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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 15.09.1911
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-09-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110915022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911091502
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911091502
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-09
- Tag 1911-09-15
-
Monat
1911-09
-
Jahr
1911
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stch doch di« ««ach«»« Err*gmrg, bi« all« Selell- schaftMassen ergriff, durch dl« ganze Stadt verbreitet. Part», 18. September. (Eia. Drahtmelduna^) Di« Llarmmeldun- der „Patrie" hat. so verwerflich der« artige Scherz« auch sein mögen, «in nicht un interessante» Ergebni» gezeitigt, da» Herrn Rcchefort, den Deutschenfresser psr «xoüUsLo». doch einigermaßen verblüffen mußt«. Auch die anderen Herren von der „Kriegspartei" werden wohl oder übel au» dem Verhalten der Pariser am gestrigen Tage eine ernsthafte Lektion ziehen können. Wenn es Rocheforts Absicht gewesen ist, Deutschland zu zei gen, wie populär ein deutsch-französischer Krieg in Frankreich wäre, so hat ihn sein eigener Versuch glänzend rui abituixiaru geführt. Als die ersten Extrablätter der „Patrie'^ erschienen, erzeugten sie lebhafte» Erstaunen, das bald einer großen Bestürzung wrch. Selbstverständlich fehlte es nicht an gehässigen Bemerkungen gegen Deutschland, das wieder so vorgehen wollte, „wie anno 70". Die weiteren Extraausgaben ließen jeden anfänglich auftauchenden Zweifel schwinden. Die Szenen, die sich bald auf den Boulevards und in den Kaffeehäusern abspielten, sahen wenig nach „natio naler Begeisterung" au». Allenthalben bestürzte unsichere Gesichter, allenthalben unsichere Fragen nach dem, was nun kommen würde. Der Hauptandrang war auf dem Boulevard Poissonnier« vor dem roten Gebäude des „Matin". Zu Tausenden geschart, standen die Leute in engen Reihen, um eine Bestätigung oder Dementierung der Kriegsnachricht zu erwarten. Auch vor der Börse, auf dem Börsen» plati, herrschte bald so ein beängstigendes Gedränge, daß der Wagenverkchr eingestellt werden mußte. Die Erregung wirkte noch in den späten Abendstunden nach. Die Kriegssurcht in Belgien. Brüssel, 15. September. (Eig. Drahtm.j Die französischen Maßnahmen verstärken hier die pessi mistische Aufnahme der gegenwärtigen politischen Lage. Zahlreiche Agenten durchziehen das Land und kaufen da» Gold auf, so daß das Agio dieselbe Höhe erreicht hat wie im Jahre 1870. In belgischen Hofkreisen herrscht ebenfalls «Are sehr pessimistische Stimmung. Einberufung de» französischen Parlament». Pari», 15. September. (Eig. Drahtmeld.) Wie die „HumanitS" meldet, hat der Ausschuß der ge einigten Sozialisten beschlossen, angesichts der Treibereien hiesiger Blätter einen Aufruf gegen die Kriegs hetzezu erfassen und an den Prä sidenten Brisson da» Ersuch«« zu richten, das Parlament mwerzüglich «tnzuberufen. Die Deputierten aller Parteien sollen aufgcfordert werden, diesen Aufruf mit zu unterschreiben. Ium FsU rartwrlgltt nimmt nun auch Herr Sigmund M ü n z, der Ver fasser des in der Wiener „Neuen Freien Presse" ver öffentlichten Marienbader Interviews, in der „N. F. Pr." das Wort. Gegenüber den Behauptungen, die der englische Botschaftssekretär im Auftrage des Botschafters im „Wiener Vaterland" veröffentlichen ließ, schreibt Herr Münz: Der Sekretär behauptet, daß ich einen Brief an den großbritannischen Botschafter gerichtet habe, aus dem „deutlich" hervorgehe, das vielbesprochene In terview habe eine Menge Mitteilungen enthalten, die rom Botschafter nicht herrühren. Die Vehau p- tung wird nachdrücklich widerlegt-, wenn ich den Inhalt des Briefes veröffentliche. In diesem Brief habe ich gesagt, wie empfindlich, tmch die Unannehmlichkeiten berühren die dein Botschafter aus der an die Veröffentlichung sich knüpfenden Preßpolemik erwachsen sind. Ich habe ferner mitgeteilt, daß von der im Titel des Artikels enthaltenen näheren Bezeichnung: „Don einem englischen Diplomaten in wichtiger Stellung" die Warte „in wichtiger Stellung", die zu der Sensation bciaetragen haben mochten, nicht von mir herrühren. In diesem Briese ist somit gar nichts enthalten was die erwähnte Behaup tung des englischen Botschaftssekre tärs rechtfertigen würde. Der Sekretär er klärt ferner, daß eine von mir cingesandte Berich tigung keine Aufnahme in der „N. F. Pr." gefunden habe. Auch diese Behauptung kann am sichersten durch die Mitteilung des Sachverhalts widerlegt werden. Ich habe telephonisch von Karlsbad zum Schutz meincs Gewährsmannes bei der „N. F. Pr." die Frage angeregt, ob die Redaktion nicht gegenüber den Stimmen der Presse in einer Erklärung hervor heben wolle, daß die Neußerungcn des englischen Diplomaten nicht in Wien gefallen sind, auch nicht aus Marien bad datiert waren und nicht auf die Initiative des englischen Diplomaten hin veröffentlicht wurden. Von einer sachlichen, den Inhalt de» Artikels treffenden Berichtigung war in dieser Anregung keine Svur. Münz bleibt allo dabet, daß Str Fairfax Tartwrightdie ihm zugeschriebenen Aeußerungen in Martenbad wtrklichdem vollen Inhalt nach aetan hat, und er wollte ihm nur durch sein Schreiben behilflich sein, nachträglich die Spur zu verwischen, die auf die Autorschaft des englischen Botschafter» schließen ließ. Wie reimt sich dazu die offizielle „Erledigung" des Falles? 2. Deutscher Richtertsg. llss Dresden, 14. September. U. Vor Eintritt in die Tagesordnung kegrüßte der Vorsitzende Landgerichtsrat Dr. Leeb-Augsburg den Oberbürgermeister von Dresden Geheimrat Dr. Beutler und den Präsidenten der Oesterreichischen Nichtervereinigung, Hofrat am Obersten Gerichtshof Dr. Elsner. Der Gedanke einer Internationalen Richtervereinigung führte Dr. Leeb weiter aus, habe auf den ersten Blick etwas befremdliches. Gleichwohl ist es eine ganz natürliche Sache. Denn die Rechtswissenschaft hat schon längst die Brücke über die Grenze der Länder geschlagen, auch die vergleichende Rechts wissenschaft ist international geworden. Bei der Neugestaltung des Bürgerlichen Gesetzbuches, und auch bei der vorstehenden Strafrechtsreform hat man die Gesetze anderer Länder vergleichend herangezogcn. Die Oesterreichische Nichtervereiniguna hat nahezu dieselben Ziele wie der Deutsche Richter bund. nämlich Hebung und Pflege der Standes- interessen und der Nechlspflcge. Es liegt daber nahe, zunächst mit dieler eine Vereinigung ins Auge zu fasten und einen Meinungsaustausch darüber zu ver- anstalten, wo uns beide der Schub drückt. Nachdem Oberbürgermeister Geheimrat Dr. Beutler und der Präsident der Oesterreichischen Richtervereini gung Hofrat Dr. Elsner den Kongreß bearii -t hatten, trat man in dieTagesordnung ein. Landgerichts direktor Reicher-Augsburg sprach über das Thema: „Inwiefern empfiehlt sich ein weiterer Ausbau de» (Serichtsversastnngsgesetzes über die Unabhängig keit der Richter". Die Reichsverfassung betrachtet den Schutz des Rechtes als eine ihrer obersten Aufgaben und hat den Grundsatz der Recht-einheit auf dem Gebiete der Strafrechts- und Zivilrechtsordnungen geschaffen. Mit der Einführung de» Bürgerlichen Gesetzbuches ist die Rechtseinheit zur Tatsache geworden, ohne daß damit aber auch eine allgemeine Zufriedenheit mit der Rechtsentwickelung und Rechtspflege in Deutschland sich verbunden hätte. Die seit geraumer Zeit einsetzenden Reformbestrebungen richten sich nach drei Seiten: Die Befreiung des Richter- standes von der Bevormundung durch das Gesetz (Gesetzesreform), Reform der Gcsetzcstcchnik (Prozeß- reform) und Befreiung von der Bevormundung der Justizverwaltung (Gerichlsverfcissungsresorm). Alle auf die Richter bezüglichen Bestimmungen sollen herausgehobcn und in einem Reichs-Richtergesetz vereinigt werden. Es gilt die staatsrechtliche Stel lung des Richters genau zu bestimmen. Im ein zelnen aber muß verlangt werden oder ist wünschens wert der Erlaß gemeinsamer Bestimmungen über die Ausbildung der Richter. Ferner ist zu fordern feste Anstellung der Richter, da Las Astcssorcntum sim mit dem Gedanken der Unversetzbarkeit des Richters nicht verträgt, weiter die einheitliche Re- gelung der Disziplinarverhältniste und insbesondere der Frage über die Grenzen der Dienstaussicht und schließlich die Festlegung des Gehalts-Vorrückungs- systems nach preußiichem Muster, da das meist in den süddeutschen Staaten bestehende Beförderung?- system mit dem Wesen des Richtertums insbesondere mit der Unabhängigkeit sich nicht verträgt. Im übrigen muß eine Regelung der Dicnslaufsicht und Geschärts- vcrteilung eintrcten. Die Bestrebungen des öster reichischen Richtervereins nach Einführung der ge wählten Personalsenaten an den Gerichten, die eine Mitwirkung bei der Beietzung der Richterstellen erhalten sollen, ist abzulehnen. Der Vortragende faßt seine Ausführungen in folgenden Leitsätzen zusammen. 1. Die Unabhängigkeit des Richters ist das Fun dament einer guten Rechtspflegung. 2. Unsere heutige Gerichtsverfassung bietet keine genügende Gewähr tür die richterliche Unabhängigkeit. 3. Diese erheischt, daß das Nichteramt auf sein wesentliches Gebiet beschränkt und der Träger des Amts mit einer staatsrechtlichen Stellung ausgestattct wird, die im Einklang steht mit den Aufgaben des Amts. Hierzu ist erforderlich feste Anstellung aller Richter; klare Abgrenzung der richterlichen Verant wortlichkeit gegenüber der Justizverwaltung; aus reichende materielle Sicherstellung der Richter. 4. Die gesetzliche Regelung dieser Normen obliegt dem Reichsrecht. Es empfiehlt sich die Erlassung eines deutschen Richtergesetzes. Nach einer längeren Pause wurd« über da» Referat und die Leitsätze die Debatte eröffnet. Landgerichtsdirektor Landtagsabg. Voivkq- Halberstadt stellt folgenden Antrag: „Der Deutsche Richtertag wolle besä,ließen: 1. die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes bedürfen einer Ergänzung durch Erlaß des deutschen Richtergesetzes. 2. Das Gesetz muß enthalten Vorschriften über die materielle Begrenzung des Richleramtes, und Vorschriften über die Träger des Amts, insbesondere ») feste An- stclluna aller Richter, b) klare Abgrenzung der richterlichen Verantwortlichkeit gegenüber der Justiz verwaltung, <-) gleichartige Grundsätze über die mate rielle Sicherstellung der Richter. Zur Begründung dickes Antrags führt Ab geordneter Boisln aus: Daß die gegenwärtigen Verhältnisse unbefriedigend sind, ist ohne Frage Gegenüber den Angriffen, die im Parlament gegen den Richterstand erhoben worden sind, muß ich hier für mein engeres Vaterland Preußen erklären, Latz bei uns in Preußen eine Beeinflussung der Richter Lurch die Justizverwaltung nicht statt findet, weniostens nicht über das zulässige Maß der notwendigen Beeinflussung hinaus. (Lebh. Zustim mung.) Es sind diese Vorwürfe wiederholt erhoben worden und deshalb müssen wir sie rurüctweiscn. Ein Richtergcsetz kann nur durch das Reich und nicht durch die Landrsgcsetzgebung erlassen werden. Denn eine einheitliche Auscegung der Reichsgcietze ist nur möglich, wenn auch die Träger des Richter amtes unter einheitlichen Reichsgesetzen stehen. Der einzige wunde Punkt. Len ich für Preußen zugeben mutz und der sich zu einem Krebsschaden aus gewachsen hat. ist die Frage des Assessorent um«. Ein Assessor muß heute 6—8 Jahre auf seine Anstellung warten, er ist während dieser Zeit Ler Willkür der Behörden ausgesetzt, die ihm eine bezahlte Tätigkeit anweisen tonnen, oder auch nicht. Ich bin überzeugt, daß diejenigen Mitglieder des preußischen Richter standes. die über die Assessoren zu verfügen haben, ganz ausnahmslos nur das beste im Auge haben und daß sie möglichst unparteiisch vorgehen. Aber da rüber kann niemand hinauskommen, daß dem jungen Mann, dessen Willenskraft noch nicht genügend ge- festigt ist, es darauf ankommt, in möglichst viele Kommissarien oder in eine baldige Anstellung hineinzu kommen und er wird glauben, daß er am besten da zu kommt, wenn er sich der Ansicht des Präsidenten des Errlchtskollegium» unterordnet und wenn er so richtet, wie nach dessen Mei nung gerichtet werden muß. Wer längere Zeit Landgerichtsdirektor oder Vorsitzender einer Kammer war, wird diese Beobachtung aem. h, haben. (Lebh. Zustimmung.) Tas ist ein brennender Krebsschaden. Deshalb muß eine reichsgesetzliche Regelung geschaffen werden, denn so gehr es nicht weiter. Es muß im Richter gesetz festgesetzt werden, wie weit der Vorgesetzte Rechtsfragen mit dem ihm untergebenen Beamten erörtern darf. Niemals darf er ihm Vorschriften über das Urteil machen, aber er muß das Recht haben, mit ihm verschiedene Vorgänge zu besprechen. Die preußischen Richter sind, soweit sie hier vertieren sind, einmütig für den Erlaß eine» Richtergesetze«. (Stürmischer Beifall.) Amtsgerichtsrat Dr. Neumann-Breslau hebt hervor, daß eine große Gefahr für die Unabhängig keit der Richter darin bestehe, daß sie gegen ihren Willen in ein anderes Dezernat versetzt werden können, ohne eine Waffe dagegen zu haben. (Beifall.) Landgerichtspräsident v. Niem-Limburg: Ein kräftiger Staat wird wohl niemals einen Stand auskommen lassen, der ganz unabhängig ist. Eine gewisse Abhängigkeit wird da immer vorlisgen. Zur Ehre der preußischen Justizverwaltung muß ich aber erklären, daß mir in meiner langjährigen Praxis nicht ein Fall bekannt geworden ist, in dem in unzulässiger Weise auf einen Richterspruch einzu wirken versucht wurde. Amtsgerichtsrat Iastrow-Berlin: So ganz frei von allem Fehl, wie es d.e beiden Herren Vor redner dargestellt haben, ist die preußische Justiz verwaltung denn doch nicht Hört, hört! und Un ruhe) Ich erinnere an einen Fall, der vor etwa 12 Jahren großes Aufsehen erregt hat. Es handelte sich um einen Luudgerichtsdirektor, der auf ein frei sprechendes Urteil erkannt hatte. Damals hat der Justizminister an das Landesgerichtspräsidium das Ersuchen gerichtet, dafür zu sorgen, dag dieser Richter von der Strafkammer weglomme. Der Landgerichts präsident hat sich aber stärker gezeigt und hat das abgelehnt. (Landgerichtsdirektor Boisly ruft: Tas ist doch nicht ganz richtig, ich kenn« di« Sache.) Im wesentlichen hat sich die Sache so abgespielt. Landgerichtsdirektor voisltz: Der Vorfall liegt 18 Jahre zurück und da er möglicherweise von der Presse ausgeartffcn werden könnte, so will ich ihn gleich richngstellen. Es ist richtig, daß die Justiz- Verwaltung den betreffenden Direktor aus der Straf kammer berau» haben wollte und daß der Präsident das abgelehnt hat, (Hott! hört!) Ich bemerke aber, daß ich da» ebenso wie wohl Herr Zastrow nur vom Hörensagen weiß Die Entfernung des betreffen den Richters sollte aber nicht auf Grund eines mate riellen Urteils erfolgen, sondern nur weil sein Urteil in einer Form abgefaßt war, die für die Beteiligten verletzend wirkre, und weil der betreffende Richter eine Korrektur unterlassen hatte. Amrsgerichtsrat Iastrow-Berlin: Vom Hörensagen spreche ich allerdings auch. Aber mein Gewährs mann ist der betreffende Landgerichtsdirek- tor selbst und ich habe die Sache so wiedergegeben, wie er es mir mitteilte. Amtsgerichtsrat Kade: Ich kenne den Fall auch. Welch.' Weisungen der Landgerichtspräsident in diesem Falle vom Ministerium erhalten hat, weiß wohl niemand. Es kann sich also da nur um eine subjek tive Auffassung des Laudgerichtsdirektocs handeln, gegen den vorgegangen werden sollte. In Preußen ist noch niemals ein erweislicher Fall vorgetommen, in dem ein Richter wegen seiner Abstimmung gemaß regelt werden ist. Oberlandesgerichtsra: Lobe-Leipzig erklärt, daß seitens der sächsischen Justizverwaltung niemals auch nur die entfernteste Beeinflussung erstrebt werden sei. Amtsgericktsrat Kade-Bsrlin glaubt, daß mit dem ReichS'Nichtergesetz der erste Schritt auf dem Wege zu einem künftigen Neichsrichrertum getan würde. Ich freue mich, daß dieser Schritt unter bayerischer Führung anoebabnt wird. Amtsger chtsrat Rick-Berlin erwartet eine Hebung des Standes allein durch eine Verminderung der Richter und der Instanzen. Im Schlußwort betont der Referent. Land- gerichtcdirektor Reichert-Augsburg: den Bundes staaten gehöre die Justizverwaltung, dem Reiche die Gesetzgebung. (Lebh. Beifall.) Darauf wurde der Antrag Boisly einstimmig angenommen, worauf der Vorsitzende, Land- gerzchtsrat Dr. Leeb-Augsburg, nach einem kurzen Schlußwort die Tagung für geschlossen erklärte. SaMwLmskrstilcher Parteitag Bx. Jena, 1L September. Nach der Mittagspause kam wider Erwarten nicht dec zweite Teil des Bebelschsn Referats zur Verhandlung, da Bebel dies erst am Freitag vor mittag zu halten gedenkt. Heute verhandelte der Parteitag über das Thema Maiseier. Hierzu lagen mehrere Anträge vor. Ein An- trag Lübeck will die Maifeier auf die Tagesordnung des nächsten internationalen Sozialistentongresses gesetzt wissen. Ein Antrag des Eautages von Nord- daycrn und anderer verlangt die Aufhebung des Beschlusses des Nürnberger Parteitages betref fend dir Ablieferung des Tagesarbeitsver dienstes am 1. Mai. Ein Antrag mehrerer säch sischer Wahlkreise verlangt Aushebung des Be schlusses des Parteitages in Nürnberg zur Maifeier überhaupt, eventuell, wenn diesem Antrag nicht zu gestimmt wird, daß die Angestellten der Gewerkschaf ten, der Partei und sonstiger Arbeiterorganisationen, die Angestellten und Arbeiter der Genossenschaften und der privaten Betriebe, sowie die selbständigen Gewerbetreibenden, die Mitglieder der sozialdemo kratischen Partei sind und die am 1. Mai die Arbeit ohne Lohneinbuße ruhen lassen, zugunsten der Mai- ausgesverrten 1.<l pro 1000./L Jahresarbeitsverdienst ! au den Bezirksmaifonds abführen sollen. Ein Antrag ' Ha in bürg 3 verlangt, daß alle Mitglieder, die sich weiczcrn. den Beschluß des Nürnberger Parteitages zur Maifeier nachzukommen, ausgeschlossen wer den sollen. Referent Parteisekretär PfannkuL-Derlin führte aus: Anträge aus Aenderungcn der Maifeier liegen ja in diesem Jahre nichr vor. Die zur Debatte stehenden Anträge richten sich vielmehr gegen den Nürnberger Beschluß, nach dem die in Partei getrieben angcstellten Genossen den ganzen Tages verdienst abliefern sollen. So lange oicscr Beschluß besteht, muß er natürlich befolgt werden. Ob es zweckmäßig rst, ihn aufrecht zu erhalten, darüber will ich mich jeder Ausführung enthalten, im Ein verständnis mit sämtlichen Kollegen aus dem Partei- uorstaudc, weil wir ja selbst von der Partei angc- srellt sind uno weil es aussehen könnte, als wenn wir die Aufhebung des Nürnberger Beschlusses in unserem finanziellen Interesse befürworteten. Nach dem der Beschluß aber einmal vorliegt, müssen die. jenigen, die gegen ihn verstoßen, aus der Partez Sin Mana-Liss-Abenteuer in Lhemnitz. Der Aufsehen erregende Naub des unersetzlichen Bildes der „Mona Lisa" aus dem Louvre in Paris bcschältigt noch immer die ganze gebildete Welt, und seit dem Verschwinden des kostbaren Gemäldes sind nicht nur die Pariser Polizeiorganc, sondern auch die Sicherheitsbehörden des Auslaudes eifrig bemüht, den oder die Entführer der ichönen Mona Lisa ausfindig zu machen und dem Louvre diese» Juwel wieder zuzuführen. In dem Bestreben, Leonardo da Vincis Meisterwerk ausfindig zu machen, sind bereits unzählige Spuren verfolgt und bei dem Eifer, der bierbei angewandt wird, ist cs erklärlich und verzeihlich, daß ab und zu auch ein Mißgriff vorkommt. Auch unser Themnitz und eine junge Dame au» einer dortigen angesehenen Familie, Fräul. Bianca Schurig, wurde ganz unschuldigerweise in die Mona-Lisa-Angelegenheit hineingczogeu. Fräulein Schurig erzählte über ihr „Pariser Abenteuer" einem Mitarbeiter der „Themn. Allg. Ztg." folgendes: „Eine Erholungsreise, die mich nach Paris, Brüssel und Antwerpen führte, benutzte ich — in der Seine stadt angekommen — dazu. Mal- und Sprachstudien zu treiben. In Paris kopierte ich im Louvre u. a. ein Gemälde von Prudhon, und wenn ich nicht im Louvre mit Pinsel und Palette hantierte, schlenderte ich durch die verschiedenen Säle der berühmten Ge mäldesammlung. Ich entsinne mich, daß ich eines Tages auch durch den Saal kam, in dem Leonardo da Vinci» Mona Lisa sich befand. Ganz flüchtig nur habe ich den seltsamen Frauenkopf gesehen, denn damal» ahnt« ich noch nicht, daß kurze Zeit darauf alle Welt von dem Gemälde sprechen würde. Nachdem ich meine Kopie vollendet hatte, reiste ich wohl gemut nach Brüssel weiter, mir auch hier die Museen onzusehen. 2m äc» » t.- wandte ich mich an einen Diener, mich wegen eine» Bildes zu erkun digen. Ich wor anscheinend in Paris nicht zu sehr „französisiert", sonst hätte der neben mir hebende Herr mich nicht als Deutsche erkannt. Mit großer Liebenswürdigkeit zeigte er mir verschiedene Ge mälde und er verriet dabei großes Kunstverständnis. Zugleich stellte er sich al» Mitarbeiter einer großen Zeitung vor und erwähnt« dabei, daß die Kunst zu . seinem Ressort gehöre. Im Laufe der Unterhaltung kamen wir auch auf die „Mona Lisa" zu sprechen; der Raub im Louvre war fa die Sensation des Tages. Ich erzählte ihm ganz harmlos, daß ich mich glück lich schätze, daß der Diebstahl passiert sei. nachdem ich mit meiner Kopie (von Prudhon) fertig war, denn nach dem Diebstahl wäre der Louvre sofort geschlossen worden und ich hätte meine Arbeit nicht vollenden können. Zum Schlüße bat mich der Herr um meine Adresse, die ich ihm auch gern gab, da er mir verschiedene Kunstblätter, die mich inter essierten. zmchickcn wollie. Seitdem habe ich von meinem liebenswürdigen Führer durch die Stätten der Kunst in Brüssel nichts mehr gei-ört. Am Freitag voriger Woche erhalte ich nun einen „Gerichtsbriej , der mich auf Sonnabend vormittag 11 Uhr nach dem Gericht bestellt. Daß Klagcreien, Gerichtssachen usw. nicht zu den Annehmlichkeiten des Lebens gehören, können Sie sich denken. Schlaflos hatte ich die ganze Nacht verbracht und mit Zittern und Zagen den kommenden Tag erwartet. Stets schwebte mir die Frage vor, welch großes Verbrechen ich denn nur begangen haben könnte. Mit beklommenem Herzen, in Begleitung meiner Mutter, trat ich den „schweren" Gang nach dem Gerichtsgebäude an der Hohen Straße an. Auf meine ängstliche Frage, wo sich das in der Vorladung angegebene Zimmer befinde, untw rtete der Beamte mit bedenklichem Achselzucken: Das ist Strafsache! Auf meine Frage, ob ich etwa anae- klagr sein könnte, meinte er: Höchstwahrscheinlich! Der Schreck lähmte mir fast die Beine. Wie ich in das richtige Zimmer gekommen bin. kann ich nicht mehr sagen. Der gestrenge Herr Richter, der miäi vernahm, war aber überaus liebenswürdig. Er forderte mich aus, mich ihm gegenüberzusetzen, damit er mir ins Gestcht schauen könne. Dann sagte er ernst und würdig: „Sie sollen in der Lage sein, uns wichtige Mitteilungen über den Verbletb der — Mona Lisa zu machen." Jetzt war ich wie erlöst. Die Last der Ungewißheit war von nur genommen uno ich hätte aufjubeln können voc Freude, wenn ich nebenbei auch wieder bedauerte, daß ich nicht in der Lage wur, auch nur die geringste Angabe über den Verbleib des vielgesuchten Bildes machen zu können. In Paris mußte man darauf verzichten, aus Ehemnitz und von mir zu erfahren, wo Leonardo da Vinci» Meisterwerk sich zurzeit befindet. Da kam mir plötzlich der liebenswürdige Herr aus dem Museum in Brüssel wieder in Erinnerung. Er scheint mir einen schlimmen Streich gespielt zu haben. In seiner anscheinend sehr lebhaften Phan tasie war in ihm der Gedanke aufgetaucht, ich könnte als Mitwisserin des Geheimnisses vom Louvre in Frage kommen. Ja er sott sogar Haden verlauten lassen, ich Härte mich bereit erklärt, Näheres über den Verbleib des Bildes anzugeben, wenn man mir 560 Francs (entschieden etwas wenig!) für meine Mitteilungen geben würde. Schade, daß ich keine solche wertvolle Mitteilung machen kann. Die Ge schichte, die mich erst beängstigte, jetzt allerdings be lustigt, zeigt, wie vorsichtig man, zumal auf der Reise, ftemden Leuten gegenüber sein muß. Ich für meinen Teil werde jedenfalls meine Reisebelannt- schaft aus dem Brüsseler Museum in „angenehmer" Erinnerung behalten." Das Mtzjok-Stsnülulü ües Lssiers ver Sale,tranS. Die Ehristianiaer Zeitung „Aftenposten" briirgt eine Schilderung ihres Berliner Berichterstatters über das Frithjof-Standbild, das der deutsche Kaiser lcianntlich auf Vangsnäs bei Balestrand errichten lassen will. Der Kaiser besuchte letzte Woche das Atelier des Bildhauers Prof. Unger Zu sammen mit der Kaiserin und der Prinzessin Viktoria und ließ sich den neuen Entwurf zu dem Denkmal eingehend erklären. Ursprünglich sollte das Standbild 10 m hoch werden, aber die Versuche, die unter der persönlichen Leitung des Kaiser» diesen Sommer an Ort und Stelle mit etnem Pappmodell vorgenommcn wurden, haben gezeigt, daß eine Höhe von 12 m notwendig ist, damit das Denkmal in der großlinigen Um- aebung, in der es stehen soll, zu voller Wirkung kommt. Um welche unaeheuren Größen verhältnisse cs sich be: diesem S.anddild bandelt, gebt aus folgenden Zahlen hervor. Der steinerne Unter grund soll eine Höhe von -1 m erhalten und einen Flächenraum von 20 gm bedecken: darüber erhebt sich der 6'/, ui hohe Sockel, der einen Flächenraum von 12 im bekommen wird. Frithjof» Fußsohlen allein haben eine Länge von 1,80 m, feine Schenkel einen Die Lunft in üer Sinüerltuve. In jeder Beziehung bleibt die Kinderstube von grundlegender Bedeutung für den jungen Mensche«. Hier empfängt der ganze Mensch seine erste Nahrung. Durchmesser von 1,18 w, während sein lockcngeschmückte» Witingerhnupt vom Kinn bis zum Scheitel ebenfalls 1,15 ,» messen soll. Zum Vergleich sei hier angeführt, dafz Schillings Germania auf dem Niederwald 10,5 m hoch ist, die Bavaria in München bis zur Helm spitze 16 ui, Hermann der Cherusker im Teutoburger Wald 17 m, die Viktoria auf der Siegessäule in Berlin dagegen 8 n» und der Achilles im Schloß des Kaisers au- Korfu „nur" 6 w. Jedenfalls dürfte das Fitthjoz-Slandbild das höchste im Norden werden. Ta Prof. Ungers Werkstätte natürlich nicht für solche Niesenmaße eingerichtet war, hat der Kaiser für ihn ein besonderes Atelier bauen lassen. Bei seinem Lesuch sprach der Kaiser seine volle Befriedigung mit dem neuen, 2,5 m hohen Entwurf in Gips aus. wünschte aber einige kleinere Ver änderungen, die er mit Bleistift in raschen, sichern Strichen auls Papier warf und mit dem Künstler eingehend besprach. Das Denkmal soll im Sommer M3 im Beisein des Kaisers enthüllt werden und wird aus Bronze, wahrscheinlich in Berlin, gegossen werten. Das Gipsmodell wird auf der Berliner Kunstausstellung im Herbst zum ersten Male öffentlich ausgestellt werden. Bekanntlich beabsichtigt der Kauer, noch ein zweites Denkmal bei Balestrand errichten zu lassen, und zwar auf der gegenüber liegenden Seite des Fjords, das den Schwiegervater Frithjofs, König Bele, der an dieser Stelle angeblich begraben liegt, darstellen wird. Der Bildhauer Gras Görtz, der Vater des Legationssekretärs bei der oeutschen Gesandtschaft in Christiania, des Erbgrafen v. Görtz, ist mit der Ausführung vom Kaiser be auftragt worden und hat auch bereits die Vorarbeiten dazu in Angriff genommen. Der Künstler soll be absichtigen, den alten norwegischen Wikingerführer in sitzender Stellung wiederzugeben. Der Kaiser gibt hierdurch von neuem den Norwegern einen deutlichen Beweis seiner un- , gcicbwächten Sympathie und zugleich seiner Dank barkeit und seiner Bewunderung für die großartige Natur ihres schönen Landes.
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