Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 13.09.1911
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-09-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110913028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911091302
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911091302
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-09
- Tag 1911-09-13
-
Monat
1911-09
-
Jahr
1911
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Preis M u»«pn» «» V«r»n» durch »,1er« Triae, »,d So«dtte»r« Lmol iSsltch in» »«»» «rdrachl W U. «»natl.. r.7u SU. oterieUahU Bee »»i«n> Ktlialen « An» »hintkkllen -daehoU iS VI. «omul, LL ÄIt. oteNellLhkt. »«nd »t, O»R: nmerdal» Ve»Mhlond» »nd der dentlchrn Kolonie» oieNeijätzll. j.A> Mit» inonatl. a»»jchl Boltbekellaeld Kerne, tn Lrlai«», Donemarl, den Donaoftaatrn, Italien. Lnieindora Siiedekland« Nor wegen^ Oesterreich. Ungan, Nastland, Schweben, Schweu a Spanien In allen übrigen Siaaten n»i direv durch die (S«Ichair»üeU, »«» Braue» erdaltlich. Da» L«tp«g»r tagrdiao «richenu »mal täglich. Son», n Keienag» nur morgen». Äi>onn»meni».Annal>m, J»d«»m»,»N« S. dei »Nieren Tragern Filialen Spediteur«» und Annahmestellen, iowrr Postämtern und «Nefträgenr. Abend-Ausgabe. MiBigcr Tagtblaü . I148S2 Machtanlchlutz, ... s"«S2 («»chto^chlM Lel.-Ävschl. ^ 14 893 Lel.-Inschl.r 14 8S3 Amtsblatt des Rates «nd des Nolizeiamtes Ser Ltadt Leipzig. Anzeigen Preis fttr Inserate au» Leipzig und Umgebung die llpaltige Petitreil« 25Ps , die ReName- ,rU« l Mk. von auswart, ZU P<^ Rellamen Mk. Insrrate von Behörden im amt- lichen Teil di« Petitzeile SU Vs S«lchäst»anjeigen mit Plahoorschrisr«» im Preis« erhöht Nabatt nach Taris. Beilagegebühr Gesamt» auslage S MI. v Tausend rrkl. Postgebühr. Teilbeilage höher. Fekerteilt« Auirraae rönnen nichi zurück» aezogen werden. i,ür da» Erscheinen an bestimmten Ta,«« und Platzen wird kein« Garantie übernommen. Anzeigen > Annahme. Iohanniogals« 8, dei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen. Expeditionen de» In» und Auslände». Druck »nd Verlag »o» Fischer L Kürste» Inhaber. Pa»l Küeste». Uediktio» u»d GelchäIt»steL«: Iohannisgage 8. Hcuot < Filiale Dr«»d«»: Eeeftrase < I (Telephon eWIt. Nr. 254. 105. Jahrgang Kttttuwch, üen 13. Srptemver 19 N. iE" Unsere heutige Morgenausgabe umfaßt 18 Seiten, die Abendausgabe 8 Seiten, zusammen A4 Seiten. Die mecklenburgiMen Sailermanöver tStt. Der zweite Manövertag. lVon unserem militärischen Berichterstatter.) Woldegk, 12. September. Die Kriegsgliederung. Die blaue Armee des Gcneralfeldmarschalls Freiherrn von der Goltz besteht aus dem Garde korps mit der ersten und zweiten Garoe-Jnfanterie- Division, dem Leibhusaren-Regiment, einem zusam mengesetzten Kavallerieregiment, der 1. und 2. Garde- Feldartillerie-Brigade, aus dem 2. Armeekorps mit der dritten Garde - Infanterie - Division und der 41. Infanterie - Division mit einem zusammengesetzten Kavallerie - Regiment und oem Pominerschen Ulanen - Regiment Nr. 9, dem Lehrregiment der Artillerie-Schießschule und einem zusammengesetzten Feldartillerie - Regiment. D.-r Armee ist Las Luftschiff „M. 2" und eine Flieger abteilung von vier Fliegen deigegeben. Ausserdem gehört dazu noch die Earde-Kavallerie-Division. Die rare Armee des Generalobersten Prinzen Fried rich Leopold von Preutzen setzt sich zusammen aus dem 2. Armeekorps mit der 3. und 4. Infanterie- Division und aus dem 9. Armeekorps mit der 17. und 18. Infanterie-Division. Beigegcben ist ihr das lentbare Luftschiff „M. 3" und eine Abteilung von vier Fliegern, ausserdem die verstärkte 18. Kavallerie- Brigade. Die kriegerischen Operationen. Am gestrigen Tage mutzte Blau zurückaehen. Die 51. Division verblieb westlich Woldegk—Bähren- fels-Teschendorf, die 3. Garde-Division bei Fürsten werder. Hier war der Stab des 20. Armeekorps (Generalleutnant von Scholtz). Das Eardekorps war bei Prenzlau verblieben und die Garde- Kavalleric-Division bei Strasburg. Die rote Armee war nur bis nördlich der Bahnlinie Neubranden burg-Strasburg gefolgt und dann unter dem Schutz non Borposten zur Ruhe gegangen. Gegen Abeno wurden lebhafte Erkundungsflüge bei Blau und Rot unternommen. Hierbei sah man das interessante Bild, Latz gleichzeitig ein rotes Flugzeug (Zweidecker) und ein blaues Flugzeug (Eindecker) sich über die Stadt Woldegk bewegten. Betreffs derLuftertundungsergeb- nisse benachrichtigte uns der Generalstabsoffizier, Latz Leutnant Mackcnthun seiner blauen Partei grosse Dienste geleistet habe. Er hat allerdings das Glück gehabt, dei Friedland, wo er bis zum frühen Morgen mit seiner Flugzeughalle verblieben war, rechtzeitig den Abbau und dle Verladung der Halle besorgen zu können, ehe die rote Truppe Friedland erreichte. Er ging später zu Meldungszwccken bei Wolfshagen nieder, wobei ein Flügel seines Doppel deckers beschädigt wurde. Mackenthun hofft jedoch, die Reparatur seines Flugzeuges bald bewerkstelligen zu können. Auch das Luftschiff „M. 2" hat zutreffende Meldungen geliefert, indem cs den östlichen Flügel von Rot festgestellt hat. Der voreilige Berichterstatter. Bedauerlicherweise haben wir Presseberichterstatter heute erfahren muffen, dass wegen einer verbots widrigen voreiligen Veröffentlichung der für gestern früh auf beiden Seilen geltenden Absichten in einem Berliner Mittagsblatt durch einen übereifrigen Be richterstatter es dem Gardekorps südlich Prenzlau möglich gewesen ist, sich aus der mit dem Automobil nachgeführten Zeitung um Mitta i bereits über die Tagessituatwn orientieren zu können. Dieser uner hörten Voreiligkeit haben oie Presseberichterstatter es 'u danken, Latz wir heute erst nach Abschluss des Tagesgefechtes die Nachricht über die heutige Lage erhalten werden. Falsch verstandener Berichter stattereifer und die Sucht, unbedingt fixer zu sein als jeder andere, hat damit den ehrlich arbeitenden Pressevertretern die Sache gründlich veldorben. Es mutz dahingestellt bleiben, ob die Matznahme der Manöverleitung, unter dem Uebereifer eines ein zelnen die Gesamtheit leiden zu lassen, das richtige Mittel ist. Ich kann mich daher nur auf das beschränken, was ich selbst gesehen habe. Indem ich von Woldegk nach FUrstcnwerder fuhr, begegneten uns im Morgengrauen ein blauer Zweidecker und gegen '-,9 Uhr, als wir Fürstenwerder längst erreicht hatten, das blaue Luftschiff „M. 2". Der Führer des 20. Korps, Generalleutnant v. Scholtz, hatte in Fürsten werder sein Quartier. Zum Schutze der nördlich Fürstenwerder liegenden Seeeilgen waren Truppen vorgeschoben, welche sich vortrefflich in den Gelände wellen eingenistet hatten, meist in der Weise, datz durch Tornister oder einfache Erdaufwerkungen aus 2—300 m eine Scheinstellung vorgetäuscht wurde. Ob die Erkundung der Flieger durch solche Schein bauten irregeführt werden kann, wäre interessant zu erfahren, ist aber bisher noch nicht festgestellt worden. Das blaue Garde-Erenadier-Regiment Nr. 5 war südlich Woldegk in breiter Front zur Besetzung der Höhen aufgetreten, um der 17. Division vom 9. Armee korps den Ausmarsch aus Woldegk zu erschweren. Tas Regiment mutzte aber auf Wolfshagen zurück gehen. Als hier die 3. Garde-Division die Nachricht erhielt, datz die 17. rote Division beim Heraustreten aus Woldegk von blauer schwerer Artillerie grotze Verluste erlitten hatte, beschloß das Kommando des 20. Armeekorps, rot anzugreisen, um über Wolfs hagen, Hildebrandshagen und Vörden auf Woldegk den Vormarsch anzutreten. Von dem südlich Woldegk gelegenen starkwelligen Gelände hatte das 19. Armee korps Besitz genommen, speziell die 17. Division hatte die bedeutendsten Höhen südlich Woldegk besetzt. Das Regiment Nr. 75 (Bremen) war rn drei Etagenlinien auf einer Höhe eingenister, deren Krone mit einer Scheinschützenlinie ausgerüstet war. Gegen "/«I Uhr mutzte Blau aber zurückaehen. Etwa V»2 Uhr entwickelte sich der linke Flügel der 17. Di vision in der Richtung auf den Wolishagener Park, während der rechte Flügel des 2. Armeekorps über Mildenitz sich gegen Las Gardekorps wandte. Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg und Feldmarschall Graf Haeseler, der während der Manöver last stets zu Pferde bleibt und geflissent lich das Automobil meidet, folgten aufmerksam süd östlich von Woldegk der Entwicklung des Kampfes, welcher in den Nachmittagsstunden seine Fortsetzung findet. Der Kaiser erschien früh »>7 Uhr bei Woldegk und begab sich später nach Strasburg. Woldegk, 13. Sept. Auf dem östlichen Flügel hatte am gestrigen Tage das zweite Korps (rot) den Vormarsch in Kolonne auf Strasburg an- aetreten. Aus der Marschstratze befand sich die Kardekavalleriedivision, die mit vielem Glück lange Zeit den Vormarsch des zweiten Korps aufhielt und ihm den Austritt aus Strasburg streitig machte. Hierdurch konnte die erste Eardedioision die Höhen des Pappelberges bei Güterberg erreichen. Die zweite Eardedioision war östlich des Ab schnitts der llker vormarschiert. Bei dem Ein treffen der ersten Gardediv'sion ging die Garde- tavallerie auf den rechten Flügel dieser Division. Rot hatte hier einen Voriprung in der Ent wickelung gegenüber der Garde. Es gelang Rot daher zunächst, die Garde zurückzuwerfen und den Pappelberg zu besetzen. Als aber die zweite Gardedivi sion weiter nordöstlich eingriff, brachte dies die Ent scheidung des Tages. Die Eardedioision ent wickelte sich mit dem rechten Flügel bis an die Straße Strasburg-Wilsikow. Durch diese drohende Umfassung sah sich das rote zweite Korps, das seine vierte Hintere Division weiter westlich nach der Mitte zu entwickelte, veranlaßt, Teile dieser vierten Division vom rechten nach dem linken Flügel zu ziehen. Hier griff nun die Eardekavallerie- division mit einer Attacke ein und verhalf so Blau zu einem vollen Erfolg. Rot mutzte zurück. Das zweite rote Korps befindet sich heute abend mit der vierten Division bei Helpt und mit der dritten Division bei Krakow. Demgegenüber steht das blaue Gardekorps im wesentlichen um Strasburg, die erste Gardebivision bei Eüterberg, die zweite bei Milow—Wilsikow und die Garde kavalleriedivision auf dem rechten Flügel bei Blumenhagen. Der Erfolg des Tages liegt also auf feiten der blauen Armee und zwar dadurch, daß Blau auf beiden Flügeln zu einem umfassenden An griff vorging. Für morgen ist zu erwarten datz Blau in früher Stunde den Angriff fortsetzt. Boitzenburg, 13. Sept. (E. D.) Der Kaiser be gab sich heute morgen 5 Uhr in das Manöver gelände und gedenkt nach Schluß des Manövers im Automobil nach dem Neuen Palais in Potsdam zurückzukehrcn. Marokko. Am Dienstag hat in Paris ein ziemlich drei stündiger Ministerrat stattgefunden, der sich mit der Antwort Frankreichs auf die deutschen Gegenvor schläge befaßte. Am heutigen Mittwoch soll diese Antwort dem Präsidenten Fälliges vorgclegt wer den. Erfolgt dessen Zustimmung, dann wird die fran zösische Note sofort dem Botschafter Eambon über mittelt. Drahtlich wird hierüber gemeldet: Paris, 13. September. (Eig. Drahtmeld.) In dem gestern nachmittag unter Vorsitz des Minister präsidenten Caillaux abgehaltenen Ministerrat machte der Minister des Aeutzern Mitteilung vom Stand der Verhandlungen mit Deutschland und vom Inhalt der A n t ro o r t, die er der deutschen Regierung zu geben gedenke. Paris, 13. September. (Eig. Drahtmeld.) Ueber den gestrigen Kabinettsrat. der 2^ Stunden dauerte, wird in einer scheinbar offiziösen Mitteilung folgen des berichtet: Die Minister erörterten den ur sprünglichen Text der französischen Vor schläge. dann die deutschen Gegenvorschläge und schließlich den vom Minister de Seines ab gefaßten neuen Text, der die Antwort auf die deutschen Gegenvorschläge bildet. Dieser Text ein halt etwa 20 Artikel, die sich in Len Hauptzügen mit folgenden drei Punkten befassen: 1) vollständigste unzweideutigste poli tische Freiheit Frankreichs in Ma rokko; 2) völlige wirtschaftliche Gleich heit für alle Mächte mit Einschluß Frank reichs, ohne Begünstigung, ohne Vorteil und ohne Vorrechte für irgendwelches Land; 3) die ernsteste und umfassendste Bürgschaft, um diese wirtschaftliche Gleichheit in Zukunft zu sichern. Minister de Selves begibt sich heute nach Rambouillet, um dem Präsidenten Fal lt e r e s den neuen Wortlaut der französischen Vor schläge zu unterbreiten. Falls der Präsident sofort seine Billigung erteilt und nicht den Wunsch aus- (prcchen sollte, diesbezüglich mit dem Ministerpräsi denten zu konferieren, der heute dem Manöver bei Belfort beiwohnt, dann dürften die französischen Vor- schläge morgen oder übermorgen dem Bot schafter Eambon nach Berlin gesandt werden. verlustreiches Gefecht für die Spanier in Marokko. Madrid, 13. September. (Eig. Drahtmeld.) Während des gestrigen spanischen Ministerrats er hielt der Kriegsminister ein Telegramm des spani schen Oberbefehlshabers in Melilla, Generals A l - dave. Las besagt, daß die spanischen Truppen auf dem rechten Ufer des Kerthfluffes von neuem von Riffkabylen angegriffen worden sind. Es entspann sich sofort ein heftiger Kamp, Le- bei Absendung des Telegramms nt< gn- hielt. Die Spanier haben einig« Verluste erX, litten. Nach neueren Meldungen ist das Katalonier- re gi ment nack« zwölfftündigem Kampfe von den Riffkabylen vollständig aufgerieben worden. Es sollen bereits weitere 10 000 Mann Trup pen Spanien verlassen und sich nach Me lilla ein^geschifft haben Die Garnisonen von La- dir, Malaga, Barcelona und Algeciras sind durch diesen neuen Truppentransport ihrer Soldaten voll ständig beraubt. III. DeutMer Stäütetsg. llg. Posen. 12. September. In der Diskussion über die Arbeitslosen versicherung nahm als erster Redner das Wort Reichstagsabg. Stadtverordnetenvorsteher Gisbert». M.-Gladbach: Es ist ja recht erireulich, daß der Deutsche Städtetag sich mit dem großen Problem der Arbeits losen beschcutigt. Damit ist ein Ziel jahrzehntelanger Agitation der Arbeiterorganisationen erreicht worden. Das Reich verneint nicht grundsätzlich die Regelung, sondern sagt nur, daß bisher keine Vorbilder vor handen wären. Wir lagen: Ihr Städte, die ihr Millionen aufwenden für Parks, Theater und andere Kulturbediirfniffeder Besserg este l i te t (stür mische Unterbrechungen), gewiß, ich halte das auch für berechtigt, aber die Städte dürfen es dann auch nicht ablehnen, Mittel für die Arbeiter aufzu wenden, indem sie sagen, das Problem sei so schwierig, datz nichts getan werden kann. Der Staat sagt, das Problem ist so, datz ich es nicht lösen kann, und der Vertreter einer der reichsten Städte Deutschlands sagt hier, wir können nicht helfen. Denken Sie, welche Wirkung das auf die Psyche des hungernden Arbeiters haben muß. Das mutz Hatz gegen die Gesellschaft in ihm erwecken. (Große Unruhe.) Ter Redner spricht der Stadt Köln seine volle An erkennung aus für die von ihr getroffenen Maß nahmen. Kein Sozialpolitiker, kein Sozialdemokrat verlangt, datz das ganze Problem an einem Tage gelöst wird. Aber keinesfalls darf man sich um die Lösung Herumdrücken. (Heftiges Zischen.) rr- Mik üer Golöwage. 46s Roman von Marie Stahl. (Nachdruck verboten., Jorinde von Brunnen stand in der geöffneten Glastür ihres Arbeitszimmers und sah finsteren Blickes in den Garten hinaus, der im Hellen Sonnen licht dörrte. Es gingen Gespenster am Hellen Mittag um in den einsamen Kieswegen, Geister der Me lancholie und Verlassenheit. Spuren der Vernach lässigung zeigten sich hier und da. Die abgeblühten Rosen verunzierten die edlen Stämme, sie waren nicht wie sonst rechtzeitig abgeschnitten, und hier und da wucherten wilde Triebe. Eine Leiter lehnte ver gessen an einem längst geplünderten Kirschbaum, und eine Gießkanne lag umgestülpt in einem Beet mit verschmachteten Blumen Ein trockener Ostwind pfiff ganz leise mit dünner Fistelstimme um das Sommerhäuschen, das wie ein chinesischer Tempel zwischen den Tamarinden und Sy ringen stand. Zuweilen erlahmte er ganz, um plötz lich wieder über die Mauer zu springen und eine Staubwolke aus dem sandigen Kies aufzuwirbeln. Iorindens Gesicht sprach von Gram und Unruhe. Sie war gealtert; zwei tiefe Furchen liefen von den Nasen- und Mundwinkeln abwärts. Sie gaben dem stolzen Charakterkopf ein ganz tragisches Gepräge. Düster starrte sie lange Zeit über den Weg nach der Mauerpforte, eine scharfe Spannung in den Zügen. Jetzt schlug die Turmuhr in der Nähe, und mit einer schnellen, hastigen Bewegung wandte sie sich in da» Zimmer zurück. Es stand ein fester Entschluß in ihren Augen zu lesen. Mit großen, herrischen Schrit ten durchschritt sie die Räum« und riß die Tür nach dem Nebenzimmer auf. „Edgars rief sie mit ihrer machtvollen Alt stimme, und noch einmal: „Edgar!" Als keine Antwort erfolgte, drückt« sie stark auf die elektrische Klingel. Eine Zofe erschien und er- hielt den kurzen Befehl: „Rufen Sie mir sofort den Herrn!" Es dauerte eine Weile, bis ein schlürfender Schritt eine Treppe hinunterkam, viel zu langsam für Frau Iorindens Ungeduld. Wie eine Löwin im Käfig war sie das Parkett des Gartens auf und ab gelaufen. Endlich erschien Herr von Brunnen ungekämmt und unrasiert auf der Schwelle, vom Korridor her. Er trug Hauspantoffeln, ein unsauberes Leinenjackett, keinen Hemdkragen und sah aus, als käme er eben aus dem Bett. „Was willst du denn?" fragte er mürrisch. Die Störung war ihm jedenfalls sehr unlieb. „Hast du etwa jetzt noch geschlafen?" fuhr ihn seine Gattin an. „Am Hellen Mittag? Tu ver kommst immer mehr. Es ist schrecklich für mich, immer allein zu sein!" Sie standen sich mitten im Zimmer gegenüber. Brunnen machte ein ganz blödes Gesicht vor Er staunen. „Seit wann brauchst du denn meine Gesellschaft? Das ist wirklich ganz was Neues!" „Ich brauche nicht deine Gesellschaft zur Unter haltung oder zum Vergnügen, sondern weil ich Not wendiges mit dir zu besprechen habe. Schon gestern, schon alle Tage; aber entweder sitzt Lu in L-en Cafes herum oder spielst Billard oder schläfst. Das ist ja deine Lebensarbeit." „Hast du etwa heute Migräne oder ein Manuskript zurückbekommen?" fragte er boshaft. „Ich habe mit dir zu sprechen", fuhr sie fort, seinen Ausfall ignorierend, indem sie sich mit einer schweren Bewegung in einen der großen Klubstühle niederlietz. „Du mußt für mich ausfindig machen, warum Geiersmark wegbleibt. Seit drei Wochen hat er keinen Fuß in mein Haus gesetzt, und das ist noch nicht vorgekommen, solange — ja, solange wir uns kennen." „Er hat jetzt eben so viel mit den Wahlen zu tun, das ist doch sehr einfach", erwiderte Brunnen. Die Hände in den Taschen der weiten Beinkleider ver graben. war er vor die offene Tür getreten. „Nein, das ist es nicht." Jorinde schüttelte energisch den Kopf. „Das würde ihn gerade hierher führen, denn nie bedarf er der Aussprache und An teilnahme mehr als in den Zeiten großer, entscheiden der Kämpfe." „Na, dann ist es mal wieder ein neuer Liebes koller. Das ist doch nichts Neues. Mit der rot haarigen Marfa, der Bänkelsängerin, und dem Wechselbalg, der Tilli, ist er ja doch längst fertig." „Als ob ihn das je von mir ferngehalten hätte!" rief Jorinde entrüstet. „Das weiß du doch ebensogut wie ich! Was habe ich denn mit dem Gesindel ge- mein? Das bedeutete für ihn nur den Staub, an dem seine Faustsche Doppelnatur mit klammernden Organen hing. Mir gehörte sein anderes Selbst, das, was Len großen Mann au-rmacht, und das muß mir jetzt eine andere geraubt haben." Sie sagte die letzten Worte mit einer dumpfen Verzweigung. „Er wirs schon wieder zu dir zurückkommen", be merkte der Gatte tröstend. „Was weißt du von ihm?" Jorinde hatte sich er hoben und stand, beide Hände auf den Tisch gestützt, wie von einer schweren Last gebeugt. Eine Weile herrschte Schweigen zwischen Len Eheleuten; man hörte wieder das dünne Pfeifen Les Ostwindes an der Hausecke, und plötzlich wirbelten Staub und ein paar sonnenverbrannte Blätter über die DeranLa bis in den Saal. Das gab dem Sommertag etwas unsagbar Melancholisches. „Vor vierzehn Tagen schrieb er mir einen Wisch, er sei überarbeitet und müsse jede freie Stunde außerhalb der Stadt zubringen. Seitdem habe ich nichts von ihm gehört", sagte Jorinde, sich aufrichtend. „Jetzt will ich, Latz du nachforschst, wo er diese freien Stunden zubringt und mit wem. Verstehst du mich? Man kann alles erfahren, was man will, und du hast es ja noch immer verstanden, Klatsch auszuhorchen. In diesem Falle liegt mir alles daran — alles! Ich will die Wahrheit wissen, bis aufs Letzte, und ich habe keine Zeit zu warten. Mach' dich fertig und fahre sofort in die Stadt. Sobald du weißt, was du wissen sollst, komm unverzüglich zu mir zurück, laß mich nicht eine halbe Stunde unnütz warten. Du hast nachher Zeit genug für dein Billard und für dein Cast', chantant." Sie ging an ihren Schreibtisch und entnahm einem Schubfach einige Goldstücke, die sie ihm reichte. „Laß es an keiner Bestechung fehlen, wo es nötig ist", befahl sie. Mit sichtlich erheiterter Miene steckte er das Geld in die Tasche, nachdem er es schnell überzählt hatte. „Du kannst dich wie immer auf mich verlassen", be merkte er und ging sehr viel lebendiger, als er ge- kommen war. Die einsame Frau blieb lange unbeweglich sitzen. Ihre starren Augen sahen etwas ganz anderes als ihre Umgebung. Langsam füllten sie sich mit Grauen. Ein« Strophe ging ihr durch den Sinn: ^Wahrlich, keiner ist weise, Der nicht das Dunkel kennt. Das unentrinnbar und leise Don allen ihn trennt." — War ss nun da, das große Dunkel? Für immer? Wenn er von ihr ging, zu einer andern, dann ging auch das Licht. Lange hatten sie beide Schulter an Schulter ge standen, zwei Lebenskämpfer, zu deren unwirtlicher Höhe keiner der kleinen Talmenschen hcraufreichte. sollte sie nun ganz allein bleiben auf dem schroffen Erat, wo Weltraumkälte von den Firnen wehte? Sie stöhnte schmerzlich auf. War das die Nemesis? Eine längst vergessene Erinnerung stand plötzlich klar und deutlich vor ihrer Seele. Beim Erbprinzen war es gewesen, als sie noch an den Hof ging. Im intimeren Zirkel einer musi kalischen «oiree. Und der Zufall fügte es. daß sie einmal neben Frau von Geiersmark zu sitzen kam. Man spielte die Ouvertüre zu „Egmont" meisterhaft. Frau von Eeiersmark bedauerte die Abwesenheit ihres Gatten mit der Bemerkung, diese „Egmont"- Ouvertüre gehe ihm über alles. Da hatte sie wider sprochen: sie wisse, daß er die „Tannhäuser-Ouver türe über alles oorziehc. Und mit einem unbeschreib lichen Blick und Ton bemerkte die Gattin: „Ja, das müssen Sie freilich bester wissen al» ich; ich habe keine Zeit, solche Interessen nnt ihm zu teilen." Eines ganzen Frauenlebens Bitterkeit hatte in diesen Worten gelegen. Hatte sie denn damals nicht verstanden? Ja, Geiersmark war der Mann dazu, diese Frau zu Repräsentationszwecken zu heiraten und ihre Seele zu erwürgen im Schnürpanzer der Konvention. Weil er eine Gattin brauchte, die nicht» war als Pose und Dekoration. Er hatte es ihr wohl bald abgewöhnt, nach seiner Seelezu fragen. Fühlte sie denn damals kein Mitleid? Wer würde jetzt Mitleid mit ihr fühlen, wenn er sie zum alten Eisen würfe? Die neue Geistes gefährtin, die er sich erkoren, würde ebenso an ihr» höhere moralische Berechtigung glauben, wie sic da- mals der unglücklichen Frau gegenüber, die langsam das geworden, was er haben wollte: eine tadellose Reprasentationsfigur, ein sicher funktionierender automatischer Mechanismus. Stöhnend grub Jorinde das Gesicht in die Hand«. Furchtbar dieses Recht des brutalen Könnens, das immer siegt, in der Natur und in der ganze« Menschheitsgeschichte. ^Fortsetzung in der Morgenausgabe.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite