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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 19.05.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-05-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140519016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914051901
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914051901
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-05
- Tag 1914-05-19
-
Monat
1914-05
-
Jahr
1914
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Sette 2. Nr. 25l. Morgen»Nusqabe k*oliMctte Liederlich! Vie Echul-enwirtfchast Europa». Wie der „Inf." von unterrichteter Seite mit« geteilt wird, sind vor einiger Zeit nationalükono« mische Forschungen eines sranzösischen belehrten bekannrgeworden, die «ich eingehend mit der Schulden« wirtschaft der europäischen Staaten befassen. Aus den interessanten Ergebnissen dieser Untersuchungen ist vor allem der Umjag hervorzuheben, dass sich die öffentlichen Schulden aller Länder Eurovas auf dir ungeheuer große Summe von ISO Mil« liarden 9 3tt Millionen Franken belaufen. Untersucht man die Verteilung dieser fabelhaften Schuldenlast auf die einzelnen Länder, so ergibt sich aus der Statistik, daßFrankrcich alle europäischen Länder an Schuldenlast bei weitem überragt. Wäh- rend sich die Schulden der Französischen Republik auf 33,079 Milliarden Franken beziffern, bleibt das Deutsche Reich, das an zweiter Stelle folgt, um rund !l Milliarden hinter der französisckien Schuldenlast zuriicl. Immerhin Hai die deutsche Staatsschuld noch die stattliche Höhe von 24,239 Milliarden, ihr kommt annähernd die russische Staatsschuld mit 24,038 Milliarden gleich. Es folgen dann nach der Höhe ihrer Schulden geordnet: OesterreichUngarn, England. Italien, Spanien und die übrigen europäischen Länder. Welches ungeheure Anwachsen die Schuldenlast Europas seit Beginn des 19. Jahrhunderts zu verzeichnen hat, geht daraus hervor, das, noch um 1800 die europäische Schuldenlast nur 5 Milliarden betrug, im Jahre 182.', schon auf tN Milliarden und nunmehr auf 161) Milliarden ge stiegen ist. Auch was die Verteilung der Schulden last aus den einzelnen Kopf der Bevölkerung anlangt, zeitigt die Untersuchung höchst bemerkens werte Ergebnisse. Danach steht wiederum der Fran zose an erster Stelle, er hat 837, Franken Schulden auf den Kops zu tragen. Ihm folgt an zweiter Stelle der spanische Bürger mit 599 Franken, der Deutsche mit 373, während der Russe mit 299 Franken an letzter Stelle figuriert. Parte! unü HewerkiHaft. In der Freitagiitzung des Reichstages haben sich die sozialdemokratischen F-raltiöiisrcdncr Zcheideinann und Dr. Hradnancr auf das heftigste darüber beklagt, das; Gewerkschaf ten für politisch erklärt worden sind. Beide „tyenossem" suchten den Rnsllxin zu erwecken, als ob es sich bei den „freien" Gewerkschaften nur um ein gelegentliches, unvermeidbares kleber greisen ans das politische Gebiet handeln lönne. Wird diese Darstellung durch die praktische Be lätigung „freier" Gewerkschaften widerlegt, die sich für eine ganze Reihe der wichtigsten poli tischen Fragen als eine Parallelaktion der sozial demokratischen Partei erun'ist, so hat die kürzlich abgehaltene „Rote Woche" auch den Anlass ge boten, diesen Sachverhalt in programmatischen (ize»m'rkschaftS Hchndgebungen zu erhärten. .Bei- spiclsweiie lpit die „Metallarbeiterztg." folgendes ausgeführt: „(Hegen die Sozialdemokratie..... ezu ^Kesseltreiben der gesamten-Realtivn! " Der Reichskanzler selbst ruft dazu auf! Wir. b-nehmen den Kampf auf. Aber wir brauchen dazu starke und geschlossene Scharen, und darum soll die Rote Woche Tausende und aber Tausende unserer Organisation zuführen, unserer Parteipresse Tausende und aber Tau sende neuer Leser bringen. Unverzüglich müs sen unsere Genossen allerorts an die Orga nisation der Arbeit für die Rote Woche gehen. Uebcrall ist den Bolksmassen klarzumachcn, was auf dem Spiele, stchr, und dass gegen die Macht der anstürmenden Reaktion nur eine mächtige Organisation der Sozialdemokratie Schuh bietet. Auf zur Arbeit für die Note Woche!" Die sozialdemokratische (tigenschast des Me- laltarbeiterverbandes ist hiermit unumwunden .ingestanden worden. Wie wenig aber die „Metallarbeiterztg." mit ihrem Aufrufe allein stand, beweist die sorialdemotransche „Rhcinisctw Ztg.", die am 4. März d. I. der Wiedergabe des obigen Aufrufes der „Metallarbeiterztg." die Bemerkung Hinzufügte: „A u cb andere Gewerkschaft?- bkälter richten sich in anscuernder Weise an ihre Leser. Recht so! Metallarbeiter, Gc- werkschastSgenosscn, vor die Front!" Leipziger So sieht cs mit dem „gelegentlichen", „nn- vermeidbaren" Uebergreiscn „freier" Gewerl- schasten auf das politische Gebiet in Wahrheit aus. Das; die Sozialdemokratie andauernd be strebt ist, diese Wahrheit zu verhüllen, zeugt entweder von einem Mangel an Mut oder von einem Mangel an Aufrichtigkeit. Heer und Zlotte. (Generalmajor Balck, der neue Inspekteur der Feldtelegraphie. Mit Generalmajor William Balck tritt ein Offizier von großem wissenschaftlichen Ruf an die Spitze unseres Feldtelcgraphrnwcscns. In mili tärischen Fachkreisen genießt der neue Inspekteur der Feldtelegraphie hohes Ansehen als Militärschrist steller, der besonders Hervorragendes auf dem Ge biete der Taktik geleistet Hal. Sei» sech-bündiges „Lehrbuch der Taktik", das zahlreiche Auslagen er lebt und in vielen Spracl-en übersetzt worden ist, gehört immer noch zu den kenntnisreichsten und in struktivsten militärwissenschastlichen Schriften. General Balck kommt von der Infanterie her. Er wurde am 19. Oktober 1858 in Osnabrück geboren. Nachdem er die Realschule seiner Hennatsstaoi lnisucht hatte, trat er ins Kadettenkorps und im Jahre 1876 in das ostfriesische Infanterieregiment Nr. 78 tn Osnabrück ein. Am 13. Oktober 1877 wurde er zum Leutnant befördert. In den Jahren 1889 bis 1892 folgte dann ein längeres theoretisches Studium an der Kriegsakademie. Als er dann in die Front zurückkehrte, übernahm er die Führung der 12. .Kompanie seines Regiments in Aurich. Hierauf wurde er zum Lehrer an den Kriegsschulen in Danzig und Engers ernannt. Am 22. Juli 1999 erhielt er seine Beförderung zum Major unter gleichzeitiger Ernennung zum Lehrer an der Kriegsakademie. Von 1994—1997 tat er wieder Frontdienst als Bataillonskommandeur im Infanterieregiment Nr. 19 in Lauban. Als Oberst leutnant trat er zum Stabe des Insantcrieregimcnt» ..Graf Kirchbach" ll. nicdcrschlcsischcs) Nr. 46 in Posen über. Im Jahre 1919 erhielt er das Kom mando des 8. Pommersch?» Infanterieregiments Nr. 61 in Tborn. Es wurde ihm dann das Kom mando der 82. Infantericbrigadc in Colmar i. E. übertragen. Die Beförderung zum Generalmajor er hielt er am 29. Februar 1912. Koloniales. * Funkeatelcgraphenstation in Togo. Am 11. Mai ist in Lome eine Fuiuentelegiavhenstation (Küsten- station) für den allgemeinen öffentlichen Ver kehr mit Schissen in See eröffnet worden. Das An- rufezeichen ist „Klil.". Die Normalwclle hat eine Länge von 900 Meter. Die Kiistcngebübr beträgt 39 Pf für das Wort; eine Mindcstgebühr wird nicht erhoben. Die Reichweite erstrcckt sich vorbehaltlich näherer Feststellungen auf etwa 1199 Kilometer. * Britisch Südafrika und die Windhuker Aus stellung. Der Arbeitsausschuß der diesjährigen Allgemeinen Landesausstellung von Deutsch-Süd westafrika in der Hauptstadt Windhuk hat beschlossen, durch das Gouvernement und das Kaiserliche Generalkonsulat in Kapstadt an südafrikanische Par- krmentplier, Staatsmänner und» im »Wirtsck>asts- leben bedeutende Persönlichkeiten formelle Ein ladungen ergehen zu lassen. -Dq düs Gouvernement schon imederholi amtliche Vertreter z>r Ausstellungen und Kongressen der englischen Nachbarkolonic ent sandt hat, wird die Regierung von Deutsch.Südwest afrika dem Wunsche des Arbeitsausschusses wahr scheinlich Nachkommen. Die freundschaftlichen Be ziehungen und die wirtschaftlichen Verbindungen zwischen den beiden Nachbarkolonicn würden aus diese Weise wirksam gefördert werden. Deutsches Reich. * Die Maul- und Klauenseuche ist am 15. d. M. im Königreich Sachsen in 15 Gemeinden und 19 Gehöften amtlich fcstgcstellt worden. Der Stand am 30. April war 4 Gemeinden und 4 Gehöfte. S * Der Kaiser in Homburg v. d. H. Am Montag vormittag um 11 Uhr traf der Kaiser von der Saal burg kommend am Kaiser Wilhelm-Il.° Park in Homburg ein und wurde am Durstbrunnen von den Spitzen der städtischen Behörden, Ober« bürgermeister Luedke, Stadtverordnetenvorsteber Ruediger, dem Kurdirektor und Graf Zeppelin empfangen. Der Kaiser ließ sich den Stifter des Brunnens Landrat a. D. v. Bruening-Bad Hom- bürg und den Schöpfer des Brunnens Bild- Tageblan. Hauer Hans Dammann « Berlin . Grünewald vorstellen und verweilte mit den Herren ni längerem Gespräch. Vom Durstbrunnen aus ging der Kaiser zum Siamesischen Tempel, der ihn, vom Oberbürgermeister genau erklärt wurde. Zuletzt be sichtigte der Kaiser die Kuranlagen und den Elisabeth- brunnen, der in, vergangenen Winter eine neue Ein fassung erhalten hatte. Kurz vor 12 Uhr verließ der Kaiser Bad Homburg, um nach Wiesbaden zurück zukehren, wo er gegen 1 Uhr etntraf. Auf der Saal burg waren dem Kaiser von dem Direktor des Saalburgmuseums Baurat Jacobi neue Funde ge zeigt worden. * Dementi. Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: In seiner Montagsausgabc behauptet der „Vorwärts", daß der frühere Präsident des Kaiserlichen Auf sichtsamtes für Privatversicherungen, Wirklicher Geheimer Rat Dr. Gruner, gegen seinen Wunsch oder wegen Anfeindungen au» dem Kreise der öffentlich-rechtlichen Lebens versicherungsanstalten aus seinem Amt« ge schieden sei. Diese Behauptung entbehrt jedes tatsächlichen Grundes. Exzellenz Gruner, der sein Amt in hervorragender Weise geleitet hat, ist zum großen Bedauern und sehr gegen den Wunsch der Reichsverwaltung aus Gesundheitsrücksichten ge nötigt gewesen, seine Versetzung in den Ruhestand zu beantragen. Er ist lediglich aus diesem Grunde aus dem Amte geschieden. * Roch eine russische Pretzstimme zu Zagow» Rede. „Russkija Wjedomosti" schreibt aus Moskau: Wir begrüßen es rückhaltlos, daß Herr v. Jagow sich in seiner Rede in, Deutschen Reichstage sehr friedlich ausgesprochen hat. Die Vorwürfe gegen die russische Presse enthielten manches Wahre. Es wäre der russischen öffentlichen Mei nung nützlich, in dieier Beziehung sich einer Selbnprüfung zu unterziehen. In dieser Hin sicht ist nicht nur von Zeitungen zu sprechen, die die Schaustellung des Patriotismus liebten, »ondern auch in der sortichrittlichen Presse sind Artikel oorge« kommen, welche Deutschland verdächtigten und bei der russischen Gesellschaft eine Abneigung gegen Deutschland erwecken könnten. Es bestehe aber in Rußland keine Germanopeobie, sondern nur Gegen sätze aus wirtschaftlicher Grundlage. * Sitzung de» preußischen Staatsministeriums. Am Montag vormittag fand, der „Nordd. Allg. Ztg." zufolge, eine Sitzung des preußischen Staats ministeriums unter dem Vorsitz des Reichskanzlers und Ministerpräsidenten Dr. von Bethmann Holl weg statt. * Die polnische Hand. In Duschnik. Kreis Gr ätz, ist die 130 Morgen umfassende Wirtschaft des Deutschen August Wolfs in den Besitz der polnischen Güterageiuur Drwenski L Langer, hinter der Marlin Biedermann steht, übergegangen. — Die Molkerei in Görchen, Kreis R a w i ts ch befand sich bisher in deutschen, Besitz. Von dem Konkursverwalter erstand sie der Pole Zielinski. — Der polnische Bäckermeister Johann Manczak in Fi lehne erwarb dort aus deutscher Hand eine Bäckerei mit Haus für 18 000 ./L Ausland. Frankreich * Die Deckung des Budgetdefizit». Der dem oppositionellen Verbände der Linken angehörende Deputierte Vlousse teilte dem Ministerpräsidenten telegraphisch mit, daß er die Absicht habe, die Re- gie/ung über bie. Ptgßnqhst»«, rur uttrrvelltt*ett, welche' sie zur Deckung des Budgetdesizits zu er greifen gereute. — Der Gcneralbudgetberichterstatter des Senats, VA i m o n d, führte im „Matin" äus, daß die Negierung innerhalb zweier Monate fünf- bis sechshundertMillionenFr. brauchen werde, um den Staatsschatz zu füllen. Zur Beseitigung der finanziellen Schwierigkeiten sei 1. eine sofortige An leihe nötig; 2. müsse eine Einkommensteuer ohne Beunruhigung der Steuerzahler und ohne In quisition, sowie eine Erbschaftssteuer auf den Kopf eingeführt werden, deren Ertrag auf 250 Millionen Francs veramchlagt werden könne; 3 müßten 200 Millionen durch indirekte Steuern (Kontrolle der Spirituesteuer, Wiedereinführung der Verkaufs steuer auf geistige Getränke usw.j ausgebracht werden. " Die beiden auf französischem Boden gelandeten Deutschen. Die Namen der beiden Jniassen des bei AilleviNers gelandeten deutschen Ballons sind Hauptmann A. D. Joerdens und Stud.-Jng. Grünzweig, beide aus München. Sie werden Montag nachmittag wieder in München eintreffen. Englaaü. * Der frühere Oberkommandierende der Mittel« meerflotte, Admiral Drury, ist in London gestorben. vereinigte Staaten. * Große Arbeiterentkassungen. Nach in New Port, 18. Mai, eingetroffenen Meldungen aus Detroit im Staate Michigan werden 600 Arbeiter der Ford sch en Automobilfabrik aus Mangel Dienstag, iS. Mai 1Sl4. an Aufträgen entlassen. Die Nachricht ruft im Lande großes Aufsehen hervor. 2n den nächsten Tagen sollen noch wettere zwei bi» drei hundert Arbeiter entlassen werden. Verheiratet« Arbeiter sollen jedoch nach Möglichkeit behalten werden. Erst wenn wieder Aufträge in genügender Menge vorliegrn, sollen die Arbeiter nach und nach wieder eingestellt werden. Mexiko. * Die Sonderbesteuerung der Ausländer. Aus Veracruz wird gemeldet: Die Ausländer in Tampico protestieren argen die ihnen auferlegten Zwangsabgaden. Die Beamten der Rebellen erklärten, sie fürchteten, Plündereien nicht ver hindern zu können, fall» die Abgaben nicht gezahlt würden. China. * Chinesische Rüstungen. Aus Schanghai wirk gemeldet: Die ,.North China Daily News" ver öffentlichen eine» A n l e i he o e r t ra g, den der chinesische Ma r i n e m i n i st e r mit dem Bethle- h e m - S t a h l - T r u st >ür den Bau eines Dread noughts und vier ichwerer Geschütz bettungen bei Futsch au abgeschlossen haben soll- Die Hö!;e der Anleihe beträgt dreißig Millionen Golddollar zu fünf Prozent Zinsen und acht Prozent Diskont. Als Sicherheit gilt dos bestehende Dock mit «einen Einrichtungen. Die An leihe ist nach 35 Jahren zurückzuzahken. Nur amerikanische Ingenieure und amerikanisches Material dürfen verwendet werden. Ein Drittel der Anleihe soll der chinesischen Regierung binnen drei Monaten nach der Unterzeichnung bedingungs los übergeben werden, während zwei Drittel aus schließlich für die Werke bei Fu tschau bestimmt find. Der Vertrag war in seinen Grundlinien vor fünf Jahren schon von dem damaligen Kaiserlichen Kommissar der Flotte, dem Mandschupnnzen Tsai Hun beschlossen worden. Das Blatt benierkt weiter, man habe Grund anzunehmen, daß Präsident Iuanschikai entschiedener Gegner des Vertrages ist und daß die amerikanische Regierung bisher nichts davon gewußt hat. preußisches Abgeordnetenhaus. (Fortsetzung aus dem gestrigen Abendblatt.) Sitzungsbericht. Abg. Dr. Pachnicke (Fr. Dpt.) fährt fort: Was die Einigung der bürgerlichen Parteien betrifft, so ist das Kartell der schaffenden Stände tot. Die Stichmahlabkommen werden je nach der politischen Situation getroffen. Wir wahren unsere Selbständigkeit nach allen Richtungen. Des Zen trum treibt stets Hnteressenpolitik; das beweist das feindselige Verhalten gegenüber dem Reichstagspräsidenten Dr. Kaempf. Das monarchische Bewußtsein wird um so mehr gestärkt, je Häher der Monarch über den Parteien steht. Wir treten für die Fortführung der Sozialreform ein, während die Sozialdemokratie nur Klasseninteressen im Auge hat. Die Politik der Konservativen begünstigt die So zialdemokratie. Die Radikalisierung der Massen ist Ihr Werk, Herr von Heydebrand. Dem neuen Minister stehen wir ohne Voreingenommenheit gegenüber. Es gibt keine wichtigere Frage tn der inneren Politik als die Wahlreform. Das jetzige Wahlrecht ist unhaltbar; xs ist glichtet. AW. wartest nür auf den Vollstrecker. Herr von Dallwitz ist nach Straßburg gegangen. Die B ah n ist frai^ ^Lachen rechts.) Herr von Loebell stköge sie betrealk und uns sagen, nicht, was er nicht will, sondern, was er positiv will. Auf der Basis der direkten ge heimen Wahl gibt es eine Verständigung in dieser Frage, gibt es einen Staatsmann, der diese Aufgabe lösen will und leisten kann. Abg. Freiherr von Zedlitz (Freikons.): Betreffs der äußeren Politik gilt noch immer das Bismarckschc Wort: Wir Deutschen fürchten Gott, auch das Wort: 8i vis paaera, par» bsllrrm. Was die Stich wahlabkommen anbetrifft, so können wir einen solchen Kuhhandel mit den Sozialdemo kraten, wie ihn die Freisinnigen treiben, mit un serem nationalen Empfinden nicht vereinbaren. Wir können ein solches Verhalten nur als Verrat bezeichnen. Das bestehende Wahlrecht ist nur mit geringen Mängeln behaftet. Wir wollen bei der Reform an dem Grundgedanken des bestehenden Wahlrechts fisihalten. Es wäre ein Fehler, wenn die Regierung mit einer Vorlage ohne völlig ausgereiften Plan käme. Minister des Innern v. Loebell: Der Frage der F r e m d e n l e g i o n, die der Abg. Pachnicke berührte, wenden wir größte Aufmerksam leit zu. Wir treten gegebenenfalls für die Befreiung preußischer Staatsangehöriger aus der Fremdenlegion ein. (Zuruf links: Diese Frage ist von Pachnicke gar Lntartung -er mo-ernen Lyrik. Von Professor Dr. E. Meumann. *) Das Suchen nach neuen Ausdrucksmittcln zeigt sich besonders deutlich in der modernen Lyrik, zum Teil auch im Roman; die Lyrik ist geradezu gekennzeichnet durch den Versuch unserer modernen Dichter, den sprachlichen Ausdruck als solchen zu steigern, um die dichterische Sprache in stärkerer Weise an den Aus oruck des inneren Lebens anzupasscn, und durch das völlige Mißlingen dieses Versuchs! Der Dichter soll geradezu alles sagen können ohne jede Rücksicht aus die dichterische Form und die Formgesetzc. Da) Streben, die Ausdrucksmöglichkeiten der dichterischen Sprache zu steigern, ist natürlich durchaus berechtigt, solange dabei überhaupt noch wirkliche Dichtung ent steht, solang« dabei noch künstlerische Leistung und wirkliche Bereicherung der Sprache erreicht wird. Ja, sie wäre auf das lebhafteste zu begrüßen, wenn mit diesem Streben neue dichterische Kunstformen ge schaffen würden und die poetische Sprache wieder ein mal einen ähnlichen Aufschwung erlebte, wie durch die schöpferische Kraft eine» Goethe oder eines Heine. Allein «» ist nur wieder charakteristisch für die Kunst unserer Zett, daß diese» Suchen nach gesteigertem Ausdruck der Sprache und nach engerem Anschluß der Sprach« an das gesteigerte Innenleben unserer Zeit in der modernen Dichtung gerade zur radikalen Aus lösung aller dichterischen Form und zur Verletzung der elementarsten Sprachgesetze geführt hat. *) Dies« scharfe und zweifello» viel Wahrheit ent« haltende Kritik findet sich in Reumann» überaus interessantem Buche ..System der Aesthetik" (Verlag von Quelle und Meyer in Leipzig), da, sich eingehend mit den künstlerischen Be strebungen der Gegenwart au»einand«rs«tzt. Da nun der moderne Lyriker nicht immer im stande ist, wirklich brauchbare Ausdrucksmöglichkciten zu finden, so entsteht nun teils ein willkürliches Um gehen mit dem Sprachgebrauch, teils ein schablonen haftes Befolgen gewisser Kunstgrifse und Rezepte, wie die Häufung und Wiederholung der Adjektiva, die Neubildung von Klangmalereien höchst geschmack loser Art, die Erfindung sinnloser Klanggebilde, die nicht mehr an den Sprachgebrauch anknüpfen, teils eine gänzlich formlose Behandlung von Versmaß und Reim, die die Tendenz l-at, jeden Gedanken so platt als möglich herauozuplaudern. Wenn man sich überhaupt die Mühe geben will, die Lprachverhunzung unserer modernen Lyriker ein mal genauer zu betrachten, so kann man dabei zwei Klassen von MißlMidlungen unterscheiden: Die eine Art sprachlicher Veränderungen ist relativ harmlos, sie zeugt nur von dem immer mehr verschwindenden Sinn für sprachlichen Stil und grammatische Richtig keit der Sprache, sie ist zum Teil einsach ein Produkt der Unbildung. Da werden z. B. Worte bevorzugt, wie die „Jetztzeit" (statt Gegenwart, was schon von Schopenhauer getadelt wurde), oder Wörter, wie „völkisch", „gedanklich", das „Dämmer" und da» grammatisch unrichtige „diesbezüglich", oder unschöne Pluralbildungen, wie die „Lüste", die „Sehnsüchte", die „Tränensüchte", die „Zukünfte". Geschmacklose Wortzusammensetzungen verraten die sprachliche Hilflosigkeit, wie „torkeltrunkcn", „Silberschlitzen", „du schmerzwahres Alles , „Weltallerdrennen", „Glutmuskeln", „Schmerzsterngestiede", »Urschwulst- gekröse", „Flammencntstammen". Ganz besonders beliebt ist auch di« falsch« Verwendung der Adjektiva, indem optische Eigenschaften den akustischen oder Tasteindrücken beigelegt werden; oder akustische Eigenschaften werden optischen Gebilden beigelegt. Ein paar Beispiele: Ich lese in einem modernen Roman „Ein die weiße Kühle opalisierender Schleier", oder „Ein Glockenrosenlag" und in einem Gedicht: „Die Sonnenstrahlen klangen bei jedem leisen Schritt"; „die kalten Schatten klettern (mir) im Nacken". In Wahrheit ist das natürlich eine ge schmacklose Vermischung verschiedener Bilder, die darum verfehlt ist, weil sie gar keinen einheitlichen Eindruck erzeugt. Am meisten Unfug wird aber mit der Bildung neuer Zeitwörter getrieben: „Es herbstet, es wintert, cs sommert, es frühlingt", oder wir lesen Zeitwörter, wie „geistern", „sirren", „glasten", raglastern" (Beispiele von sinnlosem Wortgerassel), oder: „Begluten", „lichtern", „entschimmern" u. dgl.; in der Analogie von Ernüchterung wird gebildet „Er- sättigung", in der Analogie von Zukunft wird ge bildet: „Meine Fortkunft" — ein typisches Beispiel für die abscheuliche Vermischung der Bestandteile ver schiedener Worte, nämlich von Fortkommen und Zu kunft. Die ganze Geistlosigkeit und Gedankenarmut dieser modernen Lyrik zeigt sich aber in der Ver wendung solcher Rezepte, wie der bloßen Wortoer doppelung, z. B.: „Mein Auge schweift in fern, ferne Weiten", oder: „Eine klein, Nein« Hand", oder „Das still, stille Dorf"; das ist geistlos, weil es so billig und süßlich sentimental ist. Alle diese Dinge sind aber noch relativ harmlos; weniger harmlos wird die Sache, wenn da» bloße Wortgerassel an Stelle aller klaren Gedanken und Phantasiedilder und an Stelle aller echten und wahren Stimmung tritt. Das abschreckendste Beispiel für diese Auflösung des künstlerischen Sinnes und für die Verdrängung wirklicher Phantasiearbeit und wirklich erlebter Stimmung haben wir in den Produkten der Charon bewegung, und wie weit die Verwirrung des künst- lerichen Urteils gedrungen ist, kann man daraus sehen, daß selbst der „Kunstwort" diese Bewegung ernst genommen hat. Die Begründung, die der „Kunstwart" dafür gibt, verdient tiefer gehängt zu werden! Er meint nämlich, an dem „Charon" müsse doch wohl etwas sein, weil er sich so lange gehalten hat. Wissen di« Aesthetiker de, „Kunstwart," nicht, daß sich die schlimmsten Sorten von Schundromanen noch länger gestalten haben? Man schämt sich, die Druckerschwärze in Anspruch zu nehmen, um zu zeigen, worin die Geschmack losigkeiten, die Stilwidrigkeiten und die radikale Auflösung alles künstlerischen Feingefühls bei dieser Lyrik besteht, und um zu begründen, warum in diesen Gedichten der elendeste Kitsch oorliegt, aber es scheint doch nötig zu sein, wenn Zeitschriften wie der „Kunstwart" oder „Das literarische Echo" sich durch das Wortgeklingcl und die kraftgenialische Manier der Charonherren oder durch die süßliche Sentimentalität der Charondamen blenden lassen. Die meisten CharongeDichte sind würdig, als studentische „Bierzeitungen" verlesen zu werden, sie passen im besten Falle für die letzten Stadien der Alkoholstimmung. Zum Ueberfluß sind viele unter ihnen schlechte Nachahmungen von Nietzsches Ge dichten seiner letzten Periode. Sie verstoßen gegen die elementare Regel alle» künstlerischen Schaffen», daß der Künstler nicht alles sagen soll. In platter Weise sprechen die Lyriker dieser Art jeden Gedanken heraus, so, wie er ihnen kommt (ogl. dazu die späteren Ausführungen über die Beschränkung des künstlerischen Ausdruckes). Als eine Probe des sinn losen Wortgerassel» möge hier der Schluß eines Ge dichtes von Dauster mitgeteilt werden: ob man den Zusammenhang kennt oder nicht, ist gleichgültig; das Wortgerassel bleibt dasselbe: „Ra, Ra, du kannst rasende Schmerzen erwecken, Du siegtst, Hascher, Häscher! Es wächst das Leknaster Verpraßter Brandgarben. Jetzt wackelt da» Pflaster. Dort qualmen dieFackeln. Hier schwirren die Kerzen(l) Es fallen die raglasterfaßten Pilaster. Und mir greift von unten jetzt jemand zum Herzen" Unschönheit und Geschmacklosigkeit der Schilderung und Verschwommenheit der Phantasiebilder wett eifern -ter mit Banalität der Sprach« und unwahre« Pathos.
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