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ur. 21. Kiedrich Georg Wieck s Die Ausführung sittlicher volkswirthschaftlicher Zwecke. Von Adolph von Earnap, König!. Commerzienratb. (Schluß.) Den erfreulichen Bestrebungen der „I-nbourer'sfrionckssoeret)-" in England gegenüber, gedenken wir hier noch der gleich wohltbäligen Einrichtung in der Baumwollspinnerei zu Hammerstein bei Elber feld, welche den Gebrüdern Jung zugehört. Die Spinnerei Hammerstein, mit ihren Nebengebäuden, als Kesselbaus, Radbaus, Direktions- und Arbeiterwobnungen wurde von 1835 —1838 auf dem Rittergute gleichen Namens in dem freund lichen Wuvperthale, unterhalb Elberfeld errichtet. Sie wurde mit den neuesten und vollkommensten Maschinerien versehen; das kolossale eiserne Wasserrad von 75 Pferdekraft sammt Hilfsdampfmaschine von 40 Pfndekrast, sämmtliche Getriebe und Dampfheizungs-Apparate aus den besten Werkstätten Englands und sämmtliche Spinnmaschinen und Vorbereitungs-Apparate aus den besten Werkstätten Frankreichs bezogen. Das Etablissement enthält 21.000 Spindeln, welche von 400 Menschen bedient werden, die mit ihren Familien etwa 1200 Per sonen ausmachen und neben den außerhalb wohnenden, für bas Eta blissement beschäftigten Gießern, Drechslern rc. durch die Fabrik ernährt werden. Die eben erwähnten 400 Arbeiter sind in 9 große Arbeitssäle von 7000 Onadratfuß Fläche nnd 10 Fuß Höhe derge stalt vertheilt, daß die geringste Zahl der in einem Saale Arbeitenden 30, die größte 60 beträgt. Das Hauptfabrikgebäuke hat ein feuer festes Treppenhaus mit steinernen Treppen, vermittelst welcher man in jeder Etage zu den Arbeitssälen gelangt, so baß bie Arbeiter in einer möglichen Gefahr sich über tie-steinerne Treppe retten können. Zwei- vom Wasserrad und der Dampfmaschine in Bewegung gesetzte Druck pumpen beben das Wasser im Treppenhaus durch alle Etagen bis zur Dachböhe und vor jedem Saale stehen Lösckgeräthe aller Art in Bereitschaft. Außerdem sprudelt in jeder Etage am Eingänge des Saales in eilerne Bassins bas schönste Ouellwaffer zum Trinken, welches vom nächsten Berge mittelst einer eigenen Wasserleitung von 4000' Länge in sämmtliche Stockwerke der Fabrik geführt ist. Mit dem Etablissement ist verbunden: I) Eine Freischule nebst Direktionshaus für 120 Kinder, mit allen Schulutensilien, Pulten, Büchern, Landkarten, Klavier rc. aus gestattet, in welcher, durch einen von der Fabrik besoldeten Lehrer, täglich 96 Kinder Unterricht im Lesen, Schreiben, Rechnen, etwas Geographie und Geschichte sowie im Singen erhalten- Da der Un terricht täglich nur eine Stunde, Morgens von 11 — 12 Uhr dauern kann, so werden keine Kinder in der Fabrik angenommen, die nicht 3 Jahre vorher eine Elementarschule besucht und das gesetzliche Alter erreicht haben. Sämmtlicher Unterricht wird unentgeltlich ertbeilt. 2) Eine Kranken-und Unterstützungskasse. Der Fond dazu wurde von den Fabrikeigentbümern gegründet. Die Arbeiter zahlen zum besseren Fortbestand nur wenige Pfennige zu dieser nütz lichen Anstalt, der ein eigens dafür besoldeter Arzt vorsteht, und aus welcher sie ärztliche Hilfe und Medikamente unentgeltlich erhalten. 3) Eine Sparkasse, in welcher die Arbeiter ihre Ersparnisse gegen die übliche Verzinsung niederlegen und im Falle des Bedürf nisses ungcbintert darüber verfügen können Die nach der Fabrik übergesicdelten Familien tilgten zuerst ihre Schulden, schafften sich sodann schönere Kleidung und Hausgcifithe an, und fingen zuletzt an, in die Sparkasse einzulegen. Es ist hundertfach durch die Erfah rung bewiesen, und hat sich auch zu Hammerstein bewährt, daß das Beispiel des Sparens mächtiger ans die Arbeiter wirkt, als alle Er mahnungen. Auch wird es jedem möglich, etwas zu erübrigen, da die Arbeit in der Fabrik größtentheils nach der Stückzahl und dem Fleiß bezahlt wird, und der geschickte Arbeiter nicht allein sein Ar beitsquantum, sondern auch noch eine mit demselben steigende Prämie erhält und seinen Verdienst bis zu 1 Thalcr per Tag steigern kann. 4) Eine Näh schule, in welcher die jungen Mädchen während der 6 Sommermonate nach beendigter Arbeit, des Abends von 7 bis 8 Uhr unentgeltlichen Unterricht im Zuschneidcn von Kleidungsstücken und im Nähen, von der Gattin des Gutsverwalters erhalten, und die täglich von 60 Mädchen besucht wird. Der größte Theil der Fabrikarbeiter w ohnt sodann in der Nähe des Etablissements; 75 Familien wohnen in 18 auf dem Grund nnd Boden des Gutes Hammcrstcin größtentheils neuerbauten steinernen und zerstreut liegenden Häusern. Jede Familie hat ihren eigenen Garten und ibr eigenes Stück Kartoffellaud, welches ihr nach Be- dürfniß zugcmeffen und von ihr bearbeitet wird. Im Sommer findet man um 7 Uhr nach Schluß der Arbeit die Väter und Mütter der Familien sowie die größeren Kinder emsig mit dem Bearbeite» der Gärten beschäftigt. Die Leute betrachten diese Arbeit gleichsam als eine Erholung. Der MietbziuS der Wohnungen ist äußerst gering, nämlich 8—12 Thaler jährlich, was einen großen Gegensatz gegen die nahe Stadt bildet, wo 30 — 40 Thaler für eine minder schöne und gesunde Wohnung bezahlt werden muß. Der GutSvcrwalter nimmt regelmäßig alle Wohnungen in Augenschein und ermahnt zur