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Die neue Notverordnung Versammlungen sind wieder anmeldepflichiig — Nie Vorschriften für »I« presse Ein gefährliches Instrument Berlin, 6. Februar. Die heute veröffentlichte auf Grund des Artikels 48 Abs. 2 erlassene „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schuhe des deutschen Volkes" regelt in ihren Abschnitten 1 bis 3 die Voraussetzungen, unter denen öffentliche politische Versammlungen und Auszüge verboten oder aufgelöst, periodische Druckschrif ten beschlagnahmt oder verboten und Sammlungen zu politischen Zivecken untersagt werden können. Abschnitt 1. Versammlungen und Aufzüge. §1. Oeffentliche politische Versamm lungen sowie alle Versammlung und Aufzüge unter freien« Himmel sind spätestens 48 Stunden vorher unter Angabe des Ortes, der Zeit und des Verhandlungsgegen standes der Ortspolizeibehörde an zu meld en. Sie können im Einzelfall verboten werden, wenn nach den Umständen eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu besorgen ist. 8 2. Oeffentliche politische Versammlungen sowie Versammlungen und Aufzüge unter freiem Himmel kön nen aufgelöst werden, 1. wenn in ihnen zum Ungehor sam gegen Gesetz oder rechtsgültige Verordnungen ange- reizt wird oder 2. wenn in ihnen Organe, Einrichtungen, Behörden oder leitende Beamte des Staates beschimpft werden oder 3. wenn in ihnen eine Religionsgesellschaft des öffentlichen Rechtes beschimpft oder böswillig ver ächtlich gemacht werden oder 4 wenn in ihnen zu einer Gewalttat gegen eine bestimmte Person oder allgemein zu Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen auf gefordert oder angereizt wird, 5. wenn sie nicht ange meldet oder wenn sie verboten sind. 8 3 regelt die Befugnisse polizeilicher Beauftragter in öffentlichen Versammlungen, 8 4 das Verfahren nach deren Auflösung. 8 5. Der Reichsminister des Innern kann allgemein oder mit Einschränkungen für das ganze Reichsgebiet oder einzelne Teile Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge sowie das Tragen einheitlicher Kleidung, die die Zugehörigkeit zu einer politischen Vereinigung kennzeichnet, verbieten. 8 6. Versammlungen unter freiem Himmel und Auf züge dürfen von den Landesbehörden wegen unmittel barer Gefahr für die öffentliche Sicherheit verboten werden. Here von Vaven absolui r . . Abschnitt 2. Beschlagnahme und Verbot von Druckschriften. Nach 8 0 können periodische Druckschriften verboten werden, aus den gleichen Gründen, aus denen Versamm- lungen aufgelöst werden können, ferner wenn in ihnen zum Generalstreik oder zu einem Streik in einem lebenswichtigen Betriebe aufgefordcrt oder angereizt wird, wenn in ihnen offensichtlich unrichtige Nachrichten enthalten sind, deren Verbreitung geeignet ist, lebenswichtige Interessen des Staates zu gefährden. Abschnitt 3. Sammlungen zu politischen Zwecken. 8 14. Die obersten Landesbehörden oder die von ihnen bestimmten Stellen können verbieten, dak Geld- oder Sachspenden zu politischen Zwecken oder znr Verwendung durch politische Organisationen von Haus zu Haus, auf Strassen oder Plätzen, in East- oder Vergnügungsstätten oder an anderen öffentlichen Orten eiuoe^ommelt werden; das Verbot kann auf einzelne Sammlungen oder die Sammlungn bestimmter Vereinigungen beschränkt werden. Sammlungen, die in Versammlungen oder im Zu sammenhang mit ihnen am Versammlungsort stattfinden, sowie Sammlungen von Haus zu Hans, die sich auf Mit glieder der sammelnden Organisationen beschränken, sind zulässig. Der Neichsminister des Innern kann gegebenenfalls ein derartiges Verbot ansheben. Abschnitt 4. enthält für Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften der vorhergehenden Abschnitte Strasbe, st immun gen, die Geld- und Gefängnisstrafen, zum Teil unter Angabe einer Mindeststrafe, vorsehen. 8 23 gibt die Möglichkeit zur Schließung von N ä n m l i ch k c i t e n, die als Stützpunkte für politische Straftaten benützt werden. Die Verordnung tritt mit dem Tage ihrer Verkün dung in Kraft. Sie enthält im wesentlichen Bestimmun gen, die in der bekannten drakonischen Verordnung von Papen bereits enthalten waren. Die Reichsregierung Hann mit dieser Berordnung die gesamte Agitation, ja schon die Finanzierung einzelner Parteien lahm legen« Man darf gespannt darauf sein, inwieweit sie von diesetk Möglichkeit Gebrauch maclzcn wird. bestätigt jede Anfrage bei den beteiligten Nielsen bestätigen die Mahnungen der Verbände, wie die des Hand werks nnd der Sparer, bestätigt aber auch die Entwicklung an der Börse, die seit Tagen bedenklichen Schwächeansällen be sonders an den Nentcnmärklcn ausgesetzt ist. Mit der alleinigen Behauptung der Regierung, daß keinerlei Experi mente aus wirtschaftlichem Gebiete erfolgen würden, ist es offenbar also nicht getan. Bezeichnend ist übrigens, daß selbst «in der Regierung so nahestehendes Blatt wie die „Berliner Börsen-Zeitung" sich vorgestern veranlaßt sah, an ausfälliger Stelle „ihre" Regierung erneut vor solchen Experimenten zu warnen. Die Wirtschaft braucht Klarheit und Ruhe, der jetzige Zustand, der Unsicherheit und Ungewißheit, über das, was beab sichtigt und kommen wird, ist unerträglich und führt, wie die Ereignisse am Kapitalmarkt schon jetzt zeigen, zu schweren Schäden der Eesamtwirtschaft. Die Regierung wird nicht darum herumkommrn, sehr bald klar und eindeutig Farbe über den Kur, ihrer Wirtschastspolitik zu bekennen, selbst wenn es ihr «och so schwer und unangenehm sein sollt«, di«, vor d«u Wahlen zu tun. Gegen erweiterten Vollstreckungsschutz Forderungen des Großhandels. Der Reichsverband des deutschen Groß- und Ileber- feehandels hat an den Reichsjustizminister eine Eingabe gerichtet, in der er sich mit großem Nachdruck gegen jede weitere Ausdehnung des Vollstreckungsschutzes ausspricht. Sollte die Reichsregierung sich trotz aller Warnungen der Wirtschaft veranlaßt sehen, doch einen erweiterten Voll- ftreckungsschutz zu schaffen, so müßten u. a. die Forderungen des Großhandels beachtet werden, wonach der Voll streckungsschutz letztens bis zum 31. Oktober 1933 zu be grenzen sei. Sollten die von dem Reichsverband vorge- fchlagenen Sicherungen nicht getroffen werden, so sei zu erwarten, daß die mit der Landwirtschaft zusammenhängen den Kreise des Handels aus Notwehr gezwungen sein würden, nicht nur jede Lieferung auf Kredit an die Land wirtschaft, sondern auch die Finanzierung der landwirt schaftlichen Betriebe einzustellen. 's. Unterredung Voncour — Nadolny Genf, 6. Februar. Der französische Außenminister Paul Boncour empfing heute vormittag den Besuch des deutschen Vertreters auf der Abrüstungskonferenz, Bot schafter Nadolny. In der Besprechung, die etwa Stun den dauerte, wurde das Arbeitsprogramm der Ab rüstungskonferenz besprochen. Wie man hört, hat Bot schafter Nadolny vor allem betont, daß die Konferenz nun mehr endlich zu konkreten und wirksamen Abrüstungs maßnahmen kommen müsse. Paul Boncour batte im Verlaufe des Vormittags weitere Besprechungen mit dem britischen Vertreter Un terstaatssekretär Iden und dem Vizepräsident der Ab rüstungskonferenz Politis. Paul Boncourt wird vor aussichtlich am Dienstag im Hauptausschutz der Ab rüstungskonferenz eine grohe Rede halten und dabei auch die scharfe Kritik die der französische Sicherheitsplan in der Debatte bisher gefunden hat, antworten. Bestellung der Charlottenburger Opfer Am Sonntagnachmittag erfolgte unter Teilnahme von säst 20 000 SA- und SS-Leuten, der Hitler-Jugend, der Bismarck-Jugend, des Stahlhelm und einer Reihe anderer Rechtsorganstationen sowie der Berliner Schupo die Bei setzung der im Anschluß an den Fackelzug >u Ehren des Reichspräsidenten und des Reichskanzlers in Charlottenburg bei einem Feuerüberfall Getöteten, des Polizeihauptwackt- Meisters Zauritz und des SA-Führers Maikowski. Pie staatlichen Gebäude hatten die Preutzenfarben halbmast gesetzt. Der Dom, in dem die Särge ausgestellt waren, war bis auf den letzten Platz gefüllt. Neben den Angehörigen der Polen sah man Reichskanzler Hitlerund Minister Goe - »ing in SA-Uniform. Weiter nahmen an den Trauerfeier lichkeiten teil Polizeipräsident Dr. Melcher, der Kommandeur der Berliner Schutzpolizei, Polen, Kronprinz Wilhelm, Prinz August Wilhelm und Major Stephani vom Stahlhelm. Auch Kommunalwahlen in Preußen 1-. März 1 ' Berlin, S. Februar. - Wie de, Amtlich« Vreuhischa Pressedienst mllteilk, hat, Sa» Preu sülche Slaalsmlnisterium (Kommissare de, Reiches) durch dl« Verordnung fämtl-ch« kommunalen Der- feetnnaskdrvßrs chafken anfg «käst. ! vt« Rechlsgrundlaae diese« Verordnung ergibt sich au« d«a «lnz«lnen Gemeindeversastungsgesehm, in denen da, Lkaat,Ministerium ermächtigt ist, durch Verordnung gemeind- hche Vertretungskörverschaslen aufzulösen. Jur Verbilligung der hierdurch «rforoerlich werdenoen Neuwahlen hat da, ktaatsminifierlum (Kommissare d« Reiche«) gleichzeitig be- Mosten, d«n Wahltag kür oi« Neuwahlen sämtlicher aufge- Wer kommunalen Vertretungikörperschasten einheitlich, und »wär so festzusehen, daß dle Auslegung der Wählerlisten ««gleich mit der Auilegung der Wählerlisten für die Reichs tag,wähl erfolgen kann. Al« Wahltag ist demgemäß der I2. Mir; 1SZ2 festgesetzt worden. Gegen Numerus clausus für Lehrer Bekanntlich will das Volksbildungsministerium Ostern nur 100 Abiturienten zum Volksschullehrerstudium zulassen, eine außerordentlich geringe Zahl, gegen die sich namentlich die Lehrerfachpresse, aber auch die Abiturien ten beschweren. Im Landtag haben jetzt die Deutsch sozialisten einen Antrag eingebracht, die Negierung möge die Zahl der zuzulassenden Pädagogikstudenten wesent lich erhöl-en. — Die Sozialdemokraten haben beantragt, daß die Negierung die SA.-Sportschule in Hammer- leubedors sofort schließen möge, da dort wiederholt Zwi- scheiis. Ile mit Insassen der Sportschule vorgekommen seien. Preutzen-Lan-lag wir- auscewft Eine erstaunliche Verordnung des Reichspräsidenten Berlin, 6. Februar. Es wird folgende „Verord nung zur Herstcllnna geordneter Negiernnasv'nh'ilt niste in Preußen" veröffentlicht: Ans Grund des Artikels 48 Abs. 1 der Reichsverfassung verordne ich folgendes: 8 1. Durch das Verhalten des Landes Preußen gegenüber dem Urteil des Staatogerichtohofcs für das Deutsche Reich vom 23. Oktober 1032 ist eine Verwirrung im Staatoleben eingetreten, die das Staatsleben gefährdet. Ich übertrage deshalb bis ans weiteres dem Reichs kommissar für das Land Preußen und seinen Beauftragten die Befugnisse, die nach dem erwähnten Urteil dem preußi schen Staatoministerium nnd seinen Mitgliedern zustehen. 8 2. Mit der Durchführung dieser Verordnung beauftrage ich den Reichskommissar für das Land Preutzen. 8 3. Dle Verordnung tritt mit dem Tage ihrer Ver öffentlichung in Kraft. Berlin, K. Februar l933. Der Reichspräsident gez. v. Hindenburg, f. d. Reichskanzler gez. von Papen, Stellvertreter des Reichskanzlers. * Wir wollen es den Juristen überlassen, sich darüber zu streiten, ob eine verfassungsmäßige Begründung die ses Schritts denkbar ist. Festesten möchten wir aber schon jetzt, daß diese Maßnahme in den Augen des Volkes ein Gewaltstreich bleiben wird. Durch Verordnung des Reicl)spräsidenten wird ein Urteil des Staatsgerichtshoses geändert. Wenn man folgerichtig auf diesem Wege fortsährt, wird man den ganzen Staatsgerichtshof aufheben müssen. Uns scheint, daß die Regiarung schon mit dieser Maß nahme den entscheidenden Schritt über die Grenzen der Verfassung hinaus getan hat. Herr von Papen kann jetzt in Preutzen absoluter regieren als jemals ein König. Er kann alles. Und zu nächst einmal kann er den preußischen Landtag auflösen. Was prompt geschehen wird . . . Kurze Nachrichten Der Auswärtig« Ausschuß des Reichstages wird vor den Wahlen nicht mehr zusammen treten. Neichsminister Hugenberg gewährte einem Ver treter des Berliner Lokalanzeigers ein Interview über wirtschaftspolitisck)« Fragen. Kraftwagen vom Zug er'atzt Breslau, 6. Februar. Ein mit vier Personen besetzter Krastwagen fuhr kurz vor dem Bahnhof Schmiedefeld durch eine geschlossene Schranke, wurde von dem personenzua Breslau—Glogau ersaßt und etwa 800 Meter mitgeschlelsk. Von den Insassen wurden der Baumeister peike und Iran au» Deulsch-Lma sofort getötet; die siebzehnjährige Tochter starb im Krankenhau,. Zwei weitere Kinder erlitten Verlet zungen. Dresdner Börse vom 6. Februar Schwächer. Die neue Woche eröffnete in schwächerer Hal tung bei nur geringen Umsätzen. Verstimmend wirkte die schwache Veranlagung des Anleihemarktes und der Rcichsbank- anteile. Letztere verloren 11 Proz., Sachs. Bodcnkredlt 1,b Proz. Am Industrieakticnmarkt ergaben sich nur vereinzelt Verände rungen, nennenswert schwächer lagen von den Brauereien Stet tiner Bergschloß — 3 Proz., Schösferhof — 2 Proz., während Kulmbacher Rizzi 3 Proz. anzog. Außerdem verloren Vereinigte Strohstosf 4,b Proz., Siemens Glas 3,b Proz., Deutsche Ton und Eöditzer Leder je 2 Proz., Union Diehl — 8 Proz. gegenüber 31. Januar, Schubert L Salzer und Rosenthal je — 1,b Proz., Wanderer 1,7b Proz. Außerdem lag eine Reihe von Papieren bis zirka 1 Proz. abgeschwächt. Anleihen unter Führung von Reichsanleihe Altbesih (— 2,70 Proz.) schwächer. Reichsanleihe 1029 verlor gegenüber 3. Fcbr. b Proz. Anch Pfandbriefe waren nngeboten und gaben vereinzelt 1 bis 2 Proz. nach. Kursnotierungen. Reichsanleihe Allbesitz 01,3; Reichsan leihe Neubesitz 7,8b: Reichsbank 13414: Saust. Bodenkreditan- stalt 78: Chcm. Fabrik v. Heyden 6414: Chem. Fabrik Heisen berg 0914: Dresdner Gardinen 19; Elektra 12b'/,; Erste Kulm bacher bl: Felsenkeller 4114; Kulmbacher Nizzi 118; Mimosa 193; Peniger Patentpapier 2314: Polyphon 3714 : Radeberger Export bier 18l; Reichelbräu 14314: Schubert L Salzer 18814; Soc. Brauerei Waldschlößchen 9014; Wanderer b7; Zelh-Ikon 6414. Witterunasaussichten der Dresdner Wetterwarte Wltterungsaussichten. Vorübergehend nbslauende Winde, die nach südlichen Richtungen zu drehen werden und Bewölkungsrückgang. Etwas stärkere Tagesschwan kung der Temperatur. Abnahme und vorübergehendes Aufhören der Niederschläge.