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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 15.05.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-05-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140515017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914051501
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914051501
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-05
- Tag 1914-05-15
-
Monat
1914-05
-
Jahr
1914
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Sette 2. Nr. 244. Rwrgrn-Nusqsde Kämpfe in der Nähe der Hauptstadt. Mailand, 14. Mai. Luigi Barzini meldet jeinem Mailänder Blatte aus der Stadt Mexiko unterm 13. Mai: Veracruz ist von einer voll ständigen Brigade und von einem Kavallerie- und Artillerieregiment beseht. Zwei andere Brigaden sind jeden Augenblick bereit zu landen. Das ganze amerikanische Expeditionskorps beträgt 2 5 000 Man». Amerika scheint vorläufig keinen Vormarsch zu beabsichtigen, hat aber für den Hall, das; die Regierungstruppen vollständig mit dem Revolutivnsheer beschäftigt sein sollten, den Plan einesVorstotzesgegendie Hauptstadt ins Auge gefasst, um dann als Retter in der Not zu erscheinen. In der Hauptstadt herrscht einstweilen Ruhe. Die Theater sind jede» Abend voll, aber unter dieser scheinbaren Ruhe birgt sich eine große Furcht. Viele Familien reisen ab, da sich in der nächsten Zeit in der Hauptstadt blutige Ereignisse abspiclcn werden. Augenblicklich wird an verschiedenen Orten in der Nähe der Hauptstadt bereits gckä m p f t. Die Spitäler wimmeln von Verwun deten, so das; kein Platz mehr für die Neuankömmlinge ist, die in Privathäusern untcrgebracht werden müssen. Der Umstand, das; die G e s a n d t scha f t s - gebäudc von besonders starken Gendarmericposten bewacht sind, gibt zu denken. Die Regierung scheint vor Ueberraschungen nicht sicher zu fein. Ein neuer Befehlshaber der Negierungstruppen. Beracruz, 1t. Mai. Nach Mitteilungen des Staatsdepartements hat General Garcia Pcna an Stelle des Generals M aas den Oberbefehl über die mexikanischen B u n d e s t r u p p e n außer halb Veracruz' übernommen. Das Begräbnis der gefallenen Amerikaner. New tyork, 14. Mai. Während der Ausbohrung der Leichen von zwei Seeleuten in Boston und Chicago kam es zu einem großen Gedränge, wobei viele Personen verletzt wurden. In Boston wurden etwa hundert Frauen niedcrgetrcten, mehrere davon schwer verletzt. Zn Chicago wurden etwa zwölf Personen niedergetreten. politische Ueberlicht Vie Sesolüungsvorlage. K Die Hoffnung, auch noch das Zentrum für ein gemeinsames Vorgehen in Sachen der Besoldungs vorlage zu gewinnen, hat sich — wenigstens vorläufig — zerschlagen. Die Partei der Mitte ist unnachgiebig geblieben wie bisber. Nunmehr gedenken, wie wir hören, die Konservativen und die beiden liberalen Fraktionen, auf eigene Hand vorzugehen, und es lcheint Aussicht vorhanden, das; die Regierung dann noch um ein geringes weiter entgegenkvmmt. „Weiter", das heißt über die bislang bekannt gewordenen Zu geständnisse hinaus. Gesichert wäre die Besoldungs vorlage ireilich damit noch nicht. Aber es wäre doch möglich, das; unter solchen Umständen das Zentrum noch .einmal mit sich zu „Rate , ginge, .-ob es den Beamten auch die bereitliegenven Gelder zu ver weigern das Recht hätte. Russische Saisonarbeiter und Verstärkung -er -rutschen Rückwan-erung. Vor einiger Zeit hat die russische Regierung die Sperrung der Grenze für die Saisonarbeiter in Aus sicht gestellt, und wenn diese Maßnahme aller Vor aussicht nach auch nicht im vollen Umfange zur Gel tung kommen wird, jo ist dock; mit einer Verminde rung der russischen Arbeiter zu rechnen. Es ist des halb versucht worden, die deutsche Rückwanderung noch mehr als bisher zu fördern, um dadurch recht zeitig eine Vermehrung der ländlichen Arbeiter zu erzielen. Erfreulickierweise ist es geglückt, in den ersten vier Monaten 1914 bereits bedeutend mehr Rückwanderer nach Deutschland zu ziehen als bisher. Vom 1. Januar bis :!1. April 1912 wurden insgesamt 1485, Rücklvanderer dem Muttcrlande zugesiihrt, und im Fahre 1913 stieg in der gleichen Zeit die Zahl auf 15,5,4. Weit be deutender ist aber die Steigerung in de» ersten vier Monaten dieses Zahrcs, nämlich aus 1922. Auf die Monate März und April entfällt der Hauptteil der Rückwanderung. Zn diesen beiden Monaten sind 15,27 Rückwanderer dem Mutterlandc zugeführt, unter diesen sind 209 Landarbeiterfamilicn, 4 Waldarbci- tcrfamilien, 8 Ansiedlcrfamilien und 41 ledige Land arbeiter, so daß im ganzen 099 arbeitsfähige Per sonen gezählt wurden. Zum Ankauf besichtigten Leipziger Tageblatt. 04 Personen Güter, 79 begaben sich im Znlandc zu Verwandten, und 201 brachten sich selbst unter. Da die Rückwanderer von Fugend auf Landwirte sind und als landwirtschaftliche Arbeiter tätig sind, so ist, wie die Erfahrung bis jetzt gelehrt hat, mit einer Ücbersiedelung einmal angesetzter Rückwanderer in die Stadt nicht zu rechnen. Neuerdings sind auch so genannte „Heuerlinge" in Westfalen angesctst wor den. Das find Inhaber von kleineren Stellen in der Nähe von Gutshöfen, die sich dauernd zur Arbeit verpflichten, das Land in Pacht behalten und gegen billiges Entgelt arbeiten. Es scheint, daß diese An sehung der Rückwanderer recht guten Erfolg hat. Fm übrigen ist man jetzt auch in Schleswig-Holstein be sonders aus die Unterbringung von Rückwanderern bedacht. Die Ansiedlung der bis Ende 1913 über haupt dem Mutterlande zugesührten Rückwanderer beträgt 22 014, von denen sich 3594 selbst unter brachten und 14 95,3 angesiedelt wurden. Von letz teren entfallen über 485,0 auf Ostpreußen, über 215,0 aus Pommern und über 1900 auf Schleswig-Holstein, oooo bis 700» RUckwandcrcrfamilicn befinden sich aimerdem in den Ansicdlungsprovinzcn, woselbst die Mehrzahl auf Rentenstellen angesctst ist. Rückgang in -en freien Gewerkschaften. Das Jahr 101.3 war für die freien Gewerl- schäften erheblich ungünstiger als die beiden voransgegangeucn Fahre. Pom dritten Vierteljahr 1012 bis zuin dritten Vierteljahr 1913 betrug der Rückgang an Mitgliedern in den freie» Gewerkschaften zusammen rund 2 000 0. Die Gesamtzahl der Mitglieder stellte sich auf 2,57 Millionen. Fm Jahre vorher hat ten die Gewerlschaften eine Steigerung ihrer Mitglicderzahl von 13 und 8 Prozent auszu weisen. Der Rückgang an Mitgliedern im ver gangenen Fahr hat auch im Jahre 1914 in den wichtigeren Organisationen augehaltcu Betei ligt an dem Rückgang sind ziemlich gleichmäßig alle Gewerkschaften. Verschmelzungen einzelner Gewerkschaften zu größeren Verbänden sind im vergangenen Jahr nicht mehr vorgekommen. Als eine der wichtigsten Ausgaben der Gewerkschafts bewegung muß man den Plan der Bildung einer gemeuisamen Kasse aller Gewerkschaften bei der Geueralkommiisiou ausehcn. Die Aufgabe die ser Kasse soll sein, einzelnen Organisationen bei Lohnkäuipsen Unterstützungen zn gewähren, um zu verhindern, daß eine Gewerkschaft in einem .stampfe nahezu alle Mittel eiubüßt. Vor geschlagen ist eine Beitragsquote von jährlich I Mark für jedes Mitglied der einzelnen Ge werkschaften. Hieraus würde der gemeinsamen Kasse eine jährliche Einnahme von rstnd 2,ö Millionen Mark erwachsen. Der nächste Gewerk schaftskongreß wird über die Schaffung dieser zentralen Streiknuterstiltznugskasse Beschluß fas sen. Die finanziellen Verhältnisse der Gewerk schaften im vergangenen Jahre lassen sich nach den bisher vorliegenden Ziffern noch nicht klar übersehen, nach dem „Archiv für Svzialwissen- schast und Sozialpolitik" darf man jedoch an nehmen, daß sich die finanzielle Lage mehrerer Verbände verschlechtert und auch die der alten reichen Organisationen nicht wesentlich gebessert -HM? Die-^st'picht, :ekn<^ tz'ZÄl twa se Streik"" kaffe zn begründen, deutet wohl darauf hin, daß die fkeiüe.rey-Gewerkschaften mit finast^ zielten Schwi'erigkc ff e fi' zü schupfen haben.' Vie türkische Anleihe in Frankreich un- ihre Se-ingungen. Ueber die Abmachungen zwischen Frankreich und der Türkei, die bei der letzten türkischen Anleihe getroffen worden sind, macht derSenatorGervais genaue Mitteilungen. Franlreich erhielt die Bauerlaubnis für die Bahn linien vom Schwarzen Meer—Hafen Samsun südöstlich nach Sivas, Tjcharlak, Charput, Arghana, Bltlis und Van, westlich von Samsun nach Kastamuni und Heraklca am Schwarzen Meer mit einer kleinen Flügelbahn südlich nach Bolu, endlich den Bahn flügel von Tscharlak nach Erzingian mit eventueller Verlängerung nach Erzerum und Trapezunt am Schwarzen Meer. Zur Verbindung mit dem deut schen Bagdadbahn netz dient eine Flügelbahn von Arghana nach dem nächsten Punkt der Bagdad bahn. Das armenische Bahnnetz umfaßt etwa 2000 Kilometer. Eine zweite Bahnenaruppe schließt an das französische Bahnnctz Hamach—Damaskus an und erreicht durch eure 300 Kilometer-Strecke von der Station Rayak die Station Ramleh der Linie Jaffa- Jerusalem Außerdem gibt die Türkei das Ver sprechen. das; die Hedschaslinie der Hamach— Damaskus-Strecke leinen unfreundlichen Wettbewerb machen werde. Mit den neuen Bauerlaubnissen wird das sranzösiiche Bahnnetz in Armenien und Syrien 3500 Kilometer Länge haben. Ferner wird Frankreich den Bau der Häfen von Heraklra und Jeniboli am Schwarzen Meer, von Jaffa, Haifa und Tripolis in Syrien am Mittel ländischen Meer ausfiihren. Außerdem verpflichtet sich die Türkei. Frankreich da» Recht zu erteilen, zahlreiche Schulen und Krankenhäuser zu errichten und den Tunesiern und Marokkanern dieselbe recht liche Stellung einzuräumen wie den Algeriern. Endlich wird ein langes Verzeichnis strittiger Forde rungen französischer Staatsbürger durch Schiedsgericht geregelt werden. Frankreich gewährt dagegen der Türkei eine An leihe von 800 Millionen Francs, von denen .M Millionen bereits ausaegeben wurden und die letzten 300 Millionen gegen Ende des Jahres heraus gebracht werden sollen. Kein Teil dieses Anleihe betrages darf zur Bezahlung der Kriegsaus gaben verwendet werden. Er ist für Rückstände der Beamtenbesoldungen und die schwebende Schuld bestimmt. 120 Millionen des zweiten Teiles der Anleihe sollen für öffentliche Arbeiten aufgewendet werden Frankreich lässt zu die Einführung von Verbrauchsabgaben und Sraatsmonopole für Zigarettenpapier, Streichhölzer, Spiel karten, Petrol uno Zucker. Die Wertzölle sotten nach einzuleitenden Verhandlungen in Gattungszölle ver wandelt werden können. Die Einnahmen aus allen diesen neuen Hilfsquellen sind auf 00 Millionen Franken jährlich angeschlagen. Endlich wird dre französische Regierung sich grundsätzlich der Ab schaffung der ausländischen Postanstalten nicht mehr widersetzen, wenn die ottomaniscbe Post die nötigen Bürgschaften gewährt und alle anderen ausländischen Postämter zugleich mit dem französischen aufgehoben werden. Heer unö Aotte. Ein« interessante Borübung zum Kaisermanöver. Tas bevorstehende Kaisermanöver in den Sep- tcmbertagen, das mit seinem riesenhaften Auf gebot an Menschen-, Tier- und Sachmaterial an Militär- und Zivilbehörden in gleicher Weise die höchsten Anforderungen siellen wird, wirft bereits feine Schatten voraus. Wie uns aus militärischen Kreisen mitgeteilt wird, fand zu Beginn dieses Monats bei Rüsselsheim am Main eine militärische Vorübung zum Kaisermanöver in großem Stile statt. Zweck der Hebung war die Darstellung des Ueber ganges großer Trup- pcnmassenüber den Fluß. Nicht weniger als 5000 Mann der Mainzer Garnison waren zu der interessanten Uebung aufgeboten. Als Aufgabe war dem Pionierbataillon Nr. 21 zu Kastel die Ueber- setzung dreier Bataillone des Mainzer Infanterie regiments Nr. 88 in Pontons über den Main gestellt worden. Dem Infanterieregiment Nr. 87 fiel die Aufgabe zu, unter allen Umständen den Flußübcr- aang der 88cr zu hindern. Das Infanterieregiment Nr. 117 war dazu bestimmt worden, gegen die 87cr zu operieren, um den Uebevgang der 88er zu decken. Der Auszug der gesamten an der Uebung beteiligten Truppen erfolgte in aller Frühe in vollständig kriegs mäßiger Marschsicherung mainaufwärts. Hinter der Stadt entspann sich sodann ein äußerst lebhaftes Gefecht, das am Mainufer bei Rüsselsheim sehr heftige Formen annahm. Es gelang dem Infanterieregiment Nr. 87 nicht, den Mainübcrgang hxx Ltz.xr Hu hindern., Di«» war dem ungcmeitt HnHeitz uüd schnellen Arbeiten der Pioniere zu danken, die ihre Aufgabe ,in^ Kttstklichfier Weise .lösten. Zu dieser Uebung waren zahlreiche'Höhe Offiziere, darunter auch bayrische Slabsoffiziere eingctrofsen. Nach bewerk stelligtem Mainllbergang rückten die Truppen wieder in ihre Stammquarnerc ein. Was dieser militärischen Uebung ihre Beachtung sichert, ist ihre ausgesprochene Anlage als Vorübung zu den diesjährigen großen Kaisermanövern, bei denen voraussichtlich derartige Flußübergänge eine Rolle spielen werden. Die Uebung gelang zur größten Zufriedenheit der Vor gesetzten. Wie zu erwarten war, hatte das seltene Ereignis ungewöhnlich viele Zuschauer, lnffonders in der Gegend zwisck>en Flörsheim und Rüsselsheim, wo sich bestimmungsgemäß der Mainübergang vollziehen sollte, angelockt. Deutsches Reich. * Zum Landtagsschlusse. Am 20. Mai, dem Tage des Landtagsschlusses, findet vormittags Uhr ein feierlicher Gottesdienst in der Sophienkirche statt, bei dem der Obcrhofprediger Dr. Dibelius die Predigt hält. * Antrittsbesuch des neuen sächsischen Gesandten in Karlsruhe. Der Eroßherzog von Baden empfing in Gegenwart des Ministers des Innern Dusch den neuen sächsischen Gesandten v. Stieglitz, der am Mittwoch aus München in Karlsruhe ein- /rettsg, iS. Mal lS14. getroffen ist. Abends wurde der Gesandte der Großherzogin vorgestellt und nahm an einer ihm zu Ehren im Palais veranstalteten Hoftafel teil. * * Der Kaiser hörte am Donnerstag vormittag in Wiesbaden den Vortrag des Chefs des Zivil kabinetts. * Eine Absage des Kaisers. Kaiser Wilhelm, der beabsichtigt hatte, den diesjährigen Herbst- manövern in Westungarn bcizuwohnen, wird sich wegen anderer Reisen an den Manöver» nicht be teiligen. * Zn der Sitzung des Bundesrats am Donners, tag wurden den zuiländtgen Ausschüssen überwiesen: der Entwurf von Abänderungen der Ausführungs bestimmungen zum Geietz betr. Schlachtvieh- und Fleischbeschau, die Vorlage betr. Neuwahl der nicht ständigen Mitglieder des Reichsversicherungsamtes aus den Ständen der Arbeitgeber und der Ver sicherten und die Anleihedenlschrift für die Schutzgebiete 1912. Dem Anträge des Herzogtums Braunschweig wegen Prägung vonFüns-undDreimart- stücken in Form von Denkmünzen aus Anlaß des Regierungsantritts des Herzogs wurde zugestimmt. Zur Annahme gelangten: me Bekanntmachung über die Einrichtung und den Betrieb von Anlagen zur Herstellung von Bleifarben usw., der Antrag Bremens betr. die Reifezeugnisse der Städtischen Studicnanstalr lOberrealschule für Mädchen) in Bremerhaven, der Entwurf für Aendcrungen der Beftimmungen zur Ausführung des Weingesetzes betr Herstellung von Malzwein, die Borlage betr. Anrechnung der Hilfsbediensretenzeit als pensions fähiger Dienstzeit bei Beamten der Reichseisenbahn- verwaltung und die Aenderung der Verordnung über die ^eugengebühr uiw. von Beamten der Betriebs verwaltung der Reichseisenbahnen. * Begegnung zweier Generalstabschefs. Der öster- rcichisch-ungaruche Generalstabschef v. H ö tz e n d o rf hat dem zur Kur iu Karlsbad weilenden Chef des deutschen Generalstabes o. Moltke einen Besuch abgestattet. Wie hierzu halbamtlich mitgeteilt wird, handelt es sich lediglich um einen Akt der per önlichen Frcundschast, die beide Generale oerknüp t. Ein Anlaß zu besonderen Beratungen liegt nicht vor. * Vorschläge zur Bekämpfung unbefugten Wassen- tragens werden in Nr. 10 der „Deutschen Juristen zeitung" von Staatsanwalt Walter-Stettin gemacht. Dio Unsitte des Waffentragens hat in letzter Zeit auch bei Kindern und Halbwüchsigen große Fort schritte gemacht, auch bei Wirtschaftsstreitigkeiten spielt die Schußwaffe eine große Rolle. Gegen diese Revolverseuche helfen Polizeivcrordnungen nichts, zumal sic das Tragen von Waffen und den Verkauf von Waffen nicht regeln können. Allein gesetzliche Bestimmungen tonnen Helsen, die das Tragen von Waffen vom Besitz eines Waffenscheines abhängig machen, Zuwiderhandlungen ziehen Strafe und Ein ziehung der Waffe nach sich. Der Verkauf von Waffen darf nur an Inhaber von Waffenscheinen stattfinden, Jugendliche erhalten keine Scheine. Zuwiderhand lungen gegen diese Vorschrift werden mit Kon- zcjsionsentziehuiig bestraft. Die ^Kassenscheine wer den von den Polizeibehörden nur zuverlässigen Per sonen ausgestellt. Damit nicht eine Person sich mehrere Waisen verschafft, werden Sicherheitsvor- jchristen vorgeschlagen. * Keine deutsche Kohlenstation auf Haiti. Ter „Nerp. Bart Heratd" nimmt seine seit JahrzehntM, geübte Spezialität wieder auf, Deutschland die sicht unterzuichieben, eine Flottenstation im Antillen meere zu ^werben. Diejesmal sott Deutschland dik augenblicklichen Differenzen zwischen England und Haiti zu dein Zwecke nuszunutzen versuchen, sich auf Haiti eine Kvhlenstation anzueigncn. Auch an dieser Meldung iß kein wahres Wort. Ebenso un richtig ist die Behauptung, Deutschland strebe die Finanzkontrolle über Haiti an. *Die bayrische Kammer dcrAbgeordneten hat die Nachtragssorderung der Regierung in Höhe von 2 031817 für den bereits gebildeten bay rischen Rheinichiffahrtskonzern zur Siche rung der Interessen des pfälziichen und Aschaffen, burger Umschlagsverkehrs genehmigt. Die Epen- bahnverwaltung übernimmt hiervon den Betrag von 077 272 ./c, der Rest von 1354544 wird Lurch An lehen aus Rechnung der Ministerien des Aeußern, des Innern und der Finanzen gedeckt. * Verschiebung des Berliner Besuches der Wiener Gemeindevertretung. Wie das Nachrichtenaint des Magistrates zu Berlin mitteilt, ist oer Grund sür den Aufschub des geplanten Besuches des Wiener Wie ich Sücher lieben lernte*). Von Ejnar Mikkelsen. Alle eigentümlich ist mir zumute, wenn ich jetzt, »ach einer bewegten Jugend, zu Hause ruhig rn meinem Lehnstuhl sitze und darüber nachsinne, welckje Rolle die Bücher in meinem Leben gespielt haben, wenn ich an die vielen, die ich gelesen, zurückdcnke uns in der Erinnerung die Umstände, unter denen ich sie gelesen, noch einmal durchlebe. Ick habe Bücher immer gern gehabt, schon von der Zeit an, als ich noch ein kleiner dummer Junge war und von meinem Vater mit viel Ueberredung dazu gebracht wurde, Samuel Smilcs' prächtiges Buch ^.Selbst hilfe" zu lesen. Es war das erste Buch, das Ich ganz g, Ende gebracht Hobe: seitdem habe ich gar viele ge lesen — aber das erste steht mir doch am klarsten tn der Erinnerung. Dann kam die Zeit, da „Robinson Crusoe" mich so fesselte, daß ich darüber meine Schularbeiten ver nachlässigte — aber wer hat das wohl nicht getan? —, und später sind mir Bücher überall, wo ich war, mein liebster Zeitvertreib geblieben. Ich ging mit vierzehn Jahren zur See und sehe mich noch an Bord eines Schisses auf langer Fahrt in einem Verschlag sitzen, wo ich zum unverhohlenen Spott meiner Kameraden las und immer wieder las. Spannend war die Letlüre nicht, es war nur ein kleines Konversationslexikon, das mir mein Vater in meine Kiste gelegt hatte, aber ich lernte eine ganze Menge daraus — ach, wer das alles hätte behalten können, denn das Lexikon wurde von A bis Z durchstudiertI Meine Kameraden lachten darüber, sie nannten mich den „Professor", und ich war froh, als die vier- oder fünfmonatige SeereNe *) Wir entnehmen oiesen Artikel dein vortreff lichen, reichen Buche „Berühmte Autoren", das der Verlag F. A. Brockhaus, Leipzig den Wanderern zur Bugra al» kleine Erinnerung an ein Jubeljahr de» Buchhandel» darbietet. Di« Red. zu Ende war, und wir irgendwo im Süden ankerten, wo lindere Landwinde und frische Scebriscn den immer noch fleißig lesenden Seemann umwehten. Das Lexikon war durchgelesen, ich war auf der Jagd nach mehr Lescstofß und ich erinnere mich noch ganz deutlich meintr Freude, als ich bei einem schwarzen Bücherirödler ein dänisches Buch fand. Was es enthielt, habe ich längst vergessen, aber e ines weiß ich noch, und das gehört zu meinen sckzönsten Erinnerungen: das rvaren die Stunden, die über dem Lesen hingingen, draußen im Tropcnwalde, umschwärmt von Schmetterlingen und Insekten, um- ranjcht von den mystischen, unbestimmbaren Lauten des Waldes. Ach ja, das waren noch anspruchslose, aber herrliche Tage! Es war ei» ganz bestimmtes Buch, eine Reise beschreibung, die mich veranlaßte, meinen Lebenskurs zu ändern, und die mich zur Polarfahrt brachte. Ich sehe meine Umgebung noch vor mir — die kleine Küche aus dem Segelschiff, das weit im Süden des Kaps der Guten Hoffnung unter den unteren Mars segeln durch die Nacht eilte. Eine Kaffeekanne summte aus dem Kessel, und eine kleine qualmend: Lampe warf schwaches Licht über die „Jlluitrated London News", die ich auf dem Herde vor mir aus gebreitet hatte. Es war eine uralte Ausgabe, aus dem Jahre 1870: ick halte sie dem erwähnten Bücher trödler um ein Paar alter Hofen abgekauft, und sic enthielt einen Bericht über Rares' Expedition. Ich ballte die Hände und >chwor mir zu, daß ich das, was er beschrieb, auch erleben wolle, ich las von Schlittcnreifen, von Entbehrungen und Anstren gungen und von der prachtvollen Natur mit ihren unzähligen Eisbergen. Vergeßen war die Um gebung. ich träumte von der Zukunft und hörte nicht das wirre Durcheinanderrufen auf Deck und merkte nicht, daß das Schiff sich im Winde qedreht hatte, bis ich einen deftigen Stof; fühlte. Die Kaffeekanne michte einen Saltomortale, und ihr drühhetßcr In halt ergoß sich aus meinen Schoß. Da mußte ich wohl erwachen, mit einem Sprung war ich droben auf Deck, der Wind heulte im Tatelwerk, die Sepel klatschten gegen die Masten. Kommandorufe ertön ten, und meine Kameraden liefen umher — ich aber stand still, schweigend und wie bezaubert da: ein Eisberg lag längsseit und schrammte gegen das Schiff. Hoch überragte er das Deck, und während ich in kindlicher Unschuld die Hände faltete und betete: „Lieder Gott im Himmel, laß mich ein großer Polar fahrer werden und die Heimat dieser Eisberge er forschen", sauste der vom Eisberg abgeknickte Fockrahc aus das Deck herab. Jahre vergingen, ich wuchs heran, die im Nu ent zündete Begeisterung brannte nicht mehr mit h-ftig loderndem Feuer, sondern als gleichmäßige, alles verzehrende Flamme: ich hatte meine Kinderschuhe als Polarfahrer vertreten, hatte Kapitän Amdrup auf sein.'r schönen Reise längs der Ostküste Grön lands begleitet, hatte eine amerikanische Expedition nach Franz-Joscph-Land mitgemacht — cs war ein mißglückter Versuch, den Nordpol zu erreichen! — und war selbst Leiter einer Expedition nach den Meeren im Norden von Alaska. Wir lagen im Zelt draußen aus dem treibenden Packeis, von Stürmen umtobt, hatten es aber »m übrigen gemütlich und wirklich angenehm, denn Lef- finawell, mein Mitanführer, las „Hamlet", und ich rezitierte „König Lear" — alle seine ungeheuerlichen Scheltworte über die Welt, die Menschen und das Wetter draußen auf der Heide. Ich sympathisierte mit dem armen, verfolgten König und konnte auch von entsetzlichem Wetter mitreden — wir hatten zwei volle Tage des Sturmes wegen stilliegen müssen —, und ich schalt auf das Wetter, aber in gebildeter, klassischer Weise, mit König Lears Worten, denn bessere konnte ich nicht finden! Wieder ein Sprung aus den treibenden Eis massen des Polarmeeres ins Innere Grönlands, aber die Umgebung ist dieselbe: ein kleines Zelt, das ein wütender Sturm umsaust. Drei Tage lang hatten mein Kamerad und ich stillgelegen, und alles, was wir an Gesprächsstoff finden konnten, war längst zu Ende debattiert worden. Lange Zeit hatten wir kein Wort gesprochen; nun sehnten wir uns nur noch da nach, unser Abendeßcn zu kochen. Vorher aber mußten wir eine neue Proviantkiste öffnen, und groß war mein Jubel, als ich entdeckte, das; die Butter in einige abgerissene bedruckte Blätter cingewickelt war. Vorsichtig lösten wir das Papier von der Butter, leckten es rein ab — auf einer Expedition läßt man nichts umkommen —, und während mein Kamerad sich in seinem Schlafsack verstaute und es sich dort so recht behaglich machte, begann ich aus den abgerisse nen, fettigen Blättern vorzulcscn. Es war eine Liebesgeschichte, der Anfang und Ende fehlten, aber dennoch freuten wir uns darüber; cs machte uns nicht den geringsten Verdruß, daß dem so war; wir waren vielleicht viel zufriedener mit diesen Bruch stücken, als wir gewesen wären, wenn wir einen Sinn hätten herausbringen können, denn nun ner ging uns die Zeit so schön mit Diskutieren darüber, wie der Anfang wohl gelautet haben könne und ob „sic sich zuletzt noch kriegen". Ja. die Freude über Lektüre war auf dem In landeis groß, aber noch größer im Haus, mitten im Winter, als es beinahe unmöglich war, die Tage hinzubringcn. Das Gehirn hatte aus Mangel an Arbeit fast zu funktionieren verlernt; nun retteten Bücher unfern ins Lvanken geratenen Verstand, sie gaben uns Anregungen zu Gesprächen und etwas, womit das Gehirn sich beschäftigen konnte. Shakespeare war mir ein guter Freund — denn alle seine Dramen wogen zusammen nur 80 Granini, so.daß man sie aus Schlittcntouren leicht inilnehmcn und ins Winterquartier bringen konnte. Ich lernte sie auswendig und fand beständig eiwas Neues darin, was mich erfreute; aber Jversen, mein Kamerad, war schlechter daran, er konnte nicht Englisch und mußte sich damit begnügen, die Worte tm Buche nachzuzählen, um zu sehen, ob ich richtig aufsagte Wieder ein Sprung; ich sitze daheim und habe Bücher gelesen und auch Bücher geschrieben; tch denke an die Vergangenheit und an die Gegenwart und frage mich, mann ich mich über Bücher und Leien am meisten gefreut habe. Die Antwort ist leicht: Leute, die ruhig daheimsitzen, haben wohl Freude an Büchern, wer aber draußen in der Welt umhcrreist, hat noch weit mehr Freude daran und lernt den Wert der Bücher erst richtig schätzen! —
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