Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 04.02.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-02-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110204016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911020401
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911020401
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-02
- Tag 1911-02-04
-
Monat
1911-02
-
Jahr
1911
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Panamafrage ein wenig amzunehmen. Es steht das nicht >o, dafi wir nichts verlören, wenn die Union gelegentlich die Pforte wieder schliefst, oder die Durch- fahn durch Zollerhöhungen verteuert, daß uns der alle Wcg über Punta Arenas doch immer bliebe. Wenn Amerika und vielleicht England durch Sonder abkommen den ungemeinen Vorteil des näheren Weges gewinnen und die anderen davon ausgeschlos- jen bleiben, dann wird ihr freier Wettbewerb ge waltig geschädigt. Die Panamafrage schreit geradezu nach einer festen Lösung durch «inen internatio nalen Kongreß. Hier liegt ein ausgesprochenes Wellinteresse vor, nicht wenn es sich darum handelt, ob der Kaiser von Oesterreich landesherrliche Rechte in Bosnien erwerben darf: und damals verlangte ja England Regelung durch eine Konferenz! Die „militärische Sicherung" des Kanals scheint drüben in sehr weitem Sinne gefasst zu werden. In Regicrungskreiscn wird zugegeben, bah man mit Ekuador über „Pachtung," der Kalapagos In sel n verbandelt. Der Pachtpreis der wirtschaftlich wertlosen Kruppe, die für den Staat des Aeguators bloß einen Liebhabcrwcrt besitzt, soll 1b Millionen Dollar für das Jahr betragen? Uncle Sam scheint die Millionen reichlich zu haben. Dabei liegen die Vul- kanfelsen eine tüchtige Ecke in den Ozean hinein. Der Plan zielt natürlich wieder auf Japans an gebliche Gelüste, den Frieden des viel tausend See meilen entfernten friedlichen Nachbarn zu stören. Nach der anderen Seite arbeitet man in „Sicherung" auf Haiti, wo die Mulattenrepublik und der Neger staat gegeneinander losschlaacn wollen, wie in Mexiko und Honduras, wo die Aufstände nicht abreihen. Deutsches Reich. Leipzig, 4 Februar. * Lohnämter in der Heimindustrie. Auf einem vor kurrein vor dem Deutichcn Volkswirtschaftlichen Verband gehaltenen Vortrag hat Prof. W ilbrandt aus den nationalliberalen Kompromißantrag in Sachen der Lohnämtcr in der Heimindustrie hin gewiesen, der die Einrichtung von Lohn ämtern für bestimmte Zweige der Heim industrie da gestatten wollte, wo nach voran gegangener Befragung die überwiegende Mehrheit der Arbeitgeber sich mit der Errichtung eines solchen Lohnamtcs für die betreffende Branche einverstanden erklärt. Dieser Antrag ist s. Zt. von den Abgeord neten Mertel. Dr. Stresemann. Wetzel und Dr. Contze in der Gewcrbeordnungskommiision eingebracht und vertreten worden. Die „Deutsche Industriezeitung" nimmt die Anerkennung dieses Antrages und die Verteidigung des in demselben ruhenden Grund gedankens durch den Reichstagsabgeordneten Dr. Stresemann in der vorerwähnten Versamm lung zum Anlaß einer Verdächtigung, indem sie dem Genannten unterschiebt, daß er in seiner Stellung als Reichstagsabgeordneter mit Rücksicht auf die bevorstehenden Neuwahlen die e Stellung cinnähme. Selbstverständlich unrd die e Verdächtigung von der sozialdemokratischen Presse sofort bercttwilligst aufgegriffcn, und es wird der „Deutschen Jndustriezeitung" vielleicht nicht ganz an genehm jein, sich mit ihrer Unterstellung in der Gesellschaft der „Leipziger Volkszeitung" zu befinden. Dafi es sich tatsächlich um eine lediglich auf Un kenntnis der Verhältnisse beruhende Darstellung handelt, geht daraus hervor, dafi dieser Antrag am 14. Mai 1909, also bereits vor 1'/.Jahren, bei den damaligen Beratungen über die Gewerbeordnungs- .twvelle gestellt worden ist, also keinesfalls neuerdings «üsgetauchten wahltaktischen Rücksichten in bezug auf die bevorstehenden Neuwahlen entstammt. Ueber die sachliche Berechtigung dieses Antrages aviLd.,ÜA. übrigen im Reichstag bei Gelegenheit der Beratung des Hcimarbettergeietzes noch gesprochen werden können. Für heute bcnügen rmr uns damit, die vor stehend gekennzeichnete ungehörige Darstellung seitens der „Deutschen Industriezeitung entschieden zurück- zuweisen. ' Aus dem 3. Reichstaaswahlkreis Bautzen-Kamenz wird uns geschrieben: Zu einer glänzenden Kund gebung für den gesamten Liberalismus gestaltete sich eine von der Fortschrittlichen Volkspartel in Bautzen einbcrusene öffentliche Versammlung, in der der fort schrittliche Rerchstagskandidat Kaufmann Pudor aus Klein-Storkwitz sprach. Die von etwa 600 Per Mar Reinharüt in Leipzig. Ausführung des „AtönLiZ Oe-ipns" von Sophokles in der AlberthaUe. Der langerwartete, viel besprochene, gel-eimnis- ooll vorbereitete Tag war da: Freitag, der 3. Fe bruar, an dem Max Reinhardt uns auf den Gipfel seines Schaffens führen und uns zeigen wollte, wie er einen Traum lebendig zu machen weifi. Seit Jahren beschäftigt er die Welt der Kunst; aus dem Schauspieler entwickelte sich der Regisseur, und was er als solcher geleistet hat und täglich von neuem leistet, ist allbekannt. Ihm genügte nun nicht mehr der beschränkte Raum der Bühne, ans der sich selbst die kühnsten Förderer und Reformatoren des Theaters bisl-er nicht herausgewagt hatten; er sah im Geiste größere Räume vor sich, für die Schauspieler wie das Publikum. Die Bühne Griechenlands und Roms sollte wiedererstehen; viele Tausende sollten im Theater sich versammeln dürfen, und Bühne und Zu schauerraum nahe miteinander verbunden sein, in einander übergehen, so dafi eine ungeheure Menschen menge gemeinsam e i n Gefühl, eine Stimmung, eine Erschütterung empfinden würde. Er hat es erreicht mit seinem „Oedipus", dem alten, grofien, herrlichen Werk des Griechen So phokles, das trotz aller Gröfic und Herrlichkeit doch verstaubt und vergessen in den Bibliotheken lag - wenn freilich immer wieder Versuche gemacht wurden, es der Bühne zu gewinnen. Nicht zu ver- gesscn ist auch, oafi unsere Gymnasien das Werk den Primanern in der Ursprache zugänglich zu macken suchen, was immer gelingt, wenn weniger die Grammatik, als die hehre Schönheit der Dichtung den jungen Menschen gewiesen wird. Al» Schüler wohnte ich einmal im Wilhelms-Gymnasium zu Berlin einem heroischen Ereignis bei: „Oedipus" wurde in der Ursprache aufgefuhrt (und ich erinnere mich sehr gut, wie der jetzige Professor Raoul Richter damals mit seinem Prüder die stummen Rollen der Jsmene und Antigone mimte). Da» war ein helle nisch-humanistisches Bestreben, dem alle Achtung ge gönnt sei; aber die schöne griechische Sprache rauschte doch nur wie eine hold« Melodie an uns vorbei, und ein tt«ferer Eindruck ist nicht geblieben. Jahrzehnte liegen zwischen damals und heute, Jahrzehnte, in denen eine ganze Theateraeschichte sich abgespielt hat, als deren letzte Entwickelung gestern Max Rein hardt mit seinem ,Oedipus" in Leipzig erschien. Unvergefilich wird jedem, der dem gestrigen Abend beiwohnte, der Eindruck der „Alberthallc" bleiben, dieses gewaltigen Amphitheater», das Kopf an Kopf und bis in die höchsten Höhen von einer erwartungs vollen Menge gefüllt war. Di« Bogrnlampen waren verschleiert und verbreiteten nur «in trübe« Licht. sonen besuchte Versammluiig nahm den Vortrag mit stürmischem Beifall auf. Der Reformer Fritzsche, dessen Kandidatur zur Ersatzwahl in Zschopau- Marienberg die vernichtende Niederlage der Reform partei herbeiführte, versuchte dem Referenten ent- geaenzutreten. Unter dem Beifall der Versammlung erlitt er aber in der Erwiderung durch Pudor und den fortschrittlichen Parteisekretär Hofmann eine kräf tige Abfuhr. * Der Deutsch« Bauernbund im Königreich Sachsen veranstaltete am verflossenen Sonntag in Forch heim eine öffentliche Versammlung, die von ca. 120 Personen besucht war. Den Vortrag hatte der 1. Vorsitzende des Bundes, Landtagsabgeordncter Clauß-Plaue, übernommen. Er sprach über die Ziele und Bestrebungen des Deutschen Bauernbundes und streifte dabei zunächst die Entwicklung des Bun des der Landwirte, dessen seit Jahren zu beobachtende Haltung in wirtschaftlichen und politischen Fragen die Gründung einer Organisation notwendig gemacht haoc, die den Interessen des mittleren und kleinen bäuerlichen Besitzes mehr Rechnung trage. Dieses Ziel habe sich der Deutslhe Bauernbund gesteckt. Ueberall gewönne der neue Bund Anhänger, und es komme ost genug vor, dafi sogar Vertrauensmänner des Bundes der Landwirte zum neuen Bauernbunde übergingen. In der Debatte versuchten der konser vative Landtagsabaegrdnete Dr. Mangler und Rittergutspächter Wagner-Großhartmannsdorf für den Bund der Landwirte einzutreten. Der letztere liefi dabei die Ansicht durchblicken, daß politische Fragen recht gut auch in den Versammlungen der landwirtschaftlichen Vereine erörtert werden könnten — eine Behauptung, die einer entgegengesetzten ministeriellen Verfügung direkt zuwiderläuft. Der artigen Aeußerunaen traten der Syndikus des Deut schen Bauernbundes, Dr. Neumann, Gutsbesitzer Reinhardt-Borstendorf und auch der Vortragende im Schlussworte mit gutem Erfolge entgegen. * Das Einführungsgesetz zur Reichsverslcherungs- ordnung, das, wie bereits gemeldet, dem Reichslage zugegangen ist, enthält alle diejenigen Vorschriften, die ihrer vorübergehenden Bedeutung wegen in der Reichsversicherungsordnung selbst keine Ausnahme gesunden haben, weil sie ihren Aufbau stören würden. Es sind dies Vorschriften über das Inkrafttreten der Reickisversicherungsordnuna, über die Durchführung der Organisation, der lausenden Leistungen, der er worbenen Ansprüche, der schwebenden Streitigkeiten. Die durch die Reichsversicherungsordnung verursachten Abänderungen überdieZuständigkeitder G verve-und der Kaufmannsgerichte und die Abänden gen in der Gewerbeordnung werden ebenfalls in diesem Ein führungsgesetz zusammengefaßt. Stach der Vorschrift des 8 1b des Zolltarisgesetzes sind bisher rund 51,6 Millionen Mark für die Hinterbliebenen versicherung aufgesammelt worden. Nachdem nun die Hinterbliebenenoersicherung grundsätzlich nicht auf diesen schwankenden Zolleinnahmen, sondern auf den regelmäßigen Prämienbeiträaen der Arbeit geber und der Versicherten, sowie auf Reichszuschüssen aufgebaut worden ist, wird der 8 15 des Zolltarif gesetzes ausgehoben. Die angesammelten Zoll erträgnisse nebst den bis zum Inkrafttreten der Hinterbliebenenversicherung noch eingehenden Sum men und zuwachsenden Zinsen sollen als beson derer Fonds verwaltet werden, um daraus bis zu seiner Erschöpfung die Reichszuschüsse für die Hinterbliebenenbezllge zu leisten. * Die Aussichten der Strafprozeßordnung haben sich in den letzten Tagen nicht aussichtsvoller ge staltet. Der Versuch, zwischen den Mehrheitsparteien .und.der Regierung über die strittigen Fragen des Entwurfes «in Koinpromrtz herbeizuführen, hat keinen Erfolg gehabt. Die Negierung versagt nach wie.vor den Beschlüssen der Kommission, die sich auf die Erweiterung der Immunität der Abgeordneten und auf die Vorrechte des Parla ments gegenüber polizeilichen Haussuchungen er strecken, ihre Zustimmung. Es besteht wenig Aus sicht, dafi gerade in diesen Punkten eine Einigung erzielt werden kann. Das Zustandekommen der Strafprozefireform dürfte aber wohl an diesen Klippen kaum scheitern, da man in parlarnentarstchen Kreisen der Ansicht ist, dafi sich in diesen Fragen ein Mittelweg sicherlich finden lassen wird. * Aus Labiau - Weblau. Für den Reichstags abgeordneten Richard Wagner wurde als Ersatz in seiner Stellung als Bürgermeister in Tapiau der frühere Bürgermeister von Pillau Ender zum kom missarischen Vertreter ernannt. Nach der „Königsb. Hart. Ztg." hat Ender mannigfache Konflikte mit seiner Gemeinde in Pillau gehabt. Es wird als ausfallend bezeichnet, dafi ein Mann, der sich im Pensionsverhältnis befindet und in seiner Gemeinde solche Schwierigkeiten hatte, zum stellvertretenden Bürgermeister in Tapiau vom Regierungspräsidenten für geeignet beiunden worden ist. * Zur Privatangesteüten-Verjicherung. Die Ver öffentlichung der Beichlüsje der Siebener-Kommission der im Hauptausichusse vereinigten Privalanaestellten zeigt, dafi die Angestellten zwar gegenüber dem Ge setzentwurf einige wichtige Verbesserungswünsche geltend machen, dafi sie im ganzen aber den Entwurf als eine brauchbare Grundlage begrüßen. Das wird sicherlich die Verständigung im Reichstag und mit den Arbeitgebern fördern, zumal diesen die Re gierung mit ihren Vorschlägen doch stark entgegen gekommen ist, um ihnen die Zustimmung zu erleichtern. Auch unter den Privatangestellten, von denen eine Minderheit sich vor einigen Jahren vom Haupt- ausschufi abzweigte (Forderung: Ausbau der alten Arbeiterversicherung), scheint sich jetzt eine einheit liche Stimmung anzubahnen, und bei der Minder heit wächst die Neigung, auf den Boden des Gesetz entwurfs zu treten, da jetzt doch nur dieser zur Diskussion steht und alle Settenakttonen den großen Zweck, die Versorgung der Angestellten und ihre Hinterbliebenen, in Gefahr bringen müssen. Es wird auch Rücksicht darauf genommen, dafi dem Reichstage nur noch kurze Zeit zur Veriügung steht. 2n Berlin hat bereits eine große Versammlung, die aus 14 ört lichen Gruppen von Angestellten-Verbänden beschickt war, und zwar von Anhängern der Mehrheit wie der Minderheit, den Verbänden eine Resolution über sandt. in der gefordert wird, dafi nunmehr Haupt- ausschufi und Freie Vereinigung sich in der Stellung nahme zum Gesetzentwurf einigen. * Polizeipräsident v. Jagow und das Begräbnis Singers. Herr v. Jagow hat einer sozialdemokra tischen Deputation, die wegen Freihaltung der Straßen für den Leichenzug Singers mit ihm ver bandelte, in entgegenkommendster Weise ihre Wünsche bewilligt. Die Deputation soll ihrem Danke für den freundlichen Empfang lebhaften Ausdruck gegeben haben. * Studentenversammlung in Berlin. Ueber das Thema „Student und Politik" mit Anknüpfung an den Fall Henrici will eine Studentenoersammlung am 6. Februar in Berlin verhandeln. Die Ein berufung geht vom Brandenburgischen Verband von Freunden der freistudentischen Bewegung aus. Als Redner sind gewonnen die Landtagsabgeordneten von Liszt lFortfchr. Vpt.), Dr. Maurer lNatl.), von Kardorfs (Freikons.) und Dr. Pfeiffer (Ztr.). Als Vertreter der Freistudenten wird u. a. Dr. Roth- Leipzig sprechen. * Abg. Liebknecht bei der Freien Studentenschaft in Jena. Entgegen dem Vortragsverbot in Halle hat der Rektor der Universität Jena einen Vortrag des Abg. Liebknecht Uber das Programm der Sozialdemokratie in der Freien Studentenschaft ge nehmigt. * Die diesjährige Landesoersammlung der nativ» nalliberalen Parte, Nassaus findet am 5. Februar in der Turnhalle zu Limburg a. d. Lahn statt. Die Tagesordnung lautet: „Uebersicht über die politische Lage in Nassau", Referent Landtagsabg. Bartling (Wiesbaden); „Die Reichstagswahlen 1911", Referent Reichstagsabg. Dr. Junck (Leipzig)' „Die preugische Politik", ReferM„)Lgydtagß.spg,. Dr.^ Lohmann (Weilburg). Der Landesoersammlung geht vormittags 10 Uhr eine Sitzung des Landesausschusses der nationalliberalen Partei Nassaus vorauf, in der interne Angelegenheiten der Partei besprochen werden. * Mit 10 Jahren zur Kommunion! Als Normal jahr für die Zulassung der Kinder zur ersten Kom munion hat das bischöfliche Ordinariat Augsburg das 11. Lebensjahr oder 5. Schuljahr festgesetzt, und zwar „mit Rücksicht aus die spätere Entwicklung der Kinder in unseren Gegenden und nach Erwägung aller übrigen bei uns obwaltenden Verhältnisse. Sollten, so heißt es in dem Erlaß, Kinder vor diesem Zeitpunkte Sehnsucht nach der hl. Kom munion Haden, und nach dem Urteile der Eltern und des Beichtvaters wenn auch nicht vollständige. Dem Hauptcingang gegenüber führte eine Freitreppe, an deren Fufi der Altar sich ausoaute, empor zu der Fassade des Königsschlosses, die aus sechs breiten, hoctsiirebenden Säulen gebildet war, in deren Mitte ein Hobes, künstlich gearbeitetes Tor verschloßen stand. Und plötzlich verdunkelte sich mit einem Schlage der weite Raum, nur zwei Scheinwerfer auf beiden Seiten des Palastes verbreiteten ein blaues Licht, und cs erklangen Posaunen, den Beginn des Stückes anzeigend. Stimmen ertönten, lauter werdend, mäch tig anschwellend, und auf einmal stürmten durch den breiten Eingang, der dem Palast gegenüber lag, Männer, Frauen und Kinder, klagend, rufend und schreiend, mit erhobenen Armen, immer mehr und mehr, so daß sie die ganze Arena füllten, dis zur Freitreppe sich hcranorängten, stehend die vorderen v-ruppen, kniend die hinteren. . . . Und nun tat das Tor sich auf, und heraus trat Oedipus. . . . Das, sage ich. war ein erfüllter Traum, den ein genialer Vuynenmann einmal geträumt hat, und der hier Leben gewann. Dieser ersten Wirkung, die eben so erstaunlich wie fortreifiend war, kommt keine zweite Szene im Stücke gleich. Hier wird der Re gisseur zum Fcldherrn, der mit einem Worte die Massen in Bewegung jetzt, und in der Verwirrung doch die Ordnung festzuyalten weiß. Aber vom Feld herrn scheidet lyn das streben, die Massen der Schön heit dienstbar zu machen, und sie zu versammeln mit dem festen Willen, eine Stimmung zu erzeugen, und diese den Zuschauer mirerleocn zu lassen. Stimmung in der Massenwirkuna — das ist es, was Reinhardt in dieser Oedipus-Äuf- sührung erstrebt. Mag einzelnes ihm mißlungen jein, so das Erscheinen der Mädchen nach dem Tobe der Jokaste, das nur den Eindruck eines halsbreche rischen Hin- und Herlaukens über die Freitreppe machte, mag das Schreiten der Greise an den Turn saal erinnern, und ibr sorgsam abgestuftes Mit- etnandersprechcn die Cyorfrage keineswegs lösen — so ist ihm doch vor allem gelungen, auf engem Raum uns ein ganzes Volk zu zeigen, das zermartert ist von eignem Leid, und doch noch teilnimmt am fürchterlichen Schicksal seines Königs. Da weiß Reinhardt zu allen unfern Sinnen zu sprechen, Klangwirkungen anzuwenden, die wir noch nickt ge kannt, und Bilder aufzurollen, die wir nie gesehen. Und vor den Augen dieser aufgeregten Volks massen spielt sich nun diese Familientragödie ab, die als Stoff schauerlicher ist, als ein moderner Naturalist ihn jemals erfinden konnte. Hof mannsthal hat diesen Stoff in seiner Bearbei tung knapp herausgelöst, wenn er auch ganz« Szenen nicht vermeiden konnte, die uns kühl und gleichgültig lassen. Wir hätten statt einer Bearbeitung lieber eine Uebersetzung gesehen, die uns vermutlich den Sophokles echter überliefert hätte, als es di« Nachdichtung vermocht hat. Besonders fehlten uns die Chöre, die tiefsinnig und nachdenklich ihre Ge danken austauschten. Die Ehöre sind ja von den griechischen Dichtern so weise eingcfügt, um den Zu schauer mitten im furchtbarsten Rasen der Leiden schaften Beruhigung, Sammlung und Erhebung zu versckMffen. Hofmannsthals Greise nehmen dagegen an der Handlung teil, und sie können auf solche Weise nicht die Aufgabe des Chores erfüllen, der über der Handlung steht. Den Schauspielern bieten sich natürlich in dem riesigen Raume des Zirkus und der Arena ganz neue Aufgaben. Da gibt es keine intimen Wirkungen meyr, und das Organ muß ganz neuen, ungewohnten Räumen angepaßt werden. Da mögen denn vor nehmlich Werke wie diese Tragödie, in denen alle Gefühle und Leidenschaften sich sofort sichtbar und hörbar nach außen kundgcben, der neuen Vühnenkunst Reinhardts dankbare Aufgaben bieten. Eine „Minna von Barnhelm", „Kabale und Liebe", Tasso" und weiterhin „Nora" und „Ein same Menschen" sind undenkbar im Zirkus; wohl aber zeigt sich hier für den „Wallenstein" und den „Götz', für Wildenbruch und Hauptmanns „Ftorcan Geyer" eine neue Zukunft. — Die Menschen des Sophokles sind mit wenigen Strichen sckarf zu charakterisieren. Als Oedipus, den in unglück selig« Schicksale traurig Verstrickten, bot Fer dinand Bonn eine sehr achtungswerte Leistung. Sein Organ hielt den starken Anforderungen der Rolle bis zum Schluß stand, er gab den König in einfachen, geraden Linien, und nur gegen den Schluß hin wurde er der beispiellosen Verzweiflung nicht Herr, sondern wirkte mrt äußerlichen Mitteln. Als Jokaste war Rosa Bertens auf der Höhe ihres Könnens, und mit ungemeiner Schärfe wußte sie das Aufdämmern der schrecklichen Gewißheit und den Entschluß des Selbstmordes wiederzugeben. Den Kreon spielte Josef Klein mit kraftvoller Männ lichkeit. Die übrigen Rollen wurden von den Herren Breiderhoff, Wilhelms, Benzinger und Werder mit kräftiger Stimmentfaltung und regem Eifer dar- gestellt. Al» dann das bejammernswerte Schicksal de» Königspaares fick erfüllt hatte, der blinde Oedipus in die traurige Ferne wankte, das Volk schaudernd vor ihm zurückwich und die Greise fast flüsternd noch „Oedipusl" riefen, da war auf einmal die weite Arena leer, und tiefe Still« herrschte. Plötzlich er klang wieder der Ton der Posaune, und in strahlen der Helle lag der Raum. Das Spiel war zu Ende. Und dem Beifall de» Publikums folgten die Dar. steiler, die nach soviel Leid und Erschütterung lächel- ten, und dann erschien Reinhardt vor dem Königspalast, mit seinem ernsten, charaktervollen Antlitz, in dem di« Augen gedankenvoll leuchten. Möge es ihm weiter gelingen, die Bühnenkünste zu vervollkommnen und die Bühnenkunst zu fördern Or. I-ucknng so doch genügende Einsicht in die Sache haben, so sind sie gleichfalls, nach vorausgegangenem Unterricht, zuzulassen. . * Huret» Buch „Lu varlbro et l» 8»!«^ be schlagnahmt! Der IV. Band des Buches des fran- zösiichen Journalisten Jules Huret über Deutsch land, dessen Ueberietzung „Bayern und Sachsen" wir ausführltch besprochen haben, ist wegen Be leidigung des Königs von Sachsen beschlag nahmt worden. Ausland. Oesterreich - Ungarn. * Zu den Vorgängen au der Krakauer Universität wirb uns aus Prag gemeldet: Hier fanden am Donnerstag zwei tsch«chilche Stuüentenoersa.nmlungen — Unioersitätshörer und Techniker — zugunsten der Krakauer fortschrittlichen Studenten statt. In beiden Versammlungen wurde eine Resolution gefaßt, in der gegen Disziplinarmafinahmen des Krakauer aka demischen Senats und die Berufung der Polizei und des Militärs auf akademischem Boden entschieden protestiert wird. Auch wird neuerlich und nach drücklichst die Abtrennung der theologischen Fakultäten von den Universitäten aefa>'0ert. Es wurde schließlich ein Aktionskomitee gewählt, das mit den Komitees der anderen österreichischen Hochschulen die weiteren Schritte zu führen hat. — Weiter ineldet uns ein Privattelegramm aus Leoben: Die hiesigen montanistischen Hochschüler streiken zum Ausdruck ihrer Sympathie für die Krakauer Studenten. Frankreich. E * Neue Kämpfe in Wadai. Pariser Blätter melden aus dem Sudan: Die Nachricht, daß Sultan Dudmurah in der Schlacht von Trigele getötet oder mindestens schwer verwundet sein sollte, dürste falsch gewesen sein. Aus Tripolis kommt das Ge rücht, daß der Sultan seine letzten Parteigänger um sich gesammelt hat und an der Spitze einer Streit macht von 2000 Gewehren gegen Abescher vor rückt, um sich für Trigele zu rächen. Oberst Largeau kann zur Stunde mit den Verstärkungen, die er nach Abescher führt, noch nicht einmal auf halbem Wege nach der Hauptstadt von Wadai sein. Die neue Meldung soll in Regierungskreisen große Unruhe verursachen. England. * Die Freundschaftsbeziehungen zwischen den Kirchen Englands und Deutschlands. Der König wird am 5. Februar eine Abordnung von deutschen Geistlichen empfangen, die zu der von dem Komitee zur Pflege der Freundschaftsbeziehungen zwischen den Kirchen Englands und Deutsch lands auf den 6. Februar anberaumten Beratung hier weilen. Die Abordnung wird dem König eine Bibel überreichen, wie sie der Deutsche Kaiser von einer Abordnung englischer Geistlicher vor einigen Monaten entgegengenommen hat. Rußland. * In der Reichsduma wurde über einen Antrag des Oktobristen Matjunin verhandelt, in Artikel 25 der Vorlage betreffend die Kanalisation von Petersburg zu bestimmen, dafi. falls die Stadt verwaltung in einer bestimmten Frist der ihr auf erlegten Pflicht nicht nachkomme, der Minister des Innern durch Einbringung eines Antrags die Durch führung der Kanalisation für die Regierung zu bean spruchen berechtigt fein soll. Der Antrag wurde zu nächst mit 128 gegen 142 Stimmen abgelchnt, in wiederholter Abstimmung, die unter Auszählung Aft folgte, mit 131 gegen 130 Stimmen angenommen. Vereinigte Staaten. * Weiteres Vorgehen gegen die ausländischen Schiffahrtsgesellschaften. Aus Washington wirb tele graphiert, das Marinekomitee habe eine neue Ge setzvorlage dem Kongreß empfohlen, durch die die einheimische Schiffahrt gefördert werden soll. Die Vorlage verbietet allen fremden S ch i f f e n, die zu dem sogenannten Internationalen Verband gehören, amerikanische Häfen a n - zu laufen. Die Befürworter der Vorlage stützen sich auf die Antitrustgesetze und behaupten, dafi der Schiffahrtsoerband der Standard Oil Company, dem Stahltrust und anderen Gesellschaften besondere Frachtraten gewährt. Leipzig, 4. Februar. Konzert von Vera Schmidt und Paul Schramm. Unsere einheimische Sängerin Fräulein Vera Schmidt besitzt die erforderliche Selbstkritik. Das zeigte sich gestern in zwiefacher Weise. Einmal ver anstaltete sie, wohl wißend, daß sie nicht einen ganzen Abend lang das Interesse ihrer Zuhörer wach zu kalten vermag, das Konzert nicht allein, zum andern hatte sie nur solche Lieder auf das Programm gesetzt, denen sie nach seiten des Vortrags durchaus gerecht zu werden imstande ist. Gesänge voll tiefer Emp findung, die das Innere ergreifen und mit Leiden schaft vorgetragen sein wollen, muß sie meiden. Hu dem kleinen Gebiet, das ihr von Natur zugewiesen ist, gehören all die lieblichen Liedlein, die keine großen und starken Gefühle ausläsen, die ebenso schnell, wie sie erklingen, vergeßen sind, denen man aber gern einmal lauscht, und die gar unterhaltsam anzuhören sind, zumal wenn sie mit einer so wohlklingenden, seingeschulten, weichen Stimme, mit jo deutlicher Lextaussprache, guter Deklamation und reiner In tonation vermittelt werden, wie dies durch Fräulein Schmidt geschah, und ein so tüchtiger Begleiter wie Herr Smolian am Flügel sitzt. Eine in jeder Weise bedeutende Leistung bot Herr Paul Schramm mit dem Vortrage der Beethovenschen Es-Dur-So- nate, Opus 31 Nr. 3, wie auch, mit Ausnahme des Schlußteils, mit Schumanns „Papillons". Wie tech nisch sauber, wie subtil und fein pointiert erklang hier alles, und in welch schönem Verhältnis standen durchgehends Vortrag und Inhalt dieser Stücke. Doch wie hart griff er dann öfter in die Tasten. So kam es ihm in Liapounows Carillon-Etüde wie inTieger- manns Variationen hauptsächlich auf größtmöglich« Kraftentfaltung an. Aber gerade das gefiel dem größten Teil des sehr zahlreich erschienenen Publi kums, das die Sanger,n wie den Pianisten durch reichsten Beifall auszeichnete. O. 8. Lied«r«bend von Leila S. Hölterhofs. Ein Blrnde mußte es sein, die mit 7 Liedern wieder einmal daran erinnerte, datz cs einen der bedeutendsten Lyriker namens Robert Franz gab. Weil di" Sehenden nicht hören und eine keusche, in sich zurückgezogene Poesie nicht würdigen können! Allerdings zu „dröhnendem Beifall" geben die kleinen Lieder keine Veranlassung. Anspruchslos treten sie auf, spinnen aber den willigen Zuhörer um so sicherer ,n ihre Netze ein. Schade nur, daß der jetzt beinahe zur Gewohnheit gewordene Katarrh auch die Sängerin nicht verschont hotte! Aus diesem Grunde war es »uch gar nicht möglich, ihre stimmliche Leistungsfähigkeit genau festzustellen. Man kann sich bei einer kranken Stimme sehr leicht irren. Wahrscheinlich ist das Organ nicht allzu groß, aber schließlich nicht unangenehm im Klange. Es jei hier auf jedes positive Urteil verzichtet' nur daß der Emp- findunqskreis keinen großen Umfang hat, daß aber mancher hübsch« Anlauf genommen wurde, sei fest-
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)