitteilung über die Marottofrage, die er aus maßgebender deutscher Quelle erhalten hat. Er erklärt darin, daß die wirtschaftlichen Borschläge der letzten deutschen Note in der fran zösischen und englischen Presse willkürlich entstellt und mißdeutet worden seien. Die Vorschläge Nichten nur die erworbenen Rechte zu bestimmen und in einigen Fällen auszudehnen. Deutschland schlage vor, daß die Zollgleichheit für alle Mächte auch auf Frankreich angewendet und nicht zeitlich begrenzt sein solle. * Die Kämpfe in Marokko. Paris, 16. Sept. sEig. Drahtm.) Aus Tanger wird gemeldet: Die Ait Jussi griffen trotz ihrer Niederlage vom 9. die Mahalla Brä monds neuerdings am 15. September an. erlitten aber auch diesmal Lurch heftiqes Geschützfeuer der scherifischen Truppen starke Verluste und wurden zurück geschlagen. Ein Teil der Kolonne des Generals Daldiez wird Fez verlassen, um erforderlichenfalls Brbmond Beistand zu leisten. Paris, 16. Sept. (Eig Drahtm.) Aus Oran wird gemeldet: Wie aus der Gegend von Melilla in lldschda cingetroffene Marokkaner berichteten, herrschte unter den Riffleuten, die in dem letzten Kampfe am Kertfluise mehrere Kanonen und viele Gewehre erbeutet hätten, große Zuversicht. Mehrere Bergstämme, unter denen der heilige Krieg gepredigt werde, beabsichtigen, sich ihnen anzuschlietzen. Ium Attentat auf Stolypin. Die russische Regierung scheint wieder einmal das Opfer ihrer eigenen Methode geworden zu sein. Der Mann, der den Ministerpräsidenten in Gegenwart des Zaren durch zwei Kugeln niederstreckte, stand, darüber ist kein Zweifel mehr möglich, im Solde der Geheim polizei, gleichzeitig aber auch, natürlich ohne daß diese eine Ahnung davon hatte, im Dienste der revolutio nären Partei. Ueber den Attentäter berichten die russischen Blätter, die sämtlich, ohne Rücksicht auf die politische Richtung, den Anschlag auf Stolypin aufs schärfste verurteilen, zahlreiche Einzelheiten. Danach ist dieser ein großer brünetter Mann und der Sohn eines vermögenden Kiewer Rechtsanwalts. Nach einer Lesart soll er jedoch nur die Papiere des Rechtsanwaltsgehilfen Bagrow mißbräuchlich benutzt haben. Bei seinem ersten Verhör schrieb der Verhaftete selbst seine erste Aussage in aller Ruhe nieder. Er ist Mitglied der sozialrevolu tionären Partei. Am 1. September war er in Petersburg, wo er vom Zentralkomitee seiner Partei mit der Ausführung des Attentats betraut wurde. Seine Zugehörigkeit zu der politischen Polizei ist nicht f e st g e st e l l t, jedoch ist es Tat sache, daß das Theaterbillett, das er benutzt hat, vom Kiewer Magistrat dem Chef der dortigen poli tischen Polizei Kuljahki gegen schriftliche Quittung zugestellt wurde. Es heißt, der Polizeichef habe dem Verbrecher das Billett gegeben. Dieser vcr sprach, das beabsichtigte Attentat, iibcr das er selber Anzeige erstattet hat, aufzudecken und zu ver eiteln. Stolypin soll übrigens bei der Abfahrt nach Kiew eine Warnung zugegangen sein. Der Attentäter Bagrow hat bei dem Hand gemenge mit der Menge, die ihn lynchen wollte, schwere körperliche Verletzungen davon getragen. Sofort nach der Einlieferung wurde er einem Verhör unterworfen. Er leugnet, das Attentat auf Veranlassung des revolutionären Komitees ver übt zu haben. Eine Sensationsmeldung bringt ein Berliner Mittagsblatt aus Petersburg : Berichte von Augenzeugen geben über den Mordanschlaq eine sensationelle Version. Danach habe Bagrow nicht beabsichtigt, Stolypin zu treffen, vielmehr sei sein Attentat gegen die Familie des Zaren gerichtet gewesen. Die erste Kugel Bagrows hätte, wenn Stolypin nicht getroffen worden wäre, die Richtung nach der Kaiser löge genommen, wo in diesem Augen blick die Kinder des Zaren Platz genommen hatten. Bagrow hat selbst gestanden, daß seine Kugel einer höheren Person zugedacht war. Weuer wird gemeldet: Petersburg, 16. September. (Telegramm des Prio.-Korresp. des „W. T. B.") Bagrow sagte bei dem Verhör aus, er habe einen Anschlag auf eine höhere Person beabsichtigt, habe aber «in Iuden- progrom befürchtet. Petersburg, 16. September. (Etg. Drahtmeld.) Bagrow mar der Kiewer politischen Polizei als poli tisch unzuverlässig bekannt und war bereits mehrmals verhaftet worden. Die politische Poli- zei erhielt vom Magistrat sechs Eintrittskarten, unter denen sich auch die Karte des Täters befand. In Petersburg wurde ein Brüder Bagrows, ebenfalls ein Rechtsanwalt, nach einer Haussuchung verhaftet. Das Befinden Stolypins. Nach den Ergebnissen der gestrigen Harnunter suchung scheint die Leber Stolypins von der Kugel leicht berührt zu sein. Die Schmerzen hatten abends zugcnommen. Weiter liegen folgende Tele gramme vor: Kiew, 16. September. (Eig. Drahtmeld.) Das subjektive Befinden Stolypins ist befriedigend. Die Temperatur ist normal. Die Besserung schreitet fort. Nach der Ansicht der Aerzte ist der Krank heitsverlauf normal. Falls keine Zwischen fälle eintreten, werde der Kranke indreiWochen wieder herge st ellt sein. Kiew, 16. September. (Eig. Drahtmeld.) Die Gemahlin Stolypins ist hier eingetroffen. Der Chirurg Zeidler wird erwartet. Die Unter suchung hat ergeben, daß die Schwere der Verwun dung abgeschwächt wurde, weil die Kugel an Stolypins Kruzifix anschlug. Die Hoffnung auf einen günstigen Ausgang steigt. An der Tür des Hospitals werden Bulletins ausgehängt, die von Volksmengen umlagert sind. Auch heute wurden allenthalten Bittgebete abgehalten. Teilnahmekundgebungen. Dresden, 16. September. (Eig. Drahtmeld.) Staalsminister Graf Vitzthum von Eckstädt stattete gestern auf der hiesigen russischen Gesandt schaft einen Besuch ab, um seiner Teilnahme an läßlich des Attentats auf den russischen Ministerprä sidenten Stolypin Ausdruck zu verleihen. München, 16. September. (Eig. Drahtm ) Der Prinzregent ließ beim hiesigen russischen Ge sandten der russischen Regierung in Petersburg die allerhöchste Teilnahme anläßlich des Attentats aus den Ministerpräsidenten Stolypin und die besten Wünsche für baldige Genesung aussprechen. Petersburg, 16. September. (Eig. Drahtmeld.) Im Auftrage des Kaisers sprach der deutsche Geschäftsträger dem Minister des Aeußern anläßlich des Anschlags auf Stolypin die wär m st e Teilnahme des Kaisers aus. Weiter wird gemeldet: Petersburg. 16. September. (Eig. Drahtmeld.) Heute mittag fand in der Kasankathedrale auf An regung der Zentrale der rechtsstehenden politischen Parteien ein öffentlicher Bittgottes dienst für die Genesung Stolypins statt. Die un» geheure Kathedrale war von Betenden überfüllt. An wesend waren Mitglieder des Reichsrats, Dumaabge- ordnete. Vertreter der höchsten Militär- und Regie rungsbehörden, Beamte aller Dienstzweige, Mitglie der der politischen Parteien und Klubs, Vertreter ständischer und kaufmännischer Verbände und eine un absehbare Volksmenge. Kiew, 16. September. (Eig. Drahtm.) Bei der Sophienkathedrale versammelten sich Mitglieder des russischen Dolksverbandes und hielten aufreizende Reden. Die Polizei zerstreute schließlich die Ansammlung. Petrrsburg, 16. September. (Eig. Drahtmeld.) Vergangene Nacht nahm di« Polizei Haussuchungen vor und verhaftete Studenten und Ar» beiter.
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