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1863. Ur. 19. Herausgegeben von I)r. Otto Dammer. Friedrich Georg Wieck s Deutsche Achtimdzwanzigster Jahrgang. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postämter. Wöchentlich ein Bogen. Die Verhandlungen des zweiten schlesischen Gewerbctagcs. (Fortsetzung u. Schlup.) Ein ferneres Interesse für die Leser d. Bl. dürften einige sta tistische Ermittelungen über die schles. Gewcrbevereine haben, die von dem Secretair des schles. Central-Gewerbe-Vercins, Hrn.Or. Fiedler gesammelt worden find. Im Jahre 1828 entstand der erste schlesische Gewerbe-Verein in Breslau, dem die Vereine in Görlitz (1830), Löwcnberg und Bnnzlau (1832), Schweidnitz und Ncusalz (1836), Lauban und Langenbielau (1839) folgten. 1844 wurde der technische ! Verein in Liegnitz gegründet. Am reichlichsten sproßten diese Ge werbe-, Vorschuß- und Handwerkervereine nach 1860 auf. Der Op position gegen die Principicn der Gewerbefreihcit verdanken einige kümmerlich vegetirenden Vereine der Zünfter ihre Gründung in der neuesten Zeit. Schlesien hat 80—90 gewerbliche und Vorschnßvereine. In den Provinzialstädten sind beide Classen von Vereinen meist durch das Band gemeinsamer Vorstandsmitglieder verbunden. Der Procentsatz der Mitglieder zur Einwohnerzahl beträgt für den Gewerbcverein in Breslau 0,86 in Görlitz I,2"/„, in Lauban 3"/«, in Guhrau > und Hainau 3,5"/g, in Kattowitz 3,6 "/g. Kattowitz ist bekanntlich durchaus ein Product der Neuzeit, des mächtig entwickelten indu- stricellen Lebens in Oberschlesien. Außer eigentlichen Gewerbetrei benden finden sich Kaufleute, Lehrer, Acrzte ziemlich zahlreich. Ju risten dagegen sehr wenig vertreten. Der Breslauer Handwerkervcrcin bielt 76, der Liegnitzer Handwerkervcrcin 40 Sitzungen. Am gering sten war die Zahl der Sitzungen in Schweidnitz (9). Der Gewerbe- Verein in Breslau hat eine Bibliothek von 4000, der in Görlitz von 1581, Liegnitz von 1500 Bänden, während diese Sammlungen bei den kleineren Vereinen noch vielfach fehlen. Die Jahresbeiträge variiren zwischen 15 «gr. und z Thlru. Die jährliche Gcsammt- einuahme beträgt beim Breslauer Gewerbe-Verein 1232 Thlr., beim Breslauer Handwerkcrvercin 688 Thlr. u. s. f. Ein nicht un beträchtlicher Antheil der Einnahmen wird in Breslau für das Gc- wcrbcblatt und die Bibliothek-Vermehrung verwendet. Für letztere geben auch die Provinzialvereinc nicht unbedeutende Summen ans. Das Capitalvcrmögen der Vereine ist gering-, beim Breslauer Ge werbe-Vereine cirea 1300 Thlr. Bei gcmcinnützlichen Angelegenhei ten haben sich die Vereine vielfach bctheiligt. Die leider noch nicht genügend verbreiteten Sonntags-Lchrlingsschulen sind meist von den Gewerbe-Vereinen gegründet. Dies führt mich auf den Vortrag des Lehrers Or. Thiel über die Sonntags-Lehrlingsschulen. Es sind vom Central-Gewerbe-Vereine bei den verbundenen Vereinen Schle siens und den Central-Gcwcrbe-Vereinen anderer deutschen Staaten Anfragen über den dermaligen Stand dieser Schulen in ihrem Wir kungskreise gestellt und auf das Freundlichste beantwortet worden. Es stellte sich aus Lein sehr umfangreichen Material leider die ziem lich beschämende Gewißheit heraus, daß verhältnißmäßig in Schlesien viel weniger geschehen ist, als in Len kleineren Staaten Deutschlands, Lieder gedachten Provinz in Flächennmfang und Bevölkerung bedeutend nachstchen. Dabei ist anzunehmen, daß mit Ausnahme der Rheinprovinz etwa, Schlesien die übrigen Provinzen Preußens noch übertrifft. Während z. B. das Großherzogthum Baden mit i Vr Mill. Einwohnern und kaum 280 Q.-M. Umfang 38 Gewerbeschulen mit einem Zuschuß von 16,500 Gulden, und 1500 Gulden zur Ausbil dung der Gcwerbeschullehrer, Würtemberg (1V4 Mill. Einw. und 354 Q.-M.) 87 gewerbliche Fortbildungsschulen mit 7273 Schü lern, Nassau (V2 Mill. Einw. und 85 Q.-M.) 26 Gewerbeschulen mit 2241 Schülern, und 4500 Gulden Staatszuschuß, Hannover (2 Mill. Einw. und 700 Q.-M.) 37 Gewerbeschulen mit 176 Leh rern und 4244 Schülern, mit einer Einnahme von 13,192 Thlrn., endlich das Großherzogtbnm Hessen (1 Mill. Einw. und 150 Q.-M.) 55 Handwerkerschulen zählt, besitzt Schlesien (mit 3'/^ Mill. Einw. und 742 Q.-M.) 1 Bauschule, 3 Gewerbeschule» und 20—30 Hand- wcrker-Sonntagsschulcn. Um hier Abhilfe zu schaffen, kann es bei dem bisherigen Modus, wo meistens nur die Anregung durch die Gewerbe-Vereine gegeben, wo in ungenügender Weise, bei spärlich zugemcssener Zeit, von schlecht oder gar nicht honorirtcn Lehrern der Unterricht crthcilt wird, auch der Besuch durch die Gleichgültigkeit der Meister und Lehrlinge ein sehr unregelmäßiger ist — »'Ht bleiben. ES muß den Gemeindcvoiständcn zur Pflicht gemacht werden, für die Errichtung und Unterhaltung genügender Schulln der Art zu sor gen. Die Kosten müssen principaliter aus der Gcmcindekasse bestritten werden, doch sind auch Innungen und Gewerbe-Vereine gewiß gern bereit, helfend cinzntretcu, soweit ihre Mittel reichen. ES scheide sich der Unterricht in einen Nachhilfe-Curs, den die Lehrlinge besuchen müssen, der die Zwecke einer guten Volksschule verfolgt und das in der Bildung deS Lehrlings ergänzt, was er bei dem meist zu früh zeitig erfolgten Austritt aus der Volksschule nicht erreicht bat — und einen Fortbildungs-Curs, der den aufstrebenden Jüngling in einer ansprechenden, scincm entwickelteren Geiste angcpaßten Weise in die Fächer der Naturlchre, Geographie, Geschichte, deS Zeichnens