Volltext Seite (XML)
genommenen Zählung 1713 Meister und für eigene Rechnung arbei tende Personen vorhanden, 2179 Gehülfen und Lehrlinge männlichen und 133 weiblichen Geschlechts. Die glänzendsten Zeiten der Schwarzwälder Uhrenfabrikation fielen in die ersten Jahrzehnte nnscres Jahrhunderts. Später schritt man nicht recht fort, lieferte auch schlechte Fabrikate, das Geschäft ging lau, die Preise waren gedrückt, man lief Gefahr, von anderen Seiten, namentlich von Amerika aus, durch wohlfeile Uhren mit ge stanzten Rädern überflügelt und vom Markte verdrängt zu werde». Die Folge dieser Geschäftsstvckung war ein allgemeiner Nothstand im Schwarzwalde, so daß die Negierung 1850 beschloß, in Furtwangen, dem Schwerpunkt der Schwarzwälder Uhren-Jndustrie, eine Uhr macherschule mit einer Staatssubvention von 10,000 fl. zu errichten, zu dem Zwecke, die Fortentwickelung, die Verbesserung der Schwarz wälder Uhrenmachcrci, die Vervollkommnung der Stockuhren, die Einführung der feinen Gewichtsuhrenmacherei und Taschenuhren macherei, die Hebung der Werkzeugmachern, der Gehäusemacherei, der Schildmalerei und Gießerei rc. mit möglichster Einführung der Arbeitstheilung anzuregen und vorwärts zu treiben. Theoretischer und praktischer Unterricht in Schule und Werkstatt läuft neben ein ander her. Die UnterrichtSgcgenstände sind Freihand- und Orna mentenzeichnen, Arithmetik, Geometrie und Linearzeichnen, construk- tivcs und Fachzeichnen, Mecbanik und angewandte Naturlehre, Buchführung, Deutsch und Französisch. Daneben bestehen eine Stockuhrenmacher-Wcrkstätte und eine Taschenuhren-Werksiätte mit je 18 Schülern. Sie haben den Zweck, tüchtige Arbeiter heranzu bilden, um den fortschreitenden Anforderungen entsprechen zu können, diesen Zweig der Fabrikation weiter ausbreiten, neue Arbeits methoden und größere ArbcitStheilnng einzuführen. Das Lehrmaterial für diesen praktischen Unterricht der Zöglinge besteht in allen nöthigen Einrichtungen zum Selbstbetriebe der Stock uhren- und Taschenuhrenmacherei nach den neuesten und besten Ver- fahrungsartcn und nach dem System der getheiltcn Arbeit. Die Ausbildung geschieht jetzt in den Werkstätten der Lehrer, statt in den Werkstätten der Anstalt; die Schule schließt mit den Lehrern einen Vertrag ab. Der Unterricht ist unentgeltlich, für arme talentvolle Zöglinge giebt der Staat Unterstützung zur Bestreitung der Kosten des Aufenthalts in Furtwangen, selbst zur Anschaffung der Werk zeuge, während diese sonst in der Regel von den Schülern zu be schaffen sind. Die Lehrzeit ist je nach den Fähigkeiten der Schüler verschieden, für besondere Leistungen find Belobnnngen in Bückern, Werkzeugen und Maschinen ausgesetzt. Außerdem besitzt die Anstalt noch eine mechanische, mit Wasser kraft betriebene Werkstätte zum Drehen, Hobeln, Schleifen, Durch schlagen rc. größerer Stücke; eine Tischler-, Modellir-, Holzschnitz- und eine Schmiedewerkstälte. Die Anstalt kann von den Schwarzwälder Uhrmachern jederzeit besucht, Zeichnungen, Uhrentheile, Modelle, Musteruhren und Werk zeuge benutzt, der beste Bezug der Hülfsmaterialien erfabren, der Unterricht in einzelnen Nebenzweigen der Uhrmacher, im Schildmalen, Blechlackiren, Graviren, Modelliren, Holzschnittarbeit, Vergolden, Oelmalerei, Gehäusemachcrei, der Fabrikation cmaillirter Ziffer blätter, der Bronzenfabrikation, der Gießerei, des Feilcnhauens rc. mitgenossen werden. Für Erfindungen und vorzügliche Arbeiten werden Belohnungen gewährt und gedruckte Belehrungen und andere mündliche Mit- theilungcn auSgegcben. Ein Hauptstreben ist jederzeit auf die weitere Entwickelung der Arbeitstheilung gerichtet worden. Die hauptsächlichsten Zweige des Gewerbes sind bei der eigentlichen Schwarzwälder Uhr: 1> die Ver fertigung der Gestelle aus trockenem Buchenholz durch den „Gestell macher"; 2) das Gießen der messingenen Räder und Glocken durch den „Gießer"; 3) die Anfertigung der Kettenräder und Ketten aus Messing und Eisendraht durch den „Kettenrad- und Kettenmacher"; 4) das Tonfedcrmachen; 5s die eigentliche Anfertigung der Uhr durch den Uhrenmacher, welcher die rohen Räder abdreht, zahnt, auf die Wellen die Triebe (Spindeln) fertigt, einstellt rc.; 6) das Abdrehen der Schildbrettcr, das Grnndircn, Bemalen, Firnissen der Schilde durch den „Schildmaler". Von der Anstalt festgcstellte Normaluhren sind folgende. 1. Zwölfstündige: 1) eine in Holz gcspindelte eckige; 2) eine in Holz gcspindelte breite, nach demselben Aus- theiler. II. Vierundzwanzigstündige: 1) eine große in Holz gespindelte eckige; 2) eine große in Messing gespindelte breite, nach demselben Austheiler; 3) eine Schottenuhr, in Messing gespindelt, breit; 4) eine Jockeluhr, in Messing gespindelt, eckig. HI. Achttaguhren: 1) eine große in Messing gcspindelte breite, mit hohen Walzen und Flaschenzug; 2) eine desgleichen nach demselben Austheiler, jedoch mit Band ketten und Stern im Schlagwerk; 3) eine große in Holz gespindelte breite; 4) eine kleine in Messing gespindelte breite. Die Uhrmacherschule hat Muster der einzelnen Theile und fertige Werke in die bedeutenderen Orte der uhrenfabricirenden Distrikte des Schwarzwaldes abgegeben und versieht jeden tüchtigen Uhrmacher auf dem Schwarzwalde, welcher seine Uhren nach den bestimmten Normen fertigt, mit einem eine Zahl enthaltenden Stempel zur Be zeichnung der aus seiner Werkstätte hervorgegangenen Uhren. Indessen verfolgt der Schwarzwälder in der Regel seinen eigenen Weg, die von der Uhrmacherschule aufgestellten Zeichnungen und Be rechnungen über die verschiedenen Uhren haben jedoch dazu beige tragen, daß auf dem Schwarzwalde gegenwärtig überhaupt weit bessere Uhren «»gefertigt werden als früher. Ebenso hat die Uhrmacherschnle durch Muster- und Musterblätter von wirklichen Künstlern auf die Veredelung des Geschmackes im Aeußcren der Uhr viel beigetragen. Eine besondere, künstlichere Kategorie der Schwarzwälder Uhren sind die sogenannten Figurenuhren, bei welchen mit der Bewegung des Pendels oder Schlagwerkes außen angebrachte Figuren mancher lei Bewegungen ausführen. Ans der letzteren Art bekannt sind die Kukuksuhren, die in neuerer Zeit wieder zu Ehren gekommen sind. Sie wurden 1730 von F- A- Ketterer zu Schönwald erdacht. Die Tromxeteruhrcn rühren vom Hofmaler Kirner in München, einem geborenen Schwarzwälder, her. Während hier die Figuren immer nur Nebensache sind, treten sie als Hauptsache auf bei den sogen. Automatenuhren, bei welchen die Bewegung der Figuren durch Federkraft getrieben wird, z. B. Zecher, Tableau'S mit schaukelnden Schiffen, mit Eisenbahnzügen. Diese Dessins haben in unseren Tagen wieder eine erhöhte Nachfrage und nur der Geschmack braucht hinzuzutreten, um einen weitere» Impuls zu geben. Die Anzahl der Schwarzwälder-Uhren, welche gegenwärtig auf dem badischen Schwarzwalde verfertigt wird, mag sich etwa auf 700.000 Stück belaufen. Die Arbeitstheilung ist nun auch bei den Stockuhren ausge dehnt worden. „Stockuhren" sind Pendeluhren mit messingenen Platinen, durch Federkraft getrieben, mit oder ohne Schlagwerk. Wir brauchen hierbei kaum zu erinnern, daß mit der Arbeitstheilung Vollkommenheit und Billigkeit der Waare gleichzeitig wächst. Die im Verein mit den tüchtigsten Meistern bestimmten Normal uhren sind folgende: I. Uhren französischer Construktion (Bierzehntag- werke): 1) mit Schlagwerk und runden Platinen von 3 Pariser Zoll; 2) dieselben von 3^ Pariser Zoll; 3) mit Schlagwerk und viereckigen Platinen von 3^ Pariser Zoll; 4) dieselben von 4 Pariser Zoll; 5» dieselben von 4>/z Pariser Zoll. H. Uhren nach Schwarzwälder Construktion: 1) 30stündige mit Schlagwerk und viereckigen Messingplatinen von 3 Zoll; 2) Achtiaguhren mit Schlagwerk und viereckigen Mcssingplatinen von 4 Zoll; 3) 30stüudigc mit Schlagwerk und viereckigen Holzplatinen von 3'/^ Zoll; 4) 30stündige mit Schlagwerk und viereckigen Mcssingplatinen von 4 Zoll; 5) Achttaguhren mit Schlagwerk und viereckigen Messingplatinen von 4'/z Zoll; III. Uhren nach englisch er Construktion: 1) Achttaggehwerk mit Wecker, Schnecke und 3 Zoll breiten, überhöhten Messingplatinen;