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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 15.04.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-04-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110415014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911041501
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911041501
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-04
- Tag 1911-04-15
-
Monat
1911-04
-
Jahr
1911
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Die vorliegende Ausgabe umfaßt 10 Leiten Das Wichtiglte. * Zn der Umgebung von Reims haben er neute Zusammenrottungen von Win zern stattgefunden. (S. d. des. Art.) * Zn Groß-Kreutsch kam es beim deutschen Gottesdienst zu einem blutigen Zusammen stoß zwischen Deutschen und Polen. fS. Letzte Dep.) * Die ungarische Ortschaft DizvLr steht voll ständig in Flammen, mehrere Kinder fandendenTod. (S. Letzte Dep.) Regierung unü prelle. Graf Mirbach hat im preußischen Herrenhause kürzlich allerhand instruktive Bemerkungen über die Presse zum besten gegeben. Er hat bedauert, daß der Regierung kein Korrup tionsfonds zur Beeinflussung der Presse zur Beifügung stände und hat dann behauptet: Fürst Bismarck habe seinerzeit die Mittel des Welfenfonds zu diesem Ende mit „allerbestem Erfolge" verwandt. Dem Grafen Mirbach geht es wie allen grundsätzlichen lawiaturcs wwparis lloti; er sieht die Vergangenheit in zu strahlenden Lichtern. Was immer man an der bismärckischen Epoche preisen mag: die Prc'tzverhältnisse waren nicht eigentlich ihr Ruhmestitel. Wir wollen dabei nicht einmal an Bismarcks viel zitiertes Wort: „Anständige Leute schreiben nicht für mich!" erinnern. Rian darf gelegentliche Aussprüche temperamentvoller Männer — und nun gar so vulkanischer Na turen wie der erste Kanzler es war — nicht auf die Goldwage legen. Es haben auch sehr anständige, sehr honette Leute für Bismarck geschrieben: einer von diesen, der vor ein paar Jahren verstorbene Hugo Jacobi, war trotz mancher Rückständigkeiten ohne Frage eine der Zierden der deutschen Tagespublizistik. Freilich schrieben auch andere, und MoritzBusch, Bismarcks „Bünhchen", der ein ungemein kenntnisreicher Mensch war, aber zeitlebens auch ein Herr von bedauerlich schlechten Umgangsformen und nur mastig entwickeltem Takt, war noch keineswegs einer der ichlimmsren. Indessen auch sachlich standen die Dinge damals um keinen Deut besser als jetzt. Heute ist das offiziöse Schrifttum doch wenigstens in der Hauptsache zentralisiert. Wir haben eine Lammelinslanz in der Presjeabtei lung des Auswärtigen Amts, die — gut oder schlecht — die Presse informiert und die Ver teidigung der Negierungsaktionen unter gemein samen Gesichtspunkten leitet. Das ist unter Lrsmara nie der Fall gewesen. Damals be schäftigte sich auch das Literarische Bureau des preußischen Staatsministeriums, das inzwischen längst zu einer reinen Registratur behörde geworden ist, mit offiziöser Politik, und aus dem Nebeneinander der beiden Institu tionen wurde häufig genug ein Durch-, selbst ein Gegeneinander. Fürst Bismarck aber ging daneben seine eigenen Wege und setzte, wie Julius o. Ekkhard noch kürzlich in seinen Me moiren erzählt hat, durch die Auslassungen der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung"die übrigen Ressorts nicht selten ebenso in Verwunderung wie die Männer der unabhängigen Presse. Der weil speiste das Ministerium des Innern durch das Medium seiner „Neuesten Nachrichten" die kleine Provinzpresse, vornehmlich die Kreis blätter, und schließlich trieben auch die Herren o. Scholz und Schweinburg ihr besonderes Wesen. Ganz abgesehen davon, daß natürlich auch noch die anderen Ressortchefs sich auf dem publizistischen Terrain versuchten, um so eifriger und ungenier ter, je länger und je häufiger der eiserne Kanzler von der Reichshauptstadt entfernt war. Leute, die von dieser Materie doch schließlich auch etwas verstehen mußten, wie der verstorbene Staatssekretär v. Bötticher, haben das zu jener Frist als ausgesprochene Mißwirtschaft empfunden und nach Reform gerufen. Dennoch ist es geblieben wie cs war. Und was Otto v. Bismarck gelegentlich in aller Bitterkeit als „Ressort artikularismus" zu beklagen pflegte, hat Zeit seines Amtes in der Gestaltung der Pre Verhältnisse ein getreuliches Abbild ge funden. Einen Jdcalzustand also, wie der Sorquit- tener Graf meinte, stellten die damaligen Dinge gewiß nicht dar, und in vielen Stücken ist ein Wandel zum Besseren doch unverkennbar. Das b llum omnium contra omncs jedenfalls existiert nicht mehr, wennschon wir vom abso luten Guten noch manche Nasenlänge entfernt sein mögen und es heute wie damals vielleicht nicht ganz an Ministern und Staatssekretären fehlt, die auf Verbindungen mit der Presse halten und bei ihren Inspirationen sich nicht gerade immer von zärtlicher Rücksicht auf ihre Kollegen an der Spitze der Zentralbehörden leiten lassen. Aber Graf Mirbach hat, wenn wir ihn recht verstanden, auch wohl etwas anderes im Auge gehabt. Wie I. I. Rousseau die Herrschaft des guten Prinzips in den Urzustand verlegt, glaubt er, in der bismärckischen Heroenepoche hätte die Presse wirksamer und getreulicher, als das heute geschieht, die Worte und Taten der Regierung verteidigt, und hofft, diese glückhafte Zeit, die in Wahr heit nie gewesen ist, werde wiederkehren, wenn man nur recht intensiv den Rubel rollen ließe. Wir möchten annehmen, in dieser Be ziehung täuscht er sich. Man kann der deut schen Presse manches nachsagen, aber für Geld käuflich ist sie nicht. Dazu ist das gegen seitige Mißtrauen in ihr schon viel zu rege; die paar armseligen Schächer, die auf die Art ihr bißchen Glück zu korrigieren gewagt haben, sind fast allemal ertappt, gestäupt und ausgemerzt worden. Wer sich die Gunst der Presse erringen will, muß es schon auf andere Weise versuchen: muß es machen, wie es etwa Fürst Bülow angestellt hat, dessen Prinzip es war — er hat es selbst gelegentlich so ausgedrückt — „mit den Visitenkarten nicht zu geizen". Der suchte nach persönlichen Berührungspunkten; lud den oder jenen zur Aussprache oder zum Diner in kleinem Kreise in sein Heim, nahm in einer menschlich wirklich liebenswür digen Form teil an den Schicksalen der ihm bekannten Publizisten. Was auf solchem Wege zu erreichen war, hat Fürst Bülow er reicht. Er hat in der Tat eine gute Presse gehabt, und das Maß der Rücksicht ist unter ihm größer gewesen als zu irgendeiner anderen Zeit. Aber einen Geheimfonds hat er zu dem Zweck nicht gebraucht, und den wird auch keiner seiner Nachfolger gebrauchen können. Anders liegen die Dinge auf dem Felde der auswärtigen Politik. Aber dort fehlt es ja auch nicht an einem sülchen Dispositionsfonds, sogar einem sehr ansehnlichen Fonds, der heute nahezu ft/» Millionen beträgt. Mit dieser Summe wäre — man soll da gar nicht an rohe Bestechung denken — schon allerhand anzufangen, wenn es den Leitern unserer auswärtigen Missionen nur beliebte. rie Dinzerunruhen in Frankreich. Wie zu erwarten war, ergeben sich bei der Wieder herstellung der Ordnung in den Champagnegebieten Schwierigkeiten aller At. Das Militär soll mög lichst schonend vorgehen. Da aber erneute Zu sammenrottungen von Winzern in der Umgebung von Reims stattgesundcn haben, woraus auf den Plan eines Sturms der Aufrührer auf diese Stadt zu schließen ist, scheinen blutige Zusammen stöße ernster Art nicht ausgeschlossen zu sein. Die Regierung sucht der Führer der Aufständischen hab haft zu werden, um sie zur Verantwortung zu ziehen. Die Senatoren und Deputierten aus dem Marne gebiet geben sich alle Mühe, die Erregung der Be wohner jener Gegenden zu mildern. Was sie aus richten, werden schon die nächsten Stunden lehren. Mag auch das Acußerste noch abgewendet werben, soviel steht schon jetzt fest, daß infolge der sinnlosen Vernichtung großer Sektlagcr — man schätzt auf mehrere Millionen Flaschen — eine empfindliche Preissteigerung des Champagners ein treten wird. Allerdings wird sich dieser unange nehme „Erfolg" der Winzerunruhen, der natürlich auch eine Verminderung Les Konsüms nach sich zieht, erst in einiger Zeit bemerkbar machen, da ja die Preise für französischen Champagner erst kürzlich in folge der Schaumweinstcuer ««gezogen haben. Ueber die Ereignisse im llnruhegcbiet während des gestrigen Tages unterrichten folgend« Tele gramme: Epernay, 14. April. lTel.) Eine starke Kolonne von Winzern ist gestern nachmittag hier eingetroffen und hat sich in der Stadt zerstreut. Patrouillen durchstreifen die ganze Umgebung, um Ansamm lungen zu verhindern. Die Winzer in Venteuil hatten aus Karren, Bündeln von Rebenpfählen und Balken Barrikaden gebaut, die sie in Brand steckten, als Truppen eintrafen. Auch Barrikaden aus Telephondrähten wurden errichtet. Der Offizier, der die Truppenabteilung kommandierte, brachte die Winzer wieder zur Vernunft, so daß sie s e l b st die Barrikaden wegräumten. Epernaq, 14. April. (Tel.) Gestern nachmittag und abend herrschte Ruhe. Gegenwärtig befinden sich hier 15 000 Mann Militär, und starke Patrouillen verhindern Zusammenrottungen. Auch in A y, das gleichfalls durch zahlreich« Truppenabteilungen br ietst ist, wurde die Ordnung ausrechterhalten. Das I Bureau der Vereinigung der Winzer hat eine Bekanntmachung veröffentlicht, in der die be- I gangenen strafbaren Handlungen scharf mißbilligt werden und Bestrafung der Urheber verlangt wird. Weiter wird darauf hingewiesen, daß der Vorsitzende der Vereinigung sich in einer in Ay vor Ausbruch der Unruhen abgehaltenen Ver sammlung gegen jede Kundgebung, selbst gegen eine ruhige, ausgesprochen habe. Gegen die beiden Mit glieder des Snndikats der Winzer von Venteuil Lagache und Dubois, die als Hauptanstifter der Unruhen gelten, ist ein Haftbefehl er lassen worden. Mehrere Truppenabteilungen sind nach Venteuil gesandt worden, um bei der Ver haftung mitzuwirken. Epernaq, 11. April. (Tel.) Nach Beseitigung der Barrikaden in Venteuil haben die vereinigten Winzer einen Beschluß gefaßt, in dem sie die G e - walttätigkeiten billigen, allgemeine Verantwortlichkeit verlangen und sich dagegen aus sprechen, daß nur einzelne unter ihnen zur Verant wortung gezogen werden. Der Verband der Syndikate der W i n z e r hat nach einer Be sprechung mit den Parlamentariern eine Proklama tion erlassen, in welcher erklärt wird, daß die Winzer mit Rücksicht auf den Beschluß der Kammer, der die Abstimmung im Senat verbessert habe, in Ord nung und Loyalität die Entscheidung des Staatsrats abwarten sollten. Znfolge davon fordert der Verband die Munizipalräte, die ihre Acmter niedergelegt haben, auf, ihre Demission zurückzu ziehen. Epernay, 14. April. fTel ). Die Delegierten der Winzer von 16 an den Unruhen beteiligten Ge- meinden erklärten, ihre Aufgabe wäre es. P r o t e st zu erheben; Brandstifter gäbe es unter ihnen nicht. Die Plünderungen und Brände seien, wie man be weisen könne, das Werk von Anarchisten, die aus anderen Gegenden gekommen seien und sich unter die Winzer gemischt hätten. Reims, 14. April. (Tel.) Korpsches Goicrnd ist darauf vorbereitet, den beabsichtigten Ak a r s ch der Winzermassen gegen Reims auf zuhalten und trifft insbesondere Maßnahmen zum Schutze der Chefs der lllkinlagerhäuser von Rilly, 30 Kilometer von Reims. Das Militär leistete auch bei der dortigen Verbarrikadierung der Wcinlager Hilfe. Das 106. Znfantcrie-Regimcnt trieb die in Epernay und Umgebung sich immer wieder sammelnden Winzergruppen mit aufge pflanztem Bajonett auseinander, doch wurde hierbei Blutvergießen vermieden. Reims, 14. April. (Tel.) Die ganze Umgebung von Reims wird militärisch bewacht. Viele Kauf leute, die Plünderung befürchten, haben einen großen Teil ihrer Waren nach den Bahnhöfen ge bracht. Rotten von Winzern, die sich durch Gehölz heranschleichen, werden von Germaine, Vertus und Avize gemeldet. Zn der letzten Ortschaft haben sie einen Keller geplündert. Epernay, 14. April. (Tel.) Die Abgeordneten und Senatsmitglieder für das Marnegebiet sind heute mittag in Epernay eingetroffen und machen l e tz t e V e r s u ch e, um die Ruhe wiederherzustellen. Epernaq, 14. April. (Priv.-Tel.) Der zweite der beiden Rädelsführer der aufständischen Winzer, Lagach hat sich auf der Unterpräscktur selbst als Gefangener gestellt und wurde in Haft genommen. Deutsches Keich. Leipzig, 15. April. * Internationale Eesundheitskonferenz in Paris. Für die im Mai d. Z. auf Einladung der franzö- lischen Regierung nach Paris einberusene internationale Gesundheitskonferenz Des Freiherrn o. Meüermsnn „GelprSche Goethes". (Nachdruck verboten.) Von der vollständigen, nur dem vertrauten Eoethe- kenner bekannten und wertvollen Gesamtausgabe der „Gripräche Goethes", die vor einem Menschenalter der als Verleger, Literat unü Schöngeist bekannte Leip ziger Berlagsbuchhändler Freiherr von Biedermann als die unvergleichliche Frucht feiner langen L.btns- arbett herausgab, bat der Sohn Flodoard Freiherr von Biedermann in Steglich eine fünfbändige Reu ausgabe veranstaltet, seren beide letzten Bände so eben im Verlage F. W. von Biedermann erschienen sind. Der vierte Band beschließt die vielen Gespräche mit Goethe, die Biedermann mit immensem Fleiße unü mit philologischer Akribie aufgejammelt, die Zelt vom Tode Karl Augusts 1828 bis zum Tode Goethes 1832: Die letzte unü vielleicht an inneren Ereignissen reichste Zeit des Alterslebens Goethes liegt rn den 492 Seiten beschlossen. Es sind hier viele Gespräche auch mit Ausländern, die gemeinhin wenig bekannt waren. Den Schluß macht cm würdiges Erinnerungs blatt des verstorbenen feinsinnigen Großherzogs Karl Alexander von Sachsen-Weimar, der am 150. Ge burtstage Goethes seine Erinnerungen an den größ ten Dichter, den Weimar erlebt hat, aufzeichnet. Der fünfte Band bringt Erläuterungen, Nachträge und Nachweise. Wenn nan diesen Band von 500 Seiten nur durchblättert, kann man schon un gefähr ermessen, welche Riesenarbeit sich die Bieder manns, Vater und Sohn, aufgeladen hatten, alle Ge spräche mit Goethe und Aufzeichnungen über Goethe zusammenzutragen. Reichlich 200 seit«n Erläute rungen, Ergänzungen und Nachträge zu den Ge sprächen bringen noch ein so reiches Material, daß sie allein einen Band füllen würden. Dem Forscher und sorgsam in den Quellen Suchen den wird der Quellennachweis der 2. Abteilung, der erschöpfend die gedruckten Quellen und die erreich baren handschriftlichen Quellen nachweist, bei jeder Arbeit über Goethe willkommen sein. Etwas für ein Eoechewerk ganz Außerordentliches sind die 200 Seiten Seitennachweise, geordnet nach Personen und Orten, nach Sachen und nach Goethe. Dieses ausgezeichnete Register macht das Werk, von dem einmal eine recht unorientierte österreichische Schriftstellerin in einer deutschen Zeitschrift behaup tete, es gäbe nur ein unklares und verworrenes Eoethebild, zu einem Monumemalwerk der Eoethe- literatur, das für lange Zeit seinesgleichen nicht haben wird. In den letzten Nachträgen geht Biedermann sogar noch auf Zeitschriften unü Zeitungsartikel ein, die Neues zu Koeihc beibringen, -igt oft die wertvollen „Stunden mit Goethe", die Wilhelm Bode heraus gibt, an und übersieht selbst die jüngsten Nummern der „Gartenlaube" oder der „Vossffchen Zeitung" nicht. Hier zeigt sich die erweiterte Arbeit des modernen Philologen, der auch zeitgemäße, nicht eben klassische Hilfsmittel nicht verschmäht, um seine Arbeit im besten Sinne vollständig zu machen. Der ehrwürdige Friedrich Zarncke meinte einmal, als Biedermann mit ihm über das Register seines Werkes sprach: Man braucht cs den Leuten nicht zu bequem zu machen. — An dieses Wort hat sich nun der Freiherr von Biedermann ganz und gar nicht gehalten, sondern es so bequem wie nur irgend mög lich gemacht, in d«n 5 Bänden zu finden, was man sucht Drei vortreffliche Mitarbeiter haben ihm am Werke geholfen. Hans Gerhard Gräf, bekannt durch seine Arbeiten im Goethe- und Schillerarchiv, stell e feine sehr schätzbare philologische Kraft in den Dienst der „Geiprächc'st Max M o r r i s, der jetzt den „jungen Goethe" neu herausaibt, brachte viele wertvolle Nach weise aus Goethes Frühzeit, und Leonard L. Mackall übernahm die in fremden Sprachen abgcsaßten zahlreichen Berichte, die er mit vielen Bemerkungen und Ergänzungen versah. Damit ist der Kreis der Mitarbeiter Biedermanns nicht abgeschlossen. An erster teile unter ihnen steht Seine Königliche Hoheit der Eroßherzog Wilhelm Ernst von Sachsen Weimar, der ihm die slaatsaichive zur Benutzung handschriftlicher Unterlagen zur Ver fügung stellte, steht die Verwaltung des Goethe- und Schillerarchios und dessen Direktor, der inzwischen eines unseligen Todes verstorbene Bernhard Suphan, das Großberzoglich Sächsische Staatsministcrium und viele Bibliotheken und Behörden im Reiche und den Einzelstaaten. Hinzu kommen eine sehr große Zahl von Privatpersonen, Gelehrten und Künstlern in aller Welt, die teils Manuskripte, Tagebücher, Briefe von und über Goethe in ihrem Besitz haben, teils daraus Nachricht qeb«n konnten. So hatte der Redaktor ein immenses Arbeitsfeld vor sich, das der Vater Biedermann in zwei Lebens altern durchforschte und der Sohn Biedermann aufs ruue durchschürfte. Die Berichte von Nächststehenden, Hausgenossen, Freunden und Freundinnen, !Zoracsetzten und Unter gebenen, Fürsten und Knechten, Wohlmeinenden und Mißwollenden sind hier vereinigt und in Hinsicht aus ihre En'stehuna, ihren Zweck, ihre Treue, Ausführlich keit und Inhalt sorglich kommentiert. Don höchstem Wert waren natürlich die Tagebücher von Zeit genossen wie Lavater, Völliger, Friedrich von Müller, Sulpiz Boifseröe und 2 o r e t. Der Allgemeinheit am meisten Bekannte ist ja Eckermann, der Sekretär Goethes im letzten Jahrzehnt. Man hat seine Gespräche mit Goethe im deutschen Volke fast gierig aufgesogen und dadurch vielleicht ein falsches Bild von Goethe überkommen, weil Eckermann einerseits Goethe so auffable, wie cs ihm mit seinem immerhin doch etwas beschränkten philologischen Verstand« möglich war, und weil sicherlich Goethe anderseits s«in« Unterredungen mit Eckermann aus dessen persönliches Auffassungsver mögen einstellte, also niedriger oder höher schraubte, als wenn er sonst mit hochg stellten Personen, Ge lehrten. Dichtern oder mit einfachen Leuten aus dem Volke sich unterredete. Freiherr von Biedermann hat nun manche Ge spräche, die andere zuverlässiger als Eckermann über liefern, aus den Eckermann-Berichten gestrichen. Das ist sehr anzuerkennen, und wem an Eckermann mehr liegt, kann ja immerhin eine der wohlfeilen Ecker mann-Ausgaben einsehen. Schließlich war auch di« Zuverlässigkeit und gc wisse Obfektioität der Briefe von Zeitgenossen sehr zu prüfen, denn Briefe von Caroline Herder, Wieland, Voß und Riemer. Schopen hauer und den Geschwistern Knebel lauten zu anderen Zeiten anders, als Aeußcrungen der Frau von Stein in Zahr«n, wo sie Goethe nicht mehr nahestand. Schließlich fordern alle diese Gespräch« und Briefe, die in den fünf Bänden zu vielen Hunderten ver einigt sind, natürlich den ernsten und einsichtigen Leser zur Kritik und damit zur Mitarbeit heraus, und er lernt an diesem Buche besser als an sogenannten Lebensqefchichten Goethes das ganz unbeschreiblich große Goethegebier in sich aufzunehmen und zu ver- arbeiten. So wirken die Freiherren von Biedermann, der
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