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l. «ttr h. Mend - Ausgabe kür Leipzig «n» Vorort, Surch ons^e Träger » » uaä Speitteur« »mal täglich lno hau» gebracht: rnonatllch 1.4S M., oirrteyährltch 3.7S M Vel Ser <V»schäst»st«U« unsren Zilialeu unä stu»gab»strUrn odgrholt: monatlich IM., nierteijährlich r M. vurch äi« Post: lnurrhald Veutschlanä» un» S,r »rutschen Kolonien monntUch 1^0 M., vierteljährlich 4.S» M. ausschließlich postdestellgelS. vo» LeipztgerTogedlatt erscheint Werktag» »mal,Sonn» u. Lriertagslmal. 2« Leipzig, den Nachbarorten und den lvrtrn mit eigenen Zilialen wird di« stbendouogad« noch am stdend de» Erschein»»» in» hau» geliefert. Verliner Nrüoktionr Ja den zelten 17, Zernsprech-stnschluß: Moabit Nr. 447. Amtsblatt des Rates und des PoUzeiarntes der Stadt Leipzrg Nedaktioa und SrschäftrsteU«: Zohanni»gaff« Nr.«. o Zernsprech-flnschlug Nr. 14»42, >4bqz und »4d»4. ISS. Jahrgang »»»L». kür Inserat, au» Leipzig und Umgebung die tspoltigrPetit,eil,r-ps„ »i, Neklameieile l M., oon auowärt» ZS Pf., Neklamen >.2S M., Kirin, stnzrigrn Sieprtitzeil« nur SS pf.d.wiederhoi.Nab-, Inserat, »on vehordea im amtlichen Seil »le Petit» Zeile ra Pf. Seschäftoanzeigen mit planvvrschrift im Preise erhöh«. Nadatt noch Tarif. Seilagen: Selamtaufl.»M.da»TausenS auoschl. Postgebühr. stnz,ig»n»stnnohme lobanniogaste», sei sämtlichen Filialen Se» Leipziger Tageblatt»» und allen stnnoaren-Tepeditionen des In» und stuslande». SeschäflsstrUr für Serlii, u. Sie pr. vransendurg. vircklion walter Zlirgel, Vertin w. >0. Morgarethenstraßr 5 Zernsprrch» stnschluk: tünow S47I. rm rie. age zur Nr. 224. Montag, den 4. Msi. 1914 'eil. - i/en. acbt p Vas Wichtigste. * Die drei in Perm verurteilten deut schen Luftschiffer werden Berufung ein legen. (S. bes. Art.) * Huerta soll beabsichtigen, sich an Bord des französischen Kreuzers „Er>nd6" zu flüchten. (S. bes. Art.) * Bei Peking kam es zu einem blutigen Zusammenstoss zwischen chinesischen Sol daten und Mongolen. (S. Letzte Nachr.) Echt rutsche Zustände. Ein Nachspiel zum Prozeß iu Perm. Bon einer mit russischen Verhältnissen vor züglich vertranten Seite wird geschrieben: Während die sechs! ausend Rubel Kaution ftir die in Perm verurteilten Lustschisser aus oer deutschen Heimat getiefert tvurden, verbreitete sich die aufsehenerregende Nachricht, daß der an ftch schon wenig rühmliche Prozes; für Russ land ein sehr blamables Nachspiel haben werde: gegen den Gendarmen Malm, der die drei Lustschisser verhaftet hatte, ist eui Gerichisver fahren wegen Erpressung cingeleicet, da er sich die Reise nach Perm nebst Familie von den verhafteten Luftschiffern bezahlen lwss. ferner wird der Hanptzenge des Permer Prozesses, Landhanptmann M u ch a now , beschuldigt, sich die Schneeschuhe der deutschen Lustschisser äuge eignet zu haben. Durch diese Aufdeckungen werden Zustände entlarvt, die man eigentlich auch in Rußland nicht mehr für möglich gehalten hatte. Die russische Regierung hat es in den letzten Jahren verstanden, durch allerhand Erklärungen und Statistiken und durch geschickte Bedienung der Presse die Meinung zu erzeugen, als sei der russsische Berwaltungssumpf un schönsten Aue- trocknen begriffen. D)cm ist aber, wie man jetzt zur allgemeinen Ueberraschung fcststellen muß, nicht so. Die traditionelle russische Korruption, die Unzuverlässigkeit des Bcamtcnstandes, die Neigung zur Bestechlichkeit und Unehrlichkeit sind heute genau noch so weit verbreitet im russischen Reiche und cingefressen ins russische Mart wie vor acht oder neun Jahren, als es noch leine Staatsgrundgesetze, keine Parlaments lentrolle, keine Gewissens, Preß-, Vereins- und Versammlungsfreiheit gab. > ! »MS—M-S-SSSS»— Gleichzeitig mit dem peinlichen Nachspiel zu dem Permer Prozeß werden jetzt noch andere fast unglaubliche Dinge bekannt. Sv das große Panama der A m urbah n. Es geht mit dieser Strecke ähnlich und noch schlimmer wie beim Bau der sibirischen Bahn. Während des Bau beginns der Amurbahn mußte bereits abweichend vom ursprünglichen Plan die Richtung häufig gewechselt werden, wodurch außerordentliche und kaum verständliche Mehrausgaben entstanden. Die ersten Lieferanten und Unternehmer, die in Rußland immer das fett abzuschöpfen pfle gen, hatten ihre Verträge mit einem Gewinn von Hunderttausenden weiterverkauft, und die zweiten Unternehmer sahen sich dadurch veranlaßt, ihre Kosten vermittels unmenschlicher Schmälerung der Arbeiterlöhne hcrauSzuschlagen. Die folge waren Arbeiterunruhen, Meutereien, ausrückende Kosacken, Zusammenstöße, Krankheiten, Hungers not nsw. fetzt aber entdeckt man, daß die ganze Richtung der Amurbahn verfehlt ist, und daß schier unüberwindliche Schwierigkeiten das ganze Unternehmen in frage stellen/Gegen die Rich tung der Bahn waren schon während der parla mentarischen Beratung in der Duma ernste Zwei fel erhoben worden, aber die Regierung wünschte größte Eile, drückte den Plan mit allen Mitteln durch und ließ den Bau mit größter Ueber- hastung in Angriff nehmen. Das Wegebaumini- sterinm muß sich nun (es hat ja von allen russischen Ressorts von jeher das weiteste Ge wissen gehabt) in aller Oeffentlichkeit sagen las sen, daß es niemals einen ausgearbeiteten Plan der Amnrbahn besessen, sondern ans gut Glück darauf los gebaut hätte. Und da am Amur der Zar besonders weit ist, betragen die Unter setz leise so beiläufig 40 Millionen R u b e l! In russischen Regierungskreiscn erträgt man diese ungeheure Schande mit derselben glücklichen Sorglosigkeit, mit der man gelegent lich die 'Aufdeckungen schwerer Mißstände in der angeblich so gehobenen und verbesserten Armee hinnimmt. Der mit der Kontrolle der Heeres- lntendantnr beauftragte Senator Neid hart hat vor einiger Zeit einen Bericht veröffent licht, wonach 80 Prozent der neuerlich geliefer te» Soldatenstiefcl bereits bei einmaligem Tra gen reißen, 60 Prozent beim ersten Regen voll ständig durchnäßt sind. In einzelnen Meldun gen der Truppenteile heißt cs: „Innerhalb eines Tages waren die Schuhe zerrissen" . . . „Die Fußbekleidung blieb eine Woche ganz, dann gingen die Soldaten barfuß, im besten Falle mit zerfetzten Schuhen" . . . „Nach drei Wochen fie len die 'Absätze ab, nach drei Tagen waren die Spitzen weg." Als Futter für die Militärmäntcl wird alles mögliche verwendet, bloß das vor- ..Um gestern und morgen bekümmre dich nicht rind streife die Sorgen vom ernsten Gesicht. Laß klingen und tönen ein Wanderlied hell Und trinke des Schönen lebendigen Quell." Rudolf Baumbach. Ein -eutsther Vortrag in Paris. Der Direktor des B u n d e s Deuts ch er Ber ke h r c-v e r c i n c , Herr Josef Schumacher aus Leipzig, hielt, wie unser Pariser '.'Akt arbeiter schreibt, bei einer Veranstaltung des Pariser Quartettvereins einen Vortrag über „Deutschland ais Reiseland", der außer franwsischcn freunden dec deutschen Lande sehr viele Mitglieder der Deutschen Kolonie angelockt hatte - die deutsche Botschaft und die bayrische Gesandtschaft waren offiziell vertreten. . Wir geben einige Auszüge des bedeutsamen Vor träges: „Eine auffallende Erscheinung war cs noch bis in die jüngste Zeit, daß manche Touristen an den Schönheiten des eigenen Vaterlandes und selbst der engeren Heimat achtlos vorübergingen, während hauptsächlich, ich möchte sagen, gewisse von der Mooe diktierte Plätze des Auslandes die Sehnsucht der Reiselustigen bildeten. Dieser bedauerliche Umstand war nomentlich bei uns Deutschen in ganz be'orp derem Maße zu beobachten. Und doch darf man Deutschland als ein ideales Reiseland bezeichnen, auf dessen Sä-ätze an alten uno moberiii.ii Baudenkmälern und Naturschönheiten aufmerksam zu machen der Hauptzweck meines Vortrages ist, den ich im Auftrage des Lundes Deuts ch er Ver - kehrsvereinc — sein Sitz ist Leipzig — hier unternommen habe. Wenn ich vorhin schon angedeutet habe, daß der weitaus grösste Teil der tzö Millionen Deutschen nur einen geringen Teil seines Vaterlandes kennt, jo muß cs cbenio eigentümlich berühren daß Deutsch land, im Herzen Europas und im Mit telpunkt der internationalen Ver kehrswege gelegen, non diesem internatio nalen Verkehr rerhaltnismäßtg wenig festgehalten hat. Die allgemeinen Förderungen des großen Weltverkehrs verlangen natürlich, daß die wich tigsten Verkehrsadern, die Deutschland oon Norden nach Süden, von Osten nach Westen uno umgekehrt durchkreuzen, auf die schnellste Beförderung zuge- schnitten sind. Eine Verletzung dieses Grundsatzes würde die Leistungsfähigkeit der deutschen Eisen bahnen sehr beeinträchtigen und mit einer Ablenkung des 'ntcrnationalen Verkehrs gle'chbedcurend jein. Aber ein großer Teil der Reisenden, die Deutschland >m Durchgangsverkehr berühren, reist zur Erholung und Belehrung oder gar zum Zeitvertreib und ist nicht so sehr an die Minute der Zeit gebunden. Aber auch diesem Teil der Reisend.'n ist leider vielfach nicht zum Bewußtsein gekommen, daß jenes Land, das der Eil- oder Luxuszug durchsaust, in seinem reichen Kranze alter uns neuer Städte Sehens würdigkeiten und Kulturbildcr von unvergleichlichem Reize "bietet, in der Mannigfaltigkeit der landschaftlichen Schönheiten kaum zu überbieten ist, in seinen Badern, deren Heilmittel und hygienischen Einrichtungen in einem Zeit- abjchnttt unvergleichlichen Fortschritts zur höchsten Letztungsjähigkeit gesteigert worden sind, das in seinen Stätten der Kunst uno in der Dar bietung großer festlicher und sportlicher V erc> nstalt u n g e n hinter dem Auslände nicht zurück-,usi- hcn braucht und das selbst auf dem modern sten Gebrete, dem Wintersport, eine außer ordentliche Bedeutung gewonnen har, das endlich, was das Reisen selbst und den Aufenthalt ccnbeianqt, alle nur erdenklichen Annehmlichkeiten und Sicherheiten bietet, doch ein Land vorsrcllt, das z u m Verweilen cinladcn muß, wenn seine Vor züge genügend bekannt sind. Zu dieser Werbearbeit jiir Deutschland als Reiseland beizutragen, ist die vornehmste Aufgabe des Bundes." Der Vortragende führte hiernach bl) Lichtbilder vor, die Ausschnitte zeigen sollten aus den male rischen deutschen Städten des Mittelalters, aus den modernen Städtebildern, den Arbeitsstätten der Industrie und aus dem deutschen Bädcrleben, von Deutschlands Burgen und Bergen, aus seinen Wäldern und Tälern, vom Hochgebirge bis zum See. Er begann mit Köln und dem Rhein, führte durch die Hafenstädte, Hamburg, Bremen usw., nach dem Wetzen, hielt sich mit besonderer Vorliebe im schönen Sachscnlande auf, widmete Berlin die gebührenden „kapitalen" Worte und endete mit München und den bayrischen Bergen. Er fuhr dann fort: „Wenn Sie die Sehnsucht einmal wieder nach dem Land ihrer Väter für kürzere oder längere Zeit zu- rückfiihrt, wenn die Anstrengungen des Berufes Sie Erholung suchen lassen in den deutschen Bädern, in seinen Wäldern oder an seinen Seegestaden, wenn Deutschlands mannigfache große festliche Veranstal tungen oder andere Gründe Sie zu einer Reise in die Heimat veranlassen, dann empfehle ich Ihnen, nicht allein die Städte zu besuchen, die durch ihre Lage hauptsächlich als Brennpunkte des internationalen Verkehrs gelten, sondern wandern Sie auch einmal in die Seitentäler und die kleinen entlegenen idyllischen Ocrtchcn, die vor Ihnen eine neue Welt mehr intimer Schönheiten auftun werden. Wo Sie aber auch reisen und wandern werden in der Einsam keit des zur Tiefe des Gemütes redenden deutschen Waldes, auf unseren Bergen und Höhen, an den brausenden Küsten der deutschen Meere, durch die lochenden Fluren oder durch das wogende Getriebe der Großstadt und der Stätten der Arbeit - überall wird eine Sinfonie über Deutschlands Schönheiten erklingen. Und überall wird der Fremde herzliche I geschriebene Lammfell nicht. Das Tuch der Ho sen, Blusen, dann auch die Wüsche ist bereits I nach drei Wochen so dünn und durchsichtig, wie ein Spinnengewebe. Der Senator komm« zum Schlüsse: „Die Intendanz in ihrer jetzigen Form revolutioniert und demoralisiert die Armee mehr, als alle Proklamationen der Radikalen znsammengenommen." Wie in der Armee, so in der Marine. Als sich die Duma für das sog. kleine Flottenprogramm entschied, das etwa eine halbe Milliarde Rubel beansprucht, er schien in einem Petersburger Morgenblatte ein Bildchen, darstellend einen mit dreiDumaführern bespannten Troikaschlitten, auf dein unter mili tärischem Schutze die halbe Milliarde liegt, wäh rend hungrige Wölfe: Banken, Werften und Fa briken hinter der kostbaren Last einherjagen. In der Tat, ganze Rudel solcher „Wölfe" sind jetzt auf der Spur der halben Milliarde, und es ist nicht ausgeschlossen, daß die neue rus sische Flotte schon „geliefert" ist, ehe sie ge liefert wird. * Bor der Berusungsverhandlunq. Die vom Permer Appellhof verurteilten deutschen Lustschisser Berliner, Haase und Nikolai werden gegen das Urteil durch ihre Verteidiger B e - rufung einlegen. Nach Ansicht eines russisclzcn Fachmannes ist gute Aussicht vorhanden, daß der Prüfungsjenat das Permer Urteil verwerfen wird, da Haase und Nikolai, die Passagiere waren, für das Ueberfliegen der russischen Grenze nicht ver antwortlich gemacht werden können. Was Berliner anbetrifft, so gilt der Umstand für erschwerend, daß er von vornherein die Absicht hatte, sich über das russische Verbot, die Grenze zu überfliegen, hinweg- zusctzen. Huertas Zluchtgeöanken. Huerta hat schlimme Tage. Es bedarf nicht mehr der offenen Gewalt der amerikanischen Waffen, nicht mehr des Widerstandes der Rebellen, im eigenen Lager wachsen ihm jetzt die gefährlichsten Gegner empor. Der Kricgsminister General Blanquet, ter im Heere großes Ansehen genießt, wird schon als sein Nachfolger genannt. Huerta selbst soll sich mit Fluchtgedanken tragen. Vielleicht entspricht dieser klägliche Schritt aber nur den Wünschen der Ameri kaner, von deren Seite die Nachricht verbreitet wird. Wir verzeichnen folgende Meldungen: Veracruz, 4. Mai. Hier geht das Gerücht, daß Präsident Huerta beabsichtige, das Land zu ver ¬ lassen und an Bord Les französischen Kreuzers „Cond 6 zu flüchten beabsichtige. Bisher liegen jedoch keine bestimmten, vor allem keine offiziellen Nachrichten über die Zukunstsplane Huertas vor. Tie mexikanischen Truppen vor Veracruz. Veracruz, 4. Mai. Durch Spione wurde fest gestellt, daß eine außerordentlich große Streitkraft sich bei Campos, ungefähr hun dert Meilen von Veracruz entfernt, befindet, und daß der Oberkommandierende der mexikanischen Armee, General Maas, jetzt genügend Trup- pen hat, um allen Ereignissen gegenüber gewachsen zu sein. Ruhe in der Stadt Mexiko. Mexiko, 4. Mai. Eine Reihe mexikanischer Läden "sind wieder geöffnet wort<en, und die Stadt verhält sich ruhig. Die Regierung will den dies jährigen Jahrestag der Schlacht von Puebla, wo die Franzosen geschlagen wurden, der aus den nächsten Dienstag fällt, so wenig wie möglich feiern. Die Ziehung des großen Loses der mexikanischen Lotterie, die sonst stets an diesem Tage vorgenommen wird, ist deshalb verschoben worden. Kein Friede zwischen Earranza und Huerta. El Paso, 4. Mai. Es wird gemeldet, daß General Earranza es formell abgelehnt habe, wäh rend der Vermittlungsoerhandlungen die Feind seligkeiten gegen Huerta e i n z u st e l l e n. Eine Note dieses Inhalts werde am Sonnabend nach Washington gesandt werden. Lan-estagung -er Ev.-Sozialen Vereinigung, uü. Chemnitz, 0. Mai. Die Frühjahrsragnng dec Evang.-Sozialen Vereinigung, zu der sich Mitglieder ans alle» Testen Sachseils eingefunden habe», »ahm am Sotttttagttachmitlag ihre» Anfang mit ei»er V o r st a n d s s i tz u n g. Daran schloß sich ein gntbesuchler F e st g o t t e s 0 i e » st, in denk Pa stor M e il s i n g Dresden eme gedankenreiche Festpredigr hielt über das Wort vom »»ermeß- lichen Wert der Menschenscelc. Abends V-9 Uhr sand eine sehr gutbesuchte öffentliche Ver sammlung statt, in der zuerst Pastor Ihle sprach über „Die sittliche Perjönlichteil und das Trinkgelder unwesen." Er führte u. a. folgendes ans: Die Trinkgelder frage stellt ein soziales Problem dar. Das Trinkgeld hat seine Schranken durchbrochen und ist zum Schmiergeld geworden. Das Uebel sitzt wie eine Krankheit im Geschästsleben. Im I und gastliche Aufnahme finden. In der Groß stadt, wie im Weltbad, im kleinen Landstüdtchen und der Sommerfrische sind die Unterkunftsvcrhältnijje durchweg sehr gute und preiswert. Unsere deut schen Eisenbahnen sind mit die besten nnd billigsten der Welt, ihr pünktlicher und überaus zu verlässiger Dienst ist sprichwörtlich geworden. Das alles macht Deutschland tatsächlich zu einem ideal en Reiseland! Und kch glaube, meine Ausführungen kaum besser schließen zu können, als mit dem bekannten Wort Kaiser Wilhelms II., das er seinerzeit an den deutschen Reichspostmcister gerichtet hat: „Die Welt . .. steht unter dem Zeichen des Verkehrs. Er durchbricht die Schranken, welche die Völker trennen, und knüpft zwischen den Nationen neue Beziehungen an." Die Versammlung spendete Herrn Schumacher langanhaltenvcn Beifall uud der Vorsitzende des Quartcttvereins Kaumanns drückte ihm den Dank der deutschen Kolonie aus. Kunst un- Wissenschaft. * Unioersitätsnachrichlcn. Ter Allgemeine Stu dentenausschuß an der Universität Leipzig veranstaltet ani Dienstag, den 5 Mai, euren Studicnabend, an dem Herr Professor spranger sprechen wird. Näheres an den Schwarzen Brettern. * Rudolf Holzer: „Gute Mütter", Komödie. Ur aufführung für Deutschland im Münchner Schau spielhaus. Die 'Wege der Theaterdirettoren sind oft wunderbar. Da brrngr das Schauspielhaus fast eui ganzes Vierteljahr — nun, sagen wir es ruhig deutsch — einen Schmarren nach dem anderen, ohne damit einen anderen Erfolg zu erziele», als eine Verärgerung seines gewiß geduldigen Publikums, und hat «in Werk im Katzen liegen, das nicht nur das Werk eines echten Dichters ist, sondern auch Bühneneigenschaften genug besitzt, um einen Erfolg zu verbürgen. Der enthusiastische Beifall, der diesem jungen Wiener Rudolf Holzer gezollt wurde, klang beinahe wie eine Erlösung bedrängter Theater herzen. Diese Komödie ist gewiß kein Meisterstück — Gott sei Tank nicht —, sic ist belastet mit fast allen Anfängersehlern, mit Ueberschrrang, mit Sentimen talität, mir Sentenzen und Problemen, aber all diese Fehler stammen aus einer echten ehrlichen Empfindung, ein ganzer Kerl mit Liebe, Haß und Sehnsucht steht dahinter. Der Wille dieser Komödie geht etwa dahin, zu zeigen, wie schlechte Mütter die sogenannten guten Mütter sein können. Diese Ten denz wird in geschickt geformten Gegensätzen vorge rührt: die ein« Mutter zerstört ihrem Sokn aus Liebe fast sein Leben, weil sic nicht begreifen kann, daß „auch ein Sohn sein eigenes Leben zu leben hat", weil sie nicht versteht, baß Atuttcrliebc eine Belohnung in sich ist, „eine Entschädigung an das Kind dafür, daß man es in die Welt gesetzt hat" — die andere Mutter läßt ihre Töchter verlumpen, aus Angst, keinen Mann für sie zu bekommen. Man sieht: die Tendenz ist keineswegs ganz neu - ja auch sonst wird ein gutes Spürtalcnt manche Re miniszenz l-erausfijchen tonnen, vor allem ist das stark betonte Wiener Lokalkolorit keinesivegs ver tieft genug gegeben, um als notwendig empfunden zu werden. Aber das eine hat Holzer, was er nirgends erwerben konnte (auch in Wien nicht), den Blick und die männliche Zartheit eines Dichters. Er wird viel zu lernen haben, ehe er uns das wird geben können, ums er uns geben kann. Bedenken genug, wie man sieht aber dieses Mal wirklich nicht ans Aerger geäußert, sondern aus Freude über diesen starken Menschen. Ich glaube, baß Holzer in Wien einen großen Teil seines Erfolges dem Wienertum seiner Komödie verdankte, in München war man dankbarer für das Dichtertum. Möge ihm oas erweisen, daß sein Weg sein muß. aus einem Wiener Dichter, ern — Dichter zu werden. Die Auf führung des Schauspielhauses war wohl die beste, die ich an dieser Stelle gesehen habe. Aber mehr als der Wiener Gast Willy Thaller, der sehr viel kann, aber noch mehr Fratzen schneidet, mehr lvar die ergreifende Kleinmädchenbaftigkeit „unserer" Eonsuela Nicoletti. N ulter von ftoll.rncker. * Strindbergs „Scheiterhaufen" im Dresdner Interims-Theater. Unter der Leitung Rentzs fand im Dresdner Interimstheater am Sonn abend die Erst-Aufführung von Strindbergs .^Schei terhaufen" statt, wodurch die große künstlerische Leistungsfähigkeit des Theaters und seine Bedeutung sür Dresden von neuem erwiesen wurde. Während in den naturalistischen Einaktern des jungen Strind- derg die kraftvolle Freude an den grausamen Kämpsen des Daseins immer wieder hervorklingt, und das Ganze wie ein Walten der Naturmächle im Menschen uns anmutet, ist im „Scheiterlaufen", einem Spätlingswerk, die große erhabene Wirkung durch die ausgesprochen nihilistisch-pessimistischeLebens- richtung gebrochen. Daher interessiert bei einer Aus führung dieses Werkes vor allem die darstellerische Leistung, an welche hier aain ungeheuere Anforde rungen gestellt werden Vieles wurde sehr schön verkörpert, nur lstitte die physische und geistige Ver kümmerung der beiden Geschwister eindringlicher verbildlicht werden sollen, aber hier fehlte die Kraft der Gebärde. Bei der Mutter vermißte man bis» weilen das unheimliche Natur- und Triebhaste. wodurch Strindbergs Gestalten gerade so furchtbar wirken, während hier das verstandesmäßige Psycho- logisieren den Eindruck abschwächte — Doch Rene hat sich mit dieser schweren Ausführung ein großes Verdienst erworben und man dankte ihm am Ende durch stürmischen Beifall. ^r. k. Ostler.