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"r- is. Friedrich Heorg Wieck s 1864. l'. Die gewerbliche Freizügigkeit nnd die Bedriiikiing der ärmeren arbeitende» Klassen durch die deutsche Heimaths- gesctzgcbnng. t. Die Freizügigkeit als allgemein menschliches Recht. Die einschlagenden Verhältnissen! England, Frankreich, Prenßen. Die Gewerbefreiheit hat seit einem halben Jahrzehnt einen un aufhaltsamen Siegeszug durch die deutschen Staaten gefeiert nnd selbst da, wo die Zunftschranken noch stehen, find ste bereits morsch und wankend, im Prinzip ist man auch in den höchsten Kreisen der noch zurückgebliebenen Regierungen entschieden für die Entfesselung der Arbeit, nur altvererbte Bedenklichkeiten und die gespenstische Scheu des Staatsmanns alter Schule vor jeder Aenderung langbe- stehendcr Zustände hält noch zurück, Hand anzulegen an die doch nicht mehr haltbaren mittelalterlichen Innungen- Aber die Gewerbefreiheit ist nur eine halbe Errungenschaft, wenn nicht die gewerbliche Freizügigkeit in ihrem ganzen Umfange damit verbunden ist, d. h. das Recht, Aufenthalt und Wohnung an jedem Orte unseres großen Vaterlandes zu nehmen, Grundbesitz zu erwer ben , eine Familie zu gründen und nach gewisser Zeitdauer Ortsbür ger zu werden mit dem Anspruch, im Falle der Verarmung von Sei ten der Gemeinde Unterstützung zu finden. Gewerbefreiheit und Freizügigkeit find also erst in ihrer Zuiam- > menfaffung ein wirkliches Ganze, denn so wie die Freiheit der Arbeit werthloS ist, wenn der Arbeiter nicht sich hinwcnden darf, wo er ein reichlicheres Auskommen zu finden hofft, so nützt umgekehrt das Recht freier Wahl in Betreff des Aufenthaltsortes wenig oder gar nichts, wenn nicht eine möglichst unbeschränkte Erwerbsfreiheit da ist, mithin also das Recht, durch Gebrauch angeborener oder erworbener geistiger und physischer Fähigkeiten und Kräfte für sich und der Seinigen Un terhalt ungehindert zu sorgen. Erft mit Erlangung der vollen Freizügigkeit, dieses wichtigsten Grundrechts für die arbeitenden Klaffen, wird es jedem Staatsbür ger, wird es selbst dem kapitallosen Arbeiter möglich, durch Anstren gung aller seiner Kräfte, durch Sparsamkeit und Sitte eine behag lichere Existenz anzustreben und zu erringen, erst so tritt die volle persönliche, bürgerliche und wtrthschastliche Freibeit auch für den Aermsten ein, während sonst, wie wir bald sehen werden, die ost aus- geschriecne Gleichheit der Staatsangehörigen ein leerer Begriff ist. Wer sollte nicht meinen, daß die Freizügigkeit in ihrem vollen Umfange ein natürliches, mit dem Menschen geborenes Recht sei, über das kein Zweifel und Streit noch irgendwo nöthig wäre oder über haupt stattfinden könne. Und doch ist die Verkümmerung dieses Rech tes eine ebenso große als verbreitete, baß sich in manchen Ländern unseres buntscheckigen Deutschlands die ärmere Klasse nicht viel an ders befindet, als die ehemaligen Leibeigenen oder Erbuntcrthänigen in barbarischer Zeit. In Folge dieser traurigen Mißstände setzte denn auch die Natio nalversammlung zu Frankfurt als eines der werthvollstcn Grund rechte aller Volksklassen ohne Unterschied in tz. 3 des RcichsgesetzeS vom 27. Dezbr. 1848, betreffend die Grundrechte des deutschen Vol kes, fest: „daß jeder Deutsche das Recht haben soll, an jedem Orte des Reichsgebiets seinen Aufenthalt und Wohnfitz zu nehmen, Lie genschaften jeder Art zu erwerben und darüber zu verfügen, auch jeden Nahrungszwcig zu betreiben." Unsere hohe Bundesversammlung hat, als sie von den Todten wieder auserstanden war, diese Grundrechte wieder aufgehoben und so fehlt unserem Vaterlande noch immer ein gemeinsames Heimaths- gesetz, welches die Freizügigkeit gewährleistet, ebenso wie uns noch eine gemeinsame Gewerbeordnung mangelt, welche Arbcits- und Gc- wcrbefreihcit gleichmäßig regelt. Und dennoch spricht man immer davon, daß unser Staat ein Rechtsstaat sei. Als ob ein wahrer Rechtsstaat einen anderen Zweck haben könnte, als das Zusammenleben des Volkes so zn ord nen, daß ein jedes Mitglied desselben in der möglichst freien und all- seitigen Ucbung und Benntznng seiner sämmtlichen Kräfte unterstützt und gefördert wird, sodaß die Freiheit der Bürger immer der oberste Grundsatz dieses Rechtsstaates bleibt, in welchem der Mensch alsdann selbst verantwortlich handelt nnd sich ungehemmt bewegt innerhalb der Grenzen der Vernunft. Das war der Grundsatz jenes genialen preußische^ Staats- und VolkSmannes, des von Napoleon tief gebaßten und verbannten Ministers, Freiherr» von Stein. Bereits in der GescdäftSinstruktion für die Regierungen in Preußen vom 26. Dezbr. 1808, der Grund lage zum gejammten neueren Verwaltung-- und Regierung« System des preußischen Staats, dem Meisterwerke Stein'« »ar dieser Grundsatz dadin ausgesprochen