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Aasfaelino del Garbo: „Auferstehung" Der Engel am Grabe des Herrn 'Als still und kalt, mit sieben Todeswunden, der Herr in seinem Grabe lag: das Grab als sollt' es zehn lebend'ge Niesen sesseln, in eine Felskluft schmetternd eingehauen; gewälzt mit der Männer Kraft, verschlaf; ein Sandstein, der Bestechung taub, die Türe; rings war des Landvogts Siegel aufgeürückt: Cs hätte der Gedanke selber nicht der Höhle unbemerkt entschlüpfen können; und gleichwohl noch, als ob zu fürchten sei, es könn' auch der Granitblock sich bekehren, ging eine Schar von Hütern auf und ab und startte nach des Siegels Bildern hin: Da kamen, bei des Morgens Strahl, des ew'gen Glaubens voll, die drei Marien l)er, zu sehn, ob Jesus noch darinnen sei: Denn Er, versprock;en hott' Er ihnen, er werd' am dritten Tage auferstehen. Da nun die Frau'n, die gläubigen, sich nahten der Grabeshöhle: was erblickten sie? Die Hüter, die das Grab bewachen sollten, gestürzt, das Angesicht in Staub, wie Tote, um den Fels lagen sie; der Stein ivar iveit hinweggewälzt vom Eingang; und auf dem Rande sah, das Flügelpaar noch regend, ein Engel, wie der Blitz erscheint, und sein Gewand so weis; wie junger Schnee. Da stürzten sie, wie Leichen, selbst, getroffen, zu Boden hin und fühlten sich wie Staub lind meinten, gleich im Glanze zu vergehen: Doch er, er sprach, der Cherub: „Fürchtet nicht! Ihr suchtet Iesum, den Gekreuzigten — der aber ist nicht hier, er ist erstanden: Kommt her, und schaut die öde Stätte an." Und fuhr, als sie, mit hocherhobnen Händen, sprachlos die Grabesstätte leer erschaut, in seiner hehren Milde also fort: „Geht hin, ihr Frau'n, und kündigt es nunmehr den Jüngern an, die er sich auserkoren, das; sie es allen Erdenvölkern lehren und tun also, wie er getan"; und schlvand. Heinrich von K le i st. Deutsche Ostern Nun brausen wieder die Frühlingsstürme durch das Land. Eie fegen dahin über kahle Felder, sie zerren an entlaubtem Geäst, und iver ihnen in den Weg gerät, der ist am Ende nicht allzu entzückt, weil er, an Winterweh nur gar zu sehr gewöhnt, das Wirken des nahenden Len zes in all dem Toben und Tosen nicht merkt. Vor dein Heulen und Brausen vernimmt er den zarten, feinen und wunderinnigen Ton nicht, der gläubig und selig mit schwingt in der gewaltigen Melodie, jenes freudige Auf erstanden" der österlici;en Zeit. Gemach aber merkt er doch, das; der Winter vorüber ist, datz wieder der Früh ling seinen Einzug hält. Bestaubt und unrein schmilzt in verborgenen Bergsalten das letzte Häuslein Schnee, der Boden lockert sich aus der eisigen Erstarrung, treibt Knospen und junges Grün. Und wieder düstet die Erde nach milden Regengüssen und atmet Fruchtbarkeit und ,'eues Lebe», wo vor kurzem erst alles tot und abgestor ben erschien. „Auferstanden!", so jubelt es in der Natur, „Auserstanden!" klingt es aus jedem Christenherzen. Sollte inan da nicht meinen, auch im Leben der Völker müsse sich so etwas wie Frühlingshosfen und Osterglaul>e be merkbar machen? Gewaltig braust auch hier der Sturm durchs Land über kahles Gefilde, gewaltig rüttelt er am dürren, abgestorbenen Geäst. Bedeutet er winterlicl)e Zerstörung oder lenzeste Auferstehung? Hört man die Stimmen, die von Uberalll;er an das Lin des Horchers dringen, so scl)eint es, als gäbe es nur noch drei Gruppen von Menschen, ähnlich in der Grund stimmung ihrer Seelen, verschieden dagegen in der Art und Weise, wie sie solcher Stimmung Ausdruck, geben. Ta sind zunächst jene — und ihre Zahl ist sehr, sebr groß! — die Hoffen und Fürchten gleichermaßen verlernt l)aben. Sie schelten nicht, sie Klagen kaum, sie resignieren. Am liebsten möchten sie morgens gar nicht aufstehen aus ihren Betten, weil sie sich sagen, daß alles Mühen ja doch keinen Wert habe. Jahrelang hat man sich da um Arbeit und Berdiensl gemüht. Mit welchem Erfolg? Mit dem, daß man teuere Schuhsohlen unnütz verschlissen, daß man das bare Geld ebenso unnütz für Porto ausgegeben hat, ohne doch eine Stellung zu finden. Da wird man mit der Zeit schon dumpf und schiver. Da verlernt man wohl mit dem fürchten das Hoffen. Und doch ist man als tätiger Mensch verloren, wenn solche Stimmung bitterer Stun de» dauernd von einem Besitz ergreift. Resignation ist Tod, Kampf dagegen ist Leben. Kampf auch gegen die unsichtbaren Feinde, die uns bedrohen von außen und von innen her. „Wer ansharrt bis ans Ende, der wird gekrönt", tröstet und verheißt es aus der Heiligen Schrift. Draußen aber tobt und heult der Früblingssturm: Wach auf, Mensch, wach auf! Winter ist vorbei, Lenz will be ginnen! „Blüh auf, gefrorner Christ: der Mai steht vor der Tür! Du grünest nun und nie, grünst du nicht jetzt und hier!" Andere aber sind im Grund nickt minder hoffnungs los als die erstgenannten, die sich ül>er Not Hinwegtäuschen durch allerlei Mittel einer künstlichen Betäubung. Wäh rend die Sonncnpferde der Zeit mit unseres Schicksals leichtem Wagen durchgehen, tummeln sie harmlos ihr Stcckenpferdcken auf spielfroher Kinderwiese. Oder sie pressen dein Augenblick bedenkenlos den letzten Tropfen der Lust aus. ohne sich zu bekümmern, was morgen und übermorgen sei» wird. Leiblich wie seelisch lebe» sie vo» der Hand in den Mund. Ohne Frage sind sie glücklicher daran als jene, die dumpf verzweifeln: sie leben ivenig- stens, wo diese vegetieren. Aber ihr Leben ist kein natür liches und freudiges Sein, sondern ein Zehren von Surro gaten und Essenzen, das auf die Dauer iveder Kraft noch Befriedigung gewährt. Auch ihnen naht sich der cheru binische Wundersmann mit Mahnung und gutem Rat: „Mensch, iverde ivesentiich: denn wann die Welt vergeht, so füllt der Zufall weg, das Wesen, das besteht!" Heiliges Jahr Nun sind die goldnen Tore ausgeschlossen! Der Geist spricht wieder sein erneuernd „Werde" — in breiten Strömen fließt das Licht zur Erde, in unsre Herzen, sehnsuchtsvoll erschlossen. Und wie aus Aeckern junge Halme sprossen, strebt's nun empor mit drängender Gebärde: es heben sich aus alten Seins Beschwerde beschwingte Seelen, gnadenlichtumslossen. Da steigt der Wunsch, für alte Schuld zu büßen, aus manches Herzens urgeheimsten Gründen und längst versiegte Träncnbäche fließen. Die ausgesandten Enadenstrahlen zünden. Es liegt die Kreatur zu seinen Füße», deß Majestät die Himmel jubelnd lünden. M. Passet«. U»d endlich und lctzlich jene Millionen von Men schen, die unter dem Druck der Not rabiat geworden sind. Sie denke» nicht ans Resignieren, sie hoffen weiter, un entwegt, ohne Sinn, ohne Maß. „Es muß anders wer den!" das war von je ihre Parole, wobei sie fest überzeugt waren, daß dieses Anderswerden für sie ohne weiteres eine Verbesserung ihrer Existenz bedeuten würde. Der bankerotte Geschäftsmann sah sich so — wie oft! — im Geist als Krösus, der abgehetzte Proletarier als bevor zugter Staatsbürger. Wie das geschehen solle, das freilich wußte niemand genau zu sagen. Nur in der Negation war man sich vorerst einig, im Has; und im blinden Drauf los. Man befand sich in der Lage etwa eines Mannes, der ein Haus sein eigen nennt, ein Haus, in dem manches alt. morsch und erneuerungsbediirstig sei» mag. Es gibt da angesaust'e Balken und wurmzerfressene Sparren. Vielleicht, daß auch die Schindeln schadhaft sind, so daß es zum Dach hineinregnet. Kurz und gut. das Haus ist alles andere eher als hcrjchastlich und komfortabel: aber es ist immerhin ein Haus. Man müsse hier einen Silken aus wechseln, dort das Dach ausbessern, dazu noch dies und und jenes tun, und man würde ganz gut und gemütlich wohnen. Unser Vaterland scheint solch ein Haus zu sein, und die Methode, ivie man es wohnlich machen könnte für jedermann, scheint auf der Hand zu liegen. Es ist denn in der Tat gründlich gezimmert und geputzt worden in diesen letzten Wochen der nationalen Revolution. Viel Morsches ist abgerissen, viel Faules beseitigt worden, und wenn es mit Ordnung und Snstem noch eine Weile so weiter geht, mag es mit der Zeit wieder blank und sauber werden im lieben Vaterland. Unfern rabiaten Mitbürgern aber ist auch das schier zu wenig. Ginge es nach ihnen, ich fürchte, es bliebe nicht allzu viel liestehen vom alten Hause des Vaterlandes. Mit Eigenem würden sie wohl psleglick)er umgehen als mit dem Staate, n»enn er ihnen ausgelicsert würde, obwohl das Staatshaus ivahrhaUig nirgends gegen Brand und sonstige Unbill versichert ist. so das; also seine Bewohner den ganzen Schaden selbst tragen müßten. Das bedenken all jene n-cht.die mit wüsten Unisturzgedanken liebäugeln und sich als wunder wie weise Politiker Vorkommen, wo sie doch unbewachten Kindern gleichen, die mit Streichhölzern spielen Draußen al»er braust der Friihlingssturm daher und führt mit sich das Alleluja der Auferstehung und die ge waltige Osterhosfiiung der Menschheit. An Fenstern und Türen der Dumpfen, Hoffnungslosen rüttelt er: „Steht auf! Rafft euch zusammen! Haltet dem Leben stand! Es muß, es wird doch Frühling werden für euch und alle!" Und vor jenen anderen, den Spielerischen und Augen- blicksmcnschcn, macht er halt und senkt sein brausendes Gefieder, also daß allein der Glockenklang und das Alle- Mstersonntaa, 16. April 1933