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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 15.05.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-05-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140515017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914051501
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914051501
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-05
- Tag 1914-05-15
-
Monat
1914-05
-
Jahr
1914
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2. Vellage. Freitag, 15. Mal 1914. Deutscher Reichstag. (Fortsetzung aus dem gestrigen Abendblatt.) Sitzungsbericht. Staatssekretär v. Jagow fährt fort: Wenn wir von der gegenwärtigen Etappe aus auf die Balkanereignisse zurückblicken, so dürfen wir mit Genugtuung feststellen, daß es dem einheitlichen und geschlossenen Auftreten des Drei bundes bisher gelungen ist, in freundschaftlichem Einvernehmen mit England, Rußland und Frankreich die berechtigten Zntereisen der verbünde ten Monarchien in vollem Umfange zu wahren. (Beifall.) Ich begegne mich hierin mit den An schauungen, die der Leiter der auswärtigen Politik Oesterreich Ungarns unlängst in Budapest vor dem Ausschuß der Reichsratsdelegarionen dargelegt hat. Ein wesentliches Verdienst an dem bisher Er reichten fällt der besonnenen, maßvollen und vermittelnden Haltung Rumäniens zu. Die hohe Weisheit seines Herrschers und seiner Regierung bürgt uns dafür, daß Rumänien an dieser durch Erfolge bewährten Politik auch weiterhin f e si tz alten und in Anlehnung an alte Freunde an der Erhaltung des durch die Bukarester und Londoner Beschlüsse wiederhcrgestellten Friedens Mitarbeiten wird. (Lebhafter Beifall.) Die Grundsätze, von denen sich die deutsche Politik hat leiten lassen, werden uns auch in der Zukunft als Richtschnur dienen. Mit billiger Rücksichtnahme aus die Rechte und die Interessen anderer Mächte vnd in voller Sympathie mit der Entwicklung der Balkanstaaten werden wir stets fest und entschlossen für die eigenen Rechte und Interessen sowie die jenigen unserer Bundesgenossen eintreten, wo und wann immer die Gelegenheit dazu sich bietet. (Leb hafter Beifall.) Unser Verhältnis zu Rußland hat neuerdings die Oefsentlichkeit in erhöhtem Matze in Anspruch genommen. Der Herr Reichskanzler be dauert ganz besonders, die folgenden Ausführungen Ihnen nicht persönlich machen zu können. In den letzten Tagen hat das Urteil in dem Prozeß gegen die deutschen Luftschiffer weithin Aufsehen er regt. Wir haben die russische Regierung gebeten, uns die Begründung des Urteils baldigst mit- -uteilen. Bis dahin muß ich mit einer Aus sprache über die Sache zurückhalten. Zweifellos hat sich die schon seit langem in einem Teile der russischen Presse herrschende d e u t s ch f e i n d l i >e Bewegung in letzter Zeit immer mehr verschärft (Hört! Hört!) und auf den verschiedensten Gebieten zu einer rast systematischen Kampagne gegen uns geführt. Die jenizen, die diese Kampagne unterhalten haben, kön nen sich nicht wundern, daß es schließlich so aus dem Walde herausschallt, wie hinein gerufen wird. (Lebh. Beifall.) Wie ich es schon in der Kommission getan habe, möchte ich mich aber nochmals gegen die Versuche verwahren, die R e i ch s r e g i er u n g für einzelne dieser Kund gebungen in der deutschen Presse verantwort lich zu machen. Die Reaktion in Deutschland war eben eine Folge der Aktion, die ein Teil der cuisischen Presse begonnen hatte. Wir haben bei diei:iu russisch-deutschen Preßstrcit wieder eine alte Erfahrung machen müssen. Den Beobachtern der Presse des Auslandes wird cs nicht entgangen sein, eaß man dort geneigt ist, uns und andere Mächte mit ungleichem Maß zu messen. Jede Kund gebung eines unserer verdienten inaktiven Osfi- icre, die gelegentlich einmal energisch mit dem Säbel rasseln, jede Kun idgebung auf den Versammlungen unserer nationalen Vereine, auf denen die Wogen der nationalen Begeisterung cinnial etwas höher schla gen, wird von der Presse des Auslandes mit sor genvoller Miene registriert. Wenn wir aber, wie das periodisch der Fall ist, von Osten oder Westen meistens aber von beiden Seiten gleich zeitig mit Angriffen oder Drohungen bedacht werden, so schenkt dem außerhalb Deutschlands nie mand besondere Beachtung. (Lebh. Zustimmung.) So erklärt sich meines Erachtens, daß, als damals unsere Presse etwas kräftige Worte der Abwehr fand, ein führendes englisches Blatt es für notwendig hielt, darauf hinzuweisen, daß eine Fortdauer dieser Bewegung das sicherste Mittel sei, um einen engeren Zusammenschluß der Entente mächte herbeizuführen. Ich habe die Gmu des Blattes keinen Augenblick bezweifelt. Ich bin überzeugt davon, daß es die Stimmung zutreffend wiedergab, die in England die herrschende war. Ich kann wohl sagen, ich war nicht einmal erstaunt darüber, denn cs war mir wohl bekannt, daß die Kampagne, die gewisse Organe der öffentlichen Mei nung in Rußland durch Monate hindurch gegen uns geführt hatten, in der englischen Presse keine oder doch wenigstens nichtannähernd die Be achtung gefunden hatte, die der Widerhall hervor rief, den diese Kampagne nunmehr in Deutschland er weckt. (Zustimmung.! Ich kann nur wiederholen, was der Herr Reichskanzler hier vor einem Jahre gesagt hat: Wir kennen keine realen Gegensätze, die einem friedlichen R e b e n e i n a n d e r l e b e n der beiden Rachbarreiche Rußland und Deutsch land hinderlich wären. Auch handelspolitisch.' Schwierigkeiten, die demnächst entstehen könnten, wer den sich bei gutem gegenseitigen Willen schlichten lassen. Um so verwerflicher scheint es. einen künstlichen Antagonismus durch Erregung von Bolksleidenschaften hervorzurufcn. (Sehr richtig!) In unserer übernervösen Zeit mit den Einwirkungen der Presse auf die Psyche des Volles ist das ein Spielen mit dem Feuer. (Seh: richtig!) Der Zu stand einer derartigen gegenseitigen Gereiztheit ist nicht geeignet, eine ersprießliche Führung der Reichs geschäfte zu fördern. (Sehr richtig!) Ich hoffe aber, daß es den Bemühungen der beiden Re gierungen gelingen wird, diesen gefährlichen Strömungen einen Damm ent gegenzusetzen. Der Gedanke, daß die Interessen beider Länder durch ein freundnachbarlichcs Zusammenleben am Besten gewahrt werden, ist gesund und durch die Geschichte bewährt. Ich habe Grund zu der Annahme, daß auch die russische Regierung, ungeachtet der erwähnten Treibereien, an diesem alten srcundnachbarlichcn Ver hältnis fcstzuhalten gewillt ist. Was die vicldiskutierten schwebenden Verhand lungen über gewisse den nahen Orient betreffende Fragen angelst, so bin ich leider nicht in der Lage, Ihnen heute darüber nähere Mitteilungen zu machen, da die Ver- h^andl ungen noch nicht mit allen beteiligten «rtaatey abgeschlossen sind. Dem, was bei der ersten Lesung des Etats über die Verhandlungen mit Eng land gesagt ist, kann ich Neues nicht hinzufügcn Von beiden Seiten werden diese Verhandlungen in dem freundschaftlichen Geiste geführt, der auch sonst in unseren Beziehungen zu Großbritannien herrscht. (Beifall.) Wir haben auch Verhandlungen mit Frankreich gepflogen und, wenn ihr Inh.Uk Leipziger auch in erster Linie finanzieller und technischer Ratur ist, so glaube ich es doch politisch begrüßen zu können, wenn wir mit unserem westlichen Nachbarn ,zu einer derartigen, Reibungsflächen ausschließenden Verstän digung gelangen. Alle diese Verhandlungen stehen in einem gewissen Zusammenhang. Einzelne Teile des Verständigungswerkes vorweg der Oefsentlichkeit zu übergeben, dürfte nicht im Interesse der Sache liegen. Die ungesicherte Lage der Dinge in Mexiko hat eine weitere Verschärfung erfahren infolge des Konfliktes, der mit der Regierung der Vereinigten Staaten entstanden ist. Wirtschaftliche und persön liche Interessen deutscher Staatsangehöriger sind leider in hohem Maße durch den Bürgerkrieg in Mit leidenschaft gezogen. Wir haben uns bemüht, für die persönliche Sicherheit unserer in Mexiko lebenden Landsleute nach Möglichkeit Vorsorge zu treffen, und unsere Bemühungen sind glücklicherweise bisher von Erfolg gewesen. Was die wirtschaftlichen Schädigungen anbelangt, so werden wir dcnu Stellung zu nehmen haben, sobald die Ord nung in Mexiko wiederbergestellt ist. Vorbereitende Schritte haben wir bereits getan. Wir haben es freudig begrüßt, daß die Negierung der Ver einigten Staaten, mit der auch wir fortgesetzt die besten Beziehungen unterhalten, sich entschlossen hat, die Vermittlung der drei großen siidameri- konischen Revubnken anzunehmen. Die Verhand lungen der Vermittler werden am 18. Mai in Niagara Falls beginnen. Die weitere Entwicklung wird abzuwarten sein. Mit Argentinien, Chile und Brasilien, die die Friedensmission übernommen haben, sind wir in letzter Zeit wiederholt in Berührung gekommen. Ich gedenke mir Dank des freundlichen Empfanges, den Seine König!. Hoheit Prinz Heinrich und seine Gemahlin sowie das deutsche Ge schwader in den südamerikanischen Republiken ge funden haben. (Beifall.) Tie Wärme dieser Auf nahme beweist, was ich mit Genugtuung feststellen möchte, daß man von der Aufrichtigkeit unseres Wun sches überzeugt ist, unsere handelspolitischen Be ziehungen zu diesen aufstrebenden Ländern ohne poli tische Hintergedanken zu fördern. Darin erweist sich ein Vertrauen in die Ausrichtigung der deutschen Politik, das gerade auf dem Gebiete der internatio nalen Beziehungen eine Vorbedingung des Erfolges bildet. (Sehr nchng!) und das uns zu erhalten und zu stärken bestrebt jein werden. (Lebhafter Bei- sall.) Ich richte an sie, meine Herrne, die Bitte, uns in diesem Bestreben zu unterstützen. An den beiden großen Ausgaben, die uns gestellt sind, der Siche rung unserer gerade vom Glück nicht begünstigten geographischen Lage und oer Entfaltung der wirtschaftlichen und kulturellen Kräfte Deutschlands in der Welt, arbeiten wir mit der Anspannung aller unsere: Kräfte. Den Erfolg zu unterschätzen, Haden wir auch dann keinen Anlaß, wenn er sich zwar nicht sprunghaft, aber allmählich, sicher und stetig wachsend, cinstcllt. (Lebhafter Beifall.) Abg. Wendel (Soz.): Was wir hier zu hören bekommen haben über die auswärtige Lage, das ist dem aufmerksamen Zci- t unzsleser längst bekannt. Es gibt kaum eine Partei, der das etwas verschwommene «st-sicht unserer .auswärtigen, Politik gesiele. A^enn der Ei gläirder überall "auf beb" WcKt geschähst'wirb, so das daher,, weil man. weiß: er ist d^r .freie Bürger eines freien Landes. Bei uns aber stabst vbn Freiheit keine Rode sein. Die Balkanpolitik ist noch nicht erledigt. Wenn aber der Abg. Bassermann seinerzeit sagte, die deutsche Politik hätte alles bei den Balkanwirren erreicht, was sie wollte," so muß man sagen: nur die Rationalliberalen sind bescheiden. Auf dem Balkan hat sich ein Stück weltgeschichtlicher Revolution voll zogen. Wir sind keine Dreibundenthu siasten. Die Politik des Grafen Berchtold war beherrscht von der Augst, Serbien könnte auf dem Balkan zu stark werden. Daher die Hetzereien gegen Serbien, das Spielen mit der Kriegsgefahr. Es war eine Schlachthofpolitik. Man wollte ganz Europa in einen großen Schlachthos verwandeln. (Lebh. Oho-Rufe.) Wir werfen unserem Auswärtigen Amt vor, daß es diese Schlacht- hofpolitit mitgemacht hat, statt Oesterreich zurückzu halten. Auch wir treten für die Freiheit und die Selbständigkeit Albaniens, für ein autonomes Albanien ein. So wie jetzt aber der Staat Albanien gegründet ist, bedeutet er eine Gefähr dung -es Völkerfriedens in Permanenz. Die erste Folge ist schon der epirotische Aufstand. Oesterreich und Italien wollten eben ein Staatengebildc traben, das nicht lange lebensfähig ist, um dann mit ihren Ansprüchen wieder hervorzutreten. Fürst Wil helm von Albanien hat sich als Privatmann in ein Privatabenteuer gestürzt, das für Deutschland gefährliche Folgen haben kann. Die Entsendung der deutschen Militär mission nach der Türkei ist uns peinlich. Es erregt den Anschein, als ob wir uns dort sestsetzen wollten, um das Messer darin zu haben, wenn es ans Teilen geht. Rußland, das russische Volk, will Krieg führen nicht gegen das deutsche Volk, iondern gegen die dortigen Machthaber. Wennder Nikolaus an die Kanonen appellieren will... Vizepräsident Dr. Paasche bittet, derartige Aus drücke einem befreundeten Fürsten (großer Lärm bei Len Soz.) gegenüber zu unterlassen. Abg. Wendel (fortsahrend): Wenn der Zar Krieg führen will, dann soll er erst eine Sch uppen kette an seine Krone machen, da mit sie nicht daoonflicgt. Die Entspannung zwischen Deutschland und England begrüßen auch wir mit lebhafter Freude. Die arbeitenden Klassen beider Länder haben schon darauf hmgearbeitet, als man noch mit dem Säbel rasselte. Der Hetz verein gegen die Fremdenlegion erreicht mit seinem Vorgehen nur das Gegenteil von dem beabsichtigten Zweck. Dadurch wird die Allgemein heit erst auf die Verhältnisse in der Fremdenlegion hingelenkt: dadurch werden erst Vergleiche angestellt zwischen der Behandlung in der Fremdenlegion und dem preußischen Kasernenhofdrill. Das deutsche Volk will Frieden und Freundschaft mit dem französischen Volke, ebenso wie es auch umgekehrt der Fall ist. Der Revanchegadanke hat dort keine Geltung mehr. (Sehr richtig' bei den Soz.) Auch das Abschiedsschreiben des Kronprinzen an sein Husarenregiment hat wiederholt bei den Wahlkämpfen in Frankreich hcrhalten müssen, weil man dort für den Frieden fürchtet, wenn der kronprinzliche Attackenrcitcr einmal zur Regierung kommt. Di« Millionen von Sozialdemokraten sind das Kanonen futter, wenn es zum Kamps« kommt: si« wollen nicht, daß es dazu kommt. Das Gefühl der internatio Tageblatt. nalen Solidarität der Kulturvölker wird das Säbel rasseln uns nicht aus dem Herzen reißen. Und wenn es jenseits der Vogesen heißt: „Es lebe Deutsch land!", so sage ich: „Viva la t'rnncwl" (Lautes Lachen bei den bürgerlichen Parteien. Beifall bei den Sog. — Wiederholtes Lachen.) Abg. Dr. Spahn ('ientrnm): Wir müssen an die Spitze der Völker treten in Kultur und Wissenschaft; aber das Frankreich, das der Vorredner eben hochleben ließ, tritt uns an vielen Stellen auf der Welt entgegen. Unsere Heeresoermehrungen mußten wir vornehmen, um für alle Eventualitäten gerüstet zu sein. Unsere Be strebungen müssen Haupt,ächlich auf Europa gerichtet sein: sie sind aber überall, wie in Albanien, nur wirtschaftlicher Natur. In Kleinasien wollen wir, wie alle Völker, freie Hand haben. Seltsamer weise wird in unsere Beziehungen zu England immer das Schwergewicht auf die wirtschaftlichen Gegensätze gelegt. Das trifft aber keineswegs zu. Wir haben viel mehr Berührungspunkte mit England als man annimmt. An dein überseeischen Verkehr sind wir nur in be schränktem Maße beteiligt. Es handelt sich also nicht um eine Konkurrenz, sondern um eine Vertretung ge meinsamer Interessen. In dem jüngsten italieni schen Erlaß über die Reformen auf dem Gebiet des Schulwesens vermissen die Katholiken eine Kundgebung über die Klärung des Verhältnisses zwischen Papst und Königtum. Auf Unfreundlich keiten gewisser Kreise in Rußland sollten wir nicht allzu viel Gewicht legen. Staatssekretär v. Jagow: Ich möchte nur bemer ken, daß an dem Veto, das seinerzeit vom Kardinal von Krakau gegen die Wahl des Kardinals Ram- polla im Namen Oesterreichs eingelegt worden ist, Deutschland bzw. die Kaiserliche Negierung keinerlei Anteil hat. Prinz zu Schönaich-Carolatst <Natl.): Ich bedauere, daß die Ausführungen des russischen Ministers der auswärtigen Angelegenheiten Ssasonow noch nicht vorliegen. Auch über die Aeu- ßerungeu des österreichischen Ministers des Aeußern sind wir nur auf Zeitungsnachrichten angewiesen. Aus Weiß- oder Blaubüchern erfährt man im Grunde auch nichts Neues. Ich habe mich überzeugt, daß das richtig ist, was wir in diesem Sinne aus dem Munde des früheren Reichskanzlers gehört haben. Ein deutsches Weiß buch würde jedenfalls große Enttäuschungen Hervor rufen. Graf Berchtold hat der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß er sich mit seinem optimistischen Exposö über die auswärtige Lage nicht irre. Um so besser für uns. Er hat von einer wesentlichen Ent spannung gesprochen, und der Staatssekretär des Auswärtigen Amts v. Jagow hat ebenfalls davon gesprochen. Wir stehen ganz entschieden aus dem Boden des Dreibundes. Aber wir verkennen nicht, daß in Oesterreich ge wichtige Stimmen laut geworden sind, welche den Dreibund abfällig beurteilen. Ich lege diesen Stim men keine allzu große Bedeutung bei, aber zu be achten sind sie gewiß. Wir können es nur mit Be friedigung aufnehmen, wenn Graf Berchtold in seinem Expose den freundschaftlichen Charak ter Oesterreichs zu Rußland — ausgerechnet Ruß land — betont hat.. Liegt die Sach» jo, um, so besjrx für uns. Jedenfalls können wir auch für uns in An zpruch nehmen, in unserem Interest das ->r1u«, was wir für richtig halten. Für die deutsche Politik scheint es mir am richtigsten zu sein, die guten Beziehungen zu England und Rußland möglichst aufrecht,zuerhalten. Seit Jahren sind die Freunde einer Annäherung an England aus allen Parteien an der Arbeit. Auch wir arbeiten dabei unverdrossen trotz mancher An griffe mit. Wir haben immer daraus hingewicsen, daß ein zwischen den beiden Völkern hervorgerufencr Konflikt ein Verbrechen oder Unsinn wäre. Wir tun cs auch heute noch. Wir wissen, daß lackfende Dritte vorhanden sind, die dabei zu sehr ge winnen würden. Mit Befriedigung kann man von den Aeußerungen Notiz nehmen, die kürzlich durch die Presse gingen, in denen ein Botschafter einer En tente-Macht darauf hinwies, in wie unverant wortlicher Weise mit dem Worte „Krieg" gespielt und umgegangen wird, als ob ein solcher nichts bedeute. Diejenigen, die vom Kriege sprechen, soll man nur auf ein einziges Schlachtfeld führen. Ich will erklären und lege großen Wert darauf, daß der Verständigungsgedanke von beiden Völkern unterstützt wird. Mit großer Betrübnis haben die Freunde der deutsch-cnglijchen Annäherung die Nachricht vom Ab leben des Herzogs von Argyll vernommen. Sein Wirken wird allen, die ihn kannten, unvergessen sein. Sein Wort, daß beide Länder ewige Vettern sein und bleiben sollten, die durch Blut und ge sunden Menschenverstand verbunden sind, wird hoffentlich seine Richtigkeit behalten. Wir würden es begrüßen, wenn Ihre Königliche Hoheit die Fran Herzogin aus diesen Worten entnehmen wollte, wie segensreich die Tätigkeit ihres ent schlafenen Gemahls gewesen ist. Ich freue mich, aus den Ausführungen des Staatssekretärs über Rügland entnehmen zu können, daß die deutsche Regierung be müht ist, alles zu tun. was die guten Beziehungen zu Rußland aufrecht erhalten kann. Wir werden uns auch freuen, wenn ein ebenso gutes Verhältnis zwilchen Oesterreich-Ungarn und Rußland entsteht. Man darf aus den Aeußerungen des Grafen Berchtold entnehmen, daß alles Ueble der Ver gangenheit angehört. Erinnern möchte ich noch an die durchaus freundschaftliche Haltung Rußlands im Jahre 1870 71. Wir haben nirgends in der Welt erhebliche Differenzen mit Rußland. Ich kann mir dagegen wohl denken, daß Rußland und Eng - land sehr zahlreiche haben können, jo z. B. am Goldenen Horn, in Persien usw. Mit Bedauern haben wir von den großen H e e r e s a n s a m m - lungen an der deutschen Grenze, von den kriegsgcmäßen Manöoern gehört. Auch von den haßerfüllten Aeußerungen der Presse. Das sind alles zu beachtende Erscheinungen. Wir sollten aber trotzdem an die Erhaltung des Friedens glauben, die umso leichter möglich sein wird, je länger die Be mühungen der beiden Regierungen anhalten. Selbst bei einem siegreichen Kriege mit uns könnte Ruß land nicht viel gewinnen: ebenso würde es uns er gehen. Der Streit mit Rußland kommt mir so vor. wie ein Streit in Vcrwandtenkreisen, wo man sich auch einmal zankt, und dann sicht, daß eigentlich kein Grund dafür vorhanden war. Wir treten für die Erhaltung der Türkei ein. Die Ruhestörer auf dem Balkan sollten ganz besonders energisch von den Großmächten zur Ruhe gewiesen werden. Es wäre dringend zu wünschen, daß Griechenland mit seinen ganz unerhörten Forderungen zurückgewicsen wird. Wenn die Großmächte die großen Schwierig keiten in Albanien ruhig mit ansehen, dann wäre es vielleicht besser gewesen, nicht erst ein Albanien geschaffen ,«u haben. Herr Wendel meint, daß in Frankreich die deutsch .244. MorgLN-Nusgalre. Sette 9. freundliche Stimmung immer mehr zunehme. Wenn es so wäre, wo sind dann die maßgebenden Stellen in Frankreich, die für eine Freundschaft mit Deutsch land eintretcn? Herr Barthou hat erst vor kurzem gemeint, es gäbe Leute, die von einer Annäherung an Deutschland träumen. Dies könne man aber nur auf das Programm setzen, wenn Frankreichs Welt machtstellung anerkannt würde. Das ist doch keine Politik des Friedens und der Freundschaft. Ich will auch einen Fall von El c m cnccau hier anführcn, in dem er von der Wolfsnatur der Dcut- s che n sprach. Nach diesen Aei ßerungcn bedeutender französischer Staatsmänner kann man nicht be haupten, daß in Frankreich eine deutschfreundliche Stimmung herrsche. Auf keinen Fall kann ich glauben, daß es in Frankreich eine große Partei gibt, die eine Verständigung mit Deutschland haben will Wir lebten im Jahre 1870 mit Frankreich im tiefsten Frieden, aber die Masse in Frankreich wollte den Krieg. (Sehr richtig!) Ich wollte nur der Aujsasjung cntgegcntrctcn, als ob in Frankreich allgemein der Wunsch vorhanden sei. sich mit uns zu verständigen. Wir bedrohen doch nicht dir Weltmachtstellung Frankreichs. Bismarck hat im Gegenteil immer das Bestreben Jules Ferrys unterstützt, Frankreich das große Kolonialreich zu schaffen. Auf der zweiten Haager Konferenz wurde der S e c d e k l a r a 1 i o n zugc stimmt. In England ober entstanden Schwierig keiten. Es würde mich freuen, wenn England seine Haltung ändern würde. Gerade wir haben ein sehr lebhaftes Interesse daran. Ich möchte unsere Freunde im Ausland« bitten, diese Bemühung zu unter stützen. Für die bevorstehende Dritte Haager Kon ferenz ist eine ganze Reihe von Vorarbeiten , cstig. Zudem sind ihr eine ganze Reihe von früheren Ar beiten übertragen worden. In einer ganzen Reihe von Staaten hat man deshalb Studient am missionen eingesetzt. Ich muß bedauern, daß das Auswärtige Amt sich gegenüber den Ai r:gun gen in der Budgetkommission ablehnend verhalten hat. Man könnt« leicht den Vorwurf daraus der leiten, daß Deutschland die Angelegenheit ver hindern wolle. Es kann der Negierung durchaus nur angenehm sein, die Meinungen der verschiedensten Parteien kennen zu lernen. Ich wünsche, daß diese Kommission jetzt bei uns noch zusammentritt. Sehr viel Zeit haben wir nicht mehr zu verlieren. Im Interesse des Friedens, zum Besten des Vaterlandes müssen Bundesrat und Reichstag einträchtig Zu sammenhalten. (Beifall bei den Natl.) Staatssekretär von Jagow: Der Herr Abg. Prinz Schönaich Carolath hat über die Abschaffung desSccbcutcrcchts o< sprachen und um Auskunft gebeten. Bekanntlich ist die Frage auf der zweiten Haager Konferenz erörtert worden. Es waren damals vier Großmächte dafür (Amerika, Deutschland, Italien und Oesterreichi, während viere andere (England, Frankreich, Ruß land und Japan) dagegen waren. Da auch die Stimmung unter den Mittelstaaten geteilt war, so konnte man zu irgendeinem Beschluß natürlich nicht gelangen. Daß eine wesentliche Acndcrung der Stellungnahme der Staaten seither erfolgt wäre, ist uns nicht bekannt. Wenn jetzt Sir Edward Grey eine freundschaftliche Haltung seines Landes in Aussicht stellt, so ist das im Interesse einer intcr nationalen Verständigung zu begrüßen. Sir Edward GxHykhcü «it biese Konzession Bedingungen von großem Umfang geknüpft. Diese Bedingungen sind mir noch nicht genügend bekannt: sie bedürfen jedenfalls neck einer Erläuterung und Prüfung, so daß ich momentan mich zu dieser Frage nicht aussprechcn kann. Zur Ratifizierung der Scerechtsdeklaration sind wir bereit, aber das englische Parlament hat ihr noch nicht zugestimmt. Abg. (Holstein (Jortsrstr. Psi!.): Daß Amerika wirtschaftlich sich ganz anders ent wickelt als Deutschland, ist selbstverständlich. Wir haben 1200 000 Mann mehr unter den Waffen als Amerika. Welch große wirtschaftliche Werte gehen dabei verloren! Man sollte nicht mehr von eine: Gefahr der europäischen Völker untereinander ivrechen, sondern die wirtschaftliche Ueberslügelung durch die neue Welt ins Auge fassen. Ter Ausfall der sranzvfi schen Wahlen ist als eminente Fried e n s kundgeb ung anzuschen. Gutes Verhältnis zu Deutschland war geradezu Wahlparole. Da sollten wir dies« freundlichen Töne erwidern. Der Staats sckrctär hätte allen Anlaß, auf unsere chauvinistische Presse ein wachsames Auge zu haben. Das Vorgehen Rußlands in der Getreid-zollfrage bringt uns die Notwendigkeit, wieder aus den Identitätsnachweis bei den Einsuhrschcinen zurückzugrcifen. Deutschland ist cs erheblich erschwert, tm Auslande Macht und Einfluß zu gewinnen. Die deutschen Kapitalien sind festgelcgt und durch die zu nehmende Bevölkerung wachsen unsere Lasten, von denen Frankreich keine Ahnung hat. Zu allem dirsem kommen unsere verfehlten wirtschaftlichen Gesetze. Das Kaligesetz entzieht uns Milliarden, mit denen, im Auslande angelegt, wir in der äußeren Politik Vorteile erringen lönnten. Auch die An häufung von Kriegsschätzcn schwächt unsere wirt schriftliche Schlagfertigkeit. Unsere auswärtige Politik sollte sich nicht überall ein mischen in die inneren Angelegenheiten anderer Län der. Vor allen Dingen besteht der Wunsch nach besserer Ausbildung unserer Diplomatie und der Konsularbeamten in kaufmännischen Dingen. Wir treten gern für unsere alten guten Beziehungen zu Oesterreich-Ungarn und zum Dreibund ein, sofern d.'r Dreibund den Frieden sichern will, ^beliebige Extratouren sollten von den einzelnen Mächten nicht unternommen werden. Wir freuen uns, daß das Verhältnis zu England nicht nur korrekt, sondern so gar freundschaftlich ist. Bei den Balkanwirrcn haben sich viele deutsche Interessengemeinschaften gezeigt. Hoffentlich gelingt es England, die Schwierigkeiten zu beseitigen, die einer Verständigung über die See rechtsdeklaration noch entgegcnjtehen. Eine aus wärtige Politik kann nur Erfolg haben, wenn ihr Vertraue» im Auslande wächst. Hierin ist ichon manches besser geworden: hoffentlich geht cs so wei ter. Der Fall Zabcrn hat gezeigt, daß nicht die kirchliche Nachrichten. Asraelitifche Religionagemeinpe zu Leipzig. Sabb.itaaii^« dienst Freitag abend 7'- Ubr: Sonnabend vormiliar 8^ Ubr ^ingendgotlesdienst Sonnabend nachmittag -I>, Nkr. Motette in der rpomaakirche. Sonnabend, den in "Kai, n a ch in > ,2 II b r. o b Seb. Bach: Präludium und Fuge (ck-Moll. Z. S. Bach: „Fesu, meine Freude" Freitag. den 15. Mai, WOnkllich 4 Ntzr, öffentliche Hauptprobe airwe»»»«il in »er RitaiaMrche Sonntag, den t7. Mai. v o > m. > ,lv U br. G. Schreck: „Dem Herrn will ich singen"
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