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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 15.05.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-05-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140515017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914051501
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914051501
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-05
- Tag 1914-05-15
-
Monat
1914-05
-
Jahr
1914
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SÜSWWM Kunst unä Uissensetiaft !!VV!WNWN Vie Stuttgarter Ausstellung für Sefua-heitspsie-e. Daß Gesundheit das höchste Gut ist, weiß zwar jeder, aber dieses höchste Gut richtig zu verwalten und dauernd in gutem Zustande zu erhalten, verstehen die wenigsten. Tros) alter Fortschritte der Wissenschaft, und Bildung, der Erkenntnisse und Erfahrungen wird gegen die Gebote der Gesundheitspflege überall noch viel gefehlt und gesündigt. Es ist daher freudig zu begrüßen, daß seit einigen fahren in Deutsch- land durch Hygiene-Ausstellungen Aufklärung und Belehrung über dieses wichtige Gebiet in weite Volkskreise getragen wird. Die hiesige Ausstellung für Gesundheitspflege, deren offizielle Eröffnung am 14. Mai statt findet, die aber von Vertretern der Presse unter sachkundiger Führung schon am Sonnabend be sichtigt werden konnte, ist keineswegs ein Ab klatsch ihrer Vorgängerinnen in Dresden und Darmstadt, sondern etwas durchaus Selb ständiges und bietet viel neues Material in eigenartiger Darstellung; natürlich wurden die in Dresden und Darmstadt gewonnenen Er fahrungen bestmöglichst benutzt. Noch ist man ches unfertig und in den nächsten Tagen ein ge waltig Stück Arbeit zu leisten, doch empfingen schon bei dieser Vorbesichtigung alle Besucher den Eindruck, daß hier unter Leitung Dr. In- gelfingers und seiner Assistenten, der ver schiedenen Abteilungsvorstände, wahrhaft Großes geschaffen worden ist, eine Aus stellung von imponierender Fülle und Schön heit, cm Werk, das mit seinem fesselnden An schauungsmaterial, mit seinen überaus reiz vollen, aufklärenden, belehrenden und anregen den Darstellungen zweifellos außerordentlichen Nutzen und Segen verbreiten wird. Das Ausstellungsgelände befindet sich mit ten in der Stadt, wenige Minuten vom Bahn hof. Stadtgarten und Gewerbehalle bilden den Kern der Gesamtanlage, die eine stattliche Zahl neu aufgefllhrter Bauten auf weist. Bleibenden Gewmn für Stuttgart be deuten der neue Stadtgartensaal (Aus- stcllungs-Hanptrestaurant), ein feines, der land schaftlichen Umgebung prächtig angepaßt.s und im Innern ungemein behaglich ausgestattetes Ge bäude (eine Schöpfung der Architekten Schmohl und Stähelin), und ein neuer Sa al bau für Vorträge mit amphitheatralischem Zuschauer raum, einer Projektionsbühne und einem Ex perimentiertisch mit den raffiniertesten ?lppara- len. Die ganze Ausstellung umfaßt einen Flä chenraum von 60 000 Quadratmetern, nahezu ein Drittel davon überbaut. Sie ist gegliedert in eine volkstümliche, eine wissenschaftliche, eine historische und eine literarische Abteilung sowie eine Sondergruppe für angewandte Hygiene. Beim Eintritt in die Haupthalle fällt zunächst ein großes, aufs feinste ausgearbeitetes Modell der Stadt Stuttgart auf, sodann fesseln neu artige, statistische Tafeln, bei denen kleine Licht punkte die Bevölkerungsdichte in Stuttgart, Württemberg und auf der ganzen Erde anzeigen und Helle und dunkle Lichteffckte unS das Wir ken von Leben und Tod in gewissen Zeiträumen veranschaulichen und von den verschiedenartigsten Todesursachen Kunde geben. Es folgen nicht minder lehrreiche und zugleich unterhaltsame Darstellungen der Regenböhe auf der Erde und der Entstehung des Nebels, des Zellenlebens und aller Organe unseres Körpers. Alle Funk tionen der menschlichen Maschine werden mit genial erdachten und ausgeführten Apparaten allgemein verständlich vorgeführt. Besonders interessant ist u. a. die elektrische Darstellung der Wahrnehmung und der Willcnsbcwegung des Menschen. Eine Nebeneinanderstellmlg von Bildern griechischer Idealkörper und von Photo graphien schwäbischer Turner unserer Tage lie fert den überraschenden Beweis, daß viele un serer Turner sich an körperlicher Schönheit mit den Idealfiguren aus der klassischen Griechen zeit messen können. Viel Interessantes bieten auch die Abteilungen und Gruppen der Nährstoffe und Nahrungsmittel, der Optik, Llcktrizitäts- lekre und des Magnetismus. In der historischen Avteilung werden gute Ueberslchten über Jahr tausende alte Menschenschädcl bis -um schwä bischen Dickschädel unserer Zeit, von der Ent wicklung des Wohnungsbaues, der Kleidung, des Schuhes, des Bade-, Kranken- und Be stattungswesenS dargeboten. Den Schillersreund fesseln da ein vorn Regimentsmedikus Schiller geschriebenes Rezept, ein von ihm geschriebenes medizinisches Gntachten und Protokoll und seine Promotionsarbeit. Der Gesnndheitswert des Lachens wird praktisch empfohlen durch die Nach bildung einer Arche Noah, in die in ur komischem Zuge alle Tierarten paarweise ein marschieren. Die Galerie der Haupthalle be herbergt die Abteilungen Sanitätswesen, an steckende Krankheiten, Nahrungsmittelkontrolle, Wasserversorgung, Säuglingspflege, Schule, Ein flüsse des Alkohols, Versicherungswesen, Wohl fahrtseinrichtungen, Apotheken, Fürsorge für Kranke und Gebrechliche usw. In der anschlie ßenden Industriehalle sind Technik und sanitäre Installationen untergebracht, werden Feuer schutz und Rettungswesen, Gas und Elektrizität, Heizung und Lüftung behandelt. Ferner führt die Ausstellung noch oas Ideal einer Milchwirt schaft, das Muster eines Kinderspielplatzes und eine Auslese Friedhofskunst vor, letztere auf dem angrenzenden Gebiete des romantischen alten Hoppenlaufriedhofs, auf dem Wilhelm Hauff und so viele andere bedeutende Männer in ivyllischcm Parke schlummern. Ein gewaltiges Material ist in dieser Aus stellung zusammengetragen und so übersichtlich geordnet und reizvoll dargeboten, daß der Be schauer nicht müde wird, zu schauen und zu lernen, zu staunen und zu bewundern. Es wird hier viel darüber gestritten, ob die außerordent lich hohen Kosten dieses Unternehmens auch bei andauernd starkem Besuche gedeckt werden kön nen. Aber auch wenn die Ausstellung sich fi nanziell nicht rentieren sollte, wird sie doch un serer Stadt und unserem Lande zum Vorteil gereichen und weit darüber hinaus segensreichen Einfluß üben. Tausenden und aber Tausen den wird sie wichtige Aufklärung vermitteln: die Kenntnis des eigenen Körpers, bas Verständ nis für eine richtige Ernährung, für die heil kräftige Wirkung von Licht und Luft, für die Wahl einer zweckentsprechenden Wohnung, für eine vernünftige Kleidung und für die Stäh lung des Körpers durch Uebunaen verschiedener Art. Mit der Zeit werden wohl Ausstellungen dieser Art in allen Großstädten eine regelmäßige Einrichtung werden. Im Interesse der Volks gesundheit ist es dringend zu wünschen. ^VllKsIM WlämLNll. * Erstaufführung im Tharlottenburge, Schiller» theater. Unser Berliner Theaterrefe rent telegraphiert uns: Auf der Bühne des Schillertheatcrs in Charlottenbura erschien, lebhaft hervorgeruien, ein weiblicher Autor. Die dänische Schriftstellerin Olga Ott hatte sich der gelungenen ersten deutschen Aufführung ihres zwar nicht genialen, aber niedlichen und warm blütigen Lustspiels „Klein Eva" zu erfreuen. Und mit ihr freute sich sichtbarlich das Publi kum. Gemessen am Durchschnitt der heiteren Bühnenproduktion unserer Tage, ist die Ehrlich keit dieser prunklosen, dramatischen Arbeit her- vorhebenswert. Die Backfischnaive aus Ur großvaters Lustspieltage wird hier in ein heitres Problem verwickelt. Es ist ein lüjähriges Mäd chen, das, dem Triebe seines unkundigen Her zens folgend, den geliebten Papa dazu bewegt, Feigheit und falsche Scham fallen zu lassen und einer unehelichen Tochter das väterliche Haus zu öffnen. Des bißchen Rührung ist mit dem bißchen Spaß schmackhaft gemischt. Inmitten eines vortrefflichen Ensembles entzückte Gusti Becker als alt- und herzenSkluger Backfisch. u. X. * Raiittdrauath Ta göre, »Gebet für Indien-. Von Rabtndranath Ta göre, dem merkwürdigen letzten Nobelpreisträger für Poesie, liegt seit kurzem eine von ihm selbst aus dem Bengali ins Indische übertragene und daher wenigstens für einige auserwählte Dozenten lesbare Fassung seines Gilanjali vor. Aus der Lyriksammlung hebt Professor M. Winternitz, der Prager Ordinarius der in dischen Philologie, das seinem gedanklichen Wert nach verl-ältnismäßig bedeutend« Gebet Tagores für Indien heraus: „Wo der Geist ohne Furcht ist und das Haupt hoch" gehalten wird; Wo die Erkenntnis frei ist; Wo die Welt nicht durch enge häusliche Mauern in Stücke gebrochen ist; Wo die Worte aus der Tiefe der Wahrheit hervor kommen; Wo unermüdliches Streben die Arme nach der Voll endung ausstreckt; Wo der gleiche Strom der Vernunft sich nicht in der öden Sandwüste toter Gewohnheit verliert; Mo der Geist durch dich vorwärtsgefllhrt wird zu stets sich weitendem Denken und Handeln; — Zu diesem Himmel der Freiheit, mein Vater, Iah mein Land erwachen!" Jede Zeile nobelpreiswürdige Lyrik. Oder Er kenntnis? Immerhin, Indien erwacht. So etwa 1770 in bescheidene östliche Verhältnisse übersetzt. Die Verleihung des letzten Poeten-Nobclpreises hüllt sich immer mehr in das undurchdringliche Geheimnis der schweigsam gewordenen schwedischen Kulturkronen- vcrteiler. » Richard Strauß erhielt anläßlich der gestrigen Uraufführung seiner Oper „Josephs Le gende" in der Großen Oper zu Pari« das Offi - zierskreuz der Ehrenlegion. Parstsal in Brüssel. Die Brüsseler Hof oper brachte Wagner» „Parsifal" in der Zeit vom 1. Januar bi» zum heutigen Tage nicht weniger als 35 mal bei stets ausverkaustem Hause zur Darstellung, Jedesmal waren die Preis« beträchtlich erhöht, und für die letzte Vorstellung war seit Monatsfrist kein Platz mehr zu haben. Die 35 Par- sisal-Vorstellungen erbrachten eine Eesamteinnahme von 500 000 Franken. * Ein chinesischer Zauberdolch ist dieser Tage vom Berliner Völkerkundemuseum erworben worden. Der aus Nordchina stammende Dolch, der für den lamaistischen Kult bestimmt war und P'ur-bu heißt, ist ein Tempelprunkstück und nicht weniger als 1,80 Meter hoch. Er steht auf einem getriebenen, mit Türkisen besetzten Metalluntersatz und ist mit Zauberworten in Lantsaschrift bedeckt. Vermutlich ist der Dolch ein Geschenk des Kaisers Kienlung (1736—1785) an einen mongolischen Tempel. - Dem Berliner Bildhauer Heinrich Etraumer, besten Entwurf für eine neue Kirche in Dahlem mit dem ersten Preis ausgezeichnet wurde, ist nun mehr durch Beschluß der Gemeinde-Körperschaft die Ausführung des Kirchenbaues am Tyielplatz in Dahlem übertragen worden. Mit den Arbeiten soll sofort begonnen werden. - Die Heidelberger Porträtausstellung 1914. Aus Heidelbe r a wird uns geschrieben: In dem präch tigen barocken Patrizierhaus, das seit einigen Jahren den Heidelberger Städtischen Sammlungen einen so eigenartigen Rahmen schafft, findet vom 15. Mai bis 15. September eine Sonderausstellung statt, die bei Kunstkennern und Kunstfreunden weitgehende Beachtung findet. Karl Lohmeyer, dieser ausgezeichnete Kenner und Forscher des Barock, ist der Urheber der Aus stellung, die den reichen privaten und öffentlichen Besitz an Meister-Porträt» der alten Hauptstadt der Kurpfaiz zum ersten Male der Oeffentlichkeit er schließt. In acht verschiedenen Gruppen wird dieser wertvolle künstlerische Besitz vorgeführt und dadurch ein ausgezeichneter Ueberblick über die Entwickelung der Porträtkunst vom Mittelalter dis zur Gegen wart geboten. Altdeutsche Maler und Plastiker eröffnen die Reihe, denen sich die Meister der Renaissance, und zwar sowohl Spanier als auch Italiener anschließen, es folgt di« Nürnberger und die Niederländer Schule, um dann in einer glänzen- den Hauptgruppe die in der Pfalz und für ihre Fürstenhäuser tätigen Porträtmaler der Barockzeit vorzufllyren. Weiter ist die Zeit Louis' XVl. ver treten, um dann wieder die Kunst des Biedermeier in würdiger Weise durch zahlreiche wertvolle Stücke zu repräsentieren. Ueber Karl Rahl, den Lehrer Feuerbachs, kommt die Ausstellung zu Anselm Feuerbach selbst, um dann in Canon und den Jugendmerken Trübners, de» größten Meisters, den Heidelberg der deutschen Kunst geschenkt hat, auszu- klingen. * Die plastische Abteilung des Kaiser-Friedrich- Museums ist durch eine hervorragende Neuerwerbung, ein Geschenk des Kommerzienrats Georg Liebermann in Berlin, bereichert worden. Es handelt sich um einen mächtigen bronzenen Adler, eines jener kostbaren Stücke aus dem späten Mittel- alter, die sich hier und da in Kirchen Westdeutsch lands und Belgiens als Chorpulte finden Achnlich wie bei dem im Dom zu Halberstadt bewahrten Exemplar hat sich nur der prachtvoll stilisierte Adler selbst, nicht der Unterbau, erhalten. Seine vorläufige Ausstellung fand er in dem Durchgangsraum zur Basilika, wo seit kurzem die Neuerwerbungen deut scher Kunst vereinigt lind. Er wird nach Vollendung des Neubaues eine Zierde des Deutschen Museums bilden. * Der Erreger des Typhus entdeckt? Aus New Port wird gemeldet: Der amerikanische Dr. Harry Plot;, ein Spezialist auf bakteriologischem Gebiete, kündigt an, das; es ihm gelungen sei, den Typhus erreger zu entdecken und zu analysieren. * Lom Römerlager zu Oberaden bei Dort mund, in dem der Museumsdirektor Baum seit einigen Wochen wieder Ausgrabungen leitet, wird bekannt, datz dort in einem Brunnen gut erhaltene Waffen gesunden worden sind, welche ein ganz neues Bild von der Bewaffnung und Ausrüstung der römischen Soldaten geben. Die Waffen werden dem Dortmunder Museum einverleibt. * 7V. Geburtstag Geheimrat Wellhausens. Ge Heimer Regierungsrat Professor Dr. jur. et phil. Julius Wellhausen, der berühmte alttestament- liche Philologe der Göttinger Universität, vollendet am kommenden Sonntag sein 70. Lebensjahr. Ge heimrat Wellhausen ist Mitglied der Berliner Akademie der Künste und Ritter des Ordens pour le msrNe. * Die Antographensammlung Erich Schmidts wird, wie nunmehr endgültig feststem, nicht diese Woche, sondern Montag und Dienstag kommender Woche bei Martin Breslauer-Berlin zur Versteige rung gelangen. * 160 600 Fr. für Tuberkulosekranke. Wie aus der Schweiz berichtet wird, überwies der bekannte belgische Großindustrielle Solway dem waadt ländischen Staatsrat IM 000 Fr. zum Andenken an den Arzt Dr. Bourget. Mit dieser Summe soll ein Pavillon für Tuberkulosekranke errichtet werden. — Dr. Bourget bat Solway mehrere Male mit Erfolg ärztlich behandelt. * Traub über die Pflichten de» Studenten. Das soziale Amt der Berliner Freien Studen tenschaft eröffnet die Tätigkeit de» Sommer semesters mit einem Vortrag des Landtagsadgeord- neten Traub: „Was das deutsche Volk von den Studenten erwartet." Student sein heißt mehr als nur studieren. Die Studenten haben das Recht, viel länger als andere Volksgenosten nur lernen zu dürfen, sind Stipendiaten des deutschen Volkes und mästen von diesem besten Rechte, das man ihnen eingeräumt hat, auch den besten Gebrauch machen. Der Student soll nicht nur Fachwistenschaft- licher, nicht nur Theologe, Jurist oder Historiker sein, er soll das Leben und das Volk studieren. Nur so vermag er ein Führer des Volkes zu werden, das sich nie gegen echte Führer gesträubt bat, sondern nur gegen die, die keine Qualitäten zu diesem höchsten Amte hatten. Um das Volk richtig kennen zu lernen, muß man mit dem Volke lesen, muß man sich bemühen, mit ihm zu denken und mit ihm zu fühlen Hier muß die soziale Arbeit der Stuben - t e n einsetzen. Und dann erst kann das Volk das von dem Studenten erwarten, was es von ihm verlangen muß, nämlich die Uebermittlung des Geistes der Geschichte, die Erkenntnis der Gewißheit, daß es Ideen gibt, die weit über den; Alltagsleben stehen. 6va Maria. 18s Von Margarete Richter. (Nachdruck verboten.) Sie waren schon weit hinausgesegelt, als Eva endlich ermüdet innehielt und sich zurück warf auf das Kissen. Es fiel ihr ein, daß sie ihn Gitarre hatte spielen hören vor einiger Zeit. Sie richtete sich halb auf und stützte den Kopf auf die Hand. „Herr Doktor, spielen Sie nicht Gitarre?" fragte sie ihn, und er bejahte. „Wieviel In strumente beherrschen Sie eigentlich?" „Ach, so allerlei," meinte er leichthin, „aber nichts Ganzes." „Doch! Die Gitarre spielen Sie gut, das habe ich schon gehört." „Gerade um den Akond anzuschwärmen," meinte er lachend. „Anspruchsvoll sind Sie wenigstens nicht." fügte er etwas von oben hin- zu, weil ihr gönnerhaftes Lob ihn reizte. Dann begab er sich zu Dr. Dürholz und unterstützte ihn bei dem Scgelmanövcr für die Rückkehr. Mit ruhiaen Blicken aus ihren grauen Außen war sie seinen Bewegungen gefolgt. Seme junge, kräftige, schlanke Gestalt hatte etwas ungemein Schmiegsames, Anziehendes. Er wußte, daß sie ihm nachsah. Ab und zu nickte er ihr vergnügt zu. . . . Wenn sie nur seinen Vornamen er fahren könnte! Das quälte sie geradezu. Sollte sie ihn fragen? Niemand wugte ihn. Weder Bille noch Dr. Dürholz. Sie gab sich einen Anlauf. Sie rief ihn an: „Herr Dr. Steenholt, wie heißen Sie eigent lich?" „Wie ich heiße? — Steenholt einfach." „Geistreich — was?!" spöttelte sie im Offi- zicrston, um »'"w ihre Verlegenheit hunveg- zukommen. „Den Vornamen meine ich!" „Ja. Da raten Sie man!" „Ehhhmil," sagte Eva mit einem komischen Abscheu im Gesicht. „Ne, danke —! Ehmill! Raten Sie weiter. Wenn Sie es herausbringen —" „— was dann?" Steenholt warf einen Blick auf Sigmund Dürholz, der ihm gerade zulachtc. Er besann sich und verschluckte das, was er hatte sagen wollen. dann halte ich Sie für äußerst klug." „Es ist gut, daß Sie nicht sagten, was Sie dachten," entgegnete sie. Und er las ihren Zügen ab, daß er nicht hätte wcitergehen dürfen. „Steenholt ist dänisch, nicht wahr?" fuhr sie fort, ohne ihm Zeit zu lassen zu der Ent gegnung, die ihm auf der losen Zunge schwebte. „Ja. Aber wir sind schon Hunderte von Jahren in Ostfriesland ansässig," sagte er nicht ohne einen leisen Stolz. „Aber Ihr Vorname muß doch ein dänischer sein — das geht gar nicht anders. Ich weiß nicht warum —" „Ingo —?" Eva schüttelte den Kopf. „Sie heißen Hol ger!" sagte sie plötzlich ganz bestimmt und er rötete überrascht, als er ausries: „Das haben Sie irgendwo gehört!" „Nein! Wenn ich cs gewußt hätte, hätte ich nicht gefragt. Es fiel mir ein, weil ich an Holger Danske dachte, oder wie Ihr Namens vetter hieß." Und sie errötete von neuem ein kleines bißchen. „Gefällt Ihnen Holger?" Eva nickte. „Ich mag alle nordischen Namen gern. Auch die Frauennamen. Eva mag ich nicht." „Aber ich mag es gern. Nur — Sie müßten „Eva Maria" heißen," sagte er mit leisem Nach druck Er hatte sich neben sie gesetzt, und sic fühlte, daß er kie ansah. Sic aber hatte wieder die Arme hinter den Kopf verschränkt und sah hinauf in die unendliche blaue Weite. „Warum Eva Maria ?" fragte sic nach einer langen Pause, ohne sich au» ihrer Lage zu rühren. ie sagen - - i Wie denn anders, wir „Weil ... ich weiß nicht recht —" er zögerte. „O, Sie können eS schon sagen." Er beugte sich ein bißchen über sie und sah ihr in die Augen, die sie schnell abwandte. „Halb sind Sie Verführerin — halb Madonna! Deshalb!" Eva fühlte sich betroffen. „Sie haben einen ausgezeichnet scharfen psychologischen Blick, Herr Doktor!" sagte sie sarkastisch und verzog die Mundwinkel. „Hab' ich auch!" erwiderte er trocken. Dann, wieder in seinen Neckton zurückfallend: „Warum nennen Sie Dr. Dürholz nicht du? Sie sagen immer so steif: Herr Doktor! Fräulein Horn!" Eva war erstaunt: „Wie denn anders, wir sind doch nicht verwandt!" Er beugte sich etwas hinüber zu ihr und sagte mit einem verschmitzten Gesicht: „An sei ner Stelle würde ich Sie längst „Eva" und „Du" nennen. Ich habe es jedenfalls satt mit dem gnädigen Fräulein! Bon heute nenne ich Sie Eva Maria!" Sie sah ein bißchen unsicher weg. Sie ärgerte sich. Manchmal hatte er doch etwas Dreistes . . . „Das werden Sie nicht tun!" sagte sie möglichst bestimmt. Sic lagen Seite an Seite. Er sang, und sie hörte ihm mit geschlossenen Augen zu. Dann fiel sie leise mit der zweiten Stimme ein. Eva hatte ein Gefühl, als wolle ec ihre Hand berühren, die sie unter dem Kovf her- vorgezogcn hatte. Sie nahm den ausgestreckten Arm eng an sich. Plötzlich fuhr er empor, sah ihr in die er schrockenen Augen und sagte: „Jetzt hab' ich's! — Sic sind das Rautendelein. So weich, so süß ... und auf einmal haben Sie keine Seele mehr. Wer weiß, wen Sie mal heiraten!" Eva verzog wieder spöttisch die Mundwinkel und ihre Augen blitzten ihn an: „Wer lociß cs . . .! Und außerdem geht Sie das auch aar nichts an. Sie sind kern Heinrich, Sie — Sie dänischer See Held!" „Ich glaube, wir fangen schon wieder an, uns zn zanken," meinte er gemütlich und erhob sich völlig, um den Wind zu prüfen, der be deutend abflaute. „Wir kommen spät nach Hause," setzte er nachdenklich hinzu. Und in der Tat war all mählich kein Luftzug mehr zu hören. „Kratzen Sie am Mast, Fräulein Eva, das hilft." Eva erhob sich lachend und tat, wie ihr ge heißen. Sic kannte den alten Seemannsglanben. Aber der Wind wollte nicht stärker werden. „Sie sind zu ungläubig!" warf ihr Steen- Holt vor und holte die Riemen heraus. Er rechts, Sigmund Dürholz links, Eva wurde ans Ruder kommandiert. Ab und zu fuhr ihr Steenholt mit dem Riemen dicht an der Nase vorbei. Sie blieb sitzen, kühl und gelassen, und dacht«: Rühr' mich nur an! „Jetzt ist mit Ihnen nicht aut Ktrschen essen, Fräulein Eva! Das Gesicht kenne ich von Ihrem Bruder her!" Eva zuckte die Achseln. „Lassen Sie mich jetzt puhlen, und ruhen Sie aus." „Wenn Sie wollen?" Sie wechselte den Platz mit ihm. Als Bin- nenlünderin war sie das lange, unbefestigte Ruder nicht gewohnt, und Steenholt lachte sie bei jedem ungeschickten Schlag ins Wasser aus. Allmählich aber kam sie in Uebung. Sie wurde warm dabei. „So — nun ist's genug!" „Nein. Ich will noch." „Sie haben nichts zu wollen!" Er stand auf und versuchte neben ihren Händen Platz zu gewinnen am Riemen. „Nein, ich will nicht!" sagte sie fest und hartnäckig. „Aber ich!" Ihre Augen funkelten: „Und Sie sollen nicht!" sagte sie mit einer Stimme, leise, vor verhaltener Wut. Sie hätte ihn beißen können, so tief haßte sie ihn in diesem Augenblick. Sie schlug ihn kräftig auf die Hand. lSoriistzu« 1» d«
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