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4. veliogr. vllnsrrsnig, 27. «prU tStt. Leipsiger Tsyeblsn. llüelheiü Rvlsuüs Schicksal. 83j Roman von Marie venrhard. (Kcu-druck verboten.) Anse« Gäste unterhielte« sich gut. Ss -ab et« wenig Musik, auch ei« paar deklamatorische Lor träge Auf allgemeine« Wunsch sprach ich «i« paar von den „Lebensgefängen" meines Mannes, — es war ein grosser Ausstand um mich herum, ich hatte Mühe, all' diese Komplimente auf ein erträglicher Matz zu beschranken „Alexander Steinbrechs und seine Muse!" Anders nannte man uns an diesem Abend nicht. Als ich mich nach dieser Rezitation nach Bella umsah, war sie samt meinem Later ver schwunden. ohne sich von mir oder von meinem Mann verabschiedet zu haben. Alexander nahm es gleich gültig hin . . . mir war nicht wohl dabei zumut! — Andern Tages war's — gegen zwölf Uhr. Ich hatte allerlei zu räumen. Silber fortzuschlietzen und dergleichen: Zeit hatte ich vollauf dazu, da mein Kalte nie vor halb drei zu erscheinen pflegte. Um drei Uhr war unsere Speisestunde. — Trotzdem unser Fest so gut gelungen, die Stim mung der Gäste eine durchaus animierte, Speise und Trank tadelfrei gewesen war, fühlte ich mich doch be drückt und unbehaglich. Da war irgendetwas, das auf mir lastete, wie das Vorspiel eines nahenden Un beils. Ich suchte diese trübe Stimmung zu unter drücken und mich meiner gestrigen Triumphe zu freuen . . . aber auch das versagte. Ich war ganz zerfahren — mir fehlte das Fundament einer glück lichen The — volles, hingebendes Vertrauen und innig« Liebe zu meinem Gatten. Ich fand für mein Verhältnis zu ihm alle möglichen anderen Bezeich nungen ... nur die eine nicht, die eine Ehe heiligte! — Nus diesen Grübeleien wurde ich durch zwei Be suche, di« fast zu gleicher Zeit kamen, aufgeschreckt — der eine war seltsamerweise Bella, die ein vergessenes Spitzentuch zu holen vorgab — der andere eine ältere Dame. Frau eines Redakteurs, sehr gutmütig, sehr enthusiastisch, ein wenig de« Schöngeist markierend, aber immer die erste, wenn es galt, ein Talent zu i eiern oder zu befürworten Für mich besatz sie eine arotzc Vorliebe, sic wurde nicht müde, mich airzu itaunen und mir «ine herrliche Zukunft zu prophezeien. Mein Mann liebte sie nicht — er behauptete, sie mache mich mit ihren vielen Lobpreisungen eitel und verdrehe mir den Kopf mit ihren Weissagungen. Ich konnte dem nicht zustimmen, da ich Frau Döbers Mei nung kein so grosses Gewicht beilegte. Aber ich schwieg. — denn das hatte ich längst erkannt: Stein brechs war es unangenehm, wenn ich von der Zu kunfr sprach, ihn bat, sein gegebenes Wort einzu lösen, mir das Bühnenstudium zu ermöglichen. Eben sowenig, wie er ernstliche Anstalten traf, ein« and«« Stellung für sich zu suchen, ebensowenig war er ge sonnen, mir meinen Herzenswunsch zu erfüllen. Was ich denn wolle? pflegte er erstaunt zu fragen. Er habe mir versprach««, mich aus den mir widrigen Verhältnissen herauszunehmen — nun — das sei geschehen! Weder könne er sich jetzt eine brillante Stellung in Berlin aus der Erd« stampfen, noch daran denken, mich fortzugeben . . . eine Trennung von mir sei ihm geradezu unmöglich! — Auch sein Versprechen, meinen Keift auszubauen, meine Talente heranzu bilden, war kläglich ins Wasser gefallen; ich merkte von einem so wenig wie vom anderen. Er war ver liebt irr mich und freute sich meines Besitzes — das war alles!! — Frau Döber hatte nichts vergessen, — sie kam nur, um ihrem Entzücken über den gestrigen Abend, namentlich über mich Lust zu machen. Bella beachtete sie kaum, sie fuhr wie ein Wirbelsturm über «ich her, und ich mutz ihr« stark übertriebenen Aeutze- rungen niederschreiben, um das Folgende begreiflich zu machen. — „Rein, nein — war dar gestern interessant — war das gestern ein Erfolg? Ich habe kein Auge zu tun können, so aufgeregt war ich! Aber es schadete nichts — nein? Immer sah ich Sic vor mir — hörte ich Sie sprechen! Wenn das nicht ein Talent ersten Ranges ist, das Ihre! Der Herr Gemahl will cs nicht wahrhaben — natürlich, er ist ja über beide Ohren in Sie verliebt, das sieht doch ein jeder! Und da gönnt er Sie keinem anderen — ob es nun ein sterblicher Mensch oder eine unsterbliche Kunst ist? Wie haben Sie aber auch ausgesehen gestern. Sic süsses Kind! Sie müssen mir schon gestatten, Sie so zu nennen — ich könnte ja Ihre Mutter sein? Dies süsse zarte Gesichtchen — die wundervolle Gestalt — und der rose Kranz auf dem nachtschwarzen Haar — ein entzückender Anblick! Die verkörperte Poesie! Ich höre, Ihre Frau Mutter ist so schön gewesen — nun, di« Tochter gibt ihr gewiss nichts nach! Es waren ja mehrere sehr hübsch« Erscheinungen gestern hier aber mit Ihnen konnte sich keine messen — keine einzige!- — — — In dem Stil ging es noch eine Weile weiter, und dann umarmte mich Frau Döber und ging davon, mir in der Tür nach schelmisch mit dem Finger drohend: der Herr Gemahl möge mich ja gut hüten, es sei gefährlich, eine so schöne Frau zu haben . . . aber das sei wohl eine unnütze Tvarnung, denn man wisse es ja, er sei so verliebt und eifersüchtig wie ein Pascha! Als ich mich, nm Bella allein, zu ihr zurückwandte, sah sie blass und zitternd da, ihr feines Spitzentuch zu einem Strick drehend, beinahe ohne Stimme vor innerer Wut. ..Di« ist wohl total verrückt — die - das Weib da?" brachte sie mühsam heraus. „Wer? Frau Döber meinst du? Sie ist etwas exzentrisch und übertreibt gern, aber immerhin ist sie eine Dame, die" . . . „Ach was — Dame — Dame!" Bella war wie eine Furie von ihrem Sitz aufgesprungen, das seine Tuch flog in Fetzen. „Das hat sie doch alles eben bloss dahergesagt, um mich zu giften — die — die — Per son da ... die infame' Verrückt ist sie — ein — fach und ro — tal verrückt!" ..Wenn du sie für verrückt hältst, brauchst du ja aus ihr Urteil kein Gewicht zu legen Aber dass sie dich hat ärgern wollen, muss ich durchaus bestreiten . . an dich hat sie überhaupt nicht gedacht, das könnte ich beschwören!" „So? So?" Es gurgelte und kochte in Bellas Kehle, es war. als wolle sic ersticken. „Ich bin wohl Luft für — für — so eine — eine Alte — ich, Bella Wollgast, der sie alle, alle zu Füssen gelegen haben — die die ganze Männerwelt am Bändel gehabt hat." „Sei doch nur ruhig — um Himmels willen — du schadest dir! Was hat sie dir denn getan" — „Getan?" keuchte Bella „Getan? Dass der Sandro so verliebt in dich sei und so eifersüchtig wie ein Pascha — ist das etwa nicht genug. Ist das wahr'* Ist das wahr?" Sie war mir ganz nah« gekommen, fuhr mir bei nahe mit den Händen ins Gesicht „Antworten sollst du mir. ob das wahr istk" — „Ia^', sagte ich halblaut und erschrocken, „es ist wahr . . . aber was geht dich das an?" Bella sank in ihren Sessel zurück, sie stiess thr gellendes, schreckliches Sachen aus. „Was das mich angeht? Mich? Das fragt sie — dies« Puppe — dies scheinheilige Ding mit dem Mondscheingesicht! Was mich das angeht, dn Fratz? 'Weil der Sandro Stcinbrecht mein ist — ja, — mein ist — mein ist" — die Stimme steigerte sich bis zum Kreischen — „weil er mein war. seit Jahren schon, und mein geblieben ist. trotz deiner — ja — trotz deiner — und weil er der einzige — einzige — einzig« Mensch auf der weiten Welt ist, den ich jemals geliebt hab'!" „Bella — du — ich — das — das kann nicht sein?" rief ich äusser mir „Kann nicht sein? And warum denn nimmer, du schöne Frau? Du verkörperte Poesie — du Muse? Es hat deine ganze grenzenlose Dummheit dazu ge hört, dass du nichis davon gespürt hast, wie wir ein abgekartetes Spiel miteinander gehabt haben, mein Liebster und ich — jawohl, mein Liebster und ich! Wie du ein Spielball bist für uns gewesen und ein Vor wand und ein Deckmantel — und wie «s mir doch, und doch ist schwer geworden, dir den Sandro zu lassen, denn er hat mir's geschworen gehabt, er wollt' nimmer heiraten, und ich gönn' ihn auch keiner — keiner! And nun jetzt sollt' er mich mit einem Male nicht mehr wollen — und sollt' dich lieben — dich, um di« er keinen Deut früher gefragt hat — dich, die ihm grab' gut genug war. dem Gered' ein End' zu machen und den Leuten die Mäuler zu stopfen wegen mir? — So denk' doch an deinen Verlobnngs- tag zurück, nzpnn du's nimmer begreifen tust, — und frag' deinen Herrn Vater - der weiss Bescheid!" — Und nun abwechselnd ein gellendes Lachen und Schreien — und vom Sessel herunter auf die Erde — und sich in Zuckungen und Krämpfen auf der Erde gewunden. Mein geliebter Mann — nicht wahr? — Du ersparst es mir. dir meine Unterredung mit Steinbrecht. die um zwei Stunden später erfolgte, wiederzugeben? Seine Scham und Qual — sein end liches Geständnis — wie dann mein Vater gegen Abend kam — gebeugt, zerknirscht — und ich wie zermartert, wie vernichtet — und tausend Dinge, di« ich bis dahin nicht verstanden, plötzlich im hellsten Licht vor mir — und ich immer unwissend damals, wie mit geistiger Blindheit geschlagen . . . Kott — Gott — dass man solchen Tag zu Ende bringt! Dass man solche Ereignisse überleben kann?? — Ich bin noch an demselben Tage, spät am Abend freilich, fortgcgangcn. Ich habe die Nacht in Mine Altmanns Stübchen auf ihrem Sofa zugebracht. Ich habe Doktor Steinbrechts Haus nicht mehr betreten, sondern meine alte Getreue ist hingcgangen und hat Nr. ne. los. Islirnnny. mir meine Kleider und Sachen zusammengesucht uns eingepackt, während ich mit meinem Rechtsdeistand sprach und mir mein mütterliche« Erbteil sicherte Meinen Vater habe ich noch einmal gesprochen — meine Erinnerung hält bei diesem letzten Zusammen sein das Bild eines alten, gebrochenen Mannes fest, der es nicht mehr wagte, seinem Kinde in die Augen zu sehen. Er hat nicht lange mehr gelebt. Gott ver zeihe ihm, wie ich ihm verziehen habe — lange schon! — Auch er hat vieles nicht gewusst oder, wie ich schon sagte, nicht wissen wollen von dem. was sich in seinem Hause zugetragen hat. Ich habe mit Mine Alimann meine Vaterstadt verlassen — die Scheidung wurde eingeleitet. Es gab einen grossen Skandal in allen Schichten der Gesell schäft — in der Presse — iberall. Doktor Stein brecht brach schleunigst seine Zelte ab und ging nach den Vereinigten Staaten, wo er irgendwo eine grosse Zeitung redigieren soll. Bella wurde in ein Sanato rium übergeführt als eine unheilbar Erkrankte. Ich weiss nicht, ob sic noch am Leben ist. Ein einziges Mal bin ich, behufs einer wichtigen Unterredung mit meinem Rechtsdeistand. noch für einen Tag in meiner Vaterstadt gewesen. Es war ein heiterer, sonniger Sommertag. Ich ging die allen Wege, sah mich mit Henriette, meine Büchermappc am Arm, einherkommen, sah Kunnar und Astrid Holm mir entgegenspringcn — sah meine geliebte Mutter in ihrem Krankenstuhl und Konsul Holm, wie er mich zu Spazierfahrten und Theaterbesuchen abholte. Ich war traurig und doch tief innerlich glücklich. Denn ich studierte weiter in Berlin, und in einer den Barwichs bekannten Familie da hatte ich den Geologen Doktor Palm kennen gelernt und mit ihm die Liebe — zum erstenmal die Liebe! — und ein neues Leben Weisst du es noch, Günther? Denkst du so oft daran zurück wie ich? Zwei selige Menschen, das waren wir beide, — das sind wir heute noch, wenn Gott uns gnädig zusammenführt! — Und wie ich so, in Erinnerungen verloren, in meiner Vaterstadt dahinschritt, da kam mir «in junges Dienstmädchen in sauberer Anstalis tracht entgegen, und auf dem Arm trug sie ein Kino — ein jammervolles, verkümmertes Kind mit blöden Augen und schüttelndem Kopi und schlaffen Gliedern. Das war mein Brüderchen Heinz! — Ich habe weinen müssen auf offener Strasse, wie ich meines Vaters Kind so wiedersah. Stehengeblie ben bin ich und habe das Mädchen angeredet — cs sei aus dem neuerbauten Asyl, so sagte es — man könne es auch ein Kinderhospital nennen — und dieser arme Kleine hier heisse Heinz Roland und sei eigent lich ein« Waise, denn sein Vater wäre vor einigen Monaten gestorben, und die Mutter sei unheilbar krank — geistig, wie körperlich. Ich liess mir das Asyl zeigen und stellte mich dem Direktor vor. Er war ein humaner, feiner und kluger Herr, er zeigte mir die ganze Anstalt, die wie eine kleine Stadt an zusehen war und alle nur denkbaren Einrichtungen und Bequemlichkeiten bot. Auf meine Anfrage, ob ich Brüderchen Heinz zu mir nehmen solle, schüttelte der Direktor den Kopf. Der Klein« sei hier, wo man sich aus die Behandlung kranker Kinder verstehe, vor trefflich aufgehoben, besser, als in jeder Privatpflegc, — zudem sei es fast mit Sick)«rheit anzunehmen, dass das arme Kind sein drittes Lebensjahr nicht mehr Vll8k?k llusIM maedl'8! von 6sn KMmkI-ksiMM- »ml Kiittg-kerclis-l!«.. »Mim »OS»«, SOI Mometsr Lei»!in — NsNZbUI»g 23. Lpril ISll LlassiZeke V'ernfakrt ä«8 ventseken kkaZkakrsr - Lunäes tL SN von 6sn kl'slvn, «isNUNEsi» Uei» Liegsn Wirren aut Lontinental-k'nLUnrutik cssem-MAkem filkdei-el Laräivsn aut Asu leWellleiniWg v. L.L. 189 280. 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