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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 19.05.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-05-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140519016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914051901
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914051901
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-05
- Tag 1914-05-19
-
Monat
1914-05
-
Jahr
1914
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Morgen-Ausgabe Ser»,-peelst: moantUch 1.« «., »lerteUStzrUch Z.7» M. Set »er «eschLft-st»«», «,s«> ItUole« ua» MuegavesteUe» adgetzeU: »»»atUch 1M., vierteyU-ellch Z M. Dvrch »I, Pest: Umortz«»» d«ttschl«>-» ««» S« »«tsch« K»l»M«» awnatUch 1^» «., »I«tMhrUch 4^4 «»»fchUe-Uch Post»«st^t«-t4. Va» Leipziger »«getzlatt «schont »«kt«g« »mal, So«a»«.I«iert«g»t»«t. Sn Leipzig, »en Nachbar»et«, ««» »en Orten mit »lgeae« Zilinl« «lrö -»« Pd»n0au»g«b« noch «« stbea» See «rschetnen» in» -an» gelieferl. r -Tiine- Neüaktto»! So »en Zelte» >7, Lernfprech.N aichluS: M»adlt Nr. »»7. HmrdelsSeLtrurs Zrrrtsblatt desRate» rurd despollreiarrrtes der Stadt Leipzig it«»«rt1»» «a» OeschLftsfteUer Zehaomlegaff« Nr.«. 4 lerofprech.stnschluS Nr. 14»«, 1444Z UN» >4044. ISS. Jahrgang . süe Inserat» au» Leipzig UN» Umgebung ö>« /AnAuIAgNpkel^e» 1 fpaltig« petitzetletZ Pf., 41» ktetlam»,eilet M-, »an auamarta S» Vf., lteklam«, 1.20 M., Klein« stozeigen »tepetltzetl« no» g»pf.d.wl«»erb»l.rtad., Inserat« oon0«l>»rSea im amtUchenLeil»», Petit zeil, S»ps. V«fchlif1»an,eigen mit piag»»rschrtft >« Preis» erhöh». Itadatt nach Laris. Vellage»: vesamtausi. 5 M. »aa »aus«,» auaschl. Postgedühr. sinzeigeo-ftnaahm»: 1»hanai»gass«g, »ei sämtliche« finalen öe» Leipzig« Logedlatte» uni allen stnuoncea-gxpeöltioneu öe» Ja» und stu-laaöe». O«schüsr»sI,U« für V«llu o.»i« pr.vranöenhurg: viretttanwalterZlieget, verU» W. i», Margarrthenstro», 4. fernsprech»finschluA: Lüh»» «7l. Nr. 2Sl. vtrnstay, üen »s. Mai. lSIL Vas wichtigste. * Die Lesoldungsvorlage wurde gestern oom Reichstage nach den Beschlüssen der zweiten Lesung, also in der Fassung der Kom mission. einstimmig angenommen. Da dl« Regierung nach bestimmten Erklärungen diesen Kommissionsbeschlüssen unter keinen Umständen zu stimmen kann, ist die Besoldungsvorlage gefallen. (S. Ber. u. Letzte Dep.) * Der Reichstag beschäftigte sich am Montag mit der zweiten Lesung der Novelle znm Militär strafgesetzbuch und setzte nach lebhafter Aus sprache diesen Gegenstand von der Tagesordnung ab. (S. Art. u. Ber.) * Die E r fte Kammer verabschiedete am Montag einige Dekrete und Etatskapitel, darunter das Ka pitel Universität Leipzig. (T. Ber.) * Zn der Zweiten Kammer gab Abg. Dr. Zöphel namens der Nationalliberalen eine Er klärung über die Angelegenheit der Borro- mäerinnen in Bautzen ab. Bei der Erörte rung der Petitionen über das Beamtenrecht kam es zu einem scharfen Zusammenstoß zwischen dem Minister des Innern und dem Abg. Dr. Zöphel. (S. Art. u. Ber.) * Im preußischen AbgeordnetenHause erklärte der Minister des Innern v. Loebell, daß er die an ihn gerichtete Frage, ob er beabsichtige, dem Landtage eine neue Wahlrechtsvorlage zu unterbreiten, mit „Nein" beantworten müsse. lT. Art. u. Ber.) * Der schwedisch« Reichstag ist am Montag eröffnet worden. Das Präsidium beider Kammern wurde wiedergewählt. * Der albanische MinisterpriRdent Turkham Pascha ist am Sonntag in Pest eingetroffen, um mit Graf Berchtold zu konferieren. Ist Zrankreich für oder -egen -as Vrehahre-Gefetzl „Das Dreijahre-Gesetz ist nun Gegenstand aer lebhaftesten Opposition. Es ist in weiten Regionen, die über das ganze Gebiet Frank reichs verteilt sind, von starken Mehrheiten ver worfen worden. Es wird in der Kammer dem nach auf das heftigste angegriffen werden, und mehr als ein Deputierter, der als Dreijahr- Anhänger gewählt worden ist, wird, »venn die Umstände es ihm erleichtern oder es ihn zu tun veranlassen, dagegen stimmen. Wenn es übri gens vor dem Ende des Jahres 1915 nicht ab geschafft ist, so kann man sicher sein, daß sich die Zahl seiner Gegner automatisch vermehren wird, und zwar in dem Verhältnis von 200 000 pro Jahr, das heißt in dem Verhältnis der Zahl der jungen Leute, die jährlich die Kaserne verlassen und sich Rechenschaft darüber ablegcn werden, daß man sie ein Jahr ihres Lebens verlieren ließ, ein Jahr mehr gegenüber jenen zivei Jahren, die man von ihren Vorgängern forderte und die ohnehin schon eine sehr lange Dienstzeit bildeten. Dieses Gesetz wird daher in einigen Jahren endgültig abgeschafft werden, nicht, weil das Land sich wird schwächen und auf seine Unabhängigkeit wird verzichten wollen, sondern weil es begreifen wird, daß andere und bessere Mittel vorhanden sind, gerade diese Unabhängigkeit zu schützen." Hinter diesen Sätzen wird man schwerlich einen französisäzen Offizier vermuten. Wir lesen sie in der „Friedenswarte", und geschrieben sind sie von Gaston Moch, dem ehemaligen fran zösischen Artilleriehauptmann und jetzigen Prä sidenten des „Institut international de la Paix". Dieser letztgenannte Titel wird ihn bei manchem Leser in den Verdacht bringen, daß man es mit einem „weltfremden Friedensschwärmer" zu tun habe, der sich die Tatsachen nach seinem Lieblingsgedanken zurechtgelegt habe. Run ist Moch gewiß in hohem Grade für den Welt- friedensgedanlen eingenommen, aber, wie aus seiner Abhandlung hervorgeht, ist er doch frei von dem Bedürfnis, sich selbst über den gegen wärtigen Zustand Frankreichs zu täuschen. Er ist Franzose; er denkt nicht daran, seinem Vater lande irgendrvelche Demütigung zuzumuten, aber er glaubt allerdings an die Möglichkeit einer französisch-deutschen Annäherung. Er rechnet aus, daß bei der Haupt wähl die Anhänger des Dreijahre-Gesetzes „nur" 57,7 Prozent der abgegebenen Stimmen erhalten haben, und da bei den Stichwahlen die Sozialisten einen großen Erfolg errangen, wird er heute erst recht von der Richtigkeit der oben angeführten Sätze über zeugt sein. Aber — ach, cs gibt nicht nur ein „Aber"! Moch schildert selbst, unter ivelch verwirrenden Eindrücken die Wähler standen. Die Mehrzahl der Kandidaten — für 602 Sitze waren 2900 ausgestellt — ist gar nicht imstande oder nicht gewillt gewesen, die Frage des Dreijabre-Ge- setzes so herauszuarbeiten, daß den Wählern klar geworden wäre: hier handelt es sich um eine grundlegende Aenderung der Politik, um das Anstreben einer Verständigung mit Deutsch land! Auch »nicht die Sozialisten haben das unseres Wissens getan. Sie haben allerdings ihren Friedenswillen bekundet, sind für den SchiedsgerichtSgedanken, die Abrüstung und vor allem für die Aufhebung des Dreijahre-GesetzeS eingetreten. Aber wohlgemerkt: ihr Erfolg be ruht in der Hauptsache zweifellos auf dem einen Punkte, auf der Missliebigkeit eben die ses Gesetzes, zum geringeren Teil auf der weiter gehenden Ansicht von der Unerträglichkeit der Militärlastcn im allgemeinen, und ganz und gar fragwürdig bleibt uns, ob der Wunsch, mit Deutschlandzu einer Verständigung zu kom men, im Volke von spürbarer Wirkung gewesen ist. Die Freunde dieser Annäherung tragen — wir schelten sie deshalb wahrhaftig nicht — ihren Gedanken nachträglich hinein, weil sie wünschen, daß er zum Vorschein komme. Darin steckt aber doch eine Täuschung. Selbst wenn alle gewählten Sozialisten jenen Wunsch ehr lich teilen sollten, so zweifeln wir doch, ob sie, wenn es in der Kammer von neuem wegen , des Dreijahre-Gesetzes zum Kampfe kommt, gewillt sein werden, diese Seite der Sache, näm lich die erstrebenswerte Verständigung mit Deutschland, stark hervorzukehren. Wäre das überhaupt klug? Würden sie nicht das Gegenteil bewirken ? Wenn sie ehrlich sagen würden: Ja, allerdings wollen wir das Drei- jahre-Gesetz auch deshalb beseitigen, weil wir mit Deutschland eine Politik des Vertrauens hcrbeizuführen gedenken! — welch ein Anlaß könnte den Rationalisten und Chauvinisten will kommener sein, um genau dieselbe Stimmung zu entfesseln, die vor zwei Jahren zur Be gründung der Wiedereinführung der dreijährigen Dienstzeit herhalten mußte! Wir auf deutsck-er Seite verzeichnen die Aus lassungen des französischen Freundes der An näherung mit Genugtuung, nicht nur weil sic idealistisch, nein, mehr noch, weil sie vernünftig sind. Aber das Dreijahre-Gesetz ist uns eine französische Angelegenheit, in die wir nicht drein zureden haben. Fällt es, so soll es uns recht sein; fällt es nicht, so ist's auch gut. Militärstrafgesetzbuch un- preußische Vahlreform. Stimmungsbild aus den Parlamenten. O Berlin, 18. Mai. Der Reichstag hat heute einen langen Rach mittag über die Rovellc zum Militär straf - gesetzt, uch verhandelt: aber zu einer Ent scheidung ist cs noch nicht gekommen. Man muß, um den heutigen wortreichen und zum Teil recht leidenschaftlichen Streit zu verstehen, sich an die Vorgeschichte des Entwurfs erinnern. Der sollte, so wie die Regierung ihn vorgclegt hatte, nämlich keineswegs treues materielles Recht schaffen. Man wollte durch ihn nur einige „Un stimmigkeiten", die sich durch die Gelegenheits gesetzgebung der Lex Erfurt ergeben hatten, aus gleichen. In der Kommission hatte man dann das Bedürfnis empfunden, über den Rahmen der Regierungsvorlage hinauszugreifen, und so waren „neue Unstimmigkeiten" erwachsen, zu deren Beseitigung es von Rechts wegen einer fundamentalen Reform bedurft hätte. Vor allem aber waren so (um bei der aus den Zeiten Chlodwig Hohenlohes überkommenen Ter- nnnologrc zu bleiben) „Mißhelligkeitcn" zwischen Regierung und Reichstag entstanden, die das Zustandekommen des Gesetzes ernstlich bedrohten. Die Kommission wollte, soweit der Anlaß ihr dazu eine Handhabe bot, den strengen Arrest aus der militärischen Strafgerichtsbarkeit aus merzen, und sie wünschte daneben die Praxis bei Kontrollversammlungen künftighin milder zu gestalten. Nicht für den ganzen Tag, wie bis her, nur für die Stunden der Kontrollversamm lung sollten in Zukunft die Reservisten der mili tärischen Disziplin unterworfen sein. Der Kriegsminister hatte beiden Forderungen ein Unannehmbar im Ausschuß entgegen gesetzt, und er blieb bei diesem Unannehmbar auch heute im Plenum. Ueber die Berechtigung dieses ablehnenden Standpunkts wird man an sich geteilter Meinung sein; es spricht manches für ihn, vieles wieder dagegen. Es mag wohl auch fo sein, wie der Abg. van Calker das darlegte, der für die Mehrheit der national liberalen Fraktion die Wiederherstellung der Re gierungsvorlage anregte, daß es notwendig sei, die Reform des bürgerlichen Strafrechts ab zuwarten, ehe man an eine allgemeine Reform des Militärstrafrcchts ginge. Aber es wäre viel leicht der Sache, die der Herr Kriegsminister vertrat, doch zuträglicher gewesen, »venn er sich nicht gar so pointiert und stellenweise beinahe schroff ausgedrückt hätte. Auch so ist es nicht ganz ausgeschlossen, daß Herr von Falkcnhayn noch seinen Willen durchfetzt. Aus der Rede des greisen Zcntrumssprechcrs, des Abg. Fehrcnbach, klang cs doch fchon wie eine leise Neigung zum Nachgeben. Hernach schienen dem Zentrum freilich wieder neue Bedenken auf zusteigen, und so wurde auf Antrag des Abg. Groeber nach fünfstündigem Disput der Gegenstand vorläufig von der Tagesordnung ab- gesetzt: Das Zentrum wünscht offenbar, ehe es sich endgültig entscheidet, noch einmal mit sich zu Rate zu gehen . . . Größeres (wenn man so will) hatte sich derweil in der preußischen Landstnbe be geben. Dort begann heute die dritte Bera tung des Etats, der man uin deswillen mit einiger Spannung entgegcnsah, weil bei dieser Gelegenheit Herr von Loebell als neuer Minister des Innern sich dem Hause vor stellen sollte. Irgendeine Korrespondenz hatte am Sonnabend gemeldet: Herr von Loebell würde den Anlaß beim Schopf nehmen, um die preußische Wahlrcform anzukündiqen. Diese Meldung war auf dem nämlichen Plohnfelde trügerischer Hoffnungen erwachsen, dem vor Mo natsfrist die begeisterten Artikel über den „Wahlrechtsminister" entsprossen waren. Wir hatten gleich damals vor diesem heißen lieber- schwang höchst undiplomatischer Herzen gewarnt, und wir hatten aus denselben Erwägungen her aus auch der Meldung von Sonnabend wider sprochen. Es wäre wider alle preußischen Bräuche gewesen (die wir im übrigen keineswegs verteidigen möchten), wenn Herr von Loebell in diesem Moment, wo ihn das geschätzte Miß trauen von Zentrum und der Rechten umlauert, von sich ein Bekenntnis zur Wahlreform ab gegeben hätte. Darum hat uns die Auskunft, die Herr von Loebell dem mit beweglicher Rede in ihn dringenden Herrn Pach nicke er teilte, auch weder überrascht, noch sonderlich ent täuscht. Will man gerecht sein, so darf man vielleicht sogar sagen: der neue Mann Hütte in» gegenwärtigen Augenblick kaum anders sprechen können, als er sprach. Wir befinden uns am Schluß der Tagung: Für s erste also wäre, wie immer Herr von Loebell sich persönlich zu der Frage stellte, dock) nichts zu machen gewesen. Sollte er «um theoretischer Konzessionen willen, den Acheron in Bewegung setzen und den Konfervativen, dann aber doch auch dem Zentrum, Anlaß geben, die langen Ferien hin durch gegen ihn zu agitieren ? Legte nicvt viel mehr die seltsame Art, wie gewisse Blätter ihn mit Vorschußlorbeeren umtranzt hatten, Herrn von Loebell die Pflicht der Selbsterhaltung auf, zunächst einmal den noch aus den Blockzeiten stammenden Argwohn zu besänftigen? Denn, ob wir es beklagen oder nicht, es ist nun einmal nicht zu ändern: fürs erste bleiben im Lande Preußen die Konservativen und das Zentrum die starten Bataillone. Herrn von Loebells heu tige :stede war dazu bestimmt, die Rechte und das Zentrum zu gewinnen. Nach der Richtung hat sie denn auch, wenigstens was die Konser vativen angeht, nicht versagt. Der neue Herr sprach in den Wendungen und unter Benutzung der Argumente, die uns von dem alten l»cr bekannt waren. Aber der Ton war doch anders, verbindlicher, liebenswürdiger, nicht ganz so von dem starten Bewußtsein der Gottähnlichkeit ge tragen, und darum möchten wir davor warnen, nun gleich ins andere Extrem zu verfallen und alle Hoffnungen fahren zu lassen. Es ist doch eine neue Nummer, und am Ende nicht ganz derselbe Faden. Herr von Loebell hat heute gemeint, er hätte teincn Einfluß auf die Ein bringung der Wahlrcchtsvorlage; das sei Sache des Staatsministeriums. Herr Dr. Fried berg, der nach seiner Krankheit hcm' zum ersten Male wieder zu längerer Rede da - Wort ergriff, hatte ganz recht, wenn er Herrn von Loebäll darauf erwiderte, er sei in diesem Staatsministerium doch ein sehr ansehnlicher Faktor; er möchte gefälligst seinen Einfluß im Sinne einer zeitgemäßen Reform anfbietcn. Noch einmal -as System Heink. Stimmungsbild aus dem Landtage, rg. Dresden, 18. Mai. Dre vorletzte Sitzung einer überaus anstren genden Session! Kein Wunder, wenn eine ge wisse Müdigkeit über dem Hause liegt. Ohne wesentliches Interesse nimmt man die Ver lesung einer unendlich langen Registrande entgegen. Dann erhebt sich der national liberale Abg. Dr. Zoephel. um namens seiner Parteifreunde eine Erklärung ab zugeben. Sie wendet sich gegen den Kreishauptmann von Bautzen, dessen Hal tung als Oberhaupt der höchsten Kirchenbehörde der Lausitz zu wünschen übrig gelassen habe. Es sei der Bautzener Geistlichkeit nicht gelungen, evangelische Kinder auf dem Wege der Seel sorge aus dem von den Borromäerinnen ge leiteten Asyl herauszubekommen. Wenn sie nach diesem Mißerfolge sich an die Staats behörde mit der Bitte um Hilfe gewandt hätten, wenn sie von dort auf den schon vergeblich be schrittenen Weg der Seelsorge verwiesen werden, fo habe diese Behörde in der Wahrung der ihr anoertrauten protestantischen Interessen versagt. Kultusminister Dr. Beck erkennt im ganzen die Berechtigung der Gedankengänge dieser Erklärung al» zutreffend an. nur betont er, daß man dem Bautzner Kreishauptmann die ehrliche Absicht zugute halten müsse, auf seinem schwierigen Posten den konfessionellen Frieden nach Möglichkeit zu hüten. So gab es zunächst nichts, was die Gemüter erregt hätte. Das Haus blieb rede unlustig und war um so eifriger im Abstimmen. Selbst die Ablehnung .des gefährlichen Zwingeranbaues erfolgte auf Grund eines anderweitigen Berichtes der Finanzdeputation ohne Debatte. So wäre denn diese schwere Schädigung eines Kunstwerkes unserer Residenz noch glücklich hintangehalten. Bei einer Pe tition war Gelegenheit, die ganze Frage der Landarbeiternot aufs neue aufzurollen. Aber es blieb auch hier beim schwachen Ansatz, dessen völlige Nutzlosigkeit der nationalliberake Abg. Dr. Seyfert kurz aber treffend dartat. Fast schien es, als sollte die erkleckliche Tages ordnung rasch zu Ende geführt werden, da kam es zu einer unerwartet ausführlichen und hef tigen Aussprache bei den Petitionen auf Neu regelung des Beamtenrechts, unter denen bekanntlich die des Nation al libe ralen Landesvereins dominiert, die mit einer Anzahl praktischer Leitsätze aufwartet. Der nationalliberale Abg. Dr. Zoephel hatte einen schriftlichen — natürlich von der gesamten Deputation genehmigten — Bericht erstattet, auf den er kurz verwies. Darauf erhob sich Graf Vitzthum von Eckstädt und verlas eine Erklärung, in der Dr. Z o ep h e l s Bericht Mangel an Objektivität nach gesagt wurde. Ferner fand der Minister, daß Dr. Zoephel sich zu wenig an den Wortlaut der Protokolle gehalten habe. Endlich — das war die Hauptsache — habe er eine auf Geheimrat Heink bezügliche Tatsache unrichtig wieder gegeben. Der Minister bedauerte, daß man dem Ministerium keine Gelegenheit gegeben bade, den Bericht vor seiner Drucklegung zu korrigieren. Die Ausführungen waren ziemlich scharf gehalten. Es ist zweifellos anerkennens wert. wenn ein Vorgesetzter seine Untergebenen zu decken sucht; aber das muß seine Grenzen haben. Es kann nicht zweifellos sein, daß das System Heink jenseits dieser Grenzen liegt. Das zeigte zunächst der Nationalliberale Hettner als Vorsitzender der vom Minister angegriffenen Deputation mit großer Rückhalts losigkeit. Zunächst widerlegte er den Einwand des Ministers, daß das Ministerium keine Gelegen heit gehabt habe, seine Bedenken gegen den Deputationsbericht anzubringen. Hettner stellte demgegenüber fest, daß die anderen Mini sterien diele Gelegenheit gefunden hätten, und daß es also nur Schuld des Ministeriums des Innern sei, wenn der Bericht seinen Wünschen nicht entspreche. Gegen den Mangel an Objek tivität nahm Hettner den Berichterstatter ganz energisch in Schutz. Es seien die Dinge so dar gestellt worden, wie sie sich abgespielt haben. Das könnten die Mitglieder besser beurteilen, als der Minister, der bei den Verhandlungen nicht zugegen gewesen sei. Wenn die zur Druck legung gegebene Erklärung des Ministerial direktors Heink nicht wörtlich im Bericht er scheine, so liege das daran, daß sie nicht wörtlichzur Drucklegung gegeben sei. Vielmehr habe der Re- gierungsvertreler sehr viel eigene Zwischen bemerkungen gemacht. Endlich sah sich Het 1 ner gezwungen, eine Tatsache zu unterstreichen, die für Heink schlechthin unbequem ist. Schon bei früheren Gelegenheiten ist von nationalliberaler Seite davon gesprochen worden, daß ein hoher Staatsbeamter auf Dienstreisen die ihm untergebenen Staatsdiener gefragt habe, ob sie denn auch alle gut konservativ seien. Der dieie Frage stellte, war kein anderer, als der Leiter des Systems Heink. Nun hatte Dr. Zoephel den Ministerialdirektor gefragt, ob er diese Frage gestellt habe. Zum Staunen der Eingeweihten wurde die Frage verneint. Es liegt hier somit ein Widerspruch, den keine Sophistik aus der Welt schafft und der für das System Heink nicht eben schmeichelhaft ist. Der Minister des Innern spürte sehr wohl, daß er besser getan hätte, weniger scharfe Worte zu wählen. In der Tat fiel seine Entgegnung merklich zurückhaltender aus. Sie trug offen, bar den Charakter des Rückzugs. Herr Dr. Böhme, der viel geschäftige Konservative, glaubte den Rückzug rasch decken zu sollen durch einen Angriff auf die Aus führungen Hettners. Er meinte, der Tatbestand sei nicht recht klar. Ma»» müsse dem Hause das Material vorlegen, damit cs in eine Prüfung der Angelegenheit eintreten könne Im übrigen verwunderte er sich, daß erst jetzt nach drei Jahren dieser Vorgang, der l9ll gespielt habe. zurSprache komme. Die Antwort, die ihm von den Nationalliberalen Nitschke und Hettner zuteil wurde, steckt er sich gewiß nicht hinter den Spiegel. Man sagte ihm ziemlich gelassen, daß er sein möglichstes getan habe, um den an sich klaren Sachverhalt zu verdunkeln, daß das Material bereits an die Staatsregierung abgegeben wor den sei und daß er, Böhme, ein außerordentlich kurzes Gedächtnis habe, wenn er fich an die Sache nicht erinnere So konnte Dr Böhme die Bloßstellung des Systems Heink nicht ver- verhindern, hatte fich aber selbst eitle Blöße gegeben. Es ist nun eben einmal besser, wenn man kein kurze» Eedächtni» hat
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