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»r. is. Iriedrich Georg Wiecks Deutsche Posten und Telegraphen. Von Or. H. N entz sch. ' I. Neber die Bedeutung und Wichtigkeit der Posten und Telegraphen für den Verkehr, wenn auch etwa nur einleitungsweise, irgendwelche Andeutungen zu geben, würde heut zu Tage eine ganz unnöthige Be mühung sein, da der Einfluß dieser Vcrkehrsanstaltcn auf die in dustrielle Entwicklung von Niemand bezweifelt wird, wenn auch zu gegeben werden mag, daß die Intensität der Einwirkung nicht von Allen in ihrer ganzen Höhe erkannt wird. So verschieden beide Ver kehrsmittel in ihrem Betriebe sind, so haben sie doch bei gleichen Zwecken so viel Ucbereinstimmendes, daß eine gemeinschaftliche Be handlung schon dadurch gerechtfertigt ist. Die Analogie tritt aber sofort noch stärker hervor, sobald darauf hiugcwiesen wird, daß bei dem Post- wie bei dem Telegraphcnwesen fast dieselben Reformen und zwar aus ganz gleichen Gründen im Interesse des steigenden Verkehrs zu wünschen sind. Seit der Errichtung der ersten Poststationen, die sich für Frank reich etwa bis auf die Regierung Ludwig's XI. und in Deutschland bis Kaiser Maximilian I. zurückführen lassen, sind die Postanstaltcn in fast allen Staaten als ein Monopol ter Regierung beibchaltcn worden. In einigen deutschen Ländern findet zwar insofern eine Ausnahme Statt, als die reichsfürstliche Familie Thurn und Taxis in dem Besitze des Privilegiums sich befindet, doch besteht ein wesent licher Unterschied nur nominell, sactisch bietet das erbliche Eigen- thumsrecht und die Postverwaltung der Taxis'schen Familie dieselben Vortheile und Nachtheile der Staatsindustrie. Achnlich ist es bei dem Telegraphenwesen. Hier hat sich zwar die Richtung der neueren Zeit in so weit geltend gemacht, als z. B. die meisten deutschen Staaten den Betrieb der Privatdepeschen nicht als ausschließliches Regie- rungsmvuopol in Anspruch genommen, sondern den Eisenbahnver waltungen gestattet haben, auf der Ausdehnung ihres Bahnkörpers dem Privatverkehr in dieser Hinsicht zu dienen, und als z. B. Eng land den Verkehr fast ganz sreigegeben, hat in den meisten Staaten indessen die Privatthätigkeit gar nicht einmal den Versuch gemacht, mit der Staatsindustrie zu concurriren, und in den übrigen Ländern ist dies nicht einmal gestattet. Die neuere Volkswirthschaftlehre hat sich im Allgemeinen gegen jede industrielle Thätigkeit des Staats mit großer Entschiedenheit ausgesprochen, und haben die Mängel, welche beiden Verkehrsanstal. ten noch anhaften, dazu dienen müssen, um auch hierin vom Staate das Aufgeben seines Monopols zu verlangen. Freie Concurrenz ist wirklich auch das beste Mittel, vorhandene Nachthcile zu beseitigen, und vor allen Dingen etwaige zu hohe Forderungen für gewährte Dienstleistungen auf das beste Maß zurückzusühren. Gerade bei Posten und Telegraphen möchte es aber zur Zeit noch nicht zu em pfehlen sein, das Princip auf die Spitze zu treiben. Eine Privatge sellschaft würde wahrscheinlich Briefe weit billiger befördern, als es jetzt von Seiten des Staats geschieht, sie würde jedenfalls auch den Wünschen des Publicums schneller nachkommen, und was einheitliche Leitung, geregelten Zusammenhang und pünktliche Ablieferung der übergebenen Briefe und Paquetc betrifft, dasselbe leisten zu können, was der Staat leistet. Höchst wahrscheinlich würde auch das Brief- gehcimniß in den Händen einer Privatgesellschaft besser respectirt werden, als cs von Seiten mancher Regierung — wir erinnern an Ueberschreitungen, welche aus Frankreich, Oesterreich und Rußland mitgethcilt worden sind — geschehen ist. Hinsichtlich der Telegraphen hat der Betrieb der Privatdepeschen durch die Eisenbahnvcrwaltungen bereits dargethan, daß der Privatbetrieb ganz dasselbe, wie die Staatsindustrie zu leisten vermag, und wenn man von den Staats beamten eine strengere Discretion erwartet und beispielsweise auf die Verpflichtung als Staatsdiener hinweist, so ist doch nicht n priori anzunehmen, daß die gleichfalls verpflichteten Beamten einer Privat gesellschaft ihr Amtsgcheimniß nicht gleich gut wahren würden. Aber wir haben bis jetzt nur von Einer Privatgesellschaft ge sprochen und von dieser behauptet, daß sie unter gewissen Garantien, die der Staat doch verlangen würde, gerechten Anforderungen ent sprechen könnte. Das ändert sich sofort, wenn von freier Concurrenz die Rede ist und für ein bestimmtes Gebiet beliebig viele Privat unternehmer auftreteu können. Wer wollte hier verkennen, daß mit den niedrigsten Preisen, welche die Concurrenz svfvrt schaffen würde, auch die Sicherheit der Bestellung überall da verloren gehen würde, wo man unterlassen hätte, sich eine Austragsbcschcinigung auSstcllen zu lassen. Die Wünsche des Publicums würden zwar sofort zu er füllen versprochen werden, aber auch in solchen Fällen, wo das Hal ten absolut unmöglich ist. Die Post, und fast in derselben Weise die Beförderungen von telegraphischen Depeschen erweisen sich als solche Institute, welche eigentlich eine freie Concurrenz nicht zulasten, und da die Privat gesellschaft in ihrem Interesse wie im Interesse des corrcspottdircndcn Publicums sofort ein Monopol beanspruchen würde, bleibt cs immer-