Volltext Seite (XML)
Wurf die alten Innungen bei, so sehr auch zu fürchten sein wird, daß diese Korporationen der Ausführung der neuen Bestimmungen prin- cipiell mancherlei Schwierigkeiten entgegensetzen werden. Einen Fortschritt finden wir indeß darin, daß man in Thüringen auf den Namen „Meister" verzichten will, und daß man ferner den Gewerbe gehilfen gestattet, im Verein mit selbstständigen Gewerbtreibenden oder für sich allein Genossenschaften mit Corporationsrechten unter den für diese bestehenden Voraussetzungen zu bilden. Für das Ge deihen der in England so wirksamen Productiv-Associationen ist dieser neue Zusatz von großer Tragweite. Handels- und Gewerbekammern behandelt der neue Entwurf mit größerer Liberalität als das sächsische Gesetz. Durch Herab setzung der Altersstufe und der Zeitdauer der Ansässigkeit im Bezirke wird die Zahl der Wahlmänner nicht mehr ohne Noth vermindert. Während in Sachsen der Aufwand an Secretariatsgehalten und für Bureaukosten von der Staatskasse getragen wird, läßt man in Thü ringen diejenigen Elasten den Aufwand decken, welche den ersten direkten Nutzen davon ziehen, und dies sind in der That die Gewerb treibenden selbst. Alle andern Paragraphen schließen sich bis auf unbedeutende, durch die Differenz der Behörden und verschiedene anderweitige Ge setze gebotene Abänderungen selbst dem Wortlaute nach dem sächsischen Gesetze an. Die Arbeit ist freigegeben auf allen Gebieten des Han dels, der Fabriken, der Manufacturen und des Handwerks. Damit fallen von selbst die alten Zunftsatzungen mit ihren Beschränkungen über Arbeitszeit, Absatzgebiet, Rohmaterialien, Hilfsarbeiter u.s. w.; beseitigt ist das Verbot, das den natürlichen Rechten des weiblichen Geschlechts zu freier Arbeitsthätigkeit entgegentrat; gefordert wird weder eine Prüfung (Meisterstück, Gesellenstück, Wanderjahre), noch der Nachweis eines bestimmten Vermögens. Jeder, welcher das 24. Jahr (bei Erbgang das 21.) zurückgelegt, kann arbeiten, was, wie und wo er will, nur ist er verpflichtet, dies der Obrigkeit anzu zeigen, welche ihm gegen Entrichtung eines geringen Betrags dar über einen Schein auszustellen beauftragt ist. Dasselbe Gesetz, das vor etwa 5 Jahren als ein außerordent liches Ereigniß betrachtet worden wäre, ist heute — so haben sich die wirtschaftlichen Ideen geändert — nur als nothwendige Ab schlagszahlung zu betrachten. Wenn wir sein Erscheinen dessen un geachtet als ein Ereigniß, ja als einen großen Fortschritt betrachten, so suchen wir die Gründe dafür weniger in dem Inhalte des Ge setzes, als vielmehr in der Vereinigung und in dem Zusammenstehen der thüringischen Staaten, wie in der gemeinsamen größern Gewerbs gruppe, die durch dasselbe für Mittel-Deutschland geschaffen wird. Die dekorativen Knuste im Oriente und in Frankreich. (Fortsetzung ) Seit der Gründung von Byzanz oder, besser gesagt, seit der Zeit, seit welcher die Römer durch ihre Eroberungen mit dem Mor genlande in Berührung kamen, verbreitete sich der Gebrauch der Seide und die Kunst, verzierte Stoffe mit Abbildungen von Figuren und Arabesken zu weben, in Spanien und Italien. Die Muster zu diesen Stoffen kamen aus Persien und Indien über Eonstantinopel und Trapezunt nach Palermo, Lucca, Cordova, Granada, Venedig und Genua, mit einem Worte, alle Städte, welche frühzeitig mit der Levante in Verkehrtraten, ahmten diese Stoffe nach; doch die Copien erreichten nimmer die Originale. Die ältesten mit Gold fäden und Baumwolle durchwirkten Seidengewebe, so gut wie die ! Wollengewebe, Shawls und Teppiche waren mit Figuren verziert, deren Vorbilder in den assyrischen und persischen Basreliefs sich vor fanden. Diese durch eingewebte Gold- und Silberfäden ausgedrück ten Abbildungen stellten Processionen berühmter Personen, Greife, Einhörner, Basilisken, Salamander, geflügelte Löwen und andere mehr oder minder fabelhafte Thiere dar. Gestalten, denen das Mittelalter wiederum seine heraldischen Thierformen entlehnte. Man untermischte diese Menschen- und Thiergestalten häufig mit großen und kleinen Rädern, Rosen und Blumenarabesken, sowie mit Verzierungen und Streifen aller Art und Größe. Später, als der katholische Cultus sich an den Ufern des Bosporus ausbreitete, ver zierte man die für die Kirche bestimmten Stoffe mitScenen aus dem Leben Christi und der Apostel. Nach den Stoffen, welche man in den ägyptischen Gräbern vorfand, gehören zu den ältesten bekannten Stoffen die zu A!x la Chapelle, welche den Reliquien zur Umhüllung dienen, die Karl der Große von dem Kalifen Harun al Raschid zum Geschenk erhielt. Genau läßt sich übrigens das Alter dieser letzterwähnten Stoffe nicht angeben, wenigstens ist, wie es wohl bei solchen Stoffen öfter vor kommt, keine bezügliche Angabe eingewirkt und auf das Muster läßt sich durchaus kein Schluß bezüglich des Alters begründen; denn im Morgenlande wechseln die Moden nicht, wie im Abendlande. Der Inder und der Perser webt noch in derselben Weise, ja benutzt häufig noch dieselben Muster, wie zur Zeit der Sassaniden (218 bis 626 nach Ehr.). Alle diese alten kostbaren Gewebe, welche als Kirchenschmuck und Meßgewänder auf unsere Zeit übergingen und Geschenke ara bischer und türkischer Herrscher an europäische Fürsten waren, sind jedenfalls nie älter als die Zeit, in welcher die Uebergabe des Ge schenkes erfolgte; denn meist wurden dieselben nur eigens zu diesem Zwecke angefertigt, wie ja noch jetzt dieselben Stoffe in Asien ge webt werden. Die morgenländische Civilisation ist groß in ihrer imposanten Unbeweglichkeit. Wie die Gesänge Homers durchschritt sie die Jahr Hunderte, ohne davon berührt zu werden, fremde Eroberer sich unter werfend. Ihr ist ein Typus der Ursprünglichkeit und Selbstständig keit ausgeprägt, welcher sie befähigt, aus sich selbst Alles zu schöpfen, ohne von außen Fremdes entlehnen zu müssen. Die Harmonie, welche man in den Bildwerken des Orients bewundert, drückt sich in dem Zusammenstimmen der Menschen und Dinge, der Monu ments und Landschaften aus. Nach den arabischen und persischen Schriftstellern weiß man, daß die großen Webereien Asiens in ihren Producten die Schönheit der Zeichnung und der Farben mit der Anziehungskraft von Scenen des orientalischen Lebens zu verbinden wußten; diese Scenen bestan den aus Jagden, Festen, Kriegszügen u. dg!. Makrizy erzählt, daß, als im 460. Jahre der Hedschra die türkische Garde sich gegen den Kalifen El-Mustanzor-Billah empörte und den Palast desselben plünderte, sich unter den seidnen, mit Gold durchwebten Wandteppichen aller Art, über tausend Stück Stoffe vorfanden, auf welchen der Reihenfolge nach die verschiedenen ara bischen Dynastien dargestellt waren. Die Abbildungen zeigten die Porträts der Herrscher, und daneben befanden sich die Jahre ihres Alters, sowie die Verzeichnisse ihrer berühmtesten Thaten ein gewebt. Die Zelte der Kalifen, die Pavillons und weiten Säle ihrer Paläste waren mit golddurchwebten Sammt- und Seidenstoffen be hängt. Auf denselben befanden sich, gewirkt oder gemalt, Abbil dungen menschlicher Figuren, Elephanten, Löwen, Pferde und Thiere aller Art. Das reichste und merkwürdigste dieser Zelte ist das des genannten Kalifen. Es führte den Namen der großen Rotunde. Hundert Kameele waren nölhig, die verschiedenen Theile desselben, sowie die dazu gehörigen Seile, die Möbel und Geräthe aller Art, welche den Zubehör ausmachten, fortzuschaffen. Die Wände dieses gewebten Palastes waren mit Figuren von Thieren und Gemälden von großer Schönheit bedeckt. Dieses Zelt wurde gegen die Mitte des 10. Jahrh. gefertigt und maß 500 Arnilängen im Umfange. Hundertundfunfzig Arbeiter waren 9 Jahre hindurch mit der Aus führung desselben beschäftigt. In den Archiven des Mittelalters, in den Rechnungen der kö niglichen Schatzkammern, wie in denen der Kirchen findet man An gaben folgender Art: „Ein Stück Stoff von rother Seide mitGold und Silber durch webt, besäet mit goldenen Pfauenaugen oder mit Löwenbildern ge ziert und am Rande arabische Chiffcrn eingewirkt." Die Leichentücher, welche man in den Gräbern der Könige und Bischöfe aus dieser'Zeit findet, sind häufig mit arabischen Charak teren verziert. Das Museum von Cluny, vormals berühmte Bene- dictiner-Abtei im Departement der Saone und Loire / besitzt ein schönes Muster eines solchen Stoffes orientalischen Gewebes. Der Gebrauch, die Tobten mit kostbaren Stoffen zu umhüllen und die Särge mit Decken von Seide, Gold und Kaschmir zu überdecken, besteht noch jetzt im Oriente. In den türkischen Familien webt man noch jetzt im voraus die Stoffe, welche bei Geburten, bei den Hochzeiten und Begräbnissen gebraucht werden. Auf den Gemälden des Mittelalters und der Renaissance sieht man häufig die Kleider, die Glorien der Heiligen, die Meßgewänder > und Mäntel der Priester mit orientalischen Charakteren geschmückt