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Prokeslankismus und Parleien Die Diskussion darüber, welche Stellung die protestan tischen Religionsgemeinschaften zur Politik und insbeson dere zu den politischen Parteien einnehmen sollen, ist seit dem Ausstieg des Nationalsozialismus lebhaft im Gang. Wir haben schon wiederholt davon berichtet. Zwei Tat sachen haben, diese Erörterung wieder sehr lebhaft in Gang gebracht: Das Austreten der Liste „Deutsche Chri sten" bei den Kirchenwahlen der Altpreußischen Union am 13. November und die Kritik an der Bestellung von S A. - Eeistlichen durch die NSDAP. Wieweit die national sozialistische Bewegung die Geistlichkeit der protestantischen Religionsgemeinschaften schon in ihre» Bann gezogen hat, ist aus manchen Auslassungen des Evangelischen Bundes bekannt. Was das bedeutet, kann man aus dem Programm der erwähnten Liste „Deutsche Christen" ersehen, in dem n. a. gefordert wird, das; Eheschliessungen zwischen Deut sch-!, und Juden durch protestantische Geistliche nicht vor genommen werden sollen und das; der „Kamps" nicht nur dem gottfeindlichcn Marxismus, sondern auch seinen „christ lich-sozialen Schleppenträgern" gelten müsse. Bezeichnend war, das; den Kandidaten der Liste „Deutsche Christen" vor den Kirchenwahlen ein Nevers vorgelcgt wurde, in dem sie sich verpflichten sollten, ihr Amt als Kirchgemeindevcrtreter „auf Berlangen der Führung" niederzulegen! Die leiste Konsequenz einer solchen Einstellung wäre, das; die prote stantischen Neligionsgemeinschasten durch die Führung der NSDAP, kommandiert würden. Jedenfalls ist die Art „protestantischer Gewissensfreiheit", die die Liste „Deutsche Christen" vertritt, etwas merkwürdig. Es ist begreiflich, wenn demgegenüber Protestanten anderer politischer Auffassung immer wieder die Forderung erheben, der Protestantismus müsse sich v o n j e d e r p ar te i p o l i t i s ch e n Bindung freihalten. So schrieb Oberkirchenrat Dr. Schröder (Kamenz) dieser Tage in den Leipziger Neuesten Nachrichten (Nr. 333): „Noch evongelisch-resormotorischer Aussossung ist die Kirche nur und ollein aufs Religiöse eingestellt, und sie soll von da aus lediglich Gesinnuugs- und Gewissenspslege treiben. Jeder poli tische Mochtgedonke scheidet völlig aus... Der Gedanke einer evangelischen Macht und Parteipolitik kann sich jedenfalls nicht aus Luther und den tiessten Sinn der deutschen Reformation be rufen." Achnliches liest man in der „Positiven volks kirchlichen Korrespondenz" der Volkskirchlichen positiven Bereinigung, deren Vorsitzender Oberkirchcnrat Ieutjsch. Chemnitz, ist (wir zitieren den Artikel nach den Chemnitzer Neuesten Nachrichten Nr. 292): „Dem Geistlichen muh es zur Pslicht gemacht werden, nur Gottes Evangelium zu verkünden, keine Parteipredigt zu halten, Ivie er sich denn auch von jeder Parteiagitation sernzuhalten hat... Es wäre zu begrühen, wenn die oberste Kirchcnbehörde ein klärendes Wort über diese die Gemüter beunruhigende Sache verlauten lassen wollte." Das; diesem Wunsche der „Volkskirchlichen Korrespon denz" entsprochen werden wird, erlauben wir uns aus die ganz anders orientierte Haltung sehr vieler protestantischer Geistlicher gerade in Sachsen stark zu bezweifeln. Bedauerlich ist, daß sowohl dieser Korrespondenz- Artikel wie der von Kirchenrat Schröder sich nicht der Se i - ten hiebe auf die katholische Kirche enthält. So heisst es in dem Korrespondenz-Artikel: „Obgleich nur etn Drittel der Deutschen katholisch sind, haben doch die Katholiken die maßgebenden Sitze in der Reichs regierung inne <3 von 11 Ministern sind katholisch! D. R.)... So kommen die Konkordate zustande, die u. a. die konfessionelle Schule durchgeseht haben, wahrend die Evangelischen in Sachsen vergeblich ein Reichsschulgescl; erstreben." Fast könnte man diese Sätze als burleske Verdrehung bezeichnen. Erstens ist überall dort, wo ein Konkordat ab geschlossen wurde, auch ein Staatsvcrtrag mit den evange lischen Religionsgemeinschaften zustande gekommen. Zum zweiten haben nicht diese Verträge die konfessionelle Schule durchgesctzt, sondern in den Monaten des Umsturzes, in denen in Sachsen durch das Uebergangsschulgcset; die Be kenntnisschule zerschlagen wurde, hat das Zentrum in den anderen deutschen Ländern solche Versuche verhindert — auch zum besten des Protestantismus! Nur in Sachsen, wo kein Zentrum als maßgebender politischer Faktor exi stierte, ist die protestantische Bekenntnisschule vernichtet worden. Das sollte den Herren doch zu denken geben! Es wäre ein leichtes, aus den beiden Artikeln eine Vlütcnlcse von Zitaten zusammenzustcllcn, die die gerade zu groteske Verkennung des Katholischen und des Zentrums deutlich machen, von denen die Artikelschreibcr ganz erfüllt sind, llnse rWnnich aber ist. das Positive in den Vor dergrund zu stellen. Das sehen wir darin, das; in beiden Erzbisclzof Dr. Gröber hat an den Vorsitzenden der Zentrumssraktion des Badischen Landtags folgendes Schreiben gesandt: Der Badische Landtag hat am letzten Freitag mit Stimmenmehrheit das Konkordat zwisci)en dem Heiligen Stuhl und dem Freistaate Baden angenommen. Bei der Bedeutung des Konkordats für die katholiscife Kirche in Baden halte ich es für meine ganz besondere Pflicht, der Zentrumsfraktion des Badischen Landtags für ihre Grundsatztreue und entschiedene Stellungnahme zu gunsten des Konkordats, in der Oeffentlichkeit sowohl wie im Landtage, meinen verbindlichsten Dank auszu sprechen. Ach erbliche in diesem großen Vertragswerke eine endgültige Regelung der Verhältnisse zwischen Kirche und Staat, die, unter Wahrung der Rechte des Staates, die gerechten Forderungen der katholischen Kirche berück sichtigt und Reibungsflächen beseitigt, die bisher immer Artikeln die Notwendigkeit anerkannt wird, vom religiö sen Standpunkt aus zu grundlegenden politischen Fragen Stellung zu nehmen. So sagt Schröder: „Die Kirche verkündigt das Ewige und muh von da aus Stellung zu dem Zeitlichen und Irdischen nehmen. Also — was sagt die Kirche zur wirtschaftlichen Not, zur sozialen Not, zur Weltanschauungsnot '!'... Christus und das Reich Gottes sind immer die lebensstarken Ausgangspunkte für den Dienst am Nächsten, wobei Liebe und G erechtigkeit den Gleichklang und das Hochziel des Daseins bedeuten. Von hier aus hat die Kirche sehr wohl ein führendes Wort zu sagen. Es ist nicht ein sozialistisches, sondern ein sozial-ethisches, lind es ist darum keine fruchtlose Streiterei über die Eigengesetzlichkcit der Wirtschaft, sondern ein glaubensstarker Mahnruf an das Innerste des Menschen, sei es des Unternehmers und Arbeitgebers, sei es des Arbeitnehmers in irgendeiner Berufs und L> bens'orm." Das sind gute Worte, die auch der Katholik unter schreiben kann. Ter sozial-ethische Mahnruf an die christlichen Gewissen ist von niemandem deutlicher ge sprochen worden als von den Päpsten: die Enzykliken „Nerum novarum" und „Quadragesimo anno" sind Zeug nisse dafür. Hier ist der sichere Boden gegeben, in dieser Anerkennung der sozial-ethischen Forderung, auf dem Tatchristen sich zu gemeinsamen politischen Handeln — selbstverständlich ohne direkte Mitwirkung der Religions gemeinschaften — zusammenschließen können. Das ist das Wesen der Zentrumspartei, die n i e eine „kirchliche" Partei gewesen ist und in der von Anfang an Protestan ten a's Gleichberechtigte, im gleichen Geiste Mitschaffende neben den Katholiken gewirkt haben. Und die allein in den Momenten wirklicher Gefahr, die es in den Jah ren nach 1918 gegeben hat, die Lebensinteressen auch der protestantischen Religionsgemeinschaften geivahrt hat. Dyk. noch bedauerlicherweise bestanden. Das Konkordat hat damit den Namen eines Friedenswerkes vollauf ver dient. Für die Zentrumssraktion des Badischen Landtages wird es ein dauerndes Ruhmesblatt bleiben, daß sie in Zusammenarbeit mit Gerechtdenkenden trotz aller Schwie rigkeiten in den Verhandlungen und ungeachtet schmerz licher Enttäuschungen das Zustandekommen des Konkor- , datcs im Interesse der Gerechtigkeit und des Friedens erwirkte. Alle Katholiken Badens, denen an einem ,' Dauerfrieden zwischen Kirche und Staat ehrlich gelegen ist. müssen der Zentrumssraktion deswegen zu ihrem Erfolge Glück wünschen und aufrichtigen Tank wissen. Mit dem Ausdruck meiner vorzüglichen Hochachtung und Verehrung Ihr ergebenster Conrad, Erzbischof. Erzbischof Gröbsr -ankl -em badischen Zentrum „Stille Aachk, heilige Nacht" Von Bernhard Pottat Weihnachtsabend anno 1818. Der junge Priester Josef Mohr, der Hilfsgeistliche der oberöslerreichischen Pfarrei Obern dorf im Saizachgau, blickst durch das Fenster hinaus in die stille Pracht des Bergwintcrs. Der Schnee liegt in blauem Glanz. Weit wölbt sich der klare Sternhimmel über die dunklen Wälder, über die schlafenden Berge, über die erleuchteten Häuser im Tal, in denen die Menschen Weihnacht feiern. Ein würziger seiner Dust von Lebkuchen und Aepseln, von Tannengeüst und wohliger Wärme des Holzseucrs im Ösen streicht durch das Stüblein, das der Schein einer Kerze in mildes Licht taucht. Das Herz des Priesters wird voll von den Wundern der Christnacht. Er sieht den Engel, der den Hirten die Botschaft von der Ankunft des Herrn verkündet, und er wallt mit ihnen zum Stall von Bethlehem, in dem das heilige Paar das arme Kind lein anbetet. Die frommen Hirten spenden ihre Gaben, Wolle und warme Tüchlein, und Ochs und Esel wehren die rauhen Winde ab, die durch die brüchige Stallwand fegen, denn das nackte Kindlein möcht ja schier erfrieren in der kalten Winter nacht. Tausend Engelstimmen singen: Ehre sei Gott in der Höhe! Und sein Herz singt mit ihnen. Das erschaute Weihnachtsgcheimnts, die Ueberfülle seiner Weihnachtssreude farmt sich in ihm zu einem Gedicht. Die Feder fliegt über das Papier, kaum, das; sic seinen jubelnden Gedan ken folgen kann. Endlich steht er glücklich aus und spricht sein Gedicht leise, nur für den grvtzen Gatt, der als armes Kindlein in der Krippe liegt. — Ein Weihnachtsgedichi' Aber wie arm dünkt ihn das gesprochene Wart. Ein Weihnachtslied soll es werden, ein Lied, das alle Menschen singen sollen, sich zum Tröste, dem Christkind zum Lob. Ohne an Hut und Mantel zu denken, eilt er nach Arnsdorf hinüber, zu seinem Freund, dem Lehrer und Organisten Franz Gruber. Der eisige Dezemberwind peitscht schneidend sein Gesicht. Doch er beachtet es nicht, in ihm ist es warm und hell, in ihm jauchzen Melodien, sein Weihnachtslied. Franz Gruber sitzt eben am Spinett und übt die Gesänge für die Christmette. Erschrocken fährt er auf, wie sein Freund durchnässt und vor Kälte schaudernd eintritt. Doch er sieht ein frohes Gesicht, und sie begrüßen sich herzlich. Der Dichter nimmt ein Blättchen Papier aus der Brusttasche und hält es dem Freunde hin: „Da, Franzl, da hast ein kleines Weihnachtsge schenk!" Gruber überstiegt die Zeilen, liest noch einmal, und sein Gesicht leuchtet: „Sepptz ist das schön!" — Das muß ein Lied werden! Das muß ein seines Liedel werden!" Und schon summt er eine Melodie und versucht am Spinett die Akkorde und füllt die Notcnzcilen und singt. — In seiner Versunkenheit hat er nicht bemerkt, daß der Priester die Stube verließ. Er ruft seine Frau und bittet sie, mit der Magd seine Chorbuben und -mädel zusammenzuholen. Die Frau Lehrer schüt telt den Kopf: „Jetzt noch, in der späten Abendstund'!?" Aber der Grubersranz ist wieder in seiner Welt. Da kommen schon die Kinder mit apselrolcn Backen, der Schnee klebt noch an den Schuhen und bildet aus dem srischge- scheuertcn, mit weißem Sand bestreuten Fußboden kleine Söckchen. Bald dringen leise, süße Töne durch den Türspalt, durch den Frau Gruber eben ihren Unmut wegen des beschmutzten Bodens entladen wollte. Ihr Gesicht beginnt sich auszuhellen, und sie wischt sich ein freudiges Tränlein aus den Augen. Jetzt aber ist es höchste Zeil zur Mette. Der Lehrer stapst inmitten der Kinderschar durch den tiesen Schnee. Das Kirchlein am Berghang ist strahlend erleuchtet. Mit Laternen nahen die frommen Bauern, die oft einen weiten, mühseligen Weg hinter sich haben. Glockentöne zittern silbern durch die blaue Winter luft. Lehrer Gruber spielt aus der Orgel eine feierliche Einlei tung. Die Kinder stehen an der Chorbrüstung und blicken verhei ßungsvoll auf die Gläubigen hinunter. Die Klingel erschallt, und die Priester treten zum Altar. Weihrauch wallt empor und schwingt sich wie ein Engelreigen um die goldenen Zierate, mäch tig brausen die Orgelklänge wie himmlische Freudenposaunen, und in sternsunkelndem Wachslicht erglänzt ein bergsrischcr Tannenbaum. Da schwebt eine Melodie durch den Raum, verhalten noch, geheimnisvoll. Eine Melodie, die noch keiner gehört hat und doch jedem so alt und wohlbekannt scheint. Ein letzter, leiser Akkord. Und nun hebt's an, so zart und innig, so schlicht und unermeßlich schön: „Stille Nacht, heilige Nacht! Alles schläst, einsam macht Nur das traute hochheilige Paar. Holder Knabe im lockigen Haar Schlas in himmlischer Ruh! — Schlaf in himmlischer Ruh!" Atemlos lauschen dle Leute. Hie und da wenden sich stau nende Augen nach dem Chor. Dort steht der Lehrer und zzibt den Takt, und die Kinder um ihn folgen mit ihren Hellen Stimmen der führenden Hand. — Der alte Psarrherr hält in der heiligen Handlung inne, der junge Hilssgeislliche an seiner Seite lächelt vor Freude und Glückseligkeit. Selbst die Ministranten werden ernst und still. In alle Herzen schwingt sich der himmlische Gesang, der heimlich, wie er begann, verklingt. — Behutsam tragen ihn die Menschen durch die Christnacht Heun. Und düstere Stuben wer den hell. Kommentar zu dem Ltrteil tm sächsischen Kirchensirett Zur Entscheidung des Staatsgerichtshofes im sächsischen Kirchenstreit schreibt die Sächsische Evangelische Korrespon denz u. a.: Es ist nicht Schuld der Kirche, wenn es nun end lich zur Klärung der Rechtslage gekommen ist in einer Zeit, in der die Not immer größer wird Der Staat hat bisher nicht einmal ein Drittel des Betrages gezahlt, den er hätte zahlen müssen. Zwei Versöhnungsversuche hat er abgelehnt. Außer dem handelt es sich bei den Zahlungen nicht um Auswertung im Sinne der Aufwertungsgesctzgebung, sondern um die Fortgewährung der bisherigen Leistungen in Anpassung an die Geldentwertung nach Artikel 173 der Reichsverfassung. Beim größeren Teil der kirchlichen Forderungen kann man von einer Auswertung überhaupt nicht sprechen, da vor dem Reichsgericht wie vor dem Staatsgerichtshos der Charakter der Leistungen als Bedarfsleistungen festgesetzt ist. Wenn Rückstände entstanden sind so sind sie die natürliche Folge davon, daß die staatlichen Leistungen bisher ungenügend wa ren. Dabei hat die Kirche auch noch in der letzten Verhand lung vor dem Staatsgerichtshos ein Entgegenkommen gezeigt bis an di« Grenze des Möglichen. Die zu zahlenden Rück stände bedeuten auch keinen Vermögenszuwachs: sie werden zu dringenden Ausgaben gebraucht, die der Volkswirtschaft wieder zugute kommen. Schiedsspruch für den sächs. Steinkohlenbergbau Dresden, 23. Dezember. Wie die Pressestelle beim Lan- desausschuß Sächsischer Arbeitgeberverbände mitteilt, sanden am 21. Dezember für den sächsischen Steinkohlenbergbau Ver handlungen vor dem Landesschiichter in Leipzig statt, hier bei konnten die Streitfragen aus dem Rahmentaris durch eine Vereinbarung bereinigt werden. Ueber die Urlaubssrage für das Jahr 1S3Z erging ein Schiedsspruch, der eine Zahlung de» Urlaubrgelde» in höhe von 75 Prozent vorstehl. Deutsches Finauzierungsinstitut Berlin, 20. Dezember. Unter dem Namen Deutsches Finanzierungsinslitu« A.-G. Berlin wird in den nächsten lagen ein Unternehmen in» Leben gerufen werden, das der Förderung de» gewerblickzen Bankkredite» dienen sott und die Ausgabe hat, die Fortfüh rung solcher Kredite sowie ihre Umwandlung in Aktien und ähnliche Beteiligungen zu erleichtern. Das Grundkapital der Gesellschaft wird 30 TNillioen NBl betragen, hiervon ent fallen 10 Millionen UM auf Vorzugsaktien, die durch die Goiddiskontbank, die Akzept- und Gnrantiebank und die Bank für Deutsch« Jndustrie-Obligalionen übernommen werden.