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hin besser, daß das Privilegium in den Händen des Staats bleibt, da auch Verpachtung an einen Privatunternehmer ihre Schattenseiten hat. Es ist nämlich vom Staate zu erwarten, daß er das Gemein wohl besser im Auge behalten wird, als eine Privatgesellschaft, die in erster Linie an ihren pecuuiären Gewinn denkt, wie auch das Volk durch seine Stände weit leichter Einfluß ans die Herbeiführung von Reformen bei einer Staatsanstalt erlangt, als bei dem Privatunter nehmer, der sich auf die eingegangcnen Verträge stutzt. Die Erfah rung hat ja auch gelehrt, daß die Thnrn und Taxis-Postvcrwaltung sich zu Reformen weit schwerer entschlossen hat, als die benachbarten Postvcrwaltungen der übrigen deutschen Staaten, und wenn die Staatsindustrie, in so weit sie sich auf die Beförderungen von Brie fen, Depeschen und Pagueten bezieht, auch ihre Schattenseiten hat, so heißt „sich für die Beibehaltung entscheiden" für jetzt der Ucbel kleinstes wählen, und hoffen, daß angemessene Reformen von den staatlichen Behörden mindestens ebenso zu erhalten sein werden, als von einem mit dem Einzel-Privilegium ausgerüsteten Privatunter nehmer. Der Ausschluß der Concurrenz spricht sich gewöhnlich zuerst darin aus, daß für die erhaltenen oder übernommenen Dienstleistungen zu hohe Entschädigungen beansprucht werden, und finden wir dies auch bei dem Post- wie bei dem telegraphischen Verkehr bestätigt. Bleiben wir, was zuerst die Poft betrifft, bei dem Tarif dcS deutsch-öster reichischen Postvereins stehen, so finden wir 4 Satze zu V2, 1, 2 und 3 (resp. bei unfrankirten Briefen 4) Sgr. für den einfachen Brief, der weniger als 1 Loth wiegt, und zwar wird der Preis für die Be förderung der Korrespondenz nach den Entfernungen von bis 10 Mei len, 10 -20, und über 20 Meilen bemessen. Als dieser Tarif vor nunmehr 11 Jahren ins Leben trat, war dadurch ein großer Fort- ! schritt geschehen, da vorher innerhalb des Gebiets die verschiedensten Sätze herrschten und die Korrespondenz in die Ferne weit höher be- ! lastet war. Der Verkehr ist indessen in dieser kurzen Zeit so bedeu- tcnd gestiegen, daß die Postanstalten in der.Lage find, den Tarif wei- ter hcrabzusctzeu, und darf als Endziel die Neduction des Tarifs bis i zu einer einheitlichen und gleichen Minimal-Portotaxc für den ein- fachen Brief ausgestellt werden, etwa in ähnlicher Weise wie in Frank- , reich für einen Brief innerhalb der Landcsgrenzen 25 Centimes, in - Spanien 24 Maravedis (1^ Sgr.), in Rußland 10 Kopeken S. ! l--- 3'/, Sgr.) ohne Unterschied der Entfernung bezahlt werden. In diesen Ländern ist der Portosatz allerdings noch ziemlich hoch, und ist z. B. bei Rußland nicht außer Betracht zu lassen, daß in dem großen wenig bewohnten Reiche große Entfernungen und eine ver- hältnißmäßig geringe Korrespondenz einen niedrigem einheitlichen Satz wohl kaum gestattet haben würden Die genannten Staaten sind dem Beispiele Englands gefolgt, das durch die Annahme der Pennhtaxe einen für damalige Zeiten überaus kühnen Schritt that. Um die Möglichkeit der Durchführung für Deutschland nachznweisen, giebt es kaum ein besseres Mittel, als aus die überraschenden Erfolge der englischen Pennhtaxe hinzuweiscn. Als im Jahre l837 eine Commission des englischen Parlaments sich mit Ermäßigungen des Portosatzes beschäftigte, erschien eine Schrift über Postrcform von Roland Hill, in welcher der Verfasser vor schlug, die Bricftaxe nicht mehr nach Entsernungssätzen—innerhalb des Weichbildes von London kostete damals der einfache Brief 2 Pence und stieg bis nach Schottland und Irland bis auf 12 und 15 Pence — scstzustcllcn, sondern für alle Entfernungen der 3 Kö nigreiche auf den gleichen Portosatz von 1 Penny Sgr.) herab zusetzen. Nach längeren Verhandlungen trat dieser Plan mit dem 10. Jan 1840 ins Leben, und die Erfolge, welche damit erzielt worden sind, bilden einen der glänzendsten Beweise für die Richtig keit eines einheitlichen Minimalsatzes. Im Jahre 1839 hatte die Zahl der beförderten Briefe 75 Millionen betragen*); sie stieg in 1840 auf 168 Mill.; bis 1848 auf330 Mill-, 1858 auf522 Mill., d. h. auf das Siebenfache der Briefzahl des Jahres 1839. Freilich ist der finanzielle Reinertrag in den ersten Jahren weit hinter den Berechnungen Hill's zurückgeblieben, denn nur erst 1850 war der frühere Bruttoertrag und erst nach 18 Jahren der frühere Reinertrag erreicht worden. Gleichwohl hat selbst bei der Regulirnng des Steucrwesens und bei der zeitweiligen Erhöhung der vorhandenen oder der Einführung neuer Steuern Niemand daran gedacht, eine Erhöhung der Posttaxc vorznschlagen, und ist man gewiß mit großem Rechte von dem Grundsätze ausgegangcn, daß selbst ein Verlust der - *) Nach dem Bremer Handelsblatte Jahrgang 1859. Staatskasse durch das Steigen anderer Einnahmen, welche damit in engem Zusammenhänge stehen, wieder ausgeglichen würde. Trotzdem daß solche Erfolge ganz für sich sprechen, sobald man nämlich im Interesse der fiScalischen Kaffen nicht eine sofortige Ein führung, sondern eine stufenweise Reduction bis zum Minimalsatze von etwa 1 Groschen für Deutschland vorschlägt, fehlt es doch nicht an Vertheidigcrn des alten Systems, welches das Porto mit der Ent fernung steigen läßt. Die stufenweise Erhöhung der Taxe soll der gerechten Vertheilung der Lasten mehr entsprechen, da für einen Bries, der 30 Meilen weit geht, mehr zu zahlen sei, als für einen solchen, der nur 5 Meilen weit zu besorgen ist. In früherer Zeit, als die Eisenbahnen noch nicht bestanden, mag dies zum größten Theile rich tig gewesen sein, obgleich damals schon, als der Briefverkehr ganz und gar auf die Fahrpost angewiesen war. eine große Anzahl von Briefen, welche zwischen zwei entfernter» großen Städten Tag für Tag zu besorgen waren, der Poft mehr Reingewinn abwarsen, vielleicht auf den einzelnen Brief berechnet, nicht so viel kosteten, als ein Brief nach einem näher gelegenen aber unbedeutendem Orte, nach dem trotz des geringeren Verkehrs eine Fahrpost unterhalten werden mußte. Seitdem ganz Deutschland mit Eisenbahnen durchzogen ist, hat sich der Kostenpunkt wesentlich verändert. Die eigentlichen Beför derungskosten bilden überall da, wo Transport durch die Eisenbah nen möglich ist, einen überaus kleinen Theil des Aufwandes, während die meisten Kosten aus der Annahme und Abgabe der Briefe, der Expedition und dem Rechnungswesen erwachsen. Ob ein Brief 10 oder 50 Meilen mit dem durchgehenden Courirzuge befördert wird, ob mit demselben Zuge 100 oder 10,000 Briefe befördert werden, ändert an den Transportkosten so gut wie Nichts. Dagegen ist es von Bedeutung, wenn bei Nebenrouten, welche keinen starken Corre- spondenzverkehr aafzuweisen haben, eine Fahr- oder Botenpost unter halten werden muß, und erfordert das Postfclleisen, welches mit der Bahn 100 Meilen weit nach einer großen Stadt befördert wird, in den meisten Fällen geringere Kosten, als die geringe Anzahl von Briefen, welche nach einem nur 3—5 Meilen entfernten wenig fre- quentirten Orte Tag für Tag mit Hilfe deS Postwagens gefahren werden müssen. Wollte man das Princip der gerechten Vertheilung der Lasten bei der Portotaxe auf die Spitze treiben, so könnte es leicht geschehen, daß die Korrespondenz in die Ferne billigere Sätze bewilligt erhalten müßte, als ein großer Theil der nahen Korrespondenz. Erwägt man endlich, daß bei dem lebhaften Briefoerkehr, wie er in industriellen Ländern sich herausftcllt, etwaige vorhandene Ungleich heiten sich dadurch von selbst wieder ausgleichen, daß wer heute auf irgend eine Strecke einige Pfennige zu viel bezahlt hätte, morgen bei der weiteren Korrespondenz dafür wieder zu wenig zahlt, so werden sich selbst diejenigen zufrieden geben können, welche das Porto prin- cipiell streng mit der Entfernung steigen und fallen lassen wollen. Im Laufe der Zeit hat die Post neben ihrer eigentlichen Aufgabe als SpcditionSanstalt für den Brief- und Paqnetverkehr noch eine Nebenaufgabe erhalten. Die Reineinnahmen der Poftanstalten sind in den deutschen Staaten, wo die Staatsindustrie damit beauftragt ist, nicht unbedeutend, und im Staatshaushaltspläne bildet der Ab schnitt „Poftrevenüen" eine stetig wiederkehrende und ergiebige Ein nahmequelle. Das, was die Poft über die volle Entschädigung ihrer Dienstleistungen erhebt, kann man wohl nicht mit Unrecht unter dem Gesichtspunkte einer Steuer ausfassen. Je höher die Steuer ansteigt, desto mehr wird im Publicum das Streben vorherrschen, sie zu ver meiden oder zu hiutergehcn, d. h. es werden weniger Briefe aufgege ben, deren Porto hoch ist und die Korrespondenz nur aus solche Fälle beschränkt, welche unumgänglich nothwendig sind, oder einen sichern Gewinn abwerfen. Umgangen wird die Steuer auf dem allerdings ungesetzlichen Wege, indem Briefe zu höheren Portosätzen vereinigt als Paqucte aufgegeben werden m>d der Absender den Empfänger ersucht, die Besorgung an Ort und Stelle zu übernehmen.*) Die Verthcidigcr des Systems, welches das Porto nach der Ent fernung steigen läßt, haben diese Nebcnaufgabe der Post in der Re gel ganz außer Acht gelassen und sie hatten in so fern Recht, als es unbillig ist, wenn der Staat für seine Dienstleistungen mehr als die *) Zehn einfache Briefe von Leipzig nach Berlin kosten zehnmal 3 Neu groschen; in einem Paquet vereinigt befördert sie die Post für 5 Ngr., und brauchen wir nicht zu erwähnen, daß di- zu hohe Taxe in radelnswerther Weise dadurch selbst von Solchen umgangen wird, welche sich in allen anderen Punkten der größten Reellilat befleißigen und sich an die be stehende Gesetzgebung halten. Würde die Portotaxe siir den einfachen Brief nur 1 Ngr betragen, so würde der geringere Gewinn kaum zur Ueberschreitung der gesetzlichen Bestimmungen verleiten