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so erfreulich vorgeschritten ist, daß ihre Maaren an Güte, Schönheit und Preiswürdigkeit den sächsischen und rheinischen mindestens voll kommen ebenbürtig sind. Man sehe die Kammgarngewebe in Gera und Greiz, die unter dem Namen „voigtländische Maaren" cursiren, die Doublestoffe in Stadtilm, Weimar, Neustadt ic., die Thibets, Buckskins in Langensalza und viele andere, welche diesen renommir- ken Erzeugnissen nicht nachstehen: so wird man kaum begreifen, wie und warum man den ausländischen Stoffen doch noch so ost den Lorzug giebt. In der Strnmpfwaarenfabrikation concurriren Apolda, Zeulenroda und Sondershausen. Ihre gehäkelten, gestrickten und gewebten Modeartikel gehen durch die halbe Welt. In Apolda, das sich fast lediglich durch diesen Industriezweig zu einer stauuens- werthen Blüthe emporschwingt, sind 1000 Stühle und eine calo rische Maschine im Gange; nicht zu gedenken der sehr vielen Hände, die auswärts für die Apoldaer Großhändler arbeiten. Das bedeu tendste der dastgcn Verlegereigeschäfte von Ehr. Zimmermann hält 30 Commis am Platze, beschäftigt, wenn auch nicht ausschließlich, in und außer Landes an 10,000 Menschen und steht mit allen Erd- thcilen in kaufmännischer Verbindung. Das Preisverzcichniß von Spör und Francke in Apolda zählt über 6000 verschiedene Artikel auf, die es in den Handel bringt. Auch die Kunstwolleu-Fa brikation, welche durch Ver- werthung der wollenen Lumpen volkswirthschaftliche Bedentung hat, hat sich schon seit 20 Jahren in Thüringen Bahn gebrochen, und die Maaren, namentlich die Filzschuhe, welche in Ruhla daraus ge wonnen werden, finden einen ausgedeknten Absatz. UebrigenS läßt sich die Verarbeitung der Schafwolle kaum noch von der Baumwollen-Jnbustrie trennen. Obgleich selbige in Thüringen weniger bedeutend ist, vornämlich bei der gegenwärtigen Baumwollenklemme, und die frühere Barchentweberei, die z. B. in Suhl so schwunghaft betrieben wurde, daß man jährlich 70,000 Stück zur Messe schickte und in Meiningen 230 Meister mit diesem Industriezweig beschäftigt waren, sehr herabgekommen ist: so sei doch erwähnt, daß die Fabriken in Zeitz, Mühlhausen, Blankenhain, Eis feld, Meiningen, Suhl rc. sehr preiswürdige Maaren (Barchent, Gingham, Hosenstoffe rc.) liefern; obgleich sie znm Thcil diese Maa ren leider unter fremden Etiketten in den Handel bringen müssen, um ihnen Absatz zu verschaffen. Häufiger ist die Fabrikation ge mischter Gewebe. Im Fürstenthum Reuß find gegen 400 Hand stühle im Gange, die meistens buntgewebte Baumwollenwaaren für die Levante („Demicoton") anfertigcn; im kleinen Herzogthum Co burg 372 Webstühle in Baumwolle, Z40 iu Leinen und 43 in Wolle und Halbwolle. Namentlich hat sich das Städtchen Weida (im Großhcrzogthnm Weimar) neuerdings in diesem Industriezweig bervorgethan, hauptsächlich durch den Einfluß des dasigen Fabrikan ten F. Rost, und liefert den „griechischen Köper" in einer solchen Schönheit, daß die Nachfrage kaum befriedigt werden kann, wäh rend sich in Auma eine Webschule für gemusterte Wollen stosse etablirt hat. Da zu diesen Geweben häufig auch Seide verwendet wird, so sei alsbald hier angedeutet, daß die Seiden-Jndustrie in Thüringen eigentlich nicht zu Hause ist, obgleich der Seidenbau-Verein in Gotha eifrig darauf hinwirkt, daß der Seidenproduktion eine größere Auf merksamkeit geschenkt werde, auch einzelne Versuche (in Gotha, Söm merda, Rudolstadt rc.) nicht ohne anregendes Resultat geblieben sind. Trägt man dvch in Gotha Taschentücher, die von einheimischer Seide gewebt sind. Um so weniger dürfen wir übergehen, daß Gebrüder Brehme in Neustadt a. d. O. seit länger als hundert Jahren die Fabrikation seidener Haubenbänder betreiben, wie solche die thürin gischen Landfrauen zu ihrem Kopfputze brauchen, und daß auch in Saatfeld 12 Stühle seidene und halbseidene Stoffe auf den Markt bringen. Auch die Bienenzucht will sich in Thüringen nicht zu einem lohnenden Ertrage aufschwingen, obgleich eine der ersten Bieucn- Autoritätcn unserer Zeit, Baron von Berlepsch in Thüringen (Gotha) lebt und andere eifrige Bienenväter, z. B. Busch, Magerstäbt. Kir sten ic. werthvvlle Bücher darüber geschrieben haben. Auch giebt es einzelne sehenSwerthe Bienenstände, z. B. j» Tambuchshof bei Ohr drufs, in Gotha, Erfurt rc., die nach den neuesten Verbesserungen construirt sind und anch italienische Bienen pflege», die von Lorenz in Erfurt eingeführt wurden. Im Allgemeinen aber schreitet die Bienenzucht trotz aller Vereine, die sie fördern, mehr rückwärts als vorwärts, auch deshalb, weil der Absatz des Honigs flau ist; wogegen einige Wachsfabriken (zu Erfurt, Buttstädt rc.) die verschieden artigsten Produkte in gelungener Ausführung liefern. Wenden wir uns nun derjenigen Betriebsamkeit zu, welche die Waldprodukte verwerthet, so steht in erster Reihe der Holz handel, der sehr bedeutende Kapitalien umsetzt und vielen Bewoh nern Arbeit und Brod sichert. Das Holz des Thüringerwaldes wird aber deshalb so gern gekauft, weil es sich durch eine weißere Farbe vor den Holzarten anderer Gebirge vortheilhaft auszeichnet. Abge sehen von dem gespaltenen Brenn - und Nutzholz, das auf der Achse verfahren oder zu Wasser verflößt wird, verarbeite» gegen 400 Schneide- oder Säge mühlen die Waldbäume zu Brettern, Bohlen, Latten, Pfählen und Schindeln Der bedeutendste Bretter handel wird in Ohrdrufs, Mehlis, Tambach rc. getrieben. Außerdem werben aus dem Walde, nameutlich in Ohrdrufs, Tabarz und Cabarz, fertige Gebäude gezimmert, um anderwärts, zum Theil weit draußen im Lande, aufgerichtet zu werben. Der Transport zu Wasser erfolgt hauptsächlich im Frühjahr, wo die Bäche und Flüsse die meiste Trag kraft haben, während das Holz im Laufe des Winters aus den Hiuterbergen aus Schlitten an die Floßplätze gebracht wird. Das Floßrccht aber ist noch immer durch mancherlei Abgaben und Zölle erschwert. Die wichtigsten Stapelplätze im Flußgebiet der Werra sind Themar und Wernshausen. Die Werra führt das Holz in die Weser und weiter fort nach Westphalen und Bremen. Aus dem Flußgebiet der Saale concentrirt sich der Hauptverkehr in Kösen, wo gewöhnlich der Handelspreis festgestellt wird. Von Heinersdorf wirb bas Holz vermittelst der Haslach in die Rodach und sodann auf dem Maiu und dem Rhein bis Holland geflößt. Cs mögen auf den verschiedenen Flüssen alljährlich gegen 4—5000 Flöße im Gange sein — ein Handelsgeschäft, das schon seit 1000 Jahren betrieben wird. — Zuvor sind die Bäume geloht, d. h. die Rinde ist in der Saftzeit abgeschält worden, um in den Lohmühlen gemahlen und sodann als Gerberlohe verwendet zu werden. Arnstadt, Saal- seld, Hirschberg, Heinersdorf und Langenau sind die Hauptvcrkehrs- plätze für den Lohhandei, der bei den hohen Preisen der Eichen-, Fichten- und Wcidenrinde einen erklecklichen Gewinn abwirft. — Zur Korbflechterei werden die schlanken Sahlweiden sehr theuer bezahlt: eine Klafter mit 20 — 30 Thlr. und noch mehr. Ganze Ortschaften, namentlich Winterstein, Schmerbach, Schwarzhauseu, Schönau, Wölfis rc., nähren sich großcntheils davon, daß ihre Be wohner Körbe und Siebe flechten, Besen binden und berg!. Kaum ist jedoch daS Holz noch zu beschaffen, welches sic dazu nöthig haben. Die künstliche Korbflechterei aber, die sehr schöne lackirte Maaren in den mannigfachsten Formen liefert, wird in der Regel fabrikmäßig betrieben, z. B. im Strafarbeitshaus zu Eisenach, in Saatfeld, Salzungen, Coburg, Jeua, Arnstadt. Krannichfcld, Erfurt, Allstedt, Frankenhausen rc. Im Coburgschen find 243 Korbwaarenflechter mit 109 Lehrlingen thätig. Die Korbflechterei zu Waidhausen hat sogar eine Commandite in Paris. Birnstiel in Firmelsdorf beschäftigt 400 Arbeiter. — Aus Birkenrinde werden Schnupftabaks dosen verfertigt, die nicht gerade elegant, aber doch sehr beliebt sind; während die bekannten Müllerdosen aus Papiermache dem Altenburgischen entstammen, wo jährlich etwa 2500 Dutzend fabri- cirt werden. — Im Eisenacher Oberland, sowie in Tambach und anderwärts hat man sich neuerdings auch dec Korkschneiderei zugeweudet, wozu die Korkrinde aus Spanien, Portugal, Südfrank reich und Sicilien eingeführt wird. Die Arbeiten^ die man liefert, selbst künstliche Bildwerke, Gruppen rc., können, was Accuratesse und ! Zierlichkeit anbelangt, mit den fremdländischen füglich in Concurrenz treten und erfreuen sich eines guten Absatzes. Der Banquier S. Ziegler in Eisenach, der, um der Arbeitslosigkeit des Eisenacher Oberlandes (Dermbach n. a. O.l unter die Arme zu greifen, diesen Industriezweig einführte, hat sich damit ein nicht zu unterschätzendes j Verdienst erworben. Eine einzige der dort bestehenden Fabriken lieferte im Jahre 1362 an 17 Mill. Korkstöpsel, und zwar ohne Maschinerien. — Aber auch aus hartem Holze werden in Tambach, Schleusingen, Gera bei Elgersburg ic. recht zierliche Schnitz arbeiten gefertigt, ober aus Hirsch- und Rehgeweihen künstlich zusammengesetzt, welche den berühmten Thiergruppen, die die Reisen den so gern in der Schweiz kaufen, nicht wesentlich nachstehen und jedenfalls wohlfeiler find. — Dagegen ist die Bereitung des Feueli sch wamms, der früher so stark verbraucht wurde, daß man, weil das vaterländische Erzeugniß nicht ausreichte, Schweden und Nor wegen in Contribution setzen mußte, fast bis auf 0 herabgcsunken; § sowie auch die dampfenden Kohlenmeiler nur noch seltene Er-