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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 08.07.1911
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-07-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110708025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911070802
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911070802
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-07
- Tag 1911-07-08
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Monat
1911-07
-
Jahr
1911
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zender Sonnenunter, und -aufgang, Abend- und Morgenrot, ferne Gewitter, weit entfernt nach Süd bis West. Starkes Wetterleuchten nach Süd bis We't. Zichtelberg: Glänzender Sonnenunter- und Aufgang, Abend- und Morgenrot, ferne Gewitter, weit entfernt nach West bis Nord, schwaches Wetter leuchten nach West bis Nord. LS. Rlittelüeutläies vunüesschietzen. Gerade zur rechten Zeit wendete sich am Freitag abend die Ungunst des mit Gewitter einsetzenden Wetters zu einen, besseren Verlauf und lies; glück licherweise nur Nebel und Feuchtigkeit auf den Miesen zurück. Wiederum zog ein Niesenstrom von Menschen nach dem Schützenplan am Waldsaume, wiederum drängten und schoben sich Tausende durch die Feststadt nach der Umgebung der von starken Schutzmannsposten besetzten Flutrinne am Schützen hos, um Zeuge eines glänzenden pyrotechnischen Schauspiels zu werden, das eine Füll« von Funken und Farben in rascher Folge erschloß. Raketen rauschten zum Zenith empor, um dann von ihrem Kern bunte Kugeln auszuschüttcn oder sich in einen Riesenstern aus Myriaden von Lichtatomen zu zer teilen, Funkenteufel schossen pfeifend und knallend durch die Lust, und mächtige horizontale Schlangen durchguerten zischend den breiten Nanm der Schiesz- wiese. Dazwischen erschienen knatternd und prasselnd große Fronten mit buntlcuchtenten, wirbelnden Rädern in wechselnder Form, während durch die dicken Rauchwolken, die über den Plan zogen, blen dende Leuchtkugeln schossen, und der lichtfpcndcnde Inhalt gewaltig dröhnender Bomben sich zerteilte. Staunend verfolgte die dichtgedrängte Zuschauer schaft das von der Firma Julius Kratze Nachfolger höchst beifallswiirdig ausgefiihrte große Feuer werk in allen seinen Einzelheiten, und harrte ge duldig bis zum Schlüsse aus Fröhliche Märsche der Kapelle begleiteten dabei das Schausniel, dessen Mittelpunkt vor allem die silberweiß niederrauschen den Kaskaden und das Herabschweben strahlender Kugeln an goldenen Fäden bildeten Kaum waren sie verschwunden, so entfalteten wieder Sonnen und Glorien ihre feurige Pracht, schaukelten Ketten lang sam hernieder, bis dann mitten im Dampf der Schütze erschien und das Schiitzenzeichcn weißleuchtend aufflammte. Was hier an Lichterglanz erlosch, das strahlte drüben am dichtbevölkerten Vergnügungs park in seiner strahlenden Beleuchtung wieder auf. * Auszeichnung. Die Königliche Kreishauptmann schaft Leipzig hat dem seit 8. Juli 1880 ununter brochen in der Leipziger Pianoforte-Fabrik von Eebr. Zimmermann, Aktiengesellichast in Möliau, beschäftigten Werkmeister Friedrich August Mortag in Leipzig - Anger - Crottendorf eine Belobigungs urkunde ausgestellt, die ihm heute in Gegenwart eines Vertreters seiner Arbeitgeberin an Ratsstelle ausgehändigt wurde. " Zum Bäckerstreik. Auf den Beschluß der gestern stattgefundenen Versammlung der Bäckergesellen hat heute früh in Leipzig der Bäckerstreik begonnen, der vorläufig nur als partiell bezeichnet werden kann. Bisher sind im ganzen 650—700 Bäckergesellen im Ausstand, das sind etwa die Hälfte der in Leipzig beschäftigten Gesellen. In den Vororten und äußeren Gegenden der Stadt hat man noch nichts von dem Streik bemerkt, auch ist innerhalb der betroffenen Bäckereien noch keine Wirksamkeit zu verspüren, da in der Nacht zum Sonnabend noch überall ge backen wurde. Bemerkbar machen wird sich der- Ausstand wohl erst in den nächsten Tagen, wenn noch mehr der Gesellen die Arbeit nicderlegen sollten. Die Streikleitung der Bäcker geht natürlich wie in früheren Fällen auch jetzt wieder mit der Boykottierung derjenigen Väcker- meister vor, die die Forderungen der Gesellen nicht bewilligt haben. Die Innung erklärt jedoch, ge nügend Gesellen zur Verfügung zu haben, so daß wohl kaum der Streik fühlbar in die Erscheinung treten dürfte. * Platzmukik. Sonntag, den 9. Juli, findet die militärische Platzmusik auf dem Augustusplatz am Mendebrunnen durch das Trompeter-Korps des 2. Ulanen-Reats. Nr. 18 statt. Beginn 11,30 vorm. Programm^ Ambrosianischer Lobgesang von W. Voigt. Koburger Iosiasmarsch. Ouvertüre z. Op. „Dichter und Bauer" von F. von Supp'. O Maienzeit, o Liebestraum, Lied von H. Brandt. La Barcarolle- Walzer a. d. Op. „Hoffmanns Erzählungen" von I. Offenbach. Siegestrophäen, Marsch von C. Friedemann. Personalien von der Hochbauvcrwaltuug. A n- ge st eilt: Der nichtständige Regierungsbaumeister Bergmann m Leipzig als etatsmüsziger Regie- rungsbaumeister; versetzt: der Bauschreiber Wierrg beim Landbauamt Leipzig als Erpedient zum Lanöbauamt Dresden. Aus Ansuchen e n l- lassen: der Bauamtmann Ger lach beim Land bauamt Leipzig. —k. Für Mannschaften des Beurlaubtenstandcs. Di die Einziehungen zu den militärischen Uebungcn wieder beginnen, verfehlen wir nicht, aus die jetzt geltenden Neuerungen in bezug auf die ärztliche Un tersuchung hiermit aufmerksam zu machen. Den zu Hebungen einberufenen Mannschaften des Deurlaub- tenstandes, die sich v o r Beginn der Uebung beim zu ständigen Vezirkskommando auf ihre Uebungsfähigkeit ärztlich untersuchen lassen wollen, werden für die Eisenbahnfahrt nach dem Sitze des Bezirkskommandos und zurück nach dem Heimatsort jetzt Militär- fahrkarten verabfolgt. Die Uebungs-Geftellunqs- bcsehle sind bei der Abforderung von Militärfahr karten den Fahrkartenausgaben vorzulegen, die sie, um Mißbräuchen vorzubcuqen, abstempeln. Wird der Uebungspflichtige bei der ärztlichen Untersuchung übungsfähig befunden, so hat das Bezirkskommando auf den Gestellungsbefehl zu setzen: „Gültig zur Lö sung von Militärfahrkarten." 1. „Für die Niickreise nach der Heimatstation." 2. „Für die Fahrt zum Ge stellungsort." Den übungsunfähigen Mann schaften wird der Gestellungsbefehl vom Bezirks kommando abgenommen und für die Rückreise zur Heimat ein besonderer Ausweis ausgestellt, auf dem die Berechtigung zur Lösung einer Milftärfahrkarte ausgesprochen ist. * Ausflug des Frauenbundes nach Zeschwitz. Trotz des regendröhenden Himmels versammelte sich Mitt woch nachmittag eine stattliche Anzahl Damen am Bayrischen Bahnhof zur Fahrt nach Probstdeuben, von wo aus ein schöner Waldweg nach Zeschwitz führt Dort erwarteten blumengeschmückte Tische im Gasthof zur Deutschen Eiche die Wanderer zu einem gemütlichen Kaffestündchen. Die Vorsitzende des Ver eins begrüßte di« Damen mit herzlichen Worten; sie hob hervor, daß Zeschwitz als Ziel für den von den Mitgliedern gewünschten Ausflug gewählt worden sei, weil durch die werktätige Hilfe zweier Vorstands damen die Erholungsstätte für Heimarbeiterinnen hier zu gründen ermöglicht worden ist. Fräulein Hilling, die Sekretärin des Gewevkvereins der Heim arbeiterinnen, pries dankbar das Glück und den Segen, den die kleine Erholungsstätte schon mancher Heimarbeiterin bereitet hat. Mit Stolz zeigten dann die „Heimchen" ihr Helles, lustiges Sommerheim. In den Gasthof zurückgekehrt, dessen treffliche Wirtin die „Heimchen" täglich mit Mittagsbrot vorzüglich ver pflegt, erfreute ein Vereinsmitglied, von Fräulein Bauermeister feinfühlig begleitet, die Versammlung mir lustigen Gesängen. Die kleine musikalische Er heiterung wurde durch den Vortrag eines der wunder hübschen Klavierstücke von Krieg beschlossen. Der Heimweg, bei prächtigster Abendbcleuchtung durch den Wald nach Gaschwitz, machte den Schluß dieses schönen Nachmittags. ** Im Falle LUpfert sind gestern die beiden Ver hafteten und zwar die Braut Lüpjerts und der Gast wirt W.» aus der Haft entlassen worden, da nunmehr die Kollusionsgefahr nach der Festnahme Lüpserts nicht mehr in Frage kommt. Im übrigen sind die Auslieferungeverhandlungen bereits einge leitet worden, die wohl sehr bald zum Abschluß kommen dürften. « Schädigung der Kleinhändler durch Hausier handel en gros Mit einer alle kaufmännischen Kreise intereisierenden Angelegenheit beschäftigte sich in ihrer letzten Sitzung die Gewerbetammer Chemnitz. Die Königliche Generaldirektion der Sächsischen Staatseisenbahnen hatte die Gewerbekammer um Aeußerung über den Antrag einer Firma, die Be förderung von Spiritus in Glasflcfichen und Blech kannen, Petroleum in Blechkannen und Seife in Schachteln, Töpfen und Eimern in Privatgüterwagen zrnulassen, ersucht. Die Gewerbekammer hatte in den betreffenden Händlerkreisen daraufhin Umfrage gehal ten, die sich scharf gegen die Bestrebungen der in Frage kommenden Firma ausgesprochen haben. Die Firma be steht seit 20 Jahren, ihren Geschäftsbetrieb könne man, so führte der Referent aus, als einen Hau sierhandel eu l?rc>p bezeichnen. Mit Petro leum habe der Handel begonnen, er sei dann auf Seife und Spiritus ausgedehnt worden, zurzeit beständen Niederlassungen der Firma in Dresden, Leipzig, Chemnitz, München und Wien. Im Mai vorigen Jahres >ei die Firma in eine Gesellschaft m. d. H. mit einem Griindungskapital von 1000 000 umgewandelt worden. Es handle sich um einen Groß betrieb, gegen denein kleiner Eeichäftsmann nichtauf- kommen tönne. Die Wagen der Firma führen von Ort zu Ort und setz en ihre Waren in kleinen Quantitäten von Haus zu Haus ab. Um nicht gegen die Dor sch ften im Hausierhandel zu verstoßen, lasse sich von Ze.t zu Zeit ein Reisender bei den Familien sehen, um die Berechtigung für das regelmäßige Nachfragen nach etwaigem Bedarf zu erlangen, worauf die Wetterlieferung erfolgt. Durch die gepflogene Art und Weise des Betriebes werde der Kleinhändler viel mehr geschädigt als durch die Warenhäuser. Die Waren, die bekanntlich Hauptbedarfsartikel sind, werden den Familien in die Stube gebracht, es werde schließlich über den Bedarf gekauft und die Kleinhändler der solcher maßen beglückten Ortschaften litten natürlich schwer unter dieser Konkurrenz. Ueberhaupt sei ein Bedürfnis für einen derartigen Betrieb als nicht vorhanden an zuerkennen.—DieEewerbekammer bat sich auf die Seite drr Kleinhändler gestellt und ist der Meinung, daß die Genehmigung des Antrages der Firma eine Schädigung der Kleinhändler zugunsten einer Großhandelsfirma bedeuten würde. Sie hat be schlossen, sich der Kgl. Generaldirektton der Säch sischen Staatseisenbahnen gegenüber gegen das Ge such der Firma auszusprechen. * Erdichteter Raubanfall. Der Inhaber eines Wäschegeschäfts beauftragte am 4. d. M. seinen 16jäh- rigen Laufburschen, zwei Pakete mit Herren oberhemden an Kunden abzuliefern. Der Bursche be hauptete bei seiner Rückkehr, zwei unbekannte junge Männer hätten ihm die Pakete in der Grassistraße gewaltsam entrissen und hätten damit die Flucht ergriffen. Um der Sache einen glaubhafteren An schein zu geben, erstattete der Bursche auch bei der Polizei Anzeige. Die Ermittlungen der Kriminal- volizei ergaben, daß der Bursche den Raubanfall er dichtet hatte. Als er überführt war, trat er mit der Behauptung hervor, daß er beide Pakete an einen Unbekannten, de: auf einer Promenadenbank am Thomasring gesessen, für 2 verkauft hätte. Etwaige Zeugen, die dieses Kaufgeschäft beobachtet haben, werden ersucht, sich bei der Kriminalpolizei zu melden. * Zusammenstöße. In der Markgrafenstraße ginS gestern das Pferd eines Rollwagens durch und stie» an der Ecke der Petersstraße mit einer Droschke zu' sammen. Beide Pferde stürzten. An der Droschke wurden die Gabelbäume abgebrochen, auch wurde der Droschkenkutscher in großem Bogen vom Kutscher bocke herabgeschleudert, erlitt aber augenscheinlich keine Verletzungen. Die Insassen waren mtt dem Schreck davongekommen. — In der Schillerstraße wurde ein Radfahrer von einer Droschke angefahren, umgerissen und über beide Beine gefahren. Er er litt nicht unerhebliche Verletzungen. Sein Rad wurde stark beschädigt. * Bon einem Unhold anaefallen. Auf den Feldern zwischen Holzhausen und Stötteritz — Holzhausener Flur — hat gestern vormittag ein Unbekannter eine in den mittleren Jahren stehende Arbeitersfrau durch unsittliches Gebaren belästigt und diese schließlich zu vergewaltigen versucht. Die Frau setzte sich aber energisch zur Wehr, sodaß der Unhold seinen Zweck nicht erreichte. Auf die Hilferufe der Ueberfallenen ergriff der schamlose Bursche in der Richtung nach Leipzig die Flucht und entkam. Er wird geschildert als 28 bis 30 Jahre alt, von großer, kräftiger Ge stalt, mit rundem gebräunten Gesicht; bekleidet war er mit dunklem Jackett und darüber blauer Bluse. * Bon dem „großen Unbekannten". Kürzlich be richteten wir, daß während einer Eisenbahnfahrt von Dresden nach Leidig aus einem Abteil 2. Klaffe vier goldene Ringe im Gesamtwerte von 640 ab- handen gekominen waren. Sämtliche Ringe wurden im Besitze eines hier wohnhaften 38 Jahre alten Kaufmanns vorgefunden, der sie angeblich von einem Unbekannten käuflich erworben haben will. " Nach Unterschlagung von SVOV bestehend in 8 Eintaufendmarkscheinen und der Rest in Gold, ist am Donnerstag von Halle aus flüchtig geworden der Kauimannslehrltng Paul Wiehmer, geb. 27. Juli 189t» in Zetschau. Der Defraudant ist etwa 1,70 m groß, von schlanker Gestalt, hat dunkles Haar, Anflug von Schnurrbart, niedrige Stirn, trägt Klemmer und war bekleidet mit dunklem, rotkariettem Jackett- anzug, schwarzem steifen Hut und schwarzen Schuhen. * Gestohlen wurde einem Herrn eine goldene Schlipsnadel in Hufeisenform, mit 8 oder 9 Dia manten besetzt' aus einem Verkaufsstand aus der Schützenfestwicse zur Nachtzeit eine größere Menge Schokolade; aus einer Wohnung in der Nürnberger Straße eine neue vernickelte Kaffeemaschine und ver schiedene andere Gegenstände; aus einem Lokal in der inneren Stadt einem Herrn eine braune Brief tasche mit 2 Hundertmarkscheinen. * Festgenommen wurde eine 29 Jahre alte Näherin aus Straßburg, die aus einer Wohnung in der Sternwartenstraße einen größere» Geldbettag ge stohlen hatte. Außerdem wurde die Person bereits wegen anderer Diebstähle von der Behörde gesucht. — Dasselbe Schicksal erreichte einen 35 Jahre alten Arbeiter aus Dommitzsch, der unter Benutzung eines gefälschten Schriftstücks von einer Hausbesitzerin einen Geldbetrag erschwindelte. Sus Srnvlen. * Chemnitz, 8. Juli. lZu dem schweren Brandunglück svergl. das heutige Morgenblatt. D. Red.)) ist noch folgendes zu melden: Die 25 Meter lange und 35 Zentimeter starke Mauer an dem Er weiterungsbau des städtischen Elektrizitätswerkes be grub bei ihrem Einsturz vier Männer: Maurer Otto Paul Päßler, Maurer ötto Schmidt und die Arbeiter Sonntag und Czernowitz. Eie erlitten alle schwere innere Verletzungen. li Zwickau, 8. Juli. (Totgedrückt.) In einem Grundstück der Zwickauer Vorstadt wurde gestern abend von einem umfallendenGeldschrank der Kontorist Georg Alfred Ranft so unglücklich getroffen, daß er kurz darauf im Krankenhaus starb. * Falkenstein, 8. Juli. (Der Wassermangel» hat einen bedrohlichen Umfang angenommen. Trotz der Mahnungen der Stadtbehörde zur Sparsamke 1 Lin Such zur rechten Zeit. In unjere geschmacklose, völlig verrohte Zeit der Operette hinein schleudert der als bedeutender Aes- tlsetiker bekannte Leipziger Universitätsprofessor Johannes Volkelt in einem zündenden Bannstrahl ein gehaltvolles, mutiges Büchlein Betrachtungen über Kultursragen der Gegenwart, „Kunst und Volks erziehung" betitelt (C. H. Beck. München). Vorträge in Volkshochschulkursen waren es ursprünglich, die sich der Verfasser bei Herausgabe als eine Ergänzung seiner gelesenen ästhetischen Schriften, insbesondere des zwerbändigen „Systems der Aesthetik" dacht«, und die ersten Abschnitte über Kunst und Moral, künstle rische Erziehung und die Kunst der Gegenwart in ihrem volkserzieherischen Werte wirken auch als eine Art Zeugnis der Vereinigung und wechselseitigen Be fruchtung von Aesthetik und Pädagogik, wie sie der Nachfolger auf dem Lehrstuhl« Max Heinzes be treibt. Aber schon in einzelnen Stücken des ersten Abschnittes zuckt der heilige Zorn und zittert der hef tige Schmerz über die mannigfachen Schäden in unse rer modernen Kultur und Ueberkultur hervor, so wenn Volkelt von erotischen Erregungen in der Kunst spricht, von der Sucht gewißer Skribenten nach Sin- ncnkttzeln. Vorerst noch in einer kompressen Fußnote kriegen Franz Lehar, Oskar Strauß und Leo Fall ihr Teil, diese drei der ärgsten Bösewichte mit ihrer plumpesttn Erotik. Später kommt es dann deutlicher, hageldick. Das ist «ine köstliche Frische, ein« herrliche deutsche Offenheit, di« einen aufjubeln läßt: Es gibt noch deutsche Männer! Volkelts prachtvolles Buch ist so aktuell, daß er selbst zu dem jüngsten Protest deutscher Künstler gegen das Franzoscntum unter Carl Vinnens Führerschaft herzhaft Stellung nimmt und ihn ein erfreuliches Zeichen dafür nennt, daß „auch in den Kreisen der Künstler die Aesthetik des pervers-feinschmeckerischen Individualismus einer überaus starken Gegenströmung begegnet". Wir haben leider erleben muffen, daß diese Gegen strömung überraschend schnell abebbte; unsere Künst ler sind eben auch schon gute Geschäftsleute und Diplo maten. In dem trefflich orientierenden Kapitel künstle rische Erziehung des belesenen Verfassers ist «in muti ges Wort über Wilhelm Ostwalds agitatorische Kraft wertvoll und die Auseinandersetzung mit der Nietzscheanerin Ellen Key von Bedeutung für den Leser. Der modernen Kunst in ihrem volkserzieherischen Werte wird Volkelt in feinsinnigem Eingehen auf die freiere durch di« modernen Dichter verkündete Sitt lichkeit (Hardt, Scholz, Hauptmann, Frenffen u. a), auf die sittlich kräftigende Wirkung des modernen Naturalismus in den Künsten sowie auf di« weihe voll-sittliche Kraft der Neuromantik vollauf gerecht; er zeigt hier ein Verständnis für alle Schaffenden von Ibsen bis Stefan George, daß man sich ihm al» Leh- rer und Führer gern anvertrauen mag. Er sieht in der modernen Kunst die sittlich vereinfachenden Wir kungen, sicht d-e Auswüchse im Stil wie in der Ge sinnung sap^r wir eines Alfred Kerr und derer, die Hin anhangen. Ein ernstes Wort gilt den Gefahren der Kunst der Gegenwart für di« Volkserziehung. Die be hütende Erziehung kennt sich in unserer laxen After kunst nicht mehr aus. Auf der Bühn«, im Buche, in den Zeitungen nimmt di« Erotik überhand. Ein Heer von Künstlern ist alle Tage an der Arbeit, den ero tischen Kitzel des Publikums zu befriedigen. Das Theater ist eine Anstalt für Unmoral geworden, die erzählend« Literatur hilft h«ute eifrig, die Kloaken des geschlechtlichen Lebens vertiefen, unser gesell schaftliches Leben ist voller erotischer Aufreizungen. Das Handgreifliche in der Erotik nimmt zu, nimmt überhand in allen Künsten, überall krankhaft ge steigert. Es geht eine quälende Sucht durch di« Literatur, di« Musik, die Malerei und die Plastik. Das „gefährliche Alter" war ein deutliches Zeichen unserer Zeit, ein Gradmesser des tiefsten Tiefstand««. Das Pathologisch« ist ein besonderer Zweig unserer Künste geworden. Die Bühn« insbesondere hat ihren Beruf vöTttg verfehlt, ist ein« Berderberin d«r Sitten geworden, seitdem sich die Erotik wie heute in so ekelhafter Weise auf den Brettern breftmacht. Es sind goldene Worte, die Volkelt hier ausspricht; er schont weder Strauß' „Rosenkavalier" noch Hoffmannsthals „Oedi- pus", diese Umdichtung des Erhabenen ins Gräßliche, Weihclos«. Kritiklos, blöde steht das Publikum im Theater der schmierigen Erotik unserer Tage gegen über. Volkelt findet hier in seinem Unmut das recht« Wort vom künstlerischen Stumpfsinn und richtet einen Appell an d«n Staat, di« Kommun«, zu helfen. Noch das Znnische in unseren bildenden Künsten beleuchtend, geht Verfasser schließlich dazu üb«r, psychologisch-ethisch« Betrachtung«,, an di«-gegenwär tige Kunstentwicklung zu knüpfen, und findet hi«r so taktvoll Ausdruck für das Sinnlichschmeichelnde in der Kunst, spricht so golden« Worte über das Scham gefühl, alle verkehrt« Aufklärung aus und bringt eine so innig und edel vertiefte Lehre über das Sitt lich« als Selbstwert, daß man das Buch Volkelt» schon um dieses Abschnittes willen zu einem rechten Vademekum für alle, die noch nicht verloren sind, er hoben wissen möchte. Aber es ist mehr, ist ein treff licher Eittenspiegcl unserer Zeit, den sich jeder vor die Seel« stellen sollte. Einer der edelsten Lehrer der Nation steigt mit diesem Buche vom hohen Katheder der exakten Wissen schaft zu seinem Volk herab und mahnt zur Einkehr und Umkehr. Daß ihn doch alle hören möchten! Auf, er braucht Helfer zum heiligen Werk« der sittlichen Reinigung unseres irvegeführten Volkes? g. s. Sus Leipziger Sunltlalons. Jetzt beginnt die stille, kunstlose Zeit, und wer am Sonntag vormittag sonst die Toilettenrevue im hiesigen Kunstverein mitmachte, sich sehen ließ, um andere zu sehen, der wandelt in den Kurpromenaden faihionadler Bäder. Für die Wenigen, die zurück blieben, haben unsere Kunstsalons Ausstellungen zusammengebracht, die in der Mehrzahl ihrer Werke etwas wie sommerliche Fardenfreudigkeit und Frische zeigen. Soll es ein Trost sein für die, welche die farbenfrohe Natur selbst nicht aufsuchen können? Bei Bayer L Sohn hängt eine stattliche Zahl Gemälde (wohl mehr Studien) und Holzschnitte von Sabine Graef-Licht. Die Künstlerin, begabt mit gutem zeichnerischen Können und gesundem Farben sinn, erweist sich in allen Produktionen als hoffnungs freudiges Talent. Echt weibliches Empfinden lür zarte Stimmungen bekunden ihre Interieurs, in denen trauliches Sonnenlicht spielend über den Glanz der Möbel hinstreicht. Auch die Holzschnitte, wo ein Boxhund eine seiner Körperform entsprechende würde volle Rolle spielt, versprechen eine Entwicklung. Weniger gelungen darf man die Landschaft nennen, unruhig und bewegt erscheint die Färbung, und die zusammenklingende Verbindung, die die Atmosphäre zu schaffen pflegt, vermißt man hier. In Frankreich geschult, hat E. G mi nster die Lust an bunten Farben, die der Volkskunst der Slaven unser Interesse sichert, treu bewahrt. So mögen für manchen die Stillleben mit den flächig hingesetzten Früchten, Blumen und Porzellanen leicht den Ein druck unkultivierter Kunst erwecken; allein bei nä herem Zusehen wird man den farbigen Zusammen hang angenehm empfindem wie bei Webereien russischer Bauernkunst. Solche lustigen Farben flecke beleben unsere Wände gleich ange nehm, denn japanische Farben - Holzschnitte. Von seinen Landschaften mit derselben bunten Lustia- keit gefällt mir persönlich am besten die Landschaft mit den blühenden Obslbäumen, wo Luft und Sonnen licht eine schummrige Traumstimmung um Hügel und Baum weben. Trauriger, schwerer, ein Freund melancholischer Gedanken, schafft Hans v. Heider- Stuttgart. An zeichnerischer Begabung und an Können ist er den erstgenannten überlegen, aber eine heitere Note in unsere Zimmer bringen die anderen. Sie entsprechen mehr der Forderung des William Morris: „Eure Farben sollen echt und licht sein; die Natur haßt Halbtöne, Abstufungen, in denen sich die Unfähigkeit, das Nicht können unserer modernen Dekorateure zeigt." Den noch hat man an Herders Kunst seine Freude, ein sanfter Friede spricht aus seinen Landschaften. W. Schnackenberg gibt ein raffiniert gemachtes Aktbild in seinem „Am Toilettentisch," das die Ver wandtschaft mit vielen Gemälden des Pariser Salon d'Automne nicht verleugnen will. Fritz Schmutzers farbige Radierung, eine junge Dame in pur purrotem Kleid bringt aufs Neue eine Probe von der glücklichen Hand dieses Meisters, der sich immer seltener aus Ausstellungen blicken läßt. Nach meinem Geschmack birgt dieser Künstler salon stets das Interessanteste im kleinen Kabinett seiner Radierungen. Als bedeutendstes Talent, mit leichter Hand die Gestalten einer reichen, sinnen frohen Phantasie hinzusetzen, erweist sich Hans Meid-Florenz. Das flimmert und lebt von Licht und Lust in diesen kleinen Blättern. Jmpromptüs über das Weib kann man all' die Studien mit der Radiernadel nennen, mögen sie Entführung, Nacht stück, Ehebrecherin rc. heißen. Es liegt etwas Schwüle über dieser Kunst, die ein großes technisches Können, «ine starke Leidenschaftlichkeit, verwandt der über quellenden Natur, verklärt. Es steckt in diesen Blättern etwas, was an die Körperfreude der großen Flämen erinnert. Anders geartet ist I. Oeltjen-Jadesberg. Er bevorzugt die Städtebilder, wo der große Verkehr dahinrauscht. Bewegung, Leben und Licht liebt er wie Meid, doch während dieser alles Spiel des Lichts, alle Bewegung am Leib der Frau sucht und findet, beachtet Oeltjen Häfen und Brücken der Groß städte, wenn die Sommerhitze die trüben Wasser einschluckt und gleich einem Schleier über Häusern und Menschen liegt. Besonders möchte ich die Waisen brücke, Möckernbrücke, Jnselbrücke unter den Werken hervorheben. Auch die feine Kunst E. Biz ers- Baden-Baden in seinen Wastersttmmungen ist be achtenswert. — Bei Del Vecchio machen wir die Be kanntschaft eines jungen Schweizer Künstlers P. Th. Robert. Viel Hoffnungsvolles verbeißen uns seine Arbeiten, wenn er auch noch nicht abgeklärt ist. Da klingt noch manche fremde Note in seinen Werken mit, hier wird man an Hodler, dort an Buri, an Amiet, Ryffelberghe erinnert. Manche Verzeichnung wie in den Badenden und in Mutter und Kind in Weitz leistet sich Robert auch, und doch wer ein Gemälde wie „Dame in Blau", wer eine Märchenstimmung, einen modern empfundenen Schwind, wie in „Le Päturage" oder in der Mehrzahl der Landschaften ohne Figurenstaffage schaffen kann, der setzt sich, seine Persönlichkeit durch. Wenn man aus dem leuchtenden Rerch von Roberts Kunst vor Josef Rummelspacher tritt, dann sieht man zuerst nur Dunkelheit. Langsam erst gewöhnt sich das Auge an die trüben Stimmungen seiner Heidelandschaften. Er ist schwer, auch in der Farbe, melancholisch in der Stimmung. Norddeutsch, ablehnend ist diese Kunst, dennoch kommt man seiner Art näher, wenn man erst einmal die Stimmung eines seiner Werke ganz empfunden hat. Wie fein ist das Grün des Tannenwaldes, oder wie still die Wasser und der Friede über dem Tichetschsee. Paul Lumnitzer-Rothenburg dürfte am besten seine Fähigkeiten als Architekturmaler verwerten. Die Blicke über Häuser und Dächer gelingen farbig und perspektivisch. Sobald er aber Menschen oder gar Märchengestalten dazwischen setzt, zerreißt er Einheit und Stimmung. Auch Erkenntnis des Könnens und der Begabung gehört zum Künstler, nicht nur Auge und glückliche Hand. Wozu eine Kunst, wie die von Emma Ritter» Oldenburg, existiert, fragt man sich vergeblich. Hier pinselt )emänd echt und recht, was er sieht; wie eine Kamera auinimmt, was in ihr Bereich gebracht wird. Wozu? Weder die Farbe, noch die Sujets interessieren. Da war die alte Novellenkunst, wo man sich noch etwas dazu denken mußte, weit bester. Es fällt ichwer, jemandem die Existenz abzujprechen; aber trotzdem: Wozu, wozu? Da hat man an den Radierungen und Stichen von Louis Moe seine Freude. Hier vereinigt sich eine glückliche Erfinder- und Plaudergade mit leichter Technik. Die Drolligkeit der Bewegung der Tiere, zusammengestellt mit der Putzigkeit von Kinder körpern, oder mit den zierlichen Frauen im Tanz» schritt, belauscht er im Vorübererlen und hält sie mühelos fest. Das gibt den Blättern den Reiz des Momentanen der Skizze, die allerdings glänzende Technik zum reifen Kunstwerk erhöht. vr. llokert Oorvezb.
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