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Xr. 46. Iriedrich Georg Wieck s 1886. Deutsche Ws? Herausgegeben von vr. Otto Dummer Inllrale»-Preis: pro Zeile Abonnements-Preis: Halbjährlich :! Thlr Elllllllddrciplgtttr ^ahrstaust. Zu bezieben durch alle Buchbandlnngen link Postämter. Wöchentlich ein Bosten Die Bedeutung der Kieselerde in der Pflanzcnernnhrnng. Bon Pros. Dr. August Bogel. Die Thatsachc, daß die Kieselerde am reichlichsten an der Peri pherie der Vegctabilicu, in dem Oberhäutchen der Gräser und Was serpflanzen angetroffen wird, hat früher zu der sonderbaren Ansicht Veranlassung gegeben, daß die Kieselerde ein dem vegetabilen Leben fremder und selbst schädlicher Körper sei, welchen die Pflanze zu ent fernen sucht und gleichsam wie ein Excret an der äußersten Ober fläche auzuhäufen bestrebt sein muß. Durch die umfassenden For schungen auf dem Gebiete der Agriculturchemie, auf dem von Lie big, ihrem genialen Gründer, angebahnten Wege, haben wir über Las Verhältniß der unorganischen Bestandtheile des Bodens zur Pflanze, besonders zur Culturpflanze, eine ganz andere Anschauung gewonnen und wir wissen jetzt recht wohl, daß auch die Kieselerde nicht als ein durch den Vcgctationsproceß auszuscheidender Stoff, sondern als ein wichtiger Nährstoff zu betrachten ist, ja daß große Gruppen der Culturpstanzeu ohne diesen ihre Constitution charakte- ristrenden Bestandtheil gar nicht epistiren können. Wenn dessenun geachtet der Kieselerde im landwirthschastlichcn Betriebe bisher die vcrhältnißmäßig geringste Berücksichtigung zu Theil geworden ist, so rührt dies offenbar daher, daß sie allerdings in den meisten Boden arten im lleberfluß vorhanden ist. Bei weitem der größte Theil der in der Natur vorkommenden Kieselerde gehört aber der krystallisirten Modification an, welche in Wasser und Säuren nahezu vollkommen unlöslich ist; um aber von der Pflanze ausgenommen zu werden, muß sick die Kieselerde in einem Zustande befinden, in welchem sie der Pflanze zugeführt werden kann. Für die Landwirthsckaft mußte es somit als eiue Aufgabe von großer Bedeutung erscheinen, die un lösliche Kieselerde in eine zur Aufnahme durch die Begetabilieu ge eignete Form überzuführen, d. h. die in der "Natur vorkommenden vcrhältnißmäßig geringen Mengen der löslichen Kieselerde-Modi- fication wesentlich zu vermehren. Ich sage absichtlich „vermehren", denn es wäre in der That ein großer Jrrthum, wollte man den na türlichen Gehalt an löslicher Kieselerde zu gering anschlagen. Abstrahirt man ganz von einigen Edelsteinen, dem Kieselsande der Lüneburger Haide, dem Kicselconglomerate im bayerischen Walde u. a., welche die Kieselerde vorzugsweise im amorphen Zu stande enthalten, so darf doch nicht unberücksichtigt bleiben, daß eine jede Bodenart, eine jede Acker oder Gartenerde, wenn sie überhaupt Kieselerde als Bestandtheil mit sich führt, neben der unlöslichen Kie selerde immer, obschon weit geringere Mengen — bisweilen mir Spuren — der amorphen Kieselerde-Modification enthält. Behan delt man eine Ackererde mit kochendem Master und raucht die filtrirte Flüssigkeit bis zur Trockne ab, so erhält mau einen meistens bräun lich gefärbten Rückstand. In demselben läßt sich stets Kieselerde, bisweilen allerdings nur in Spuren, auf das Deutlichste nachweisen. Offenbar ist ursprünglich schon in der Ackererde und zwar in allen Sorten derselben, die ich bisher in der angegebenen Weise zu prüfen Gelegenheit hatte, in Wasser lösliche Kieselerde vorhanden. Daß in dem Stalldünger nicht unbeträchtliche Mengen löslicher Kieselerde vorhanden sind, ist eine bekannte Thatsachc. Hierzu kommt noch der Kieselgehalt des Quell-, Brunnen- und Flußwassers, wodurch den Pflanzen ebenfalls Kieselerde in löslicher Form geboten wird. Durch Beobachtungen im kleineren und größeren Maßslabe habe ich zu zeigen versucht*), daß cssür dicBcgctation entschieden vorteil haft ist, wenn sich im Boden von vornherein reichlich amorphe Kiesel erde befindet oder demselben durch Dünger zugeführt werde. Der Vortheil liegt darin, daß die Umwandlung der krystallisirten in die amorphe Modification der Kieselerde, welche als erster Borgang der erwachenden Vegetation auftritt, erspart wird, indem die amorphe und gelöste Kieselerde sogleich von der Ackerkrume absorbirt unmittel bar der Pflanze zur Nahrung dient. Die Hauptresultate lasten sich in folgenden Punkten zusammenfassen. Die Asche der mit amorpher Kieselerde gedüngten Pflanzen enthält etwas mehr Kieselerde, als die Asche der mit krystallisirter Kieselerde gedüngten. Der Ertrag einer uncnltivirten Wiese wird durch Düngung mit amorpher Kieselerde in höherem Maße als durch Düngen mit krystallisirter Kieselerde vermehrt. Geringer ist der Unterschied der Kieseldüngungen auf den Ertrag einer vollkommen eultivirlcn Wiese. Der durch ausschließ liche Kieselviingung erzielte Mchrertrag einer natürlichen Wiese er reicht den Erntenertrag einer vollkommen eultivirtcn Wiese niemals. Der durch Kieseldüngung erzeugte Mehrertrag der Cerealien bezieht sich nur auf die Stroherntc, nicht auf die Körnercrntc. Endlich ist noch beobachtet worden, daß durch eine reichliche Düngung mit Kie selerde die Tcnacität des auf solchem Boden gezogenen Haferstrohes erhöht werde. Ob die Differenzen indes; groß genug sind, um einer solchen Strohsorte vor einer anderen einem kieselarmen Boden ent nominellen in technischer Beziehung, z. B. zur Papierfabrikation, *) A. Poget, die Aufnahme der Kieselerde durch Pegetabilien. Bon der kilnigl. Akad. d. W. in Berlin gekrönte Preisschrist. München 1886. 46