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Nottzen Windthorfls Todestag. Ain 14. März jährt sich der Todestag des großen Zentrumssührers Ludwig W i n d t h o r st zum 42. Male. Nach den letzten aufregenden Wochen kann dieser Tag der Sanunluug und Besinnung gewidmet sein. Die Erinnerung an Windthorst kann uns in den schweren Kämpfen der Gegenwart trösten und ausrichten. Auch Windthorst wurde ja als „Reichsfeind" geschmäht, fast 20 Jahre lang galt er als „ränkesüchtiger Welfe", als „schlauer Fuchs" usiv.. In seiner letzten Lebens zeit wurde seine patriotische Gesinnung aber immer mehr gewürdigt, und als er am 14 März 1801 starb, herrschte tiefe Trauer um ihn in den weitesten Kreisen -es In- und Auslandes. Damals schrieb die Kreuz zeitung, das führende Organ der Konservativen, über Windthorst: „Wer ihn näher aekannt hat. weih, datz er ein guter Deutscher war. . . Als in den kehlen Jahren die von Ruh land und Frankreich aussteigenden Gefahren immer drohender wurden, sagte Windthorst nicht selten im Freundeskreise: „Deutschland soll erhalten und geschuht bleiben", und im Un terschiede von anderen, die das ebenfalls lagen bewilligte er auch das Geld dafür. In seinem Tode mit dem Segenswunsche siir seinen Kaiser und seine Kaiserin auf den Lippen hat er seine deutsch« Gesinnung besiegelt." Die iveit rechtsstehende „Berliner Börscnzeitun g" liefert« folgendes Charakterbild Windthorsts: „Ein lauterer Charakter, gütig, mild und hilfsbereit, von gewinnender Freund lichkeit gegen jedermann. — das ist das Bild des Menschen Windthorst. wie er in den Herzen aller, die ihm nähcrtreten durften, fortleben wird. Aber als zu den hol)«n Geislesgaben, die durch goldenen Humor, glücklichen Wih und so manches geflügelte Wort dem Volke zum Verständnis gelausten, sich das durch seine Irische doppelt ehrwürdige Greisenalter gesellte, wurde der rveise und menschenfreundliche Alte eine volks tümliche Ersclreinung, ein Patriarch der Nation. Das müssen seine politischen Gegner an seinem Grabe bezeugen, das; diese Verehrung des Volkes keine unverdiente gewesen ist . . . Das deutsche Wesen dieses Mannes haben mir nie verkannt, nie verkannt, das, ihn eine Jütte echt deutscher Tugend zierte." Die konservative „Schlesisch« Zeitung" schrieb: „Gegenüber dem Auslande betonte Windthorst stets aus das Ge flissentlichste den deutschen, patriotischen Standpunkt. In auswärtigen Fragen, so sagte er wiederholt, gibt es in Deutschland kein« Parteien." Tos waren dieselben Zeitungen, die Windthorst während des Kulturkampfes auf das schwerste ange griffen hatten? Auch Kaiser Wilhelm 11. ehrte den Tot kranken durch einen persönlichen Besuch. — Windthorsts nationale Grundsätze sind bis heute Grundsätze der Zentrumspartei geblieben. Die Zeit wird wiederkom men, in der der nationale Charakter und die nationalen Verdienste des Zentrums allgemein anerkannt werden Kommunalwahlen in Preutzen. In Preutzen findet an diesem Sonntag die Wahl der Gemeinde, Kreis- und Provinzialkörpcrschoften statt. Zweifellos wird diese Wahl unter dem Eindruck der Wahlentsäseidung des 5. Mürz stehen. Also auch diesen Kommunalwahlen kommt eine nicht geringe Bedeutung zu. Die Zukunft der Selbstverwaltung in Preußen wird an diesem Tage entschieden. Darüber hinaus kommt ins besondere den Wahlen zu den Prooinziallandtagen eine grundlegende Bedeutung im Hinblick ans die Zusammen setzung des Reichsrates und des preussischen Staatsrates zu, deren Provinzialvertreter von den Provinzialland tagen geivählt werden. In den letzten Jahren haben gerade diese beiden Körperschaften einen stärkeren Ein fluß gewonnen und sehr wichtige, verfassungsmäßige Funktionen ausznüben gehabt. Es sei nur auf die Nolle hingewiesen, die der Neichsrat als Körperschaft der Neichsgeselzgebung besitzt, und die ähnlich auch dem Staatsrat in Preutzen zusällt. Es ist daher auch für diesen Wahlgang mit einer starken Beteiligung der preußischen Wählerschaft zu rechnen. Insbesondere darf man erwarten, daß die Wühlersä-aft des Zentrums in überwältigender Geschlos- senl)eit zur Wahlurne geht, um ihrer unverenderlichen Treue zum Zentrumsbanner und ihrem Protest gegen die Gewalttaten der letzten Tage Ausdruck zu geben. Der neu« Flaggenkrieg. Herr v. Winterfeldt, stellvertretender Vorsitzender der Deutschnationalen Partei, hat an den Präsidenten des Preußischen Landtags, den Nationalsozialisten Kerrl, folgendes Schreiben gerichtet „Soeben setze ich, dass auf dem Landtagsgebäudc Fatznen der nationalsozialistischen Arbeiterpartei aufgezogen sind. Auf Anfraae wird mir mitaeteilt, dieses beruh« auf Ihrer Anord nung Da ich Sie telephonisch leider nicht habe erreich« kön nen, bitte ich aus diesem Weae drinacnd, neben den Jahnen, die schon ivehen, die schwarz iveitze und die schwarz-weitz-role Jahne hissen zu lassen. Es scheint mir unmöglich, dass aus einem preutzisciien Sinaisgebäude geflaggt wird und hierbei nicht die preutzischen Iarben gezeigt werden. Das, neben der Hakenkreuzsahne auch überall die schwarz weitz-raie gezeigt wird, Halle ich sür einen selbslv«rständlici>«n Akt der Loyalität." Landtagspräsideut Kerrl hat darauf erwidert, er habe es als selbstverständliche Pflicht angesehen, dem Siege der deutschen Freiheitslwwegung entsprechend, zu nächst allein die Hakenkreuz-Fahne zu hissen. Dann hat er aber doch auch Schwarz-weiß und Schwarz-weitz- rot aufziehen lassen. — Der neue Flaggenkrieg zwischen Schwarz-weitz-rot und Hakenkreuz geht also weiter. In diesem Zusammenhänge ist auch die Stellungnahme des „Völkischen Beobachters", der dafür plädiert, daß „Far ben allein nie so eindringlich wirken wie eine Zeichnung". In dem von Adolf Hitler selbst entworfenen Hakenkreuz banner seien die heiligen Farlvn schivarz-weitz-rot wie dererstanden. Auf die angekündigte Lösung der Flag genfrage darf man also gespannt sein. Die neuen Slaaiskommissare Der mit der Führung der Geschäfte des Finanzministe riums beauftragte Oberregierungsrat Dr. Kluge ist am 8. September 1891 in Dresden geboren. Er ist seit 1922 als Hilfsarbeiter im Finanzministerium tätig und seit 1930 Ober regierungsrat. Den Weltkrieg hat er beim Schützenregiment Nr. 108 mitgemacht. Der mit der Führung des Justizministeriums beauftragte Staatsanwalt Dr. Thierack wurde am 19. April 1889 in Wur zen geboren. Nach vorübergehender Tätigkeit als Staats anwalt in Leipzig wurde er 1926 zur Staalsanwallschaft beim Oberlandesgericht Dresden versetzt Den Weltkrieg hat er als freiwilliger Landsturmmann mitgemacht und war zuletzt Leutnant im Nes.-Jäger-Batl. 13. Stadtschulrat Dr. Hartnacke, dem die Leitung des Volks bildungsministeriums über'roaen wurde stammt aus Altena in Westfasen. Er ist 54 Jahre alt. Seit 1905 war er in Bremen als Hilfslehrer tätig, wo er später zum Schulin spektor ernannt wurde. Im November 1918 wurde er zu nächst als Stadtschulkommifsar, später als Stadtschulrat nach Dresden verpflichtet. I^SUS ttsi'nsn- un«t nvus Vsmvn- Sloils sinkton 81s In 6oe Ltsg« In eloolgoi» 8o- »Ivktiosn 31» unvordlnä- Ilob unct okno Kauknrmg unsors feüklskr» - ttsu- bsUsn. 31» «oräsn üdoi- rssotzt «oln von «Ion l.ol> 8ook»on» geovs, 8pori»lk«u» «tungsn äse Ltsgo. Olo s-rol»o »Inä ktoe koutlgon rlsN sngopsöt. ttlokt dllllg, »onäsrn prol»«ort tcsuton I»t Im prllksstze 1S83 or»t rockt kN» p'srolo Illi» «ton 8toktslnt«»ut dol 8rsck «lsgsnl», k»In»^»k- 82 a n t » l Sttstl» n «t > n r » I 0»doi-«IIn» m8n<»I, »ske 1»In» s«InvkolI»n«Ou»iIttt S- »Kl» i»In» v»i»n-Vu»IltLt i. 6«n iloNsn, KI«I6»»m»n AL I Ksmmgsvn I » n L u g »»anlsl ktsu. ttsit. k. Nam. ^»ek.-KIallt dlsuttsltsn W ssknsolns ksekon«? W ^»gquslllkl In 6sn I''M' VIsgonsI,^I»ekgi»>i uncl vl»I» morlsfns 6snabs ichLL In oo un6 »n6«e»n mo- ilsfnsn Osnsbsn ZLL In Schuhhast genommen Meitze». Ireitag früh sind hier Stadlrat strich, Amts hauptmann Schmidt und andere links gerichtete Personen fest genommen worden. Von der Polizei wurden fünf Beamte be urlaubt. Königsbrück. Hier wurden insgesamt 22 Angehörige der KPD. und SPD. in Schutzhaft genommen, darunter der Bür germeister von Stenz. Die SA. verbrannt« auf dem hiesigen Marktplatz rot« Jahnen und besetzte das sozialistisci)« Kinder heim in Stenz. Der Kreisleiter der NSDAP, Groine, hat den Ersten Bürgermeister der Stadt Döbeln, Kunzmann, beurlaubt. ' Mit der Führung der Geschäfte ist der nationalsozialistiiliul j Stadtverordnete Sauve beauftragt worden; j Die Töchter des allen Bracht Don Leontine von Winterfeld Pinien (Nachdruck verboten) '85 ^orstet-una) Es war lange nach Mitternacht, als Vater und Tochter sich endlich trennten. Mit ihrem kleinen, flatternden Licht geht Eva-Maria durck das schlafende Haus. Ihr tut das Herz so weh — so weh. Was hat nun alles Sparen und Einschränken genutzt? Und die Last mit den Gästen — und alles alles! Hatte sie nicht das Schwerste auf sich nehmen wollen, nur um dem geliebten alten Vater die Heimat zu erhalten? Damit er in Ruhe einst hier sterben könnte, wo er sein ganzes langes Leben gewirkt? Und nun mutzte er doch fort! Neue Heimat suchen mit weitzem Haar. O, wie sie alle an Frieden hängen! Jeden Stein — jeden Fußpfad — jeden Graben kennt man. Und Fremde sollen nun schalten und walten hier? Die den Acker nicht so lieben können und den uralten, verwilderten Garten l Eva-Maria stellt das brennende Licht aus den Tisch und tritt ans Fenster. Leise zieht sie den Vorhang beiseite. O, wie die FrUhltngsnacht Uber den knospenden Büschen träumt! Lautloses Weben und Wachsen überall! Und das soll man lassen? Für immer? Sie faltet die Hände und lehnt die Stirn gegen das Fensterkreuz. Warum mutz so viel Weh jetzt kommen über ihre junge, arme Seele? Erst den Verlobten hergeben, den sie liebt mit allen Fasern ihres Herzens. Dann die Hei mat, die mit ihr verwachsen ist von Kindesbeinen an. Ein Bewundern reift in ihr für das stille, starke Sichsilgen ihres Vaters. Kein Wort der Klage ist über seine Lippen ge kommen. Keine Bitterkeit gegen ein hartes Geschick. Still trägt er, was Gott ihm gesandt. Wie reich Pud sie trotz allem, datz sie einen solchen Vater haben dürfen! Wenn sie dagegen an den alten Eschen denkt. Der voll Verzweif lung seinem eigenen Leben «in Ziel setzen wollte, weil es anders kam als er erwartet. O, auch sie will nicht klagen. Sie will ihres Vaters würdig sein. Tag um Tag — Stunde um Stunde. Sie tritt vom Fenster zurück, nimmt ihr Licht und geht leise nach oben. — Moni ist noch lvach. Eie seht sich aufrecht hin im Bett, als Eva eintritt, das flackernde Licht mit der Hand schat tend. „Wo warst du nur so lange, Eva? Hast du mit Vater gesprochen?" Eva stellt das Licht hinter den Bettschirm, datz es di« fest schlafend« Hopps nicht blendet, und setzt sich müde auf Monis Ätttrand. „La, Moni", sagt sie leis« — „ich hab« mit Vater gebrochen. Morgen erzähle ich dir alles. Heute ist mir der Kopf so miid und weh, datz ich kaum mehr den ken kann. Du mutzt nun auch schlafen Es ist schon sehr spät. Moni legt beide Arme um den Hals der Schwester. „Ja, Eva, sage mir morgen alles. Du siehst beküm mert aus. Ich will dich nicht quälen Gute Nacht." Das »var nun Monis Art so. Immer freundlich und willig auf die Wünsch der anderen eingehend. Dabei hatte sie so lange wach gelegen, um von Eva alles zu erfahren. Aber sie bat und quälte nun nicht mehr. Sie legte sich auf die andere Seite und war in wenigen Minuten einge schlafen. Aber Eva konnte keinen Schlaf fknden, obschon sie doch o müde war. Immer wieder kreisten ihre Gedanken, wie irotze, sehnsüchtige Vögel, um die Heimat. Wer würde iber's Jahr hier schalten und walten? Und wo würden >te drei Schwestern sein? In alle Winde verstreut? Würde das dann auch so heißen bei ihnen wie in dem alten Schwalbenlied?: O, du Heimatflur! O, du Heimatflur! Laß zu deinem heil'gen Raum Mich nock) einmal nur, Mich noch einmal nur, Entflieh'» im Traum! Der Frühling ist nun endgültig ins Land gekommen und hat Besitz ergriffen von allem, das da blühen will. Ostern fällt spät in diesem Jahr. Da stehen schon Narzißen und Tulpen in voller Blüte. Es ist ein sehr linder, zeiti ger Frühling, wo auch schon die Obstbäume große Knospen haben. Man hat beschlossen, Hopps noch nichts von allem zu sagen. Sie ist so sorglos und fröhlich und freut sich so unbeschreiblich auf die Feiertage, wo August Lettow kom men will. Sie hat ihren großen Garten in allerschönster Ordnung und ist von früh bis spät tätig da»in. Dabei singt und pfeift sie den ganzen Tag, datz dl« Schwestern es nicht über s Herz bringen können, ihr jetzt von dem bevor stehenden, bitteren Verkauf zu sagen. Wozu? Sie wird es schon früh genug erfahren müßen. Moni weiß alles und ist Eva und dem Vater ein treuer, helfender Kamera» Sie kommt eben von ihrer großen Kükenbucht, wo es flattert und piept im goldenen Morgenfonnenschein. Sie hat eine große, blaue Schürze vor dem kurzärmeligen Sommerkleid. Ihre dunklen Augen sind ernst und nach denklich. Sie kann es oft noch gar nicht faßen, daß sie wirk lich von Frieden fort müßen. Aus dem Hause kommt Eva- Maria, sie will In den Gemüsegarten und Kräuter für die Suppe holen. Als sie Moni steht, bleibt sie stehen, bis die Schwester heran ist. „Komm noch ein bißchen mit in den Karten, Moni, es ist so wunderschön. Kannst du dir eine Zeit denken, wo man nicht mehr in den Friedener Garten laufen kann, wir es einem paßt?" Moni hakt sich in den Arm der Schwester. „Sprich heute nicht davon, Eva. Es tut mir so rveh. Besonders, wenn ich an Vater denke. Er kommt mir so entwurzelt vor. Wie ein alter Baum, dem alle Erdkraft genommen wird." „Alle Erdkraft, ja" — sagt Eva leise — „aber dafür schöpft er alle'Kraft um so mehr aus der Höhe. Ich be« wunder« ihn, wie still und stark er's trägt Und er hängt doch mit allen Fasern seines Herzens an Frieden." Eva hatte ihr Suppenkraut ganz vergeßen. Neben der Schwester her ging sie tiefer in den knospenden Gar ten. Vom höchsten Wipfel eines alten Apfelbaumes sang die Amsel ihr jubelndes Lied. Das Spalierobst an der großen Mauer stand schon über und über weiß und rosa in Blütenflor. „Nun werden andere die Aprikosen und Pfirsiche dort eßen", sagt Eva leise — „Vater hat sie alle noch selbst an gepflanzt. Weißt du noch, was wir voriges Jahr für eine reiche Ernte von ihnen hatten? Ach, und die Rasenbank hier! Wo mir immer als Kinder mit unseren Puppen gespielt!" Eie seht sich auf die kleine, niedrige Bank, di« sich um den Apfelbaum zieht. Sie faltet die Hände auf den Knien und sieht durch die Zweige hinauf in den tief blauen Morgenhimmel. „Weißt du, woran ich jetzt so ost denken mutz, Moni? An das Lied von Gertrud von den Brinken: Verlorene Heimat. Entsinnst du dich noch der Verse? Mir ist jetzt, als seien sie auch sür uns geschrieben." Moni nickt. Sie ist auf die Rasenbank gestiegen und hat di« Arme um den alten rissigen Apfelbaumstamm ge schlungen. »Hebers Jahr werden auch wir so sagen können, Tvaf Nun wachsen wohl schon die Bäume Hoch über das Dach hinaus, Beschatten die Eiebelfenster Im fernen Vaterhaus. Nun faßen wohl schon die Büsche, Die damals noch heckengleick. Hinaus nach den Fenstersimse» Und stehen blütenreich. Wie muß es jetzt abends dort duften, Wenn schimmernd der Faulbaum blüht! Ob wohl noch der Mond durch di« Scheib«» So tief in die Stube« steht?" (Fortsetzung folgt.)