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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 13.04.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-04-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110413019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911041301
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911041301
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-04
- Tag 1911-04-13
-
Monat
1911-04
-
Jahr
1911
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Die vorlietiende Ausgabe umsaßt 18 Leiten Das Wichtigste. * König Friedrich August ist am Dienstag nachmittag wohlbehalten wieder in Dresden ein getroffen. (S. d. des. Art.) * Das Erträgnis der in ganz Württem berg veranstalteten Blumentage ist durch eine grosse Spende des Königspaares auf 530 000 -<l er höht worden. sS. d. bes. Art.) * Auf die Schweidnitzer Spionage affäre wurde Deutschland durch die russische Regierung aufmerksam gemacht. (S. Dischs. R.) * Die Demonstrationen der unzufrie denen Winzer im Marnegebiete dauern fort. sS. Ausl, und Letzte Dep.) * Im Tabakgebiet von Kawala (Salo niki) streiken zehntausend Arbeiter. Truppen sind in das gefährdete Gebiet abgegangen. Um Sie Macht ües Oberhauses. Die „Komitee-Beratung" der englischen Veto-Billhat kürzlich begonnen. Dortzulande werden ja die Gesetzentwürfe nicht nach der ersten Lesung in den Schatz einer Kommission versenkt und vielleicht darin begraben, sondern das ganze Haus betrachtet sich während der Einzelberatung als Ausschutz. Unserer Massen- Erzeugung von Gesetzen möchte die englische Form nicht genügen. Aber sie hat auch ihre guten Seiten. Die eine wäre etwa, datz sie be sagte Massen-Erzeugung ausschlietzt. Die andere, datz sie die Gesundheit der besten Köpfe schont, die sich nicht durch die gleichzeitige Arbeit an einem halben Dutzend wichtiger Gesetze aufzu reiben brauchen. Die dritte, daß die minder hervorragenden Volksvertreter höchstens durch ihren eigenen Unfleitz in ihrem verfassungs mäßigen Mitbeftimmungsrechte verkürzt werden, nicht dadurch, daß von 21—W „Spitzen" Hintex ihrem Rücken die eigentlichen Entscheidungen vorweggenommen sind. Die Komitee-Beratung wird nicht kurz aus fallen. Hätte nicht Gladstone die Wohltat des Debatte-Schlusses mit einfacher Mehrheit aus den deutschen Geschäftsordnungen herüber genommen, so möchte sie vielleicht nicht bloß über das nächste, sondern gleich über das über nächste Krönungsfest hinaus dauern, denn nicht weniger als 900 Amendements sind zu den vier Artikeln angemeldet, von denen 830 auf die Unionisten entfallen, also auf die Leute, die an dem Scheitern der Bill ein Interesse haben. Aber die Regierung ist entschloßen, vor der Krönung ein Ende zu machen, und in Eng land sind Regierung und Eeschäftsleitung der Mehrheit ein identischer Begriff. Das groß britannische Reich soll sich den Krönungsgästen im Gewände seiner neuen Verfassung darstellen. Merkwürdig, wie sich in dem parlamen tarisch regierten England auf einmal alles um den König dreht! Daß die Verfassungs änderung ohne seine Mitwirkung nicht Gesetz werden kann, ist ja klar. Trotz aller Ver brüderung mit Japan hat das Harakiri des östlichen Jnselreiches in das westliche keinen Eigang gefunden, und die Lords werden es gewiß nicht an sich vollziehen; wenigstens so lange nicht, als ihre Partei im Unterhause nach Abzug von den nicht für voll rechnenden Irland, Schottland, Wales die entschiedene Mehrheit hat. 2m Oberhause aber steht die konservative Seite wie 5:1. Das Exempel läßt sich nur so lösen, datz die abgeberische Größe, also die unbe grenzte Zahl eines ganz außerordentlichen Pair- schubs, auf etwa 5—600 neue Männer des „besonderen königlichen Vertrauens" eingestellt wird. Besagtes königliches Vertrauen muß sich also in der kritischen Zeit der liberalen Richtung in völlig unerhörtem Maße zuwenden. Dessen vergewissert zu sein, gibt sich das Ministerium Asquith seit den Wahlwochen den Anschein. Täuscht es sich oder die anderen, dann pflügt es Sand, während es die schöne Osterzeit mit der Ausrodung von 830 konservativen Amende ments vergeudet. Tatsächlich hat bis heute der König erst die eine Schwalbe des liberalen Sommers, den Kriegsminister Halda ne, in den Winterhimmel des Oberhauses hinüber flattern laßen. Aber auch die Opposition der Aristokraten hat den König zu den Gegenminen benötigt, mit denen sie fortfährt, den liberalen Lauf gräben entgegenzuarbeiten. Ihre Taktik geht ja darauf hinaus, die drohende Beschränkung ihres Gesetzgebungsrechtes durch eine Selb st - reform des Oberhauses den verdroßenen Wählermassen unnötig erscheinen zu lassen. Sie bemühen sich, ihrem Hause durch Aufhebung der Erbberechtigungen und durch den Aufbau einer Schicht gewählter Mitglieder einen demokra tischeren Firnis zu verleihen. 2m Zusammen hänge mit einer solchen Acnderung stünde aber die Festsetzung einer Höchstziffer. Nun hat man entdeckt, datz mit einer solchen Neuerung ein Einbruch in das unbegrenzte Ernennungsrecht der Krone verknüpft wäre. Die Verhandlungen würden aber auf einen toten Fleck kommen, wenn die liberale Regierung sich geradeso auf ihr for males Recht, die königlichen Privilegien zu verteidigen, versteifte, wie die konservativen Lords auch ihre Erhaltung der unbeschränkten Befugnis, vom Unterhause herübergekommene Gesetzentwürfe abzulehnen. Vielleicht ist es eine Finte gewesen, als Lord Balfour of Barley — nicht mit dem konservativen Untcrhaus- mitgliede zu verwechseln — dieses Bedenken gegen die Verfassungsgerechtigkeit seiner eigenen Reformvorschläge geltend machte. Vielleicht wollte er die Regierung auf einen konservativen Grundsatz festnageln, sie dadurch nicht nur in einen ergötzlich wirkenden Selbwiderspruch verwickeln, sondern auch ihre demokratische Anhängerschaft irremachen. Indessen ist Asquith durch ein einfaches Stellungsopfer dem seiner Partei drohenden Schlag begegnet. Er hat sich beeilt, die königliche Erlaubnis zur Einführung der „geschlossenen Zahl" beizubringen. Er ist überhaupt dem Fehler ausgewichen, der Sonder aktion der Oberhaus-Reformer irgendwelche Steine in den Weg zu legen. Er hält aber daran fest, datz zwischen dieser Aktion und seiner Vetosache kein organischer Zusammenhang bestehe. Man muß damit rechnen, daß es Ernst wird, daß die Regierung wie ihres Zieles so auch der zu ihm führenden Wege gewiß ist; datz sie die Abneigung König Georgs erkannt hat, sein Krönungsjahr mit einer schweren inneren Krisis zu belasten. Die verärgerten Wähler im zweiten Jahre ein drittes Mal an die Urne zu berufen, wäre ein Wagnis von sehr ungewissem Aus gange. Möglich, datz ihre Ermüdung — da sie doch nicht mit ganzem Herzen bei der liberalen Sache zu sein scheinen, und die Regierung zu viel darüber ausgeplaudert hat, datz eine neue Home- rule-Bill unmittelbar hinter der Verfassungs frage lauert — sie beim dritten Male in die Arme der Tories zurücktreibt, die in jenem Falle die Wahlen leiten müßten. Möglich aber auch, datz die Verdrossenheit auf den König zurückfiele und ihm die Volkstümlichkeit kostete, die ihm ohne hin nicht in gleichem Matze wie seinem Vater als ein Geschenk der Natur auf seinen könig lichen Weg mitgegeben ist, als eine selbstsicher reifende Frucht seltener Anpassungsfähigkeit und Zusammenstimmung mit der eigenartigen Veranlagung der englischen Dolksart. Datz die Schwächung der Oberhaus-Macht auch die Krone um ein Festungswerk brächte, hinter dem sie gegebenenfalls Schutz finden könnte, ist ziemlich einleuchtend. 2m Augenblicke aber hat das Spiel der Kräfte das englische Verfassungs- Königtum einmal wieder zum entscheidenden Faktor in einer großen Verfassungsfrage er hoben. Zur Mage üer penlimm- verlitzerung üer prioatbeamten Der von -en Verbänden Sächsischer und Thüringischer Industrieller eingesetzte Ausschuß zur Beratung der Frage eines Pensions oersicherungsgesetzes für Privatbe amte hat in seiner am 10. April 1911 in Dresden abgehaltencn Sitzung folgende Entschließung gesaßt, in der unter anderem ausgeführt wird: Der Ausschuß spricht sich im Einklang mit den sruber gefaßten Beschlüssen der durch ihn vertretenen ? ..önoe für die staatliche Pensionsversicherung der Prioatbeamten aus. Angesichts der außer ordentlich hohen Leistungen, welche der deut schen Arbeitgeberschaft durch die mit der ^c«^ cvl rsicherung verbundene Erweiterung der sozia len Fürsorge erwachsen, hält es der Ausschuß für die Pflicht der Gesetzgebung, dafür zu sorgen, daß diese staatliche Pensionsversicherung der Privatbeamten auf dem möglichst billigen Wege durchgeführt wird. Der Ausschuß erkennt die ideellen Beweggründe an, welche zur Forderung der Sonderkasse geführt haben, zumal die Sonderkasse allein die S e l bst v e r- waltung in einem Maße gewährleisten kann, wie sie der ohne Reichszuschuß allein auf den Beiträgen der Arbeitgeber und Angestellten beruhenden Ver sicherung entspricht. Er ist zu der Ueberzeugung ge kommen, daß einwandfreie Berechnungen über die bei Beschreiten dieses Weges entstehende Belastung der Arbeitgeber und Angestellten noch nicht vorliegen. Hierbei ist namentlich in Betracht zu ziehen, inwieweit sich aus dieser Anfügung neuer Klassen an die Invaliditätsversicherung die bis herigen Grundlagen dieser Versiche rung verschieben uno durch ein wesentliches Fallen des Prozentsatzes derjenigen, welche unter den heutigen Verhältnissen die Versicherung nicht fort setzen, eine Erhöhung der gesamten Beiträge ciiureten müßte. Der Ausschuß betrachtet aber anderweit die Frage, ob die Pensionsversichcrung der Prioatbeamten besser auf dein Wege der Sond'rkassr oder des Ausbaues der Invalidenversicherung zu lösen sei, für eine in ihren zukünftigen, finanziellen, sozialen und staatspolitischen Wirkungen so außerordentlich weittragende und entscheidende, daß er an die verbündeten Regierungen das dringende Ersuchen rickuen muß, der Oeff-'ntlichkeit auf Grund genauer statistischer Be rechnungen weitere Unterlagen zugängig zu machen. Dabei wäre weiter festzustellen, welche Leistungen voraussichllich erforderlich werden, wenn für alle Versicherten entweder die Erwrbsinvalidilät oder die Berufsinvaliditüt bei den Renten zugrunde gelegt wird, wenn die Witwenrenten an alle Witwen pder nur an die invaliden Witwen gezahlt werden, sowie endlich, welche Mehrb.'lastung sich aus der allgemeinen Herabsetzung der Altersgrenze für Arbeiter und An gestellte auf 65 Jahre bei Zugrundelegung der Aus dehnung der Invaliditätsversicherung auf 3000 ergeben würden. Der Ausschuß nimmt gern Kenntnis von der von der Regierung abgegebenen Erklärung, daß entgegen den Vorschlägen des jetzigen Entwurfes eine Z u - kassung von Ersatzkassen unter gewissen Kautelen in dem dem Reichstage zugehenden Ent würfe vorgesehen sein soll. Der Ausschuß nimmt ferner Kenntnis von den Vorschlägen des Verban des deutscher Le b e n s ve r s i ch e r u n g s- anstalten, welcher nach seinen Darlegungen zu der Ueberzeugung gelangt ist, daß die deutsche Lebens versicherung das Problem der Angestelltenvcrsicherung in besserer Form lösen könne, als es die staatliche Versicherung nach den Vorschlägen des Entwurfes zu tun vermöchte. Dieser Vorschlag kann jedoch erst dann diskutiert werden^ wenn er mit allen statistischen Unterlagen der öffentlichen Kritik zugängig gemacht würde. Der Ausschuß spricht die dringende Erwartung aus, daß den beteiligten Krei sen der Arbeitgeber vor Verabschiedung des jetzigen Gesetzentwurfes im Bundesrate ausgiebige Gelegen heit gegeben werde, in mündlichen Verhandlungen mit Vertretern der verbündeten Regierungen ihre Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf zu begründen. Der Ausschuß wird seinerseits seine endgültige Stellungnahme bekanntgeben, sobald die von ihm geforderten weiteren Unterlagen vorhanden sind. Für den Fall, daß der künftige Gesetzentwurf auf Grund dieser Berechnung zum Festhalten an dem Prinzip der Sonderkasse gelangt, fordert der Aus schuß schon jetzt, daß dem Selbstverwaltungs prinzip in weit höherem Maß« Rechnung getragen werde, als dies der vorliegende Entwurf Arbeitgebern und Arbeitnehmern zubilligt. Eine Begründung der vorstehenden Resolution, welche den Gang der Verhandlungen wiedergibt, soll den ver bündeten Regierungen übermittelt werden. peinliche Remiml;en;en. In der letzten Nummer der „Nationalliberalen Blätter" begegnen wir einer vollständigen Zu sammenstellung derjenigen konjeroariv-so- z i a ld e m o k r a t i s ch e n Liaisons, die bisher bekannt geworden sind. Wir selbst verösfenrlichten kürzlich bereits das Material über die Auslieferung des Virchowschen Wahlkreises Berlin ^.Neu stadt-Landau und Frankfurt a. O. - Le bus durch Konservative und Bündler an die Sozial demokratie; ferner über die Fälle der Reichstags abgeordneten von Bolko, Feldmann und Vogt, über die Vorgänge in Knielingen lAmt Karlsruhes, in Ansbach-Schwabach und Jerichow; endlich die un verblümten Ausfo.dcrungcn der konservativen Abge ordneten von Treuenfels, von Wangenheim, des früheren Ministers von Köller, der „streuzzenung", der ..Deutschen Tageszeitung" usw., im Falle natco- nallibcral - sozialdemokratischer Stichwahl durch Stimmenthaltung dcn sozialdemokratischen Wahlsieg herbeizufllhren. Zur Vervollständigung dieser inter essanten Sammlung seien aus dcn „Nationalliberalen Blättern" noch folgende, zum Teil auch schon weiter zurückliegende Vorgänge in die Erinnerung zurück gerufen: Im Frühjahr 1891 war eine Ersatzwahl in Plauen i. Vogtl. zu vollziehen. Der Kreis war nur zu halten, wenn die damaligen Kartellparteicn wie ein Mann zusammen standen, und auch der letzte nicht an der Urne fehlte. Demgemäß einigten sich Konservative und Nationallibcrale ohne große Schwierigkeit und stell ten den Fabrikanten Uebel (Natl.) auf. Dagegen be günstigte die Berliner Leitung des Bundes der Landwirte eine Kandidatur des antisemitischen Landtagsabgeordneten Schubert-Chemnitz, der vcr- läufig seine Kandidatur selbst aufgestellt hatte. Die Berliner Bundesleitung verabsäumte nicht, die fest gewurzelte Ueberzeugung ihrer Vertrauensmänner im Kreise, daß alles Augenmerk auf die Ueber- windung der sozialrevolutionären Gefahr zu richten sei, nach Möglichkeit zu erschüttern. Einem Ver trauensmann im Kreise wurde vom Berliner Vor stand geschrieben: „denn darüber dürfen wir, die wir die landwirt schaftlichen Interessen zu vertreten haben, uns in Zukunft nicht mehr unklar sein: ein Nation al- liberaler, der die agrarische Sache nicht unter- stützt, sondern freihändlerisch gesinnt ist, schadet den Interessen der Landwirtschaft mehr als zurzeit selb st ein Sozial demo k r a k." Der Brief ist unterm 9. Mai geschrieben. Am 12. Mai hielten die Vertrauensmänner des Bundes Versammlung ab. Der Brief aus Berlin machte die Runde. Die ihn gelesen hatten, waren verwirrt und verdrossen. Zum Teil verließen sic dcn Saal. Immer hin erklärte sich auch jetzt noch eine Mehrheit sür die Kandidatur Uebel. Nun aber kam an die Ver trauensmänner aus Berlin eine „Bekannt mach u n g", die vor der Kandidatur Uebel warnte und geradezu die Kandidatur Schubert empfahl. Unterzeichnet waren: der 1. Vorsitzende: von Ploetz; der 2. Vorsitzende: Dr. Roesicke; der Di rektor: Dr. H. Suchsland; der Landesdelegieric: A. Landmann; der Geschäftsführer: Oswin Schmidt. Rücksichtsloser konnten die Vertrauensmänner im Kreise nicht desavouiert werden. Wozu sie dann noch einen Wahlkreisvorsitzenden aus ihrer Mitte wählen und unter dessen Vorsitz über Angelegenheiten ihres Wahlkreises beschließen sollten, mochte ihnen völlig rätselhaft geworden sein. Unterm 21 Mai 1891 folgte ein Brief aus Berlin an den Wahlkreisvorsitzenden mit dem Ausdrucke des Bedauerns, daß „die Herren der lokalen Leitung" sich nicht hatten ent schließen können, dem Herrn Uebel ein imperatives Mandat anzusinncn, das heißt, den bekannten Frage bogen vorzulegen, damit er sich darüber bindend er kläre Die Verwirrung war nun gerade groß genug: sie wußten nicht niehr, was sie sollten, und blieben in Scharen zu Hause. Die Verwirrung war zu groß, als daß zur Stichwahl der Schaden Hütte re pariert werden können. Zwar traten nun die Führer des Bundes im Kreise erst recht und öffentlich für den nationalliberalen Kandidaten ein; aber die Masse der Landwirte war und blieb verärgert und verwirrt. Der Sozialdemokrat wurde ge- wählt. Als im Jahre 1895 bei einer Ersatzwahl in Dortmund der spätere Handelsminister Möller (Natl.) kandidierte, wurde durch die „Deutsche Tages zeitung" unterm 23. Mai 1895 die Parole äus- gegeben: „Möller wühlen wir auf keinen Fall wie der." Im Sommer (27. Juni) wurde es als „selbst mörderische Idee" erklärt, daß die Nationalliberalen Möller wieder aufstellen wollten; und als die Wahl endlich näher kam, hieß es l25. September): „Möller wird wenig Wähler unter den Landwirten finden." Monatelang war die Lauheit in den Kreis der länd lichen Wähler hineingetragen. Fünf Tage, ehe die offizielle Stellungnahme erfolgen sollte, gab die „Deutsche Tageszeitung" noch einem Gewährsmann« das Wort, der berichtete: „Wir (Landwirte) bleiben bei der Ueberzeugung, daß alle Landwirte, die sich nicht selber ins Gesicht schlagen wollen, für Herrn Möller nicht stimmen können." Am 13. Oktober tagten die Mitglieder des Bundes im Kreise, um zu beschließen, daß die Mitglieder — da kein Bundes kandidat in Frage stehe — tun und lassen könnten, was sie wollten. Aber der Wahlkreisvorsitzende Natarp-Holzwickede, erklärte in einer großen, vom Bunde einberufenen Versammlung am 20. Oktober in Schwerte (laut Stenogramm): „Ich erachte es nicht für ein so großes Unglück.daß auch mal ein Sozialdemo krat anstatt Möllers in den Reichstag kommt, denn eine Schwalbe macht noch keinen Sommer..." und nur weil ihm die nächstsitzcnden Freunde am Rocke zupften, um ihn in seinen Offenherzigkeiten zurückulhalten, fügte er hinzu: „Ich spreche für meine eigene Person, wohl gemerkt. Ich weiß aber eine ganze Menge von Landwirten, die stlmmen mit mir darin überein. Eine ganze Reihe von Landwir.en wählt Möller nicht, mag daraus folgen, was will." Das übrige besorgte das Zentrum, und der S o - zialdemokrat wurde gewählt. Bei der bäurischen Landtagswahl 1907 wurde der Wahlkreis Erlangen von Bündlern und Kon servativen ebenfalls der Sozialdemokratie ausgeliefert. Es wurden abgegeben: 27 l6 jo- zialdemokratische Stimmen. 2681 nationalliberale und 678 konseroarioe bzw. bündlerische Stimmen. Da nach dem bayrischen Landtagswahlrecht derjenige Kandidat als gewählt gilt, der die größte Stimmen, zahl erlangt hat. sofern er ein Drittel der ab gegebenen Stimmen auf sich vereinigt, so ging der Sozialdemokrat glatt durchs Ziel. Die Konserva tiven waren rechtzeitig aus die Aussichtslosigkeil ihrer Kandidatur, sowie auf die voraussichtliche Wirkung hingewiesen worden. Sie haben keinen Augenblick gezögert, durch ihre Sonderkandidatur bewußt den Sieg des Sozialdemokraten herbeizuführen. Auch die lippischen Landtags mahlen 1909 bieten für konservative W a h l h i l se für die Sozialdemokratie eklatante Beispiele. Der konservative Hauptverein hatte dies in einem Briefe an das konservative Gencralsekretariat in Baden abgelcugnet. In diesem Brief« wurde schlank, weg behauptet: „Der Vorfall . . . liegt so. daß nach amtlicher Feststellung kein konservativer Mann seine Stimme für eine» Sozialdemokraten abgegeben hat. . . Un sere Vertrauensmänner . . . können aber nicht in Abrede stellen, daß vielleicht mancher konse"vative Wähler, erbittert durch das unschöne Vorgehen der vereinigten Liberalen im Wahlkamp', sich der Stimme enthalten hat." Daraufhin wurde von einem hervorragenden Mit. gliede des Einignngsausschusses der vereinigten libe ralen Parteien in Lippe der „Frcif. Ztg." mitgcteilt, der gesamte Einigungsausschuß sei Zeuge dafür, daß konservative Kreise in Lippe in hohem Maße sozialdemokratisch gewählt hät- ten. Es lasse sich amtlich festste! len, daß Konservative sozialdemokratische Stimmzettel ab gaben, um die Wahl liberaler Kandidaten zu ver hindern. Die Auskunft des konservativen Haupt oereins beruhe auf völlig falscher Information. Es sei zwar richtig, daß Rundschreiben existierten, norin zur Wohl von Liberalen ausgefordert wird. Diese Rundschreiben aber seien weder in einer krnftrva-
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