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und verträgt einen gleichen Grad von Reibung und Ab nutzung. Nasen, die unfern Schönheitssinn durch die Poesie und die reizenden Verhältnisse ihrer Form in Anspruch nehmen, können durch den Zauber der Farbe noch an Anziehungskraft gewinnen, aber cs ist die Frage, ob Landschaften, Figuren von Menschen und Thieren einen angemessenen Platz auf solchen Erzeugnissen finden. Eine runde Oberfläche eignet sich nicht gut für ein Gemälde, und die Wirkung einer Zeichnung muß beeinträchtige werden, wenn der Beschauer genöthigt ist im Kreis herumzugehen um sie zu sehen. Deshalb bedeckt der einsichtige Künstler die Fläche mit einem Muster, das theilweise an einer Stelle im Geiste fortgesetzt werden kann, während die anspruchsvollen Landschaften, Figuren, Bildnisse re. in Gestalt von Medaillons angebracht sind, so daß jedes für sich betrachtet werden kann, wie man eben so viele ein zelne Bilder betrachtet, wofern die Vase so aufgestellt ist, daß man ganz um sie herumgehen kann. In vielen Fällen aber ist dies un möglich und der Künstler kommt in die lächerliche unangenehme Lage ein Paar Bilder gemalt zu haben, von denen nur eins ge sehen werden kann. Diese Schwierigkeit wird manchmal durch eine andere überwunden, indem man nämlich die Vase sich auf ihrem Gestell vermittelst einer senkrechten Spindel drehen läßt, wie wir dies an einigen der größten Vasen im Museum zu 8ävre8 gesehen haben, wobei aber das Gefühl von Ruhe, das diese mäch tigen Formen doch sicherlich erwecken sollten, durchaus nicht auf kommen kann. Die auf antike Vasen gebrachten Figuren von Menschen und Dingen aus der Natur tragen sehr oft einen monumentalen Cha rakter und entsprachen den Absichten von Völkern, deren Erinner ungen viel weniger massenhaft waren als die unsrigen und deren religiöse Gebräuche den Gebrauch so verzierter Vasen verschrieben. Diese ausgezeichneten und höchst kunstreichen Formen kennzeichnen die hingebende Zuneigung der Lebenden zu den Abgeschiedenen und bilden einen gewalttgen Gegensatz zu dem entsetzlichen Haufwerk von Mauerwerk, wie wir sie zum Andenken „der stolzen Lodten" er richten. Zn den antike Vasen verzierenden Figuren sind nur sehr wenige Farben zu bemerken. Zu dem was sich denselben in der Neu zeit am meisten zur Seite stellt, können wir das Porzellan von Limges rechnen, bei dessen Verzierung nur Weiß und Schwarz angewendetDird, mit einigen leichten Fleischtönen für dieGestchter und einige andere Theile. Aber die Vase stimmt, wenn sie verständig verziert ist, so schön zu der Poesie des Lebens, und leitet den Geist immer auf so gefällige und künstlerische Gedanken, daß wir dem Styl ihrer Verzierung gern ein weit ausgedehntes Feld gestatten wollen. Anders ist cs mit den Thcilcn ober einzelnen Stücken eincS Tisch geschirrs. Kein noch so entschieden ausgesprochener Grund wirb uns jemals überzeugen, daß es gezicmenb ist die höchst vollendete Kopie nach dem Gemälde eines großen Meisters unter Suppe und Fleisch zu setzen. Keine noch so allgemein angenommene Sitte kann einen Gebrauch schön und edel erscheinen lassen, der in sich selbst den guten Geschmack beleidigt. Schon durch den Um stand, daß man die Wände eines Speisezimmers mit Gemälden schmückt, scheint cs verboten zu sein, Gemälde auf Porzellan an die Gäste zu vertheilen die sich den Augen derselben in wagerech ter Lage und oft verkehrt zeigen und mit Speisen oder den Resten derselben verunziert werden. Entschieden sind wir der Ansicht, daß bei Gegenständen wie Schüsseln, Teller, Schalen und Brüh näpfen die Verzierung von einfachem und untergeordnetem Charak ter sein sollte. Die Gegenstände können an sich selbst gern so schön und zierlich sein, als es eine vernünftige Rücksicht auf das, wozu sie dienen sollen, gestattet, und die Masse des Geschirrs zu mal sollte von der reinsten und vorzüglichsten Art sein. Die Gla sur muß diesen Gedanken an Reinheit zum Abschluß bringen, der Blumenkranz ober eine andere Verzierung den Hauptgedanken an Reinlichkeit des Gegenstandes, von dem wir unsere Nahrung zu uns nehmen sollen, erhöhen, nicht aber stören. Guter Geschmack in der Verzierung wird auch in der kleinsten Einzelheit nicht be leidigen und den Geschmack des Speisenden erhöhen. Eine einsich tige Anwendung von Gold wird die AuSerlesenheit von Porzellan! beurkunden, da es auf gewöhnliche Töpserwaare angewendet nicht an seinem Platze ist. Blumengruppen müssen so angcordnet wer den, daß sie weder durch ihre Größe noch Stellung üblen Ein druck machen. Erst kürzlich kam uns ein Mißgriff dieser Art zu Gesicht. Das Innere einer Theetaffe von Porzellan war mit vier kleinen Blumcngruppen verziert, die nahe am Rande derselben gleichweit von einander abstanden. Eine Gruppe befand sich ge rade in einem Winkel von 90" zu dem Henkel, so daß beim Trin ken die Lippen nicht vermeiden konnten, damit zusammenzutreffen. Guter Geschmack würde die Blumen so angebracht haben, daß die Lippen nur mit dem reinen weißen Porzellan in Berührung ge kommen wären. So verhält es sich mit vielen andern weißen Porzellanartikcln. Der Stoff selbst ist so rein und schön, daß wir von ihm sagen können, wie der Dichter von unsrer ersten Mutter sagte: „Wenn ohne Schmuck, am schönsten geschmückt." Die Mode, die uns mit der entschiedensten Häßlichkeit von Alltagsformen versöhnt, hat den Gebrauch so zu sagen geheiligt, die Teller mit Verzierungen zu überladen. Die Majolikawaare ging voran und die berühmtesten Porzellanfabriken folgten nach und beharren dabei. Nun ist ein Teller gerade kein anlockender Gegenstand an sich. Wenn aber vermöge einer schön gewählten Schmelzmalerei schön verziert, so mag er seinen Platz in einem Schranke unter andern Gegenständen, mit deren Form er überein stimmt, immer ausfüllen. Was aber sollen wir zu einem Ge- schmacke sagen, der die Wände eines Zimmers mit Desserttellern bedeckt? — wagerechte und senkrechte Reihen runder Teller, wie Medaillons in die Wände eingelassen ? Und doch sahen wir ein solches Zimmer in Frankreich, dem allerreizendcn Lande des Ge schmackes — und zwar im kaiserlichen Palaste zu Fontainebleau. Es war auf Befehl Louis Philipp's ausgeführt worden. Freilich kamen die Teller aus der Fabrik von Scvres und jeder trug eine Landschaft, eine geschichtliche Darstellung mit einem Muster oder Arabcskcnrande umgeben. Aber diese grillenhafte Tellftwanb war doch nicht nöthig um zu beweisen, daß die unpassende Ver wendung schöner und kostbarer Erzeugnisse in Häßlichkeit aus schlägt. Ueber die Theorie der Schmclzsarben ist man jetzt so ziemlich klar. Ehcvor umhüllte man die Kunst mit einem Schleier, um sic keuscher erscheinen zu lassen. Man stellte geschworne Leute, soge nannte Arkanistcn an, das Heben des Schleiers zu verhüten. Doch die Wissenschaft machte ihre Ansprüche geltend und bewies ihre Würbe, indem sie unvcrschleicrt auftrat. — III. Vor 20 Jahren veröffentlichte Alfred Esser einen Aufsatz, betitelt: ,,8c>me Account ok tlre t^rd ok kuintinA in Lnuinel''") (Bericht über die Kunst in Emaille zu malen), worin er seine Ansicht dahin ausspricht, daß „Schriftsteller über den Gegenstand „Emaille" die Kunst in Emaille zu malen mit der auf Glas oder Porzellan zu malen zusammenwerfen, wiewol diese 3 Künste fast ebenso verschieden von einander als ihre Erzeugnisse seien ein gemaltes Fenster, eine reichverzierte Vase und ein Emailge- mäldc." William Esser, Emailmaler bei J. M. der Königin und ihres Prinz Gemahls, K. H., schrieb uns ähnliche Ansichten. Nach ihm besteht der Unterschied zwischen Porzellan-und EmailmaUrci darin, daß „letztere so oft als nöthig gebrannt werden kann. Ich beendige nie ein Gemälde," sagt er, „mit weniger alö 10 Mal Brennen, und ich habe eins 30 Bränden unterworfen. Doch das ist un- nöthig. wiewol es dieDauerbarkeit dcrMasse beweist." Der zweite von Esser angegebene Unterschied ist, daß „wegen der starken Hitze, der das Gemälde ausgesetzt wirb, verschiedene Metalle, wie Eisen, Kupfer und Blei für den Emailmalcr ganz unbrauchbar sind." Zur Erläuterung dieser Aufstellungen müssen wir bemerken, daß die Hauptursache, warum diese Kunstzweige, deren guter Erfolg ungemein von chemischen Vorgängen abhängt, so viele Schwierig keiten darbieten, der ist, daß die Künstler keine Chemiker sind. Daher auch kommt es, daß die früheren Schriftsteller über diesen ft I,on6on ancl LclindurKÜ Ulülosoptiical XloxurinL. Vvl. X. 1837.