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Herausgegeben von Otto Dammer Uchtttlldzwlttlzil^ter ^llhlMllts. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postämter. Wöchentlich ein Pogen s. Das EniMte-Verfahren. Von Adolph von Carnap, köuigl. Kommerzicnrath. „Prüfet Alles und behaltet das Beste"; dies ist der Wahlspruch der Staatsmänner Englands. Wo wichtige und schwierige Verhält nisse obwalten, da werden umfassende offizielle Vernehmungen von Sachverständigen «»geordnet. Die Bctheiligten werden vernommen, ebe die britische Gesetzgebung zu neuen Maßregeln schreitet. Diese offiziellen Vernehmungen von Sachverständigen znr Er forschung der wahren Sachlage im Interesse des Staats, geschehen in Großbritanien zum Theil durch „Commisfioners", welche die Regierung mittelst direkter königlicher Bestallung ernennt, und welche meistens in den betreffenden Distrikten des Landes an Ort und Stelle die ihnen anfgctragencn Erkundigungen cinziehcn. Sie sind zu dem Ende ermächtigt, Sachverständige znr Vernehmung vorzuladen, die jedoch nicht nöthig haben, über zehn englische Meilen sich von ihrem Wobnorte zu entfernen, dieselben zu beeidigen und sich die zu diesem Zwecke erforderlichen Dokumente einreichen zu lassen. Die Protokolle über diese Vernehmungen, nebst den dazu gehörigen Anlagen, werden mit einem Berichte gedruckt und je nach Umständen dem Parlamente vorgclegt. Diese „Commissioners" werden von der Regierung thcils auf Ansuchen des einen oder anderen Hauses angcordnct. Außerdem geschehen auch die gedachten Vernehmungen durch Par laments-Ausschüsse, sogenannte „Select-CommittceS", welche sowohl vom Hause der Lords, als auch vom Unterhausc eingesetzt werden. Das Oberhaus ernennt diese Untersuchungs-Ausschüsse ungleich sel tener, und die von denselben vorgcladcnen Sachverständigen werden beeidigt und demgemäß eine etwa mit Absicht falsch abgegebene Aus sage wie Meineid bestraft. DaS Unterhaus, das nicht wie das Ober baus zugleich Gerichtshof ist ,,nd daher nach englischen RcchtSauf- fassungcn keinen Zeugeneid abnehmcn kann, muß sich damit behelfen, wissentlich falsche Aussagen als Privilcgicnbruch mit willkürlicher Strafe zu belegen. Diese Ausschüsse bestehen in Folge einer Anord nung vom Jahre meist immer «ns fünfzehn Mitgliedern, welche, nach vorgängiger Verabredung mit ihnen, von Seiten des Antragstellers, namentlich vorgeschlagen werden. Eine größere Zahl von Mitgliedern erfordert einen spezielle» Beschluß des Hauses. In der Regel werden diejenigen, welche sich für eine Angelegenheit beson ders intcressiren, in den betreffenden Ausschuß gewählt; auch wird mit größtmöglichster Unpartheilichkeit dahin gestrebt, die entgegen- stehenden Ansichten in geeigneter Weise darin vertreten zu lassen. In der Regel geschieht das Abhören von Zeugen durch einen Ausschuß öffentlich, so daß selbst die Berichterstatter für Zeitungen gegenwärtig sein können, jedenfalls aber die Mitglieder des betreffenden HauseS. Dagegen sind die Berathnngen des Ausschusses geheim. Ein jeder Ausschuß im Ober- oder Unterhausc hat das Recht, die Vorlage von Papieren aller Art durch die Behörden zu verlangen und jeden englischen Unterthan zur Abgabe eines mündlichen Zeug nisses vorzuladcn. Weigert sich ein Vorgeladener zu erscheinen oder zu antworten, so wird er auf Anordnung des betreffenden Hauses nach an dasselbe abgcstattctem Berichte, von dem Beamten in Haft gebracht, und dasselbe Schicksal trifft Jeden, der einen Vorgcladcnen bei seiner Weigerung unterstützt; die Dauer der Haft liegt im Er messen deS Hauses und hört beim Wegfall der Weigerung in der Regel auf; sie endet von selbst beim Schluffe der Session. Jedem Vorgcladcnen werden aber von Staatswegen nicht bloS die Kosten, einschließlich entzogenen Arbeitsverdienstes vergütet, sondern er sowie sein Sachanwalt, sofern er einen solchen mitbringen darf, sind auch während der Dauer ihres Verhörs frei von gerichtlicher Haftnahme, die Ergreifung auf frischer Thai natürlich ausgenommen. Auch können sie für den Inhalt ihrer Aussagen niemals vor Gericht gezo gen werden. Um eine Vernehmung zu halten oder einen Beschluß zu fassen wird meistens die Anwesenheit von fünf Mitgliedern für erfor- liäi erklärt; der Vorsitzende des Ausschusses stimmt nicht mit, sein Votum entscheidet nur hei Stimmengleichheit. Jedes AuSschußmii- glicd bat das Recht, i» Bezug auf die vorliegende Sache, jede belie bige Frage zu stellen. Ueber diese, sowie über die darauf erfolgenden Aussagen wird ein vollständiges Protokoll stenographisch ausgenom men und dabei auch der Name deS Fragestellers regelmäßig mit auf geführt. Das Protokoll wird, nachdem es dem Vernommenen zur Redak- tionSrcvision zugcsandt worden, nebst den statistischen Nachweisen und andern dazu gcbörigen Anlagen sofort gedruckt und den Aus schußmilgliedern zngcsteilt, darf jedoch, bevor nicht das Ganze dem Parlamente vorgclegt worden, nicht veröffentlicht werden Diese Vor lage geschieht entweder, wenn die ganze Untersuchung geschlossen wor den, nebst einem begleitenden oft nur sehr kurzen Bericht, oder auch, wenn die Vernehmungen sehr umfangreich auslallen, suecessive. Den vollständigen Protokollen und Anlage» werden auf Veranlassung der Ausschüsse meistens ausführliche Inhaltsverzeichnisse und Register beigcfügt, wodurch die praktische Benutzung dieser voluminösen Do kumente erleichtert, oder in manchen Fällen eigentlich erst möglich