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Oeutlcher Lelchstsg. 109. Sitzung. <1. Berlin 17. Januar. (Priv.-Tel.) SttmmungsdUü. Die gestrige, den Plänen des Schatzsekretärs nicht gerade günstig gewesene Debatte hat ihn beängstigt, heute ist er schon frühzeitig mit einer ganzen Schar von Mitarbeitern erschienen — fast auf allen Re gierungsplätzen glän-st der blaue Aktendeckel — die rhm im Notfälle mit Material zur Seite stehen sollen. Zunächst hat er heute keinen Grund einzugreifen. Zu Beginn der Sitzung wurde nämlich wieoer einmal die Jmmunitätssrage aufgerollt. Den von dein fort- sckrittlichen Abg. Carstens selbst gewünschten Be schlug, dle Genehmigung zu seiner Strafverfolgung zu erteilen, faßte das Haus nicht. Seine eigenen Partei genossen waren über den vorliegenden Fall geteilter Ansicht. Man geht dann zur Weiterberatung der Zuwachs steuer über, der als erste Redner Dirksen sRpt.) und auch Seyda (Pole) zustimmen. Seyda kann allerdings seine Erklärung nicht im Namen aller seiner Parteifreunde abgeben. Außerdem hat er gegen mehrere Paragraphen Einwendungen zu machen. Er läuft energisch Sturm gegen die vreußi jche Ansiedlungspolitik, die er durch den die Steuer freiheit der Bundesstaaten und der gemeinnützigen Ansiedlungsvereinigungen festsetzenden 8 -'2 für be- günstigt hält. Auf dieie Vorwürfe geht Wermuth vorläufig nicht ein. Als aber die Abgeordneten für die Verhandlungen immer mehr Interesse zeigen, ols sich zeitweise große Gruppen vor dem Rednerpult posiieren und als der Sitzungssaal eine Besetzung aufweist, wie sie in den wichtigsten Tagen kaum besser ist, erhebt sich der Schatzsekretär. Noch einmal preist er die Vorzüge des Gesetzes, empfiehlt dringend alle Abänderungsanträge abzulehnen und versucht mit Hilfe vieler Zahlen nachzuweisen, daß der grötzte Teil der in anderen Besitz übergegangenen bebauten und unbebauten Grundstücke von der Steuer nicht ge- troffen würde, da ihr Wert die für das Eintreten der Steuer bestimmte Ersitze (20 000 bzw. .M>0 -,(() nicht überschreite. Zu Anhängern der Steuer bekennen sich noch die Abgg. Raab sWirtsch. Vgg.), Wer ner (Refpt.), Dr. Neumann-Hofer (Fortschr Vpt.), eine Abschwächung verlangt Pauly- Cochem (Ztr.), eine Verschärfung der Vorlage dagegen Südekum (Soz.). Der nationalliberalc Dr. Vogel warnt vor einer zu großen Belastung der Industrie und vor allem des Bergbaues, den der im Wahlkreis Stöckers gewählte Abgeordnete aus eigner Erfahrung kennt. Dieser letzteren Forderung stimmt auch Dr. Arendt (Rpt.) zu. Ec erzählt weiter, daß er noch nie einer solch verfahrenen zweiten Lesung, wie di? über das vorliegende Gesetz sei, bei gewohnt habe; hat aber dennoch gute Wünsche für das Zustandekommen des Gesetzes übrig. Luch für seine Rede traf die heute mehrfach gemachte Beob achtung zu, daß der gestern durch Westarp verkündete konservative Gedanke, eine Zuwachssteuer uuch für das mobile Kapital zu schassen, bereits Schule ge macht hat. Die Rede Arendts zeigt aber auch, so meint der Staatssekretär Wermuth, als er zu später Stunde noch einmal das Wort ergreift, daß man ein Gesetz totreden kann. 1909 haben nämlich Dr. Arendt und seine politischen Freunde das damals viel schärfere Gesetz angenommen. Abg. Gras Westarp erklärt noch die Zustimmung der Konser vativen, wehrt sich gegen die Kennzeichnung des Ent wurfs als eines agrarischen Gesetzes und polemisiert gegen Dr. Arendt. Am Schluß besteht Dr. v. Sa. vigny (Ztr.) aus der Heraufsetzung der steuerfreien Grenze. Die Worte Wermuths Haden also nichts ge fruchtet. Was wird nun werden? Wird die Regie rung zur Erbschaftssteuer, die man ihr heute wieder empfohlen hat, greifen, oder —? Am Mittwoch darf man endlich die ersten Abstimmungen erwarten. Sitzungsbericht. Am Bundesratstisch Staatssekretär Wecniuth und Kommissare. Präsident Graf v. Schwerin-Löwitz eröffnet die Sitzung um 1 Uhr 18 Minuten. Der Antrag der Geschäftsordnungs-Kommission, die Genehmigung zur Strafverfolgung Les Abgeord neten Carstens (Fortschr. Vpt.) in einer Pri- oatbeleidigungssache nicht zu erteilen, wird nach kurzer Debatte angenommen. Sodann wird die zweite Beratung des Wertzuwachssteuergesetzes fortgesetzt. Abg. Dirksen (Rpt.): Die überwiegende Mehrheit meiner Parteifreunde will trotz mancher Bedenken gegen Einzelheiten für das Gesetz in der Fassung der Kommission stimmen. Bis auf den Antrag Cuno, der die Bestimmung streichen will, daß der Wert zuwachs betroffen werden soll, „der ohne Zutun des Eigentümers entstanden ist", lehnen wir alle Ab änderungsanträge ab. Wir brauchen nun Steuern für das Militär und die Veieranen! Unter keinen Um ständen wollen wir diese Forderungen länger hinaus- schieben. (Beifall rechts.) Abg. Seyda (Pole): Die Steuer ist nicht ge recht, weil nicht alle Staatsbürger gleichmäßig be handelt werden sollen. Bis 1914 soll diese Steuer neben dem Umsatz stempel erhoben werden, und dagegen haben wir die schwersten Bedenken. Will man das immobile Kapital treffen, so ist nicht ein zusehen, weshalb nicht auch der Wertzuwachs an mobilem Kapital, den Wertpapieren, besteuert werden soll. In erster Linie sollte diese Steuer den Gemeinden überlasten bleiben. Die schlimmsten Bedenken haben wir gegen die rückwirkende Kraft bis 188',. Als Berufungsinstanz wollen wir nicht das Verwaltungsstrcitverfahren, sondern Len ordentlichen Rechtsweg. Wir werden einen entsprechenden Antrag einbrinqen. (Beifall bei den Polen.) Abg. Raab (Wirlsch. Vgg ): Es ist wünschenswert, daß nicht noch weitere Abstriche an dem Gesetz gemacht werden Es eröffnet sich hier ein neues G.brrt, auf dem wir noch Erfahrungen sammeln müßen, um etwaige Lücken des Gesetzes zu schließen. Das Vorgehen vieler Gemeinden beweist, daß diese Steuer wohl brauchbar ist; in Hamburg hat sie sich sehr gut bewährt. Es wäre gerecht, wenn man den Gemeinden das Recht, weitere Zuschläge zu dieser Steuer zu erheben, geben würde. Eine endgültige Verständigung wird sich in der dritten Lesung erzielen lassen. Die Veteranenfürsorge ist dringend, daher sollte der Reichstag hier hart werden und die Vorlage annehmen. Abg. Werner (Refpt.): Die Wertzuwachssteuer muß im Interesse der Veteranenfürsorge angenom men werden. Die ungerechte Umsatzsteuer muß gänz lich beseitigt werden. Als Ersatz könnte eine Kotie rung und Wechselsteuer dienen. Abg. Pauly-Cochem (Ztr.) begründet seinen An trag zu 8 1. wonach Steuerfreiheit erntreten soll, wenn der Veräußerer im letzten Jahre nur 3000 Mark Einkommen gehabt hat. Die Kom mission hatte 2000 gesetzt. Der Antrag liege im Interesse der Landwirtschaft und der kleinen Winzer. Die Veteranen brauchten dabei nicht zu kurz zu kommen. Abg. Südekum (Soz.) begrmrdet den sozialdemo kratischen Antrag zu 8 1—16, der diese Paragraphen zusammensaßt zu einem Paragraphen 1 und damit die Regierungsvorlage wrederherstellt. Aut Minder bemittelte, die sonst bei der Steuergesetzgebung berück sichtigt werden, braucht keine Rücksicht genom men zu werden, da ja nur der unverdiente Wert zuwachs getroffen weroen soll. Die Regierungs vorlage hat hier allein den richtigen Stand punkt vertreten. Die sonst gestellten Anträge sind für uns völlig unannehmbar. Die Veteranen fürsorge darf nicht zum Vorspann dieses Gesetzes ge macht werden. 95 Prozent unseres Volkes sind nicht Grundbesitzer, und diese stehen aus unserer Seite, wenn wir hier ein Gesetz fördern, das nicht Schein und Trug ist. Schatzsekretär Wermuth: Ich bitte alle An träge abzulehnen. Es liegt absolut kein Grund vor, Ausnahmen zu schaffen. (Sehr richtig; links). Unter die Grenzen des Stempelgesetzes für die Steuelsc.'ihcit hinunter,zugehen, geht wirklich nicht, ganz abgesehen von der formellen und techni schen Schwierigkeit, die dadurch geschaffen würde. Schon jetzt sind mehr als 90 Prozent aller Auslastun gen unter 20 00» -tt, bleiben also frei. Das geschieht tchon jetzt in Orlpn mit überwiegend kleinbürgerlicher Bevölkerung, daher hätte es bei der Regierungs vorlage zu bleiben. Abg Neumann-Hofer (Fortschritt!. Dpt): Die Abschwächungsanträge stammen sämtlich aus der jetzi gen Mehrheit. Das lst bedenklich. Wir könnten, wenn wir malitiös wären, für sie stimmen, um die Mehrh:rt zu blamieren. Die Gemeinden sollten wenigstens die Hälfte des Ertrages e halten. Wir stellen einen entsprechenden Antrag. Abg. Vogel (Natl.): Für die Industrie kommt ein unverdienter Wertzuwachs überhaupr nicht in Betracht. Die Teuerung von Grund und Boden fällt den Fabrikunternchmungcn bei jeder Bc- triebserweiterung zu Lasten. Ebenso ist dec Berg bau aus diesem Gesetze herauszulassen, auch bei ihm kann von unverdientem Wertzuwachs nicht gesprochen werden. Abg. Arendt (Rpt.): Auch ich bin der Meinung, daß der Bergbau gar nicht in dies Gesetz hineingehört. Daß das Reich zur Erhebung einer Abgabe auf den Wertzuwachs berechtigt ist, entspricht vollkommen meiner Ueberzeugung. Die V.teranen- fürsorgc muß endlich geschaffen werden, und dafür müssen von den verbündeten Regierungen die Finanz- guellen gefunden werden. Die 5 Millionen aus der Reichswertzuwachssteuer reichen hierfür nicht aus. Wir wollen für die alten Krieger eine ausreichende Beihilfe. Wir alle wollen die K r o ß s p e k u l a n - t e n treffen. Das wird aber mit dieser Vorlage nicht erreicht; in diesem Falle wird der Großgrundbesitz geschont und der kleine Mann und der Mittelstand ge troffen werden. Die Terrainspekulanten sind ganz zufrieden: denn sie fahren bei diesem Reichsgesetz bester, als wenn die Kommunen die Steuer in die Hand nehmen. Die wenigsten Abgeordne ten sind in der Lektüre der Vorlage kaum über den Paragraphen 4 vorgedrungen, umstanden hat sie nie mand, nicht einmal die Kommission. (Sehr gutl und Heiterkeit.) Besonders schwer wird die Ausführung dieser Steuer dadurch, Laß sie verkoppelt ist mit dem Umsatz stempel. Die Bestimmung über die rück wirkende Kraft würde mich veranlassen, gegen das ganze Gesetz zu stimmen. (Bravo!) Schatzsekretär Wermuth: Die Argumente des Vor redners sind in allen drei Lesungen der Kommission erörtert und widerlegt worden. Für den speziellen Entwurf von 1909 hat er selbst gestimmt. Die rückwirkende Kraft ist in vielen Orten mrt Erfolg und ohne Schaden angewenoet worden. Es gibt auch Spekulanten mit kleinem Vermögen. Von jedem Gesetz ist schon gemgt worden, daß es schlecht gemacht ist. Das hat aber auf seine Hand habung kernen Einfluß. Wir werden jedenfalls das unsrrge tun. Meine Beamten werden sich schon vor Ausführung des Gesetz s über die in Frage kam menden Verhältnisse an Ort und Stelle u n t e r r i ch- t c n müssen. Die Schwierigkeiten der Veranlagung weroen überwunden werden können. Die Verbindung der Steuer mit der Veteranenfürsorge ist aus dem Hause selbst gewünscht worden. Ich kann nur bitten, unseren Finanzen durch Annahme der Vorlage auf- zuhelsen. (Bravo!) Graf Westarp (Kons.): Gegenüber den Anträgen zu 8 1 werden wir bei den Kommissions beschlüssen bleiben, wenn auch z. B. der Antrag Ahrend, der für die Steuerfreiheit die Grenzsrufen erhöht, manches Gute hat. Arbeiter mit geringem Einkommen werden von der Steuer nicht betroffen. Eine Vermehrung Les Oberverwaltunqsgerichtes kommt meines Wissens nicht in Frage. Daß die Groß grundbesitzer sich von den Steuern drücken, ist ein sozialdemokratisches Märchen. Das Bergw rkseigen- tum soll ebenso erfaßt werden wie anderer Grund besitz. Die Verwendung des Ertrages für die Vete- ranenfürsorae halten wir für wohl durchführbar. Abg. o. Saoiqny (Ztr.) begründet seinen Antrag, die untere Grenze des von der Steuer betroffenen Verkaufspreises von 20 000 auf 30 000 .X iür bebaute und von 5000 aui 10 000 für unbebaute Grundstücke herauszusetzen. Es kommen hier rein sachliche Er wägungen in Betracht. Sollte mein Antrag nicht angenommen werden, so würde sich die Fassung des Antrages Ak a r r empfehlen, nach welchem der Eigen- tumsüberqanq frei bleibt, wenn der Verkauf-.mert nicht mehr als 20 000 bzw. 50 000 — beträgt. Auch der Antrag Pauly (Kochem) würde 'ich e nv'ehlen. Einqeganqen sind im Laufe d«-i- Debatte von ver schiedenen Parteien bisher 84 Adänderungs- anträae zu den Kommislionsvorschtäoen. Die Weiterberatung wird auf Mittwoch 1 Uhr vertagt. Schluß nach 6>^> Uhr. preutzilches Adgearünetenhsus Berlin 17. Januar. Bei fortgesetzter Etatsberatung verlas der Minister des Innern Dallwitz eine amt liche Darstellung der Moabiter Unruhen. (Siehe die Dienstags-Abendausgabe. D. Red.). Abg. o. Zedlitz (Freik.) führte aus: Die Sozial demokratie trägt die Hauptschuld an den Vor gängen in Moabit. Die Einbringung einer Wahl- rechtsvorlagc in dieser Sestion wäre, da keine Aus sicht auf eine Verständigung vorhanden sei, eine politische Dummheit gewesen. (Heiterkeit.) Landwirtschaftsminister Freiherr v. Schorlemer führte aus: In der Förderung des Deutschtums in den Ostmarkcn werden wir fortfahren. Schmieding (Natl.) erklärte: An dem Mißlingen der Wahlrechtsvorlage tragen die Konserva tiven die Schuld, weil sie mit dem Zentrum die Reform machen wollten. Gingen die Liberalen mit der Sozialdemokratie gegen die übrigen Parteien vor. so begingen sie einen verhängnisvollen Fehler. Graf Arnim-Züsedom (Kons.) sägte: Die Erklä rungen des Ministers des Innern über die I n venrur 8e§inn k^5eit3§ krük 8 I-Ikr Lezinn krük 8 Ukr lm parterre: Im ^^vikbenltock: Lteppdecken, Lcblasdecken, Letten, Lettdecken, Lettltellen, I^Iatrat^en, Lcblafiimmer, Kleinmöbel Der Zugang ik nur an ^ocbentagen ab^vecbselnd kür folgende Abteilungen: Kleiderltokfe, deinen, Konfektion und put?, Letten, Onterröcke und äcbürren für alle Abteilungen gemilcbt erlcbeint die große 2^eiscitige Anzeige uncl er empöeblt stcb, dieselbe ausiulcbnciden und auf» rube^abren, veil ein so umfassendes Inserat nicbt mebr erlcbeinr. k^leiderltoffe, 8eide, Kelte abgepaßte Koben, bderrenvakbe, lderrenbüte Damen», Binder» u. bdausliands^välcbe, 1'ri» Kotagen, bderrenkra^atten, äcbürren u. sinter- rocke, Llulen, bderrenkonfektion Verkaukslokal „Oroßer keiter", äcbloßgalse 16, parterre, I-, II^ III. 8tock: k'AsdkL^sdsdD Im I. Obergelcbol): Damen--I^onfektion,pelreu.I^jnderkonfektiOn, k^orletten, Idandlcbube Im II. Obergelcbol)'. ^eppicbe, Oardinen, ^löbelltolse, Damenputr, Posamenten und Lelatre von der peterrltraße. Der Ausgang ilr im bderrenbaus auf die ^darligrafenltraße und von jedem 8tockzverke aur über die direkt nacb der >darkgrafenltral)e und nacb der äcblolZgalde fübrenden Heppen an oonntagen bdorgen Inserate werden erlAeinen Oie neue kaumeinteilung: