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Xr. IS. Friedrich Georg Wiecks 1865. Deutsche Die Seide und der Seidenbau. (Schluß.) Die Aufnahme des Seidenbaues in Mecklenburg verdankt mau ungleich weniger der Fürsorge der Regierung, als lediglich dem Eifer einiger für dieSachc warmfühlender Männer. Besonders Dr.Ganzkc war cs, der zuerst einen Hauptvcrcin zur Beförderung der Seiden zucht in Mecklenburg mit dem ursprünglichen Sitz Bützow begrün dete. Allmälig entwickelten sich daraus die Localvercine zu Güstrow, Schwaan, Wismar, die mit dem ersteren in organischer Verbindung blieben. Die Jahresversammlungen werden deshalb auch bald an diesem, bald an jenem Orte umwechselnd abgehalten. Ein selbst ständiger Seidcnbauverein trat mit erheblichen Geldmitteln 1859 zu Rostock ins Leben. Faßt man die Mitglieder aller Vereine zusam men, so steigt ihre Zahl über 400. Im Jahr 1860 betrug die Sei denernte in Mecklenburg etwa 200 Metzen Cocons, 1861 gegen 240 Metzen außer denjenigen Gespinnsten, die man zur Grainszucht verwendet hatte. Selbst bis in die äußersten Theile des nördlichen Deutschlands ist der Seidenbau vorgedrungcu nud hat die Ausmcrksamkeit denken der Männer inAnsprucb genommen. Schon vor 10 Jahren trat auf Anregung des Pastors I)r. Münzenberger in Lübeck ein Seidenbau verein ins Leben, dem sich später Filialvereine für Travemünde und für Stadt und Land Oldenburg anschlossen. Die Zahl der Mit glieder aller Vereine übersteigt 300. Die zahlreich angelegten Maul- becrpflanzungen zeugen überall ein fröhliches Gedeihen bis nach Hol stein hinauf. In seinem Jahresbericht sagt I>. Münzenberger: „Ein einfacher Betrieb, wie der Seidenbau, berechtigt nicht zum Glauben an eine Begeisterung für denselben; anders ist es freilich in Italien, wo die Literatur eine große Zahl poetischer Werke über den in Rede stehenden Industriezweig anszuweiseu hat. Ebenso wenig macht sich' der Vorstand Illusionen vom materiellen Ertragz wer durch Seidenbau in wenigen Jahren reich werden will, baut spanische Luftschlösser. Aber der Sinn, der durch die zeitweilige Beschäftigung mit der Natur daraus erwächst, sowie ein der angewandten Blühe vollkommen entsprechender Lohn sind ihm Veranlassung genug, den selben als Glied in die Volksarbeit einzureihen, und als unsere Le bensaufgabe miterfiillcnd zu empfehlen." In Hannover ist es der Pastor Hölscher in Nienburg, der der Einführung des Seidenbaues mit großer Sorge, Umsicht und Eifer sich hingiebt. Er gründete an seinem Wohnorte Maulbeerplantagen, Seidenraupereien, Grainszüchtung und eine Haspelci mit solchem Erfolge, daß er schon im Jahre 1858 eine Reineinnahme von 553 Thlr. 21 Sgr. 11 Pf. erzielte. Das königliche Ministerium zu Hannover entschloß sich hierauf seiner Thätigkeit ein weiteres Feld cinzuränmen, und gegen einen jährlichen Zuschuß von 300 bis 450 Thaler aus der Staatskasse ihm die Pflicht zu übertragen: für die Hebung des Seidenbaues im ganzen Lande zu sorgen. Wenn nun auch die Seidenernten in Hannover seit dem Jahre 1859 kein be sonders günstiges Resultat ergeben haben, so ist doch dasjenige, was der Nienburger Verein bis jetzt errungen hat, aller Beachtung wür dig. Derselbe besitzt eine Maulbeerplantage, ausgcstattet mit bei läufig 4822 Stammbäumen und Büschen und 4500 lausenden Fuß-Hecken, woraus bereits über 100 Centner Blätter entnommen werden konnten, ungerechnet das Quantum, welches Bäume und Hecken dortiger Privatpersonen lieferten und welches bereits eine Höhe von etwa 40 Centner erreichte. Es gehören ferner dem Verein 10 Morgen Landes, die mit Maulbeersamen-Pflanz- und Baum schulen bestellt sind, und die bereits im Jahre 1852 soviel Laub ge währten, nm die Raupen zu 617 Zollpfund Cocons im Wcrthc von 5051/2 Thaler zu erziehen. Der Verein ist endlich Eigenthümer eines eigenen Locales mit 6 Haspelmaschinen, aus welchen sämmt- liche im Lande czcugte Cocons gehaspelt werden konnten. Man geht damit nm, die Räumlichkeiten noch zu erweitern. Die Strafanstalt auf Schloß Waldheim im Königreiche Sach sen besitzt einige Maulbeeranpflanzungen nnd hat dieselben zur Sei denraupenzucht verwendet. Die Ernte hat in einem günstigen Jahre 68 prenß. Metzen betragen; bei den letzten Zuchten scheint die Krank heit gewüthet nnd das Resultat sehr vermindert zu haben. In Bayern hat mau es nach manchen Versuchen für zweckmäßig erkannt: die Leitung dem Haupt Frauenvcrcin zur Beförderung der Scidcnzncht zu übertragen. Dieser Verein besitzt nicht nur ein eigc nes Hans als freundliches Geschenk des wohlwollenden Königs Lud wig, sondern auch mehrere woblbcstcUte Maulbeerplantagen in ver schicdcncn Gegenden des Landes und außerdem einige funtirte Ca pitalien. Durch Anchtellnngcn und Lotterien hat man das allge meine Interesse fortwährend wach zu halten gesucht und von Seiten der Regierung wie aus den Kreisen des Hofes fließt schon seit 14 Jahren ein jährlicher Zuschuß von 2300 Gulden in die Kasse des Vereins. ES bleibt eine erfreuliche Thatsacbc, daß jetzt die Liebe zum Seidenbau sich über alle Theile des Königreiches Bayern ver- 19