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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 17.05.1914
- Erscheinungsdatum
- 1914-05-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191405170
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19140517
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19140517
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-05
- Tag 1914-05-17
-
Monat
1914-05
-
Jahr
1914
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' VUMUUK, l7. Mal l9l< Leipziger Tageblatt. Nr. 24S. Sonntsgs-Nusgsüe. Seue 7. Kunst unct wissensetiaft SZKSWS Deutsche werkbunL-Musstellung, Köln 1-74. (Originalbericht.) An dem User des Rheins, zu Füßen des unver gleichlichen von den Türmen des Domes und der an deren mittelalterlichen Kirchen überragten Stadt bildes, ist in den leisten Monden die Stadt des Deut schen Werkbundes erstanden. Heute öffnet sie ihre Pforten: beide, sowohl die Stadt Köln, wie der Deutsche Werkbund sollen Heuer aus dem vielumstrit- tenen Gebiete des modernen Ausstellungswcsens ihre Feuertaufe empfangen. Hier zum ersten Male wird der Werkbund vor aller Oeffentlichkcit erweisen können, was er in den sieben Jahren seines Bestehens in zielbewusster, stiller Arbeit geleistet hat. Und kaum eine andere Stadt scheint eher dazu berufen, dies« künstlerische Scl>au in ihren Mauern aufzu nehmen, als gerade Köln. In das Herz einer ganz neuen Welt wagt sich der Werkbund hinein. Hier, wo germanische und romanische Kultur wie in einem Brennpunkt sich schneib-cn, an der deutsäzcn Grenz scheide zum Westen hin, auf uraltem Kulturboden, der manch wundersames Stück einer tausendjährigen Kulturtradition in unsere Zeit hinübergerettet hat, ist jene durchaus moderne Ausstellung empor gewachsen, die die Wiedergeburt des deut schen Geistes in der Form zeigen soll. So folgt die alte Rheinstadt nur ihren besten Tradi tionen, wenn sie einer Kunstfchan Raum und Wir kung schafft, die, nach Jahrhunderten sklavischer Ab hängigkeit von den formbildenden Mächten des Aus landes, von einer neuen eigenen Form der deutschen Lebensführung Zeugnis geben soll. Qualität und Form: das sind die beiden Grundgedanken des Deutschen Werkbundes. Die Qualitätsarbeit fördern, den Willen zur Arbeit, zur besten Arbeit wecken: das ist das graste Ziel. Die Künstler, die die neue werttünstlerische Bewegung eingcleitet haben und zum grosten Teile auch heute noch als Führer wirken, wie van de Velde, Behrens, Pankok, Riemer- schmid, Olbrich u. a., wollten zunächst nur das ältere Kunstgewerbe reformieren und der geistlos-mecha nischen Nachahmung alter Stile, der däs Kunstge werbe fast rettungslos verfallen war, eine aus dem Geiste und dem Wesen der Dinge unserer Zeit zu entwickelnde neue und eigene Form entgegenstellen. Nom Einzelgegenstand gingen sie jedoch alsbald zur Gestaltung des Raumes und vom Einzelraum zur Gesamtarchitektur über. Auf der anderen Seite er schauten sie in dem von der Kunst nicht berührten Schaffen der modernen Technik eine graste durch gehende und zugleich in allen Einzelerscheinungen sich tausendfach abwandelnde Linie, die sich unver kennbar aus der Form und den technischen Wesens bedingungen der Maschine entwickelt und unserer Zeit einen Gesamtausdruck ihres eigenen Wesens ge schaffen hatte, lange bevor ein Künstler an solche Möglichkeiten gedacht hatte. Ans diesen beiden Ele menten, dem künstlerisch-architektonischen und dem technisch-maschinellen, entstand schließlich das, was wir heute schon als den neuen deutschen Stil bezeichnen dürfen. Es handelt sich um eine künstle rische Durchdringung der Gesamterscheinung unserer Zeit, jedoch keineswegs im Gegensatz zur modernen technischen Entwicklung, sondern im engsten Zusam menhänge mit ihr, in lebendiger Wechselwirkung zwischen Kunst und Technik, zwischen Künstler und Maschine. Wie weit der Gedanke der Zusammenarbeit zwi schen Kunst, Industrie, Handel und Gewerbe heute schon durchgcdrungen ist, wie weit wir heute schon auf dem Wege einer durüraus modernen Auffassung der Architektur und des Städtebaues gelangt sind, das will die Ausstellung in Köln zeigen. Ueber Theo rien und Worte hinaus soll diese Schau ein Aus druck der neuen künstlerischen Tat sein. Der innerlich gefestigte, abgeklärte Gedanke des Werkbundes will nunmehr auch mit dem Selbst- bewusttsein und der werbenden Kraft eines gereiften Könnens vor das unbefangene Urteil des Auslandes treten. Gerade im Hinblick auf das Architektonische darf man heut« schon ein sachliches Urteil fällen, bei einem knappen Ueberblick über den äußeren baulichen Nahmen, in den diese Ausstellung gefaßt ist. Schon im architektonischen Gesamtbild verkörpern sich im lebendigem Auswirkcn die schaffenden Kräfte unserer Zeit, würdig und mit innerer Selbständigkeit. Klar, strenger Konsequenz und in harmonischem Aufbau präsentiert sich der Grundplan dieser Ausstellung. Der Entwurf rührt von dem beigeordneten Bürger meister der Stadt Köln, Landcsbaurat a. D. Karl Rehorst, her, dem geistigen Urheber und Organs- sator des Ausstellungsgedankens, jenem Manne, dem die moderne Regeneration der alten Stadt in groß zügig architektonischer und städtebaulicher Beziehung in erster Linie zu danken ist, und der mit einer hin reißenden Begeisterung, mit nie ermüdender Schaf fenskraft und einer opfermutigcn Liebe zur Sache den großen Gedanken in die Tat umzusetzen wußte. Deutschlands beste Architekten sind auf den Plan getreten, sie alle ordnen sich sachlich dem großen Ge samtplan unter, eigenstarke bautünstlerische Schöpfun gen sind erstanden, die doch nie den Eindruck einer aufdringlichen Prätention und eines selbstherrlichen Ueberschwangs erwecken möchten. Gleich hinter dem wuchtigen Portalgcbäude von Karl Moritz-Köln teilt sich die große Lusstellungsachse, zur Rechten führt eine breite Allee, flankiert von der langgestreckten Verkehrshalle, die Hugo Eberhard-Offenbach schuf, und lxn Seitentrakten der reizvollen „Farbenschau" hinauf auf das alte Festungsfort, das mit seinem prächtigen Baumwuchs unberührt blieb und nun als Krönung das Teehaus trägt, eine Schöpfung von Wilhelm Kreis, in seiner Zierlichkeit und freudigen Anmut in etwa an den Baugedanken des späten Rokoko erinnernd. Zur Linken nimmt den Blick die ausgedehnte Ladenstraße gefangen, von Oswin Hem pel-Dresden erbaut, die mit ihren 48 Läden dem un mittelbaren Handverkauf und zugleich der Veran schaulichung modern - ästhetischer Dekorationskunst dient. Am Rheinufer erhebt sich das Kölner Haus, das Ludwig Paffendorf-Köln erbaute, ein zum wenigsten eigenartiger Bau, der mit einer Sonder ausstellung vom heutigen Stande der Kölner Hand werkskunst Zeugnis geben soll. D:e vorgelagerte Platzanlagc wird in ihrem Charakter bestimmt durch den anziehenden Bau der Farl>enschau von Hermann Muthesius. Ein Weg zum Techaus kreuzt die Ladenstraße: mit offenen Terrassen zum Rhein liegt dort das Hauptcafä, errichtet nach Entwürfen von Adelbert Niemeyer. Die Ladenstraße mündet aus auf den Hauptausstellungsplatz, eine Anlage, die in städtebaulicher Beziehung von besonderem Interesse isü Gerade in der Ausgestaltung dieses Platzes do kumentiert sich am stärksten jene Energie des Willens zur knappen und doch festlich gehobenen Form, und der hinreißende Schwung eines prägnanten und ganz persönlichen Baugedankens. Dem Rhein gegenüber erhebt sich, mit seiner mächtigen Kuppel den Raum komplex beherrschend, das Hauplausstellungsgebäude von Theodor Fischer-München. Im übrigen wird der Platz umrahmt von der in feierlich-pathetischen Formen gel>altenen Festhalle von Peter Behrens, von dem reizvollen Bau des „Oesterreichischen Hauses", das Josef Hoffmann-Wien entwarf, und schließlich von den breithingelagerten Bauten des Wein- und Bierrestaurants nach den Plänen von Bruno Paul. Ein schöner Durchblick öffnet sich von der Hauvthalle aus zu dem feinabgewogenen Bau des „Sächsischen Hauses" von M. H. Kühne und Lossow. Ueber den Hauptplatz hinweg führt der Weg in den Hinteren Abschnitt der Ausstellung: rechts vom Wege liegt der entzückende und gerade für den künstlerischen Geist eines Henry van de Velde so charakteristische Bau des Werkbundtheaters. Hinter dem Theater folgt die von Sesck-Berlin entworfene Friedhofsanlage, auf der gegenüberliegenden Seite, vor dem monumental eindringlichen Fabrik- und Bureaugebäude, das Wal ter Gropius-Berlin baute, liegt das graziöse „Haus der Frau", ein Werk der Architektin Frau Knüppel- Holz-Röser-Dresden, an das sich rheinabwärts das „Bremen-Oldenburg-Haus" der ArchitektenAbbehusen und Blcndermann anschließt. Nahe dem Rhein ge legen folgt das Etagenhaus von Hermann Pflaume- Köln, und endlich das Neue Nicderrheinische Dorf nach den Eesamtentwllrfen von Georg Metzendorf- Köln. An den dem Rhein abgewandten Teil des Niederrheinischen Dorfes schließt sich noch die Gruppe der Reihenhäuser von Alfred Fischer-Essen an, so daß sich hier eine völlig geschlossene Anlage von Bauten für höhere und geringere Wohnbedürfnisse ergibt. Eine Fülle kleinerer Gebäude und Anlagen reihen sich gleichwertig an, so das Atelierhaus, die Kolonial anlage, die Ausstellung für moderne (Gartenkunst, das Krankenhaus, das eigenartige Glashaus, der Pavil lon der Hamburg-Amerika-Linie u. a. m. Die architektonische Gesamtstimmung läßt den eigenschöpferischen Willen erkennen, jene innere Zucht, und den wirklichen Respekt vor der Forderung des Tages, vor dem strengen Bewußtsein, daß nur das auf einer solchen künstlerischen Schau Daseins recht hat, was l<em unmittelbaren, klar erfaßten Be dürfnis der modernen Zeit einen kraftvollen und natürlichen Ausdruck gibt. Was über den äußeren Rahmen gesagt wurde, das wird auch für die innere künstlerische Ausgestaltung gelten dürfen, wenn dem nächst einmal ein innen und außen abgerundetes Bild über die geleistete Arbeit gewährt ist. Aber heute schon darf man sagen, daß, alles in allem, diese Ausstellung eine machtvolle Kundgebung, ein wir kungsvolles Bekenntnis für den neuen deutschen Stil ist. Vielleicht ist das „alte, heilige Köln" aufs neue berufen, in einer neuen reichen Kölner Kultur, die aus dem eigenartigen Zusammenwirken der verschie denen Elemente uralter Tradition und moderner Entwicklung, deutscher Art und westeuropäischen We sens erwachsen wird, die feinste Blüte des neuen deutschen werktätigen Geistes zu entfalten. I'. 12. ck Ueber die Eröffnung der Deutschen Werkbund- ausstellung in Köln wird noch telegraphisch gemeldet: Die vom Deutschen Wcrkbund im Verein mit der Stadt Köln veranstaltete Deutsche Werkbundausstel lung Köln 1914 ist gestern mittag in Gegenwart einer großen Anzahl Geladener, darunter der Spitzen der staatlichen, städtischen und Militärbehörden, feierlich eröffnet worden. In der Eröffnungs ansprache dankte Oberbürgermeister Wallraf den Staatsbehörden und allen Beteiligten für ihr Ent gegenkommen. Im Verlaufe der Feier ergriff der Vertreter des preußischen Handelsministers das Wort, sprach den Veranstaltern die Anerkennung der Staatsregierung aus und erklärte mit einem drei fachen Hoch auf den Kaiser die Ausstellung für er öffnet. Nach Gesang der Nationalhymne erfolgte ein Rund«gang durch die Ausstellung. Leipzig, 17. Mai. IV. Konzert des Riedel-Vereins. „Der Riedel- sche Verein", schrieb einst der Gründer selbst, „ist in «inseitiger, be,cyrünkter Richtung niemals zuzammen- zuhalten, sondern nur durch richtige Abwechselung, durch Studium religiöser Kompositionen in allen Formen." Gestern galt es den kleinen Formen, und zudem erneute gleichsam das Programm Las An denken an jene Künstler, die einst zu Riedel und dem Verein in näherem Verhältnis gestanden hatten. Unter Herrn Richard Wetz Leitung sang der Riedel- Verein das in schlichte Liedform gekleidete „Wenn ich ihn nur habe" von Fr. W. Stade, darauf P. Cor nelius' achtstimmiges, teilweise sehr kompliziertes „Liebe, dir ergeb' ich mich", darin das Respondieren der Männer- und Frauenstimmen, das An- und Ab- schwellon von Ton und Stimmung am Schluß von bedeutender Wirkung war. Dasselbe galt von je einem Graduale Fr. Draesekes und A. Bruckners; jenes tiefsinnig, fast grübelnd, dieses von weicherer Empfindung. Weniger wirksam an sich erwies sich E. Bossis „Cantate Donino", aber zwei prachtvolle Fragmente aus Liszts Lhristusoratorium gingen ihm voran. Mit Grösze sang der Verein den Unisono prolog, das „Tu es Petrus", in schöner Steig«rung vom geistlichen Volksliedton bis zum Jubel hymnus das „Simon Joannis". Ganz vortreff lich geriet ferner das respondierende Stück „Die Seligkeiten", darin Liszt einen jo überaus großen Reichtum an Stimmungen enthüllt. Das Bariton solo bildet di« Rolle des Vorsängers. Kammersänger Wuzel (Kassels übte als Sänger vom Kirchenchor herab größere Wirkung aus, als früher einmal von der Bühne. Bei Liszt, wie zuvor in drei Liedern von Nkahler und Wolf, zeigte er schönen, ruhigen Ton, sehr schätzbare Kunst der Atemführung und feine Charakteristik. Wie er in den ersten beiden Gesängen mit weicher, sehr sympathischer Stimme einen gefühl gesättigten, weichen, geistlich-lyrischen Ton anschlug, so gestaltete er Wolfs geistliches Frage- und Antwort spiel zwischen Christus und der Seele (./Herr, was trägt") mit entschiedener Färbung der so eigenartigen Gegensätze. An der Orgel erwarb sich M. Fest Ver dienste. Auch seine Vorträge schlossen sich der oben angedeuteten Tendenz des Programms an, das Carl Piuttis festliches Psalmcnvorspiel eröffnete. Mehr klang- denn gedankenreich erwies sich Carl Riedels „Nachtgesang" für Orgel, der aber dank der fein fühligen Registrierung seine Wirkung tat. Auch als Begleiter erwies der Dereinsorganist von neuem seine schon oft erprobte Kunst. I-m-xon Sepriitr. * Neues Operettentheater. Als nächste Neuheit erscheint die burleske Operette „Der keusche Joseph". Der Text ist von den bekannten und er folgreichen Autoren Bruno Decker und Robert Pohl, die Musik von Niklas-Kempner. Im Mittelpunkt der Handlung steht der Direktor des Apollo-Museums Flageolette, genannt der „keusche Joseph", weit er m Verkennung seiner besonderen Stellung als Unter staatssekretär der „schönen Künste" alles Freie in der Kunst haßt. Aber die übermütigen Bohemien- naturen wissen ihn in eine Situation zu bringen, die den „keuschen Joseph" als einen Schwerenöter zeigt. Die Titelrolle wird Herr Haas spielen; ferner wirken mit die Damen U n t u ch t, Rößne r, Seubert und die Herren M e r tz - L ü d e m a n n, Wehle, Claus. * Sympathiekundgebung oer Leipziger Studenten» schäft für Geheimrat Martersteig. In ver Leipziger Studentenschaft wurde ein Ausruf verbreitet, der ihren Dank für das Wirken Geheimrats Martersteia in Leipng zum Ausdruck bringen soll Geheimrat Martersteig sei ihr ein künstlerischer Erzieher geworden. * Wagners „Parsisal", dessen Aufführung in Riga durw die Petersburger Zensur verboten wurde, darf in Petersburg aufgelührt werden, und zwar dank des enormen Einflusses des Grafen Scheremetjew. Les bekannten Munkmäzcns. * Eine Paul-Ernjt-Erstaussnyruug in Berlin. Der Weimarer Dramatiker 'paulEr n st hat kürzlich eine „Flucht in die Oeffentlichkeit" angetreten, in der er sehr bitter beklagte, daß seine ernsten Verbuche zur Schaffung eines neuen Stildramas so wenig Beachtung fanden. Er wird aber nun noch in diesem Monat in Berlin zum Wort kommen, und zwar ain Kleinen Theater. Direktor George Alt mann hat feine „A riadne auf Naxos" er worben- Die Proben haben schon begonnen. s Eine Uraufführung in Graz. Die Uraufführung des Schauspiels „ M eine Brücken" von Alexander v. Abonoteichos hatte Donnerstag abend einen semationellen Erfolg errungen. Die Autorin wurde ein dutzendmal gerufen. * 5 tackens „Gawün" in Rußland. Sologub, der bekannte russische Schriftsteller, hat Eduard Stuckens Mysterium „Gawän" ins Russische übersetzt. In dieser Uebersetzung wird „GawLn" im Herbst inPetersburg seine russische Uraufführung erleben * Musilchronik. Der seit zwei Jahren an der Leipziger Oper tätige Solorepetitor FritzMechlen- burg wurde an Las Stadttheater in Barmen als Kapellmeister verpflichtet. * Eine Singakademie in Dresden. Nach dem Vor bilde der Berliner Singakademie, die in Dresden vor kurzem mit großem Erfolge zwei Konzerte gegeben hat. soll jetzt in Dresden, wie unser b.-Mit- arbeitererfährt, eine Singakademie von dem bekannten Dirigenten Erwin Lindner ins Leben gerufen werden. * Bruno Schmitz, Baumeister des Freiberger Domes Die Königlich Sächsische Kommission zur Erhaltung der Kunstdenkmüler im Königreich Sachsen, bat, entgegen einem früheren Votum jetzt den Ausbau des Freiberger Donies nach den Plänen von Prof. Bruno S ch m i tz in Charlotten, bürg beschlossen. Der Ausbau wird im modernen Sinn erfolgen. Damit wird zuin ersten Male der Gedanke verwirklicht, daß man Ausbauten an historischen Bauwerken nicht im Stil des Alien vor nehmen soll. Wo auch immer in vergangenen Epochen Anbauten oder Ausbauten vorgenommen wurden, sind sie immer im Geiste der jeweilig herrschenden Kunst- oder Stilrichtung ausgeführt worden. Nur unserer Zeit war es vorbehalten, Gotisch oder Romanisch zu bauen — also zu kopieren. Die Kosten des Anbaues, die auf etwa 1 Million veranschlagt sind, sollen durch eine Lotterie auf gebracht werden. * Ein Gedenkstein für Willibald Alexis. Heute wird in Lehnln ein Gedenkstein für Willibald Alexis eingeweiht. An der Stätte seines Wirkens, in der Nähe der Oberförsterei Lehnin. wo Alexis bei seinem Schwager wohnte und den Roman „Die Hosen des Herrn von Bredow" ersann, wird am Waldrande aus einer Gruppe von Findlingssteinen ein größerer Block sich erheben, in den das von dem Bildhauer Paul Matzdorf geschaffene Bronze- reliet eingelassen ist. Anlagen vervollständigen Las würdige Denkzeichen. * Ernennung. Mit Allerhöchster Genehmigung ist der Privatvozent Dr. phil. Otto Klemm in Leipzig zum außeretatmätzigen außerordentlichen Professor in der Philosophischen Fakultät der Uni versität Leipzig ernannt worden. kva Maria. 22j Von Margarete Richter. (Nachdruck verboten.) Später beim Kaffee, der in der Veranda ein genommen wurde, kam man auf Sport zu sprechen. Eva hatte zu Hause viel Tennis ge spielt, und die Herren machten den Versuch, sie für einen Klub zu gewinnen. Aber sie dankte. Sie habe zu wenig Zeit, nnd Halbes gäbe es für sie darin nicht. Geheimrat Dürholz pflichtete ihr bei: „Es wäre ^hneil auch gar nicht zuträglich, Fräulein Eva. ZLste haben gerade genug zu tun mit Ihrer Reitstundc." „Sie reiten?" fragte Steenholt, der gewandt im Sattel saß, interessiert und griff ihr dabez über die Hand, als sic ihm die Rahmkanne zu- schob, so daß sich ihre Finger berührten. Eva ärgerte sich. Er sollte das nicht immer tun! — „Za. Ich mache jetzt Studien im Herreniattel zur Abwechselung," sagte sie möglichst kühl. „O, da müssen wir mal zusammen aus reiten! Ich kenne die ganze Umgegend." „Ja, wenn Sie sich uns gelegentlich an- schließen wollen! Aber zuerst muß ich mehr Sicherheit gewinnen, ehe ich im Herrensitz aus reite," erwiderte Eva zurückhaltend. „Das ist ja nicht nötig. Ich finde cs ohne dies nicht hübsch," sagte er. Sie gab ihm keine Antwort. Auf der Straße weinte ein Kind, und sie dachte an Ulla und Professor Sebald. Steenholt, der sie ansah, wunderte sich über ihre herben Züge. Ob sic sein Urteil verletzt hatte, oder daß er vorhin flüchtig ihre Finger berührte? . . . Sie war ein merkwürdiges Ge misch von Rührmichnichtan und Saranella! Wie ihr Ausdruck wechseln konnte! Jetzt eben, m diesem Augenblick zum Beispiel, wurde sie wie- ger ganz Maria — ganz Madonna. Richtig! jetzt wußte er auch, wie er zu dem Vergleich gekommen war. Sie sah der „Zigeunermadonna" von Tizian ähnlich ... aber natürlich! ... I frappant! Nur Evas Hände waren ausgeprägter, energischer, charaktervoller. Aber das Gesicht! Es lag in diesem Augenblick etwas Inniges, unendlich Rührendes ausgebreitet über ihr. Was ihr wohl diesen Ausdruck gab . . . diesen mütterlichen? . . . Was Eva dachte? Sic sah wieder vor sich Ulla, die vorn Bett aus die Arme um ihren Nacken schlang und schmeichelte: „Liebe Tante Evalieb, Weihnachten kommst du aber ganz ge wiß nach Hanse!" Ja, Weihnachten würde sie hcimkommen. Aber das Kind war es nicht . . . Sie sehnte sich nach einem vernünftigen Gespräch mit Professor Sebald, nach seiner beruhigenden Stimme, nach jemand, der all das Flackernde in ihr zu be schwichtigen verstand, ^ie sehnte sich zurück nach dem reinen, hohen Gefühl, das seine Gegenwart über sie ausstrahlte, sie sehnte sich nach seiner Ueberlegenheit, nach seiner Sicherheit, die ihr die ihre so lange erhalten hatte. Er glaubte an das Gute in ihr. Elsbeth hatte ihr einmal einen Brief gezeigt, den Sebald an seine Braut geschrieben hatte, die Worte hatten sich ihr un vergänglich eingcprägt: „Eva Horn gefiel mir gleich sehr gut. Sie verfügt über eiue köstliche Zurückhaltung, über eine wunoervolle Keusch heit möchte man sagen —" Daß sie diese Stelle nie vergessen konnte! Ach, wie sie sich fort sehnte aus dieser drückenden Atmosphäre! Ob sie mit Steenholt sprach? Es war ja schließlich das einfachste, ihm einmal die Leviten zu lesen, dann wurde alles wieder klar. Eva erhob sich. Sie stellte ihre Tasse auf ein Ncbentischchen und dehnte sich ein bißchen in den Schultern. Wozu das Denken! — Sie war schon wieder ganz kühl, ganz Verstand. Holger Steenholt hatte sie nicht aus den Augen gelassen. Sie hatte cs gefühlt. Was wollte er ergentlich von ihr? . . . Seine Stunde war gekommen. „Wollen wir nicht mal durch den Garten gehen, Herr Geheimrat?" fragte sie. Dabei streifte sie Steenholt mit dem Blick. Auf irgend eine Weise mußte sie ihn unter vier Augen sprechen, dal hatte sie sich vorgenommen. Ihr Vorschlag fand allgemeinen Beifall. Sie rief Dr. Wagener und Dr. Delius, einen von den Medizinalpraktikanten, an ihre Seite. Steenholt war ihr sicher. Mit einer natürlichen, aber bewußten Grazie raffte sie ihr Kleid. Sie wußte, daß Steeuholt hinter ihr ging, und gegen ihre Gewohnheit lag heute in jeder ihrer Bewegungen eine ge wisse Berechnung. Steenholt fühlte es, und es freute ihn: Was sie sich für Mühe um mich gibt, dachte er und lauschte dem leisen, seidigen Rauschen ihres Gewandes. Nach einigen Rnndgängcn durch die Wege blieb sie vor einem Rosenbect stehen. Mit ihr standen alle. Langsam löste sic sich los, als ob irgendeine Rose ihr besonderes Interesse erregte, und wartete, bis Steenholt mit dem Geheim« I rat kam. Und er kant . . . Und langsam gingen sie nebeneinander den Kiesweg entlang, wahrend Geheimrat Dürholz sich den übrigen Herren zu wandte. „Was dachten Sie eigentlich vorhin so in tensiv, Fräulein Eva Maria?" „Lassen Sie doch endlich den dummen Rainen!" fuhr es ihr heraus, und gleich darauf tat cs ihr wieder leid. Sie wollte ihn nicht Vör den Kop^ stoßen. Davon hatten sic ja beide nichts. L>ie sah ihn ein bißchen von der Seite an und machte durch einen Blick ihre raschen Worte wieder gut. Der Weg führte an einem Obstgeländer vorbei, an dem reife Aprikosen lockend hingen. Steenholt griff nach einer auserwählt schönen Frucht: „Wollen wir teilen, Eva?" „Eva konnte Adam verführen — weil er ein Mann war. Adam aber kann Eva nicht ver führen!" sagte Eva in einem vorwurfsvollen Predigerton Steenholt lachte: „Aha! Ihre Erziehung setzt jetzt ein. Ich ivollte schon immer fragen, ob Sie ganz vergessen hätten, den Mentor zu spielen." Dabei tat er einen herzhaften Biß in die Aprikose. Eva schüttelte den Kops: „Nein, im Gegen teil! Ich warte schon längst auf die Gelegenheit, Ihnen etwas zu sagen. Aber ich weiß nicht, ob Sie mir's nicht schließlich übclnehmen, und das — möchte ich nicht." „Eine verheißungsvolle Einleitung! Schie ßen Sie nur ungeniert los. Ich bin im voraus zerknirscht." „Sie sündiger Aoam! Aber scherzen wir jetzt nicht. Vous l'avvr vouiu; vvus l'aver vouiu Oeorgo vrwllill — vous l'aver voulus!" Dann ver ließ sie den leichten Ton und sagte ernst: „Es ist dies: Sie fassen mich ganz falsch auf. Sie nehmen mich völlig verkehrt. Sehen Sic, ich bin lein Backfisch mehr, der nicht weiß, wie solch „wackelige Freundschaften" in der Regel enden. Ich bin die Aeltere von uns beiden, die Vernünftigere. Sie müssen den Ton ändern, den Sie angeschlagen haben, wenn wir Freunde werden wollen. Es fällt inir ein bißchen schwer, mich auszudrücken —" sagte sie mil dernd, als sie in sein Gesicht sah, das immer erstaunter und ernster wurde, „aber ich muß es Ihnen doch sagen: Sie nehmen sich zu viel heraus. Vielleicht wissen Sie das gar nicht." „Es ist mir wirtlich gar nicht ausgefallen," meinte er, schelmisch niedergeschlagen, aber doch etwas unsicher im Bewußtsein seines schlechten Gewissens. (Herrgott, das ist ja eine richtige Moralpauke! dachte er dabei.) Eva mußte lachen über sein bekümmertes Gesicht und kam aus dem Konzept. „Freilich fällt Ihnen das nicht auf, iveil Sie em ver wöhnter Mensch sind, und sich die Damen alles gefallen lassen, so langebis Ihnen der Spaß langweilig wird und Sie die armen Dinger sitzen lassen . . . wegwersen. Ich aber bin an ders als jene! Das sollen Sie noch erfahren. Ich weiß es ganz genau: Sie sind unartig nur deswegen, weil es Sie reizt, zu erfahren, wie die einzelnen darauf reagieren. Unarten aber lasse ich mir nicht gefallen. Auch ich bin ganz lustig und vergnügt, ja. Aber alles muß seine Grenze haben. Sie verstehen mich wohl!?" (Fortsetzung in der Morgenausgabe.)
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