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und eingebrannt, geben ein höchst intensives Schwarz. Legen wir ! ein rothgesärbtes, ein gelbgefärbtes und ein blaugefärbtes Glas über einander, so erhalten wir absolute Finsterniß. Die sogen. Hyalith- Gläser, die schwarz und undurchsichtig sind, werden mittelst solcher Gemische hergestellt. Das eine Mal ergiebt also die Combination der Grundsarben ! Weiß, das andere Mal Schwarz; der ganze Unterschied liegt ein fach in der Intensität der Farben, d. h. ob die Farben mehr Licht verscbluckeu oder zurückwerfen, ob sie mehr mit Schwarz oder mit Weiß gemiscbt sind. Wir muffen daher bei einer und derselben Farbe noch berücksichtigen, ob sie viel Licht oder viel Schatten enthält, und er halten so Tonleitern von verschiedenen Farbeutöuen. Diese Ucbergänge von den hellsten zu den dunkelsten Tönen der selben Farden-Nuauce bilden natürlich fast unbegrenzte Reihen, die sich wie Glieder einer Kette aneinander schließen, vom Dunkel zur Mittelfarbe und zu Hell fortschreiten. Ich will nur bei wenigen Farben diese Stufenreihe in den hervorragendsten Gliedern ver folgen. Die Tonleiter des primären Roth hat den Dreiklang Pan- ceau-, Kirsch- und Nosenroth. Das Gelb die Gold-, Im- mortell- und Strohfarbe, auch wohl Goldgelb, Citronen- und Schwefelgelb, das Blau Berlinerblau, Ultramarin und Himmelblau. Die Farbenscala des Schwarz ist Dunkel schwarz, Eisengrau und Perlgrau, Dominante, Terz und Quinte, deren wir als Octave das reine Weiß anschließen können. Alle diese Tonleitern oder Abtönungen waren ebenfalls auf dem Londoner Farbentablcau vertreten. Die Farben waren auf Wolle gefärbt, demnach stumpfer und weniger glänzend, als bei Seide; sie waren fenier im Laufe der Aus stellungszeit einigermaßen verstaubt und vergraut, endlich fehlte ihnen der Glanz, den solche Wollen, z. B. beim Tuch, Lurch die Appretur erhalten. Alles dies erklärt indessen immer noch nicht den zwar sehr inter essanten, aber sür das Auge höchst unschönen Eindruck dieser Zu sammenstellung. Sehr leicht begreift es sich indessen, wenn man bedenkt, daß hier der rein systematischen Anordnung die Gesetze der Farbenharmonie geopfert werden mußten, Gesetze, auf denen der angenehme Eindruck der Farbenzusammcnstellungen auf unser Auge ausschließlich beruht. Dieses kunstvollste, wunderbarste Werkzeug, Las Auge, empfängt die Lichtstrahlen, welche sich, durch die Flüssigkeiten desselben gebrochen, in ähnlicher Art, wie in einer Lumor» obscura, auf der Netzkaut concentriren. Der dort in unendlich feiner Bertheilung ausgebreitcte Sehnerv nimmt die Eindrücke der Lichtschwingungen auf und über mittelt das Bild dem Gehirne, das dadurch die Anschauung nicht allein der Form, sondern in den meisten Fällen auch der Farbe erhält. Ich sage, in den meisten Fällen, indem nicht wenige Menschen existiren, welche formsehcnd, aber farbenblind sind, die z. B. die so cvntrastirenden komplementären Farben, Roth und Grün, nicht von einander zu unterscheiden verstehen. Höchstens erscheint ihnen das Roth Heller, wärmer, als Licht, während das Grün den Schatten der Zeichnung bildet. Das Ange verlangt eine gewisse Zeit, um den Eindruck einer Form, einer Farbe aufzunehmen. Eine Gewehrkugel im Vorbeifliegen zu sehen, mag noch Keinem gelungen sein, während es nicht ganz unmöglich erscheint, sie zu verfolgen, wenn man in der Verlängerung ihrer Flugrichiung steht. Die Speichen eines rasch sich drehenden Rades erscheinen schattenhaft, indem das Bild der einen durch das der andern sofort verdrängt wird, ehe der Geist Zeit gewonnen hat, sich Les Eindrucks bewußt zu werden Beleuchte ich aber in der Dunkelheit dieses Rad durch einen elektrischen Funken, so wird das selbe in allen seinen Details sichtbar werden und still zu stehen scheinen. Die momentane Beleuchtung warf das Bild des Rades auf unsere Netzhaut, und Lurch das Wiedereiutreten der Dunkelheit gewann der Sehnerv die nöthige Zeit, nm es ungestört dem Gehirne mitzutheilen. Wer erinnert sich nicht der Deutlichkeit, mit der das Bild einer vom Blitz beleuchteten Landschaft in unserem Geiste hastet? Gerade so, wie zur Aufnahme des Bildes, gehört auch zum Ver schwinden desselben einige Zeit. Ich habe schon früher beim Farbenkreisel hierauf aufmerksam gemacht Nehmen wir einen andern Vergleich aus anderem Gebiete der Physik, so finden wir beim Schall das Ansiönen der Saiten, beim Elektromagneten den kurzen Moment, der nöthjg ist, damit nach Oeffnung des Stroms der Magnetismus völlig aus dem weichan Eisen verschwindet. Mit einem Wort, eine Wellenbewegung, wie sie ja auch das Licht darbietet, kann nicht unmittelbar in Nervenschwingungen umgesetzt werden, die schwingenden Nerven kommen nicht unmittelbar wieder zur Ruhe. Alle Nerven unseres Körpers sind dem Gesetze unterworfen, daß sie durch allzulangdauernde Reizung unempfindlich werden. Die tiefe Ruhe der Nacht, die Einsamkeit des Waldes oder der Prairie schärft unsere Gehörnerven in einem Grade, daß ne für das leiseste Geräusch empfindlich werden, während der Tumult unserer Städte, das mißlönige Geräusch unserer Straßen die Gehörnerven so weit ermüdet, daß wir nur selten der einzelnen Töne dieses Ge räusches uns bewußt werden. Beim Auge finden wir dasselbe. Das Auge des Gefangenen im düstern Kerker wird selbst durch das matte Licht eines Novembertages geblendet werden. Nie erscheint uns die Nacht finsterer, die Dunkelheit undurchdringlicher, als wenn wir aus fröhlicher Gesellschaft, aus hellbeleuchteten Zimmern nach Hause kehren. Ebenso gut aber, wie das Auge durch starkes Licht für schwache Lichtmengen unempfindlich gemacht wird, ebenso ermüdet eS an Farben, wenn ihm dieselben ohne Wechsel, in greller auffallender Art vorgcführt werden. Hiermit sind nun eine Menge der sogen, subjektiven Farben erscheinungen, sowie die Fnndamentaisorderungen der Färb en - harmonie, des Farbengeschmacks erklärt. Legen wir eine Scheibe grellroth gefärbten Papiers auf ein weißes Blatt und betrachten wir dieselbe einige Zeit laug, besonders im stark leuchtenden Sonnenlicht, so wird dieselbe eine immer weniger reine, stumpfe Farbe annehmen, ja schließlich sich mit einem grün gefärbten Rande zu umgeben scheinen. Entfernen wir nun die Scheibe, oder richten unser ermüdetes Auge auf eine andere Stelle des weißen Grundes, so erblicken wir scheinbar eine grüne Scheibe mit schwach röthlich gefärbten Rande. Die Erklärung dieser sonderbaren Erscheinung ist sehr einfach. Jedem, auch dem reinsten Roth sind andere Lichtstrahlen beigemischt. Ist nun unser Auge für das Roth zeitweilig übermüdet, so treten gerade diese weniger inten siven Strahlen hervor und beeinträchtigen die Schönheit des Roths ebenso, als wenn wir demselben blaue und gelbe oder grüne Farbe- substanzen zugesetzt hätten. Die weiße Umgebung reflektirt alle Lichtstrahlen. Für das darin enthaltene Roth ist unser Auge zeit weilig unempfindlich geworden, wir sehen daher nur die grünen Strahlen, welche die rothe Scheibe mit einem grünlichen Rande um geben. Nehmen wir dann die rothe Scheibe ganz weg, so bleibt von dem nun erscheinenden Weiß nur das Grün übrig, dem sich als Contrastfarbe zweiten Ranges noch ein schwach röthlicher Rand anschließt. Ein Beispiel der Art im Großen erinnere ich mich einmal bei einem Sonnenuntergänge im Riesengebirge gesehen zu haben. Das wahrhaft prachtvolle Abendrolh durchleuchtete die ganze Gegend, während die ziemlich stark ausgesprochenen Schatten deutlich blau grün gefärbt erschienen. Das zarte Apfelgrün, daS man bei schönen Sonnenuntergängen häufig hoch am Himmelsbogen bemerkt, ist eine analoge Erscheinung. Nach dem Erlöschen eines brillanten Rothfeuers erscheinen uns alle Dinge, auch die Flamme des Gases, einen Moment grün gefärbt u s. w. Wir finden hiermit ferner die Erklärung für manche Kunstgriffe der Modebändler. Wollte ein Kaufmann einem Käufer eine ganze Reihe Stoffe von derselben intensiven Farbe vorlegen, so würde er seine Maaren gewaltig beeinträchtigen. Wenn die Stoffe auch noch so schön und rein, noch so gleichmäßig gefärbt wären, so würden die zuletzt vorgelegten doch immer trüber und unschöner erscheinen, eben weil das Auge für diese Farbe rasch ermüdet wird. Wechselt der Kaufmann aber geschickt zwischen rothen und grünen, zwischen blauen und orangefarbenen, zwischen violetten und gelben Stoffen, so wer den die Farben sich gegenseitig heben und in der Thal schöner er scheinen, als sie wirklich sind. Ordnen wir die Farben des Prisma s, statt in einer L.ichtlinic, im Kreise an, so werden diese sich zu Weiß ergänzenden, komple mentären Farben einander diametral gegenüberstehen. Beiläufig gesagt, sind es nicht die besten Augen, die zur An stellung dieser interessanten Farbenexperimente geeignet sind Je empfindlicher der Sehnerv ist, desto leichter wird er durch Farben ermüdet, desto eher treten diese subjektiven Farben auf. ES