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Dank an Papen? Von L. K. Herr von Papen ist zurückgetreten, hat (sein erster wirklich staatsmännischer Schritt!) selbst von seiner Wie- derbelrauung mit dem Re.chskanzleramte abgeraten und steht wieder, als Politiker hojsentlich sür immer, im Hin- tcrgrunde. Niemand mehr brauchte von ihm oder gegen ihn zu reden, auch wir nicht, wenn nicht der denionstra- t>v im Lande verbreitete Dank des NeichsPräsi denten zur Stellungnahme zwingen wurde. Wenn der Mut und gute Wille des ehemaligen Kanzlers warm an erkannt, der jedem gutwilligen Slaalsdiener gebührende Dank in jreundlichen Worten ausgesprochen worden wäre — kein anpandiger Mensch, auch in den Reihen der Papengegner, konnte envas darin jinden! Aber es sticht doch mehr als aujsallend von der Brüning gegen über georauchlen Form ab, ivenn es in dem Schreiben an Herrn von Papen hcißi, daß sich dec Reichspräsident „n ur schweren Herzens" von Papen trenne, daß sein „Vertrauen und seine Achtung siir sein Wirken u n - vermindert bleiben", ivenn von der „leider (!) nur e > n h a I b j ü h r ig e n Tätigkeit" des Kanz lers gesprochen wird. Tas sind ganz auhergewohnllcl)e Worte, em seltsames Echo des durch säst alle politischen und — nicht zu vergessen! — auch wirlschajtlichen Kreise Deutschlands gegangenen Aufatmens, als die Nicht betrauung Papens mit dem Neichskanzleramte sesisland. DasVolk in seiner übergroßen Mehrheit denkt anders über die Zeit des Papenkabinetls und dankt ihm nicht sür seine Negierungstätigkeit, son dern nur sür seinen N ü ck t r i t t! Wir dürfen nicht vergessen, zu welche m Zwe ck e B r ü n i n g g e st ü r z t u n d P a p e n b e r u s e n worden war: es sollte die große „nationale Konzentration" ein schließlich der vielgelobten „ausbauwilligen Kruste" des Nationalsozialismus geschaffen werden. Jetzt nach 6 Mo naten Regierungsversuchen stellen wir einwandsrei sest, daß der Einbau des N a t i o n a I s o z i n l i s m u s , den man mit allen Mitteln seit Juni d. I cmporgehätschelt hatte, völlig mißlungen ist, daß die sog. „natio nalen" Parteien unter sich selbst uneiniger sind denn je, daß anderseits die Sozialdemokratie infolge der systematisä)en Diffamierung durch das Papensystem, ra dikalisiert, fast wieder staatsfeindlich geworden und an die „Bruderseite" des Kommunismus gedrängt wor den ist. Die grundsätzlich neue Slaatssührung hat alle staatserhaltendc Parteien vor den Kopf gestoßen, ohne ivesentliche neue Kräfte für den Staat gewinnen zu können. Dazu kommen die wirtschaftlichen Ge gensätze zwischen einseitigen Kontingentierungsver sprechen an die Landwirtschaft und schwerer Ausfuhr gefährdung der Industrie, dadurch 2 e l b st s ch ü d i g u n g des A r bc i t s b e s ch a s f u n g s p r o g r a m m s. Es kam die unsinnige und unnötige Verschärfung der iJoriieiuing von Lriir I Eichwalde. In einer deutschnationalen Partcibroschüre hätte derselbe Dr. Schmidt sich gegen den sozialen Gedan ken gewandt. Der antisoziale Papenkurs habe sich nur auf die Dcntschnationale Volkspartci stiißen können. — Der Redner begründete dann den von den Sozialdemokraten eingebrachten Gesetzentwurf über plan m äßige Ar beitsbeschaffung. Darin werden Neichszuschüsse sür öffentliche Arbeiten und Kleinwobnungsbau sowie Ge meindcarbeiten, kollektive Selbsthilfe der Arbeitslosen, Schulung jugendlicher Erwerbsloser und Hausreparaturen gefordert. Abg. Rädel (Kom.) ivarf den Sozialdemokraten und den ATGB. vor, sie hüten im Verkchrsstreik den kämpfenden Arbeiter verraten und zum Streikbruch aus gefordert. Der Vorwärts habe die Polizei gegen die Streikenden scharf gemacht. Die Papen-Notverordnung vom 4. September sei eine Gipfelleistung der Sozial reaktion. Wenn Papen seine Pläne nicht in vollem Um fange durchsetzen konnte, so sei das nur auf die zur Ab wehr erhobene Faust der Arbeiterscl-aft zurüciizusühren. Abg. Tremmel (Zentrum): Die Arbeiter denken heute schon darüber nach, wie es kommt, daß es ihnen am schlechtesten geht gerade in der Zeit, in der die Kommunisten und die Nationalsozialistische Arbeiterpartei zusammen die Mehrheit im Reichstag haben. Die Arbeiterschaft empfindet es als bitter unrecht, daß der Reichspräsident dem Papcn-Kabinett Generalvollmacht zum Abbau der Sozialpolitik gegeben hat. Diese Generalvollmacht muß ausgehoben werden. Das Wirtschastsprogramm des Papcn- Kabinetts kann die Wirtschaftskrise nicht beheben, denn wir leiden ja nicht an mangelnder Produktion, sondern an mangelndem Absatz. Nach weiterer Kritik an den Papen- Notvcrordnungen empfahl der Redner die sozialpolitischen Anträge des Zentrums zur Annahme. Danach soll die sür Lohnprämien vorgesehene und durch Streichung der Ein stellungsprämie sreigewordene Summe für Arbeitszwccke verwandt werden. Die Kürzung der Sozialrenten soll aufgehoben und die sozialen Einrichtungen sollen ohne Gefährdung der Ansprüche und Rechte vereinfacht und verbilligt werden. Die Finanzämter sollen angewiesen iverden. bei Ausgabe von Steuergutscheinen für Mehrbescimstigung Miß bräuche zu verhindern. In einem weiter vom Zentrum bantragten Gesetzentwurf wird die Streichung des sozial politischen Teiles der Notverordnung vom 4. September gefordert. Al>g. Bausch (Christ.-Soz. V.) erklärte, seine Partei habe ursprünglich dem Kabinett Pa^n sijinpatisch gegen übergestanden: aber d e Fehler dieser Negierung hätten sch von e i er Nrineiordnung zur anderen gehäuft. (Bei S ' der R.dakt on dauert die Sitzung an.) Wie die Amnestie ausstehl Die Einzelheiten vdz. Berlin, 9. Dezember. Der nach langwierigen interfraktionellen Verhand lungen zusiaiidegekommene Amnestie-Entwurf des Reiclzs- tages basiert, wie das Nachrichtenbüro des vdz. meldet, auf der von uns wiedcraegebenen Skizze des Reichs justizministers. Die Fraktionen haben dieser Skizze allerdings noch eine Reihe wesentlicher Bestandteile zu- gesiigt. Nach der so zustande gekommenen Fassung wird für Straftaten, die aus polilisclzen Beweggründen oder aus Anlaß van Wirtschaftskämpsen begangen wurden, Amnestie in der Weise gewährt, daß Strafen bis zu' 5 Jahren erlassen werden. Längere Strafen sollen zunächst um 5 Jahre gemindet und der Rest noch halbiert werden. An die Stelle von Zuchthaus soll dabei Gefängnis treten. Für Straftaten, die infolge wirtschaftlicher Not des Täters oder seiner Angehörigen begangen wurden, soll die Strafe erlassen werden, wenn der Täter nicht, oder nur bis zu 3 Monaten vorbestraft ist und wenn es sich um eine Freiheitsstrafe von nicht mehr als 6 Monaten handelt. Nicht amnestiert werden Verbrechen gegen das Leben, gegen den 8 1 der Anti- terror-Verordnung vom 9. August 1932, wenn ein Mensch getötet oder verletzt worden ist, ferner gemeingefährliche Verbrechen mit Todesfolge, Verbrechen des schweren Raubes, Verbrechen des Landesverrats und Verrats mili tärischer Geheimnisse, wenn die Tat aus Eigennutz be gangen ist und die Sprengstosfvergehen. Hochverrat soll also mit amnestiert werden und auch Landesverrat in den Fällen, in denen die Tat nicht aus Eigennutz began gen wurde. sozialen Gegensätze durch den ungeschickten Ge gensatz in den Ankurbelungsmethoden: hie Steuergut- scheingcschcnke. dort Lohnkürzungen und unbegrenzte Vollmachten über das gesamte, in Jahrzehnten mühsam erbaute Sozialgcsetzwerk, noch obendrein verbunden mit abfälligen Kritiken iiberden Wohlfahrts- st a a t und grundlützliätem Verachten der Par- t e i e n. in denen die Volksmassen, die zu „Herrenklubs" ja doch keinen Zutritt haben, ihren politischen Willen zum Ausdruck bringen. Es kamen die überhasteten Pläne zur Verfassungsreform. Außen politisch kam der matte Endspurt von Lausanne, (kein Wunder, wenn man mitten im Rennen den Reiter wech selt), die potsdamartige Ausziehung der ?lbrüstungs- und Gleichberechtigungssrage, die uns zeitweise in der Welt politik völlig isolierte und jetzt noch von Argwohn und Zweifeln umgeben sieht. Und dies alles, trotzdem ein Brüning welt politisch uns in eine so günstige Situation hinein manövriert halte wie nie zuvor, trotzdem seine vielge schmähte Finanzpolitik, wie Neichsfinanzminister Graf Schwerin-Krosigk erst kürzlich wieder bestätigen mußte, die wirtschaftlichen Voraussetzungen geschaffen hatte, auf denen bei einsetzender Konjiinklurwende auf gebaut werden konnte. Dazu kam, daß gerade um die Zeit des Kabinettswechsels Ende Mai d. I. tatsächlich in der ganzen Welt sich leise Anzeichen einer all gemeinen Besser u n g bemerkbar machten, die für das Kabinett Papen günstigere Vorbedingungen wirt schaftlicher Erholung schufen, als sie je eine frühere Ne gierung hatte. Statt angesichts dieser Aussichten alle Konsliktsstofse behutsam beiseitezuschieben, eine wirkliche nationale Konzentration zu schaffen, schuf man eher eine nationale Destruktion, deren Früchte wir bei dem zweiwöchigen Trauerspiel der jetzt beendeten Regierungskrise betrüblich erleben konnten. So wurden selbst die wenigen gesunden Maßnahmen des Papen- kabinetts schwer geschädigt, und sein Ende war ein Scherbenhaufen völkischer Zerrissenheit und Verbitterung. Selbst regierungstreue Blätter wie die „Deutsche Allgemeine Zeitung", der „Lokalanzei ger" u. a. mußten gegen Schluß der Regierungskrise ein- gesteben: Nur nicht wieder Papen! Wir verkennen gewiß nicht die wirklich geschehenen Mißgriffe eines überspitzten Parlamen tarismus. an denen gerade von Zentrumsseite seit Jahren sachlich, aber deutlich Kritik geübt worden ist, und die unter einem dem Zentrum entstammenden Kanz ler Brüning einer gesunden Reform nahegeführt morden sind- Wir überlebe» auch nicht die Unsicherheiten, die das neue Kabinett Schleicher in sich birgt. Aber wir sehen es nach wie vor als den größten Fehler der hofsent- l'ch für immer begrabenen Metbode Papen an, bas nicht nur ohne,sondern v i e l s a ch g e r a de z u gegen das Volk regiert worden ist. In dem so entstan denen luftleeren Raum gedeihen am leichtesten die ge- fährlichen BaziIlen revolutionärer Ide en. die im bedenklichen Ansteigen der kommu nistischen Stimmen im letzten Halbjahr ihren auf rüttelnden Ausdruck fanden. Jeder noch so kleine Schritt, den Kanzler Schleicher zum Volke hin macht, nicht nur in schönen Gesten, sondern in wirklichen Toten, wird für sein Kabinett und erst recht für unser ganzes Volk und Vaterland ein Gewinn sein! Darum ist das Zen trum bereit, ihm die nötige Chance zu geben, während die Kritik am Kabinett Papen heute noch in den an seinem Anfang von Prälat Kaas geschrie benen Worten ausgesprochen liegt: „Ihr Weg ist ein Irrweg!" Das deutsche Volk hat den Versuch dieses Irrweges leider teuer genug bezahlen müssen! Nichtsgegen den Menschen von Papen? einem guten, ehrlichen Willen jede gewünschte Anerken nung! Ein guter Katholik — wir wissen es: ein ehrlich vaterlandsliebender Deutsci)er — wir glauben es: aber k e i n S t a a t s in a n n I Retchsreglerung un- (ZHrtftl. Vollsd'enst vdz. Berlin, 9. Dezember. Der Führer des Volksdlenstes, Relchstagsabgeord- nek« Simpfcndörffer wurde am Donnerstag vom Relkljs- kanzler von Schleicher zu einer Aussprache Uber die poli tische Lage empfangen. SimpfendSrffer unter breitete dem Reichskanzler die dem Bolksdienst vordring lich erscheinenden Forderungen in bezug auf Arbeits beschaffung, Beseitigung der sozialen Härten der Notver ordnungen, Rentabilität der Landwirtschaft, Siedlung und Kulturpolitik. Die Aussprache ergab weitgehende Uebereinstimmung der Auffassung des Reichskanzlers mit den Forderunge des Bolksdienstes. Der Reichskanzler. erklärte, das er entschlossen sei, in Richtung dieser Fra- > gen das vordringlich Notwendige sofort in die Wege zu leiten. Vor Kerriols Antwort wtb. Genf, 9. Dezember. Die Vertreter der 8 Mächte sind heute mittag aml Sitztisch der englischen Delegation zusammengetreten, um unter Mitwirkung des englischen Premierministers Mac- donald die Besprechungen Uber die Abrüstungssrage fort zusetzen. Die heutige Sitzung soll die Antwort des französischen Ministerpräsidenten auf die von Neurath gestellten Fra gen bringen. Neurath hatte folgende formulierte Fragen gestellt: „1. Wird die Rechtsgleichheit praktische An wendung in der künftigen Konvention in jeder Be ziehung finden, und ist sie infolgedessen der Ausgangs punkt der künftigen Erörterungen der Konferenz bezüglich der abgeriistctcn Staaten? 2. Schließt der Ausdruck „System, welches Sicher heit allen Nationen verschafft" das Element der Sicher heit ein, das in der allgemeinen Abrüstung beruht, so wie cs von der Völkerbundsversammlung anerkannt wor den ist?" Die Antwort Herriots auf diese Fragen wird — wie sie auch aussallcn mag — die Lage in Gens jedenfalls klar stellen. * Ein deutscher Motorsegler, der mit Holz von Memel nach Rotterdam unterwegs war ist an der ost- pommerschen Küste in Seenot geraten. Von einer Rettungsstation der deutschen Gesellschaft für Rettung Schiffbrüchiger konnten 5 Insassen des Schisses gerettet werden. Das Schiff und seine Ladung dürsten verloren sein. Neichsbanlausweis vom 7. Dezember Berlin, 9. Dezember. Nach dem Ausweis der Neichsbauk »am 7. Dezember 1932 hat sich in der verflossenen Bankwoche die gesamte Kapitalanlage der Bank in Wechseln und Schecks, Lombards und Effekten um 153,1 Millionen auf 3214,5 Millionen RM. verringert. Im einzelnen haben die Bestände an Handelswechseln und -Schecks um 43,1 Millionen aus 2688,1 Millionen RM„ dtp Bestünde an Reichsschatzwcchseln um 5,5 Millionen auf Ä,1 Millionen NM. und die Lombardbestände um 105,8 Millionen auf 101,1 Millionen RM. abgcnommen und die Esfektcnbcstände um 1,3 Millionen auf 396,2 Millionen NM. zu genommen An Reichsbanknoten und Rentcnbankscheinen zu sammen sind 104,8 Millionen RM. in die Kassen der Reichsbank zuriickgcslossen, und zwar hat sich der Ilmlaus an Retchsbank- noten um 92,2 Millionen auf 8439,0 Millionen RM , derjenige an Rcntenbankschcincn um 12,6 Millionen auf 396,5 Millionen Reichsmark verringert. Dementsprechend haben sich die Be stände der Reichsbank an Rentenbankschcinen aus 30.6 Mill. Reichsmark erhöht. Die fremden Gelder -eigen mit 352,7 Mill. Reichsmark eine Abnahme um 65,4 Millionen RM. Die Bestände an Gold und deckungssähigen Devisen haben sich um 19,0 Millionen aus 918,0 Millionen RM. vermin dert. Im einzelnen haben die Goldbestände um 23,2 Millionen auf 804,1 Millionen RM. abgenommen, die Bestände an dek» kungsfähigen Devisen um 4,2 Millionen aus 113,9 Millionen Reichsmark zugenommen. Die Deckung der Noten durch Gold und deckungs fähige Devisen betrug am 7. Dezember 26,7 Proz. gegen 26,5 Prozent am Ultimo November d. I. Dresdner Börse vom 9. Dezember Die Zurückhaltung des Publikums und der Spekulation hatte heute einen wesentlich ruhigeren Verlauf der Dresdner Börse zur Folge. Schon geringe Angebote drückten aus die Kurse, so daß es überwiegend zu Abschlägen kam, die aber nur selten über 1 Proz. hinausgingcn. Für einige Spezialwerte be stand weiter Interesse, so konnten Geraer Strickgarn SIL Proz., Bereinigte Zünder 11L Proz., Erste Kulmb. 1 Proz., Siemens 1)4 Proz., Weißenborner Papier 1^ Proz., Kieler Eiche 2 Proz. gewinnen. Bon den Banken mußte Braubank 2)4 Proz„ Reichs bank 1)4 Proz. abgeben. Schwächer lagen Marienberger Mo saik — 3 Proz. gegen 7. Dezember, ferner Dresdner Schnell pressen, Lnndkrast Kulkwitz, je — 2 Proz., Chemische Heyden f46)4) — 1)1 Proz., Kötitzer Leder — 1)4 Proz. und Deutsche Ton — 1H Proz. Reichs- und Staatsanleihen lagen überwiegend freundlicher, während Stadtanleihen eher angeboten waren. Dresdner Altbesitz büßte 2 Proz. ein. Wittei unasaussichten der Dresdner Wetterwarte Wltterungoansstchten. Fortbestand des leichten Frostwetlers. Meist wolkig, vorübergehend besonders tags, starker Bewölkungsrückgang, morgen dunstig und neblig. Vorwiegend nördlick-e bis östliche Winde.