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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 15.05.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-05-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140515017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914051501
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914051501
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-05
- Tag 1914-05-15
-
Monat
1914-05
-
Jahr
1914
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Jahrgang für Inserat» au» Leipzig und Umgebung di» /1»A*'S*Npreise. ,spalt»,,p»t1te»li»25pf.,SieNeklamezeUelM-, voa au«wart»ro pf., Reklamen l.ro m., Kleln» stnzelgen diepeiitzelle nur 2d pf.b.wiederhol.Rab., Inserate von VehdrSrn >m amtlichen Teil di» Petit» zell» 5» Pf. Seschdst-anzelgen mit Platzvorschrift im Preise »rkdht. Rabatt nach Taris. Sellagen: Seiamtousl.5 M. da»Tausend au.schl. Postgebühr. Rnzeigen.stanahm«: ^ohanntogaste», bel sämtlichen Zilialen de» Leipziger Tagedlotte» und ollen flnnonrrn-Expeditionen de» In» und stuolande». Seschüstastell« für0»kltn u.Sir pr.SranSendurg: VlrektionwalterZliegri, Vertin w. iS, Margarethenstratz« S. Zrrnsprrch»finschlutz: Lützow »»7! Nr. 244. Mitt«, den lS. Mai. 1914. Vas wichtigste. * Die Erste Kammer verabschiedete am Don nerstag eine Reihe wichtiger Etotskapitel. (S. Art. und Ver.) * Die Zweite Kammer erledigte am Don nerstag u. a. das Etatstapitel Universität Leipzig, den Entwurf des Knappschafts gesetzes und sprach den Verzicht auf eine R e - form der Landtagsordnung aus. (2. Art. und Ber.) * Der Reichstag begann am Donnerstag die .weite Lesung des Etats des Auswärtigen A m t e s. Staatssekretär o. Iagow verbreitete sich in längerer Rede über unsere auswärtigen Be ziehungen. (S Leitart. und Ber.) * Der Senator Gervais machte genaue Mit teilung über den Inhalt des türkisch-fran zösischen Abkommens. (S. Pol. Uebers.) * Die mexikanischen Regierungstruppen fliehen aus Tampico. (S. bes. Art.) Vie auswärtige Politik im Reichstage. G Berlin, 14. Mai. Die auswärtige Politik — wir haben bei anderen Anlässen ausführlich darüber ge handelt — ist immer ein Stiefkind im Deutschen Reichstag gewesen. Sie war es Heuer im be sonderen Matze. Nicht, daß es den Reichsboten an Interesse fehlte für diese Dinge: im Gegen teil, in der Beziehung ist, und nicht erst seit - heule oder gestern, ein erfreulicher Wandel sestzustellen. Aber gerade in diesem Jahre stand ein Unstern über der Erörterung der auswärtigen Fragen. Die Etatsberatung zog sich ungebührlich in die Länge, und als man endlich so weit war, dieses Problem auch im Plenum zu besprechen, da schlug das Schicksal den Kanzler mit schwerer, mitleidloser Hand und machte ihn vor ber Schlacht kampsunfähig. Gewiß, man hat auch in früheren Zeitläuften schon Beratungen des auswärtigen Etats erlebt, an denen der jeweilige Kanzler nicht oder doch nur als ein stummer Zeuge teilnahm. Aber seit den Zeiten Marschalls und Chlodwig Hohen lohes und Bülows, des Staatssekretärs, hat sich doch mancherlei geändert. Unter Bernhard von Bülow, dem Kanzler, wurde es Brauch, datz man zu Leitern des Auswärtigen Amts nicht durchweg, vulgär gesprochen, die „besten Pferde aus dem Stalle" bestellte. Fürst Bülow behielt als seine ureigene Domäne die Führung der auswärtigen Geschäfte immer selber in der Hand, hielt auch daran fest, im Parlament sie in erster Reihe zu vertreten. Bei diesem Brauch ist es denn auch unter dem jetzigen Kanzler geblieben. Die Dinge haben eben ihr Schwer gewicht in sich: was drei-, viermal geschah, wird leicht zum Herkommen. Zudem: Herr von Kiderlen war nicht eigentlich ein glückhafter Redner, und Herrn von Iagow, diesem stillen, seinen Jnnenmenschen, ist die Gabe der Rede wohl überhaupt versagt. Das waren die äußeren Umstände, unter denen sich die heutige Debatte über unsere große Politik abspielte, und die drückten von vornherein ein wenig auf die Stimmung. Alan ging heute in den ßraungetäfelten Saal, wie man in ein interessantes Stück geht, von dem man im letzten Moment erfahrt, daß man in den Hauptrollen mit zweiten Besetzungen vorliebnehmen muß. Man miß verstehe uns bitte nicht: Das ist keine Herab setzung der Abgeordneten, kein Zweifel an ihrem Fleiß, ihrer Einsicht, ihrem regen Inter esse. Ader, wie die Dinge bei uns liegen, wo jo gut wie kein Weg von den Bänken des Hauses zur Ministerbank führt und noch sel tener einer vom Regierungstische zu den Bänken der Abgeordneten, sehen sie die Wirklichkeit der großen Geschäfte doch immer nur durch einen Schleier, denselben Schleier, durch den auch wir anderen sie sehen, bleibt ihnen trotz aller „vertraulichen Auskünfte" in' der Kommission das Wesentlichste oder zum mindesten das Inter essanteste von den Beziehungen der Mächte ein unbekanntes Land, und mehr oder weniger müssen sie sich darauf beschränken, aus Sym ptomen zu schließen und über Symptome zu reden. Um es also kurz zu sagen, die Hauptrolle hatte heute Herr v. Iagow zu spielen. Und in einer Zeit, wo es selten etwas Erfreuliches zu melden gibt, ist es doppelt erfreulich,- fest zustellen: er hat sie gut und würdig gespielt. Das geht natürlich nicht auf alle Einzelheiten. Was Herr v. Iagow über die Gestaltung der Dinge in Albanien und deren weitere Aus sichten ausführte, war in reichlichen Optimismus getaucht: was er vom Balkan erzählte, wenn man von dem Passus über Rumänien absieht, war von wohltuender Allgemeinheit, und der Bericht über den Stand der veutch-englischen Beziehungen und Verhandlungen (darin kann man dem sozialdemokratischen Herrn Wendel recht geben, freilich nur darin) in der Hauptsache eine Wiederholung dessen, was jedem aufmerksamen Zeitungsleser bekannt war. Aber in diesem Expose, das zeitweilig schier berchtoldisch anmutete, waren noch ein paar Stellen von starker, sogar von beträchtlicher Bedeutung. Das waren die, nach allem, was in den letzten Wochen voraufgegangen war, kaum noch erwarteten tapferen Sätze, mit denen Herr von Iagow — sicherlich im Einverständnis mit dem Kanzler — sich an die Adresse Ruß lands wandte. Für den Kenner des Zaren reiches bedeuteten sie geradezu die Be freiung von einem Alpdruck. Nichts hat uns dort mehr geschadet, als das ewige Nichtverstehenwöllen der russischen Deutlich keiten, als der immer wieder erneute Ver such, alle Unfreundlichkeiten des gar nicht getreuen östlichen Nachbars durch höfische und offiziöse Auslegungen zum Besten zu lehren. Herr von Iagow hat heute die deutschfeindliche Bewegung in Rußland als das gekennzeichnet, was sie ist, und es wa r wohl mehr als eine Erklärung, es war eine vernehmliche Warnung, wenn er daran den Satz schloß: Wie es in den Wald hineinschallt, so schallt es aus ihm heraus. Der stürmische spontane Beifall, der diesen Worten folgte, bewies, daß Herr von Iagow vom Hause verstanden worden war, und wir sind überzeugt, daß man diese Sprache der Ent schiedenheit auch jenseits des Njemen verstehen und das allgemach ein wenig dreist gewordene Gerede in den russischen Salons von der „deutschen Feigheit" sich nun wieder zum Ge flüster dämpfen wird. Leiter wurde hinterher in der Diskussion manches Wort laut, das diesen guten und starken Eindruck wieder etwas beeinträchtigte. Selbst Prinz Schoenaich-Larolath hielt sich in einer sonst außerordentlich klugen und unterrichteten Rede von diesem Fehler nicht ganz frei. Man solle, meinte der Prinz, bei allem berechtigten Groll die Dienste nicht ver gessen, die uns einst Rußland 1870/71 geleistet hätte. Uns will bedünken: Unser Schuldbuch ist gerade in der Beziehung ausgeglichen und vernichtet. Was wir während des japanischen Krieges und der russischen Revolution für Ruß land taten, war der Rückendeckung von Anno 70 zum mindesten ebenbürtig. Die völkerbefreienoe Sozialdemokratie hatte sich heute nicht mit einer zweiten Garnitur be gnügt, sie schickte den bereits genannten Herrn W endel vor, der seine Rede mit einem Vivo Iu I'l.-cucu schloß. Das ist die Art, wie die größte Partei im Reichstage die wichtigsten Fragen, die es für das deutsche Leben überhaupt gibt, zu behandeln für richtig hält. vauerfitzungen im Landtage. ig. Dresden, 14. Mai. Es will gewiß viel heißen, wenn aus der Ersten Kammer von einer fünfstündigen Sitzung zn melden ist. Man begrub die letzte Hoffnung der Dresdner, die Tierärztliche Hochschule iu den Manern der Residenz zu erhalten. Tie Gegner der Verlegung dieser An stalt nach Leipzig waren von vornherein klein laut. Das ist angesichts der gänzlichen Aus sichtslosigkeit ihrer Bemühungen nicht einmal verwunderlich. Schwenkten doch einzelne Mit glieder der Kammer, die als alte Gegner der Verlegung bekannt waren, darunter Exzellenz Mehuert, ins Lager derer, die für die Ver legung eintraten, „um des lieben Friedens wil len!" Nur zwei blieben übrig, die nicht mit machen konnten: der Dresdner Oberbürgermeister Beutler und sein Plauener Kollege Dehne. Um die Dresdener nun über den Verlust etwas zu trösten, stellte der Finanzminister Dr. Beck einen tatkräftigen A uSba u der in der Haupt stadt verbleibenden Technischen v o ch- schul e in Aussicht. Geschickt fing Herr Beutler dieses Zugeständnis auf und reichte sofort eine Forderung auf eine Art Abschlagszahlung ein, indem er für die Technische Hochschule einen 2 itz in der Ersten Kammer beantragte. Wenn Herr Beutler sciuc Freunde zu etwas größerem Entgegenkommen gegen die nationalliberalen Anträge auf Reform der Ersten Kammer be wogen Hütte, wäre diese Forderung vielleicht schon erfüllt. Aus den weiteren Verhandlungen des Ober- Hauses verdient eine kleine aber bezeichnende Episode allgemeinere Beachtung. Graf Schön burg ist nicht nur ein aufrichtiger Freund der Jesuiten, er erwies sich auch als ein reiner Feudaler. Es will ihm nicht gefallen, daß die 1. Wagen kl ässe auch von Leuten benutzt wird, die auf Staatskosten fahren, z. B. den Parlamentariern. Bei einem Parlamentarier nimmt sich das nicht übel aus. Der Graf wünscht, die I. Klasse ganz abzuschaffen und iin Durchgangsverkehr durch Luxuswagen zu er setzen. Dem feudalen Sinne des Herrn Grafen widerstrebt es auch, daß Fahrgäste lll. Güte die Speisewagen benutzen, und dort den „Erst- klassigen" den Raum schmälern. Im übrigen ver lief die Sitzung ruhig wie immer. Noch ausdauernder und besonders etwas leidenschaftlicher verhandelte die Zweite Kam mer. Das Scheitern der Reform der Landtagsordnung infolge des geringen Entgegenkommens der Regierung hat die Ab geordneten — scheinbar bis in die Reihen der Konservativen hinein, — stark verstimmt. Das kam auch unverblümt zum Ausdruck. Der Natio- ualliberale Hettner sah in der Haltung der Regierung eine ausgesprochene Unfreundlich keit und einen Mangel an Vertrauen gegenüber der Kammer, der um so befremdlicher scheint, als die Kammer jederzeit im Einvernehmen mit der Regierung und unter Aufbietung aller Kräfte gearbeitet habe. Kühl bis ans Herz hinan er widerte der Minister des Innern Graf Vitz thum von Eckst üdt, daß die Regierung kei nen Anlaß sehe, ihren mehr als reservierten Standpunkt aufzugebeu. Der fortschrittliche Ab geordnete Günther wandte sich temperament voll gegen die Ansicht der Regierung, daß mit dem Schluß des Landtages die Funktionen der Landboten erlöschen müßten. Die Sozialdemo kraten Sind ermann und Fräßdorf span nen einen gröberen Faden. Sie empfahlen rund heraus, gegen eine so hartnäckige Regierung eine Politik: Wurst wider Wurst! Ein Parla ment, das auf Würde halte, dürfe sich eine Beschneidung seiner Arbeitszeit nicht gefallen lassen, wkc sie von der sächsischen Regierung durch die späte Einberufung und den frühen Schluß des Landtages betrieben worden sei. Dem fügt Herr Günther hinzu, daß sich in so kurzer Zeit allenfalls der Etat aufarbeiten lasse, nicht aber auch noch eine ganze Reihe von Ge setzentwürfen. Der uationalliberale Abgeordnete N itzschke-Leutzsch erblickte mit Recht die Ur sache zu der Haltung der Regierung in ihrer Re serviertheit, mit der sie allen liberalen An regungen begegne. Durch Annahme der Depu- ' tationsvorschläge bereitet das Haus der Reform zunächst ein Begräbnis erster Klasse. Beim Etat der Universitär Leipzig nahm sich der nationallibcrale Abg. Dr. Loeb- uer sehr warm der Wünsche der außerordent lichen Universitätsprofessoreu au, die auf eine entsprechende Teilnahme an der Verwaltung der Fakultät abzielen. Der Kultusminister hofft, daß die Neuregelung der Fakultätsvrdnun- gen ihnen in einigen Dingen cntgegcnkommeu wird. Von verschiedenen Seiten bringt man so dann einen Lehrstuhl für N a t u r h e i l k u n de bei der medizinischen Fakultät in Anregung. Das tut u. a. der nationalliberale Abg. B leyc r, der sich ganz offen als Anhänger dieser Heilmethode bekennt. Endlich weist der uationalliberale Abg. Wappler darauf hin, daß es wohl Zeit sei, auch iu Leipzig eine st aat s w isse n schäft- lichc Fakultät ciuzurichten, wenn mau nicht arg hinter anderen Universitäten Zurückbleiben wolle. Ter Minister lehnte die Errichtung eines Lehrstuhls für Naturheilkunde ab, weil er der Meinung ist, daß diese keine Wissenschaft, sondern nur eine Heilmethode be deute, die im Rahmen der Gesamtmedizin ge pflegt werden müsse. Die Anregung wegen der staatswissenschaftlichen Fakultät dagegen will er fortgesetzt im Auge behalten. Sodann ging es an die Beratung des K n a p p s ch a f t s g e s e tz e s. Es ist in der Ersten Kammer bereits angenommen worden. Mit der Berichterstattung in der Zweiten Kam mer hat die Gesetzgebungsdeputation den libe raten Abgeordnecen Lang Hammer betraut, der die spröde Materie mit großem Eifer durch gearbeitet hat. Die bürgerlichen Parteien pellen sich bis auf winzige Einzelheiten auf den vom Berichterstatter vorbereiteten Boden, die Sozial demokraten jedoch haben mancherlei an den An trägen auszusetzen. Sic fügen sich aber, als ihre Sonderanträge abgelchnt werden, und so findet das Gesetz schließlich e i n st l m m i g c An nähme. Die Regierung wird manches Bedenken zurückstcllen, denn höchste Eile ist geboten, wenn das Gesetz noch bis zu dem von der Reichs versichcrungsordnnng festgesetzten Zeitpunkt voll endet werden soll, um so mehr, als es noch einige Differcnzpunktc mit den Beschlüssen der Ersten Kammer zu beseitigen gibt. Weniger befriedigend ist die Haltung der Regierung iu der Frage der Altpc n sivnär e. Das ganze .Haus ist darin einig, daß man diesen Beamlenveterancn doch auch das W o h n u u g s- geld zum pensionsfähigen Einkommen Zuschlä gen soll. Die Bemühungen der Abgeordneten — besonders eindrucksvoll verwandte sich der nationalliberalc Abg. Anders für die Alt pensionäre — blieben fruchtlos. Die Regierung ließ erklären, daß sie aus technischen und finan ziellen Gründen auf ihrem ablehnenden Stand punkt beharren müsse. JmAeichen -er Völkerwanderung Aus Saloniki wird uns von geschätzter Seite geschrieben: Wir stehen hier wieder mehr als je im Zeichen der Völkerwanderung. Im Hafen ist heute, wie schon seit zwei Wochen fast täglich, wieder ein Dampfer mit griechischen Flüchtlingen aus Rodosto angelangt, und man sah sic zu Hunderten mit ihrer geringen Habe, ihren Matten und Decken, ihren Töpfen und Krügen und Kleiderbiindeln umher ¬ liegen. Draußen vor der Stadt bei Seitenlik ist eine Zeltstadt entstanden, wo viele Tausende notdürftig untergebracht sind, und endlos sind die Wagenzllge, die immer neue Flüchtlinge bringen. Sie werden dann nach dem Innern abgeschoben, um sich in den von Mohammedanern verlassenen und manchmal auch noch bewohnten Dörfern ein neues Heim zn suchen. Zuerst hatte die türkische Bevölkerung Mazedoniens während des Winters und im Früh jahr zu vielen Tausenden ihre bisherigen Sitze ver» lassen. Man darf wohl sagen, daß die griechische Negierung die besten Absichten gehabt hat, die Mohammedaner im Lande zu halten, und auch von der serbischen Negierung glaube ich dasselbe. Aber Verschiedenes wirkte zusammen, die guten Absichten zu vereiteln: die Furcht vor einem neuen Kriege, mit dem gerade in der türkischen Bevölkerung für das Frühjahr stark gerechnet wurde: und wer zwei mal das Wüten der Komitatschis erlebt hat, als sich die bulgarische Bauernbevölkerung Mazedoniens wie ein brandendes Meer erhob, als man nicht Mann, nicht Weib, nicht Kind schonte, als im Innern Maze doniens kurz nach Ausbruch des zweiten Krieges man 17 kleine Türkenkinder tot aus einem Brunnen herausholte, wer solche Greuel und Schreckenszeiten durchlebt hat, mag sie nicht zum dritten Male durch machen. Sodann aber kommt dazu das Versagen der unteren Beamtenschaft gegen die besten Inten tionen der Regierungen. Da sind die Türken ge prügelt worden, ihren Frauen wurde der Schleier abgerissen. Recht und Klage für sic gab es nicht, und soundso oft, zumal in Neuserbien, sind sie von der Beamtenschaft ausgcsogen worden. Und nun stelle man sich noch das Verhalten der christlichen Nachbardörfer vor, die, jetzt übermütig geworden, jede Unbill vergangener Zeiten glaubten mit Zinsen heimzahlen zu müssen. Das alles wirkte zusammen, um den Türken den Aufenthalt in Neuserbien und Neugriechenland zu verleiden, und so sind monate lang bis in d-ic letzte Zeit die Auswandererschifle aus Saloniki mit immer neuen Tausenden ao- gegangen. Noch vor zwei Wochen — ich machte gerade eine Reise nach Syrien — gingen Mo hammedaner mit diesem Schiffe nach Smprna, Mer- sina und Alexandrette hinunter. Der frühere grie chische Generalgouvcrneur von Mazedonien, R e - p u l i s, hat die Abwanderung der türkischen Be völkerung bitter beklagt, hat aber die Vergeblichkeit der Bemühungen, sie aufzuhalten, zugeben müssen. Und dann hat, immer stärker nnschwellend, die griechische Einwanderung eingesetzt. Mit den an Bulgarien gefallenen Teilen sing es an, wo die ganze griechische Bevölkerung gezwungen und frei willig das Land verließ. Und wie ein starker Strem kommt jetzt die Einwanderung aus den türkischen Landesteilen. Die Auswanderung der Mohamme daner und die politische Spannung wegen der Inseln haben die Stimmung in der Türkei verschärft. Erst kam es zu einem antigriechischen Boykott, und dann sind sie genötigt worden, Haus und Hof zu ver lassen. Die türkische Regierung hat sie auf die Schiffe gesetzt, ihnen noch den Fahrpreis abgenom- men und sie nach Saloniki geschasst. Bis jetzt sind im ganzen über griechische Flüchtlinge aus bulgarischen und türkischen Landesteilen in griechi sches Gebiet übergetretcn. Man kann sich oorstellen, wieviel Not und Elend damit verbunden ist, wie viel Familien dabei ruiniert sind, und welche finanziellen Lasten den durch den Krieg schon ge schwächten Balkanstaaten erwachsen. Natürlich be tont jedes Volk seine Unschuld und sicht sich nur als das Opfer der Unterdrückung und Gewalttat seitens des Nachbarn an. Aber hat je im Balkan ein Volk auch nur einen Teil der Schuld an all dem Elend und Blutvergießen und den Greueln zugestehen wollen? Das wäre ja auch zuviel verlangt! Die Schuld wird ja auf allen Seiten gleich groß sein. Deshalb aber kann man, wenn es jetzt durch diese Auswanderungen zu einer reinlichen Sonderung der verschiedenen Rassen kommt und das Durcheinander von Türken, Serben, Bulgaren und Griechen ein Ende nimmt, die jetzigen Vorgänge nur als einen Gesundungsprozeß für die verworrenen Verhält nisse des Balkans betrachten, der. so schwer er jetzt ist und so große Nöte er bringt, doch aus eine bessere Zukunft hoffen läßt. Flucht -er mexikanischen Regierungstruppen? Admiral Mayo weiß von der Einnahme Tam picos bereits Einzelheiten zu berichten. Die Bundes- truvpen flüchten, so daß an ihrer Niederlage kaum noch zu zweifeln ist. In diesem Augenblick meldet sich aber auch schon das finanzielle Interesse, das die Amerikaner an den Oelquellen Tampicos haben: sie glauben jetzt die Gelegenheit benutzen zu müssen, sich an diesem reichen Orte wieder festzusetzen. Auch in der Näbe der Hauptstadt Mexiko scheinen sich schon Kämpfe entspannen zu haben. Wir verzeichnen folgende Meldungen: Die Rebellen in Tampico. Washington, 14. Mai. Ein Bericht des Admiral» Mayo deutet an. daß Tampico gefallen und die Rebellen gestern bis zur Mitte der Stadt oorgedrungen seien. Auf der Plaza fand ein sehr heftiger Kampf statt. Ueber Ver luste an Menschenleben und Sachschaden meldet der Bericht nichts. Die aus Tampico flüchtenden Bundestruppen suchen mit der Eisenbahn P a ch u c a zu erreiche». Die Insurgenten halten die Eisenbahn T a in p i c o—M o n t e r c y besetzt. Das Staats departement beginnt Verhandlungen mit den Rebellen, um für die Ausländer die Erlaubnis, zu den Oelguellen zurückkehren zu dürfen, -u erwirken.
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