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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 10.04.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-04-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110410011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911041001
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911041001
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-04
- Tag 1911-04-10
-
Monat
1911-04
-
Jahr
1911
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Anzeiger»-Prek» ickr AMerat« au» Leipzig und Ilmgebun, di, Ügetpallene S0 mm breite Perit^ile 2S di, 74 nun breite «eklameMle l dm, an»wärr» itO bieklai»«» 1.20 Zierate v»a Behörde« t* amtlich«, T«, hi, 74 nun drrit» Petitzeil, 40 »efchäft»anzeigrn mit Plahvorschristen und l» der Adendauöaab« im Preis« erhöht. Rabatt »ach Taris. Beilagegedübr s p. Tausend «xkl. Postgebühr. .rotierteilt, Aufträge kSnnen mcht zurück gezogen werden. Für da» Frfchein« an veftimmtmr Tage» und Plätzen wird kein- Garanti« üdernomme« Anzeigen-Annahme: Auguftusplatz 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- itrvedltionen de» In« und Auslände«. Redaktto» »nd Geschäft«»»!«: Johannisgas!« ü. Fernsprecher: 1469^ 14tM, I4SV4 Haupt-Stltale Dre-den: Seesirahc 4, 1 (Telephon 462l). los. Jahrgang Nr. lvo Monts-, üen 10. AprU 19l1. Dss Wichtigste. * Dar- deutsche Kronprinzenpaar tras am Sonntag in Wien zum Besuche des österreichi schen Kaiserhofes ein. (S. d. des. Art.) * Der Ballon „Lei pzig", der gestern vormittag vom Leipziger Sportplätze aufstieg, landete nach zirka 7stündiger Fahrt in der Nähe von Bur gebrach bei Bamberg. (S. Sport s * Im Großen Magdeburger Handi kap (Ehrenpreis und 28 000 .N). das am Sonntag gelaufen wurde, siegte Herrn E. v. Davids br. W. „Napagcd l" mit Pretzner im Sattel. Der To talisator honorierte den Sieg mit 176:10. (S. Sports * An Tokio hat eine Feuersbrunst ein ganzes Stadtviertel zerstört. (C. Letzte Dep.s Geletzesunkenntnis. Aus kriminalistischen Kreisen wird uns ge schrieben: Gesetzesunkenntnis schützt nicht vor Strafe. Von diesem im Strafgesetzbuch allerdings nicht ausdrücklich ausgesprochenen, aber allgemein anerkannten Grund sätze mutz unsere Strafjustiz ausgel)en. Unmöglich wäre es in der Tat, jedem Delinquenten die Kennt nis der von ihm verletzten Gesetzesbestimmungen nachzuwcisen. Anderseits aber wird es auch für den Juristen heutzutage immer schwerer, diese Flut von Gesetzen, mit denen Reichstag und Bundesrat den geduldigen Staatsbürger alljährlich beglücken, in sich aufzunehmen und geistig zu verarbeiten. Nicht weniger als 120 reichsgesetzlichc sogenannte Neben gesetze, die neben dem Strafgesetzbuch« strafrechtliche Bestimmungen enthalten, sind gegenwärtig in Kraft. Hierzu kommen aber noch weitere Strafgesetze auf den (stebietcn, die der Landesgesetzgebung Vorbehalten sind. z. B. Schule, Kirche, Polizei, Jagd, Fischerei, Steuern. Welcher Laie sollte alles das beherrschen? Ganz besonderer und sehr bedauerlicher Un kenntnis aber erfreuen sich die sozialpoli tischen Strafgesetze. Hochachtbare Fabrikanten, bejahrte biedere Handwerker und Gewerbe treibende, denen jeder " Eesetzeskonflitt doppelt peinl'ch ist, verfallen neuerdings immer häu figer, lediglich aus Unkenntnis, dem Straf richter. Den zur Strafverfolgung berufenen Behörden Alester und Konzerte. Leipzig, 10. April. Leipziger Schaulpiettzsus. Sechste Sonderausführung: „Die Braut von Messin a." Die Festspiele des Schauspielhauses haten gestern abend ihren Höhepunkt. Ein recht zahlreiches Publikum war Zeuge der mustergültigen Aufführung, die das wahrhaft klassische Drama Schillers schlacken frei und in wunderbarer Schönheit zu überwältigender Grötzc vor den Hörern erstehen lietz. Stimmte bei den vorhergegangenen Sonderausführungen, deren jede Gäste aus Nord und Süd ohne viel Proben zum Ensemble vereinigte, nicht immer alles in Stil und Auffassung zusammen, so darf man der „Braut von Messina", die wir gestern erlebten, Einheitlich keit vom Anfang bis zur letzten Szene nachrühmen. Eine Stilart beseelte sie alle, die klassische Schule des H o f b u r g t hc a t e r s, jener beinahe letzten Kunststätte, die noch streng an dem herkömm liehen Erogen festhält, im klassischen Drama das Moderne durchaus verschmäht. Man mag heute die Wiener Hofburg schelten, soviel man will, es ist doch immer noch der Kunsttempel, der die besten und »rotzten Namen die Seinen nennt. Kainz kam uns von dort, Sonnenthal schied aus dem Kreis. Immer neue Namen werden genannt und erfüllen die halbe Welt mit ihrem verdienten Ruhm. Gestern sahen wir ihrer drei vom Wiener Hof burgtheater auf der Szene Schiller nach le den. Helene Römpier-Bleibtreu spielte die Donna Isabella mit der ganzen Hoheit, Vermessenheit und Schmerzzerrissenheit, die Schiller in dies« zweit«, ja gesteigerte Iokaste hineingelegt hat. Die jubelnde Freude der Mutter, die gottlästerndc Verzweiflung der Fürstin findet in Frau Bleibtreu «inen unvergleich lichen Ausdruck. Ihr edles Spiel, die strenge Schön* heit des Gesichts, das klangvoll«, große Organ sind ihr treffliche Stützen und Mittel. Den leicht:ntslsmmt«n Don Cesar gab der Hofburgschauspieler Gera sch mit hinreißendem Temperament. Auch ihm ist ein edles Organ, sind reiche äußrrs Mittet „«geben, seine un gezügelte Leidenschaft zu klassischem Ausdruck zu bringen. Das Blut des Hofburgschaujpielers pulst endlich auch in dem mehr gemessenen Don Manuel oes Herrn Carl Wagner vom Hamburger DeuLjcheu Schauspielhaus. Er ist der Sohn eines gefeierten Darstellers der Hofburg und gehört: ihr selber eine Zeitlang an, ehe er nach Hamburg ging und der „Hamburger Kainz" wurde, wie man ihn »hrend ge nannt hat. Sein« Sprache und sein Spiel sind edel und reif, vollendet zu nennen; «r vermag die ungleich schwierige Partie des Don Manuel mit wahrem Leben zu erfüllen Neben diesen drei stand Fräulein noth vom Hoftkeater in Hannover, eine überaus liebreizende, jugendlich« Erscheinung als durchaus Ebenbürtig« Den großen Monolog im zweiten Akt aber sind die Hände gebunden, solange nicht, wie im Entwürfe des neuen Strafgesetzbuches, bei minimalen Delikten Freisprechung erfolgen kann. Sogar mit Zuchthausstrafe ist ein zur Strafverfolgung oerusener Beamter bedroht, wenn er die Ahndung einer zu seiner amtlichen Kenntnis gelangten strafbaren Hand lung unterläßt. Die Strafe des Verweises aber ist leider nach geltendem Rechte auf Vergehen und Uebertretunge» (nicht auch Verbrechen) jugendlicher Delinquenten zwischen 12 und 18 Jahren (bis zum erfüllten 12. Lebensjahre besteht allgemeine Straf freiheit) beschränkt, so bleibt, sintemal trockene (<>csetzestextc zu lesen und sich anzuschasfen nicht jedermanns Liebhaberei ist, der Presse die Aufgabe, wenigstens auf die am häufigsten verletzten Straf bestimmungen auf dem Gebiete der Arbeiter- und Kinderschutzgesetzgebung nachdrücklich hinzuweijen. Kinder unter 12 Jahren dürfen im ganzen Deutschen Reiche in gewerblichen Betrieben sowie zum Austragen von Waren und zu gewerblichen Botengängen überhaupt nicht verwendet werden. Volksschulpflichtige Kinder über 12 Jahre aber dürfen nicht langer als :! Stunden täglich, auch nicht in der Zeit zwischen 8 Uhr abends und 8 Uhr morgens be schäftigt werden. Während für landwirtschaftliche und häusliche Arbeiten die dort nicht immer leichtere Kinderarbeit keinerlei Beschränkungen unterworfen ist, werden ein« größere Anzahl gewerbliche Betriebe, bei denen früher die billige Kinderarbeit besonders häufig war, durch das sog. Kinderschutzgesetz vom 00. März 1006 ziemlich mißliebig berührt. Bäcker dürfen z. B. das Frühstück nicht mehr durch Kinder austragen lasten, Zeitungsträger müssen die Unterstützung durch flinke, treppenkletternde Kinder beim Austragcn der Morgenblätter entbehren: Gast wirte dürfen abends keinen „Kcgeljungen" mehr ver wenden. Damit eine Kontrolle ermöglicht wird, ist jede gewerbliche Beschäftigung von Kindern auch zuvor der Ortspolizeibehörde (in der Stadt Leipzig dem tbewerbeamt) vom Arbeitgeber schriftlich anzuzeigen. Auch hat dieser vor dem Beginn der Beschäftigung sich für jedes von ihm beschäftigte Kiird eine Arbeitskarte ausstellen zu lasten. Weit wichtiger für Großbetriebe aber ist die gleichfalls aus sozialpolitischen Gründen erfolgte Be schränkung der Arbeiterinnen- Beschäftigung für alle diejenigen Betriebe, in denen in der Regel mindestens 10 Arbeiter oder Arbeiterinnen beschäftigt werden. Die Gewerbeordnung mit ihren zahlreichen Abänderungen ist hier maßgebend. Nach der seit dem 1. Januar 1910 gültigen Gewerbenovelle vom 28. De- .zember 1908 dürfen Arbeiterinnen nicht in der Nachtzeit zwischen 8 Uhr abends und 6 Uhr morgens und am Sonnabend an den Vorabenden der Festtag« nicht nach b Uhr nach mittags beschäftigt werden. Arbeiterinnen dürfen auch nicht länger als zehn Stunden täglich, an den Vorabenden der Sonn- und Fest tag« aber nickst länger als acht Stunden täglich tätig sein. Vorgeschrieben ist für sie auch eine mindestens cinstiindige Mittagspause. Die durch gehende sog. englische C-eschäftszeit ist damit als für den schwächeren weiblichen Körperbau unzuträglich brachte sie zur rechten Geltung, gestaltet« ihr« Szenen zu einem Drama im Drama und gewann sich durch ihre rührende, schmerzerfüllt« Kunst alle Herzen im Fluge. Vor allem ist ihr hoch anzurechnen, daß sie sich dem strengen, edlen Stil der andern durchaus einfügtc, jed«s störend« Drum und Dran vermeidend, das sonst die modernen Beatricen bevorzugen, um ihre Rolle mehr ins Licht zu rücken. Ein Sinnbild jener klassischen Schauspielkunst end lich. die auch das gute Moderne nicht verschmäht, es weis« zu nützen versteht, war Artlstir Krautzneck vom Berliner Hoftheater als Cajetan. Sein« Helden gestalt, sein gewaltiges, das Schillerwort zu tiefst ausschöpfendes Organ, jein warmes Empfinden und kluger Verstand machen ihn zu einem vorbildlichen Chorführer der klassischen Tragödie. Er meistert den schwer zu dirigierenden, auch gestern nicht muster gültigen, oft widerwilligen und schwerfälligen Chor mit ganzer Kraft, und macht es dem Gegenchor, den Herr Wolfram wacker führte, wahrlich nicht leicht, sich zu behaupten. Welche Weisheit und Klangpracht in diesen Chören, di« interpretierend, ausmalend leise die Handlung fortspinnen! Man möchte sie die Musik der Tragödie nennen. Was wir vor zwei Monaten in der Albetthallc. als Max Reinhardt sein Regie-Meisterstück mit den „Oedrpus"-Massenszenen erbracht«, an Chören vernahmen, war nur «in schwäch, kicher, unfähiger Abglanz der Sophokleischen Chöre, die Hofmannsthal verpatzt und verkitscht hat. Schiller hat ihren Geist, ihre Größe im Innersten erfaßt und unvergleichlich ins deutsche Empfinden umgeschaffen. Man sehnt sich, die Messinachöre einmal von Rein hardt inszeniert zu hören. Krautzneck als Cajetan .zeigte gestern hier eine Kunst, die der Reinhardts auch als Regisseur kongenial erscheinen mutz. Das „Mord! Mord!" an der Leiche Manuels, das Rachemotiv er klang schrillend und gellend, dröhnend und donnernd mitztönig wie die Asinfonie der Holle. Di« Aufführung, d«r die Reliefbühne mit ihren strengen Linien den rechten Rahmen gab, über wältigte die Zuschauer. Ein nicht endenwollendcr Beifall dankt« nach jedcm Akt den Gastspielern, die uns samt und sonders Grotzes gaben. kaul 8estLurllt>vva. Lieder- und Balladenabend von Dr. Hermann Brause. Ein merkwürdiger Abend insofern, als er dem Zuhörer fortgesetzte Ueberraschungen brachte. Neben künstlerisch Bedeutendem stand mitunter un mittelbar daneben Unfertiges. Und wenn man glaubte, der Sänger steigere sein Ausdrucksvermögen, so konnte man gerade das Gegenteil erleben, ebenso umgekehrt. Das Beste gab er in reinen Stimmungs liedern. so in dem sonst wenig bedeutenden „Mittag zauber" von Lcschetitskv und „Des Abends" von Schotte, ebenso charakterisierte er unübertrefflich das graziöse Eenrebildchen „Der alt« Herr" von Hans Hermon» (wiederholt). Hier kam ihm sein« durchaus klare Deklamationskunst und Sprochtechnik zustatten. gesetzlich verboten.' Strafbar ist in allen diesen Fällen der Arbeitgeber, nicht etwa die Arbeiterin. In Betrieben derselben Größe, insbesondere also in allen Fabriken, ist auch die Beschäftigung männ licher jugendlicher Arbeiter zwischen Hund 16 Jahren während der Nachtzeit von 8 bis 6 Uhr gesetzlich verboten. Verlangt wird weiter gleichfalls eine mindestens einstündige Mittagspause. Die Eesamtardcitsdaucr darf auch hier zehn Stunden täglich nicht überschreiten. Vor und nachmittags ist eine mindestens halb st ü n d i g e Pause für jugendliche Arbeiter beiderlei Geschlechts «inzuschiebcn. Kinder unter 14 Jahren dürfen, selbst wenn sie nicht mehr schulpflichtig sind, in solchen mittleren und großen Betrieben nicht länger a l s 6 Stunden täglich beschäftigt werden. Besonders häufig verletzt wird diese Schutzvorschrift bei Lehr lingen, die im zweiten Kalendcrquartal geboren sind, vor Erfüllung ihres 6. Lebensjahres zulässigerweise in die Volksschule ausgenommen und deshalb auch vor Erfüllung ihres 1t. Lebensjahres konfirmiert und aus der Schule entlassen worden sind, schriftliche Anzeigepflicht besteht sür den Arbeitgeber auch vor Beginn der Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern, damit die Ortspolizeibehörde (Geiverbeamt) in der Lage ist, Revisionen vorzu nehmen. Eine letzte Gruppe von Delikten, die von Arbeit gebern besonders häufig begangen werden, sind end lich die Vergehen nach K 826 des Kranken- und nach tz 182 des Jnvalidcnvcrsicherungsgesetzes. Betraf die vorletzte Art von Ueberarbeitsdclikten besonders die Besitzer und Leiter großer, blühender, mit reicher Arbeit versorgter Fäbrikdetriebe, jo werden durch diese letzte Gruppe von sozialpolitischen Verboten be sonders die Leiter kleiner Betrieb« berührt. Das Jnvalidenversicherungs-Reichsgesetz vom 11. Juli 1899 und das Krankenoersicherungs-Reichs- gejetz in der Fassung der Novelle vom 2ö. Mai 1903 bieten nämlich insofern strafrechtliches Interesse, als bic unterbliebene Abführung der vom Arbeitgeber dem Arbeitnehmer (Arbeiters vom Lohne gekürzten reichsgesetzlichen Arbeirerversicherungsbeiträg« — dek Hälfte der Invaliden- und von zwei Dritteln der Krankenversicherungsbeiträge — an die beitreibende Kaste (d. i. zumeist die Ortskrankenkasse) den säumigen Arbeitgeber strafbar macht. Dringlicher als die Einrichtung von Mietzins und Steuern ist also die Abführung dieser Lohnabzüge. wett di« Bei treibung nicht nur zwangsweise erfolgt, sondern auch durch Strafandrohungen gefördert wird. ' Dieses Delikt ist weder Diebstahl noch Unter schlagung. denn cs handelt sich nicht um fremdes, sondern um das eigene Geld des Arbeitgebers. Trotzdem ist diese Zwangsmatzregel, obwohl sie viel fach gewissermaßen die Zahlungsunfähigkeit unter Strafe stellt, sür die Praxis unentbehr lich. damit leichtfertige, mit völlig ungenügendem Kapital begonnene Spekulationsunternehmungen, die der trotz aller ihrer Mängel für alle Kulturstaaren vorbildlichen Arbeiterversicherungsgefetzgebung des jungen Deutschen Reiches nur Schaden zufügen, nach Zur erschöpfenden Darstellung des Heroischen fehlte noch ein Schritt. Hier überzeugte er den Zuhörer nicht vollständig. Es niag sein, daß seine Darstellung doch nicht aus übervollem Herzen strömte. So konnte man z. B. Löwes „Archibald Douglas" nicht ganz zu stimmen, obwohl hier der Sänger sicher sein Bestes gab. Die oft recht willkürliche Behandlung des Rhythmus und die hier und da auftretende Unruhe in der Darstellung mögen auch ihr Teil beigetragen haben. Im „Hochzeftslied" hätte man im Mittelteile etwas mehr Leichtigkeit im Tempo gewünscht. Hin gegen war Hermanns „Regiment Forkade" eine nach allen Seiten hin erschöpfende, hochachtbare Leistung. Rein stimmlich interessierte der Sänger im Halbstarken Ton und im starren Forte. Das Piano in der Höhe klang etwas eng. während die Tiefe wenig anjprach. Alles in allem eine wohlbcachtenswerre Künstler natur. Sein Begleiter Herr Dr. Walter Krone führte seine Aufgaben im ganzen gut durch. Anschlag und Rhythmus ließen nichts zu wünschen übrig. Bei Löwe nxrr allerdings technisch nicht alles in Ordnung. Auch fehlte an großen Stellen die Steigerung zum wirklichen Höhepunkte. 8«stl. von Len Berliner Sotdühnen. Aus Berlin wird uns geschrieben: Seit der großen Parade, di« unser Generalinten dant Graf n. H ü l se n - H a e s e l e r vor bald vier zehn Tagen im Foyer des Opernhauses vor den Mit gliedern der Königl. Theater abgelzalten hat. will die Betrachtung über die Stellung und Zukunft unserer Hofbühnen nicht mehr zur Ruhe kommen. Sie be ginnt nach dem verschiedenen Für und Wider über dies Thema nun auch die Witzblätter zu beschäftigen, wie aus der eben erschienenen Nummer des „Kladderadatsch" heroorgeht. Der Chef dieser Kunst stätte» ist darin als Lohengrin abgebildet, wie er seinen Ankläger, den Rektor Kopsch. als Telramund zn Boden wirst. Eine witzige Parodie auf die thea tralische und keineswegs überzeugende Aufmachung des ganzen Vorganges, während sich dahinter «in tiefer und weit« Kreis« beschäftigender Ernst verbirgt. Wie wir es voraussagten, ist die Kritik des Opern hauses bereits auf eine Abrechnung mit dem Schau spielhause und besten augenblicklicher Leitung über geschlagen. Gerade in solchen Kreisen, die den Vor stellungen im Hause Schinkels ein warmes und auf munterndes Interesse entgegenbringen, hat sich immer fester die lleberzeugung herausgebildet, daß ein ent scheidender Entschluß gefaßt werden mu«. um dem jetzt herrschenden Zustand einer völligen künstlerischen Erstarrung «in Ende zu machen. So unbefriedigend sich der Spielplan gestaltet, der mit geistloser Schwank literatur überlastet ist. so veraltet erscheint der Stil, in'dem die klassischen Dramen gegeben werden, so klaffend sind die Lücken bei der Besetzung einzelner Hauptfächer. Ganz unerwarlei ist soeben zur BierteljahrzEnde Möglichkeit «ingedämmt werden. Denn bei schwach zahlungsfähigen Arbeitgebern ist cs zur ständigen Gewohnheit geworden, diese Lohnabzüge ohne Rücksicht auf Ersatzmöglichkcit als Betriebs kapital weiter zu verwenden. Sehr häufig haben dann die Kassen zum Schaden der Versicherten das Nachsehen, wenn der säumige Arbeitgeber bereits er folglos gepfändet ist und den Offenbarungseid ge leistet hat. Arbeitgeber, die sich in Zahlungsschwierig ketten befinden, werden deshalb gut tun, die Kassen abzüge, die sie ihrem Personal bei der wöchentlichen Lohnauszahlung machen, als fremdes Geld gesondert aufzubewahren, bis sie von der Ortskrankenkasse ein gezogen werden. Besonders mißlich für die Betroffenen ist dabei, daß alle diese Delikte (lediglich die Unterlassung der Anmeldungen ausgenommen) gemäß den Bestimmun gen des Gerichtsverfassungsgesctzes, der angedrohten erheblichen zulässigen Höchststrafen wegen, nicht ohne mündlich« Hauptverhandlung durch Strafbefehl erledigt werden können; die letzte Gruppe muß viel mehr vor der Strafkammer abgeurtcilt werden, wäh rend bei den ersterwähnte» Vergehen die Staats anwaltschaft regelmäßig die sog Ucberweisung ans Schöffengericht beantragt. Vielleicht dienen diese Zeilen aus einer Feder, die ungern Hunderte solcher Anklagen erhob, dazu, sozial politische Delikte unbescholtener Arbeitgeber einzu schränken, gleichzeitig aber auch nach Kräften vorzu beugen, daß durch erstmalige Verurteilung tüchtige Staatsbürger verbittert und zu staatsfeindlichen Elementen werden. Oss üeutlche kronprinzenpssr in Wien. Wien, 9. Aprsl. (Tel.) Festlich geschmückt, begrüßte die Stadt Wien heute die Gäste des Kaisers, den deutschen Kronprinzen und dessen Gemahlin. Der ganze Straßenzug, den die Herrschaften bei ihrer Fahrt vom Südbahnhof zur Hofburg passierten, prangte in reichem Festschmuck. Besonders prächtig war die Ausschmückung vor dem äußeren Burgtor«. Girlanden zwischen Flaggenmasten und kunstvolle Arrangements in deutschen und österreichischen Farben umsaumi«» T-oy «<»s, lichen, kühlen Wetters hallen den ganzen Einzugsweg entlang große Menschenmengen Aufstellung ge nommen, um di« Gäste des Kaisers begrüßen zu können. Die an geeigneten Plätzen und vor dem Burgtore errichteten Tribünen waren von einem eleganten Publikum dicht besetzt. In dem prächtig geschmückten Südbahnhof batten sich vor der Ankunft des Zuges eingcfunden: der deutsche Botschafter o. Tjchirschky nebst Gemahlin und Tochter, sowie die Herren der Botschaft mit ihren Damen, der bayrische Gesandte Freiherr Tücher v. Simmelsdorf und der Vertreter des sächsischen Gesandten v. Leipzig, der deutsche Generalkonsul in Wien Freiherr v o n Fräulein Amanda Lindner aus dem Verband der Hofbühne ausgetreten, der sic nach ihrer glän zenden Leistung als Jungfrau von Orleans bei einem Gastspiel der Meininger im Viktoriatheater seit zwanzig Jahren erfolgreich angehörte. Dafür ist Frau R o j a Pop p e als Isabella in der „Braut von Messina" ins ältere Fach aufgerückt, ein ursprüngliches und starkes Talent, das aber unter der Intendanz des Grafen Hoch berg aus Mangel an straffer Führung zu rwrwildern drohte, während man es später gewaltsam unterdrückte und einschüchterte. Kein Wunder, daß die Künstlerin die ihr neue, ge wattige Leistung nicht aus den ersten Wurf völlig be- meistertc, sondern nur interessante Bruchstücke lieferte, die den Ansprüchen an eine einheitliche und große tragische Leistung nicht völlig genügen tonnten. Die Neueinstudierung von Hebbels „N ibc lunge n", die so pomphaft angekündigt wurde, muß unterbleiben, da sich die in Frage kommenden Kräfte bei der ersten Probe als durchaus nicht genügend er wiesen haben. Man durfte es auch als sicher an nehmen, daß kein Regisseur zur Stelle war. der eine solch« gewaltig« dramaturgisch« Tat mit Aussicht auf Erfolg hätt« vollbringen könne». Statt dessen wer den nun zum Schluß der Spielzeit zyklische Vor stellungen von Lustspielen aus verschiedenen Zeit altern, eine Darstellung der Shakesp.arejchen Königs dramcn und der Wildenbrnchschen Dichtungen ange- tündigt, bei denen in der kurzen, noch zur Verfügung stehenden Zeit unmöglich eine Auffrischung und Be lebung des sichtlich ermattenden Zusammenspiels schwerlich erreicht werden kann. Daß die „Litera rischen Abende", die schon vor anderthalb Jahren verheißen wurden, nunmehr völlig ins Wasser ge fallen und vergessen sind, sei nur nebenher bemerkt, obwohl an dem „Gestiefelten Kater" von Tieck ver mutlich nicht viel verloren gewesen wäre. Wie groß und übertrieben die 'Nachsicht unserer Kritik diesen llebelständen gegenüber ist. geht dar aus hervor, daß sic alle Versprechungen aus dem Bureau der Eencralintendanz ruhig bucht und kein Wort des Tadels findet, wenn sie nachlrer nicht ge halten werden. Bedenkt man, daß Ludwig Bar nan seinen Posten als Leiter der Intendanz in Han nover binnen kurzem verläßt und H e r r v. M u tz en de ch e r, der Cyes der Wiesbadener Hofbühne. die ebenfalls der hiesigen Eencralintendanz untersteht, fast den ganzen Winter krank war. so ergibt sich eine solche Fülle von kiinstlerisckren Verlegenheiten, wie wir sie seit langen Jahren nicht kennen gelernt Haden. Das immer straffere Anziehen der bureau- kratischen Disziplin dürfte zu allerletzt geeignet sein, das so dringend verlangt« neue künstlerische Leben im Schauspielhaus« aufsprießen zu lasten. So wir die Dinge augenblicklich liegen, fehlen dem von Apoll mit dem Siegeswagen gekrönten Kunsttempel auf dem Schillerplatz gegenwärtig drei Dinge, deren Ad Wesenheit schon Grillparzer in einem bttsigen Epi gramm beklagte und die für den künstlerischen Be trieb doch wahrlich unentbehrlich sind: Schauspieler, Dichter und Publikum!
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