Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 07.07.1911
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-07-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110707023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911070702
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911070702
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-07
- Tag 1911-07-07
-
Monat
1911-07
-
Jahr
1911
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs Preis lüc Uecozig and Vococt« durch »»Irre Trüge, und 6v«dtr«»re 2mal täglich in» tzou, gedmqt: SU V>. monalU, 2.7UVIt. vteneliahrt Bel unlrrn FUtalen u. iiln. nahm«ftellrn adaeholt 7Ü Vt. «oaatl. 2.SVÜ. vterteltährl. Lurch »«» Volt: innerhalb TeuNchlanv» und der deuychen Kolonien oierleljahrl. 2.SU >tk„ monatl. l.2U Vit. auoichi Postbeftellaeld Ferner tn Belgien. Danemarl. den Donauftaaten, Italien. VuremdukL Sitederland«, Nor wegen. Oesterreich-Ungarn, Nutziand, Schweden, vchweio u. Spanten. In allen übrigen Staaten nur birelt durch di» lbelchältültell, de» Blatt«, erhältlich. Da» üetvjiger lagedian erlchernt 2 mal täglich. Sonn- ». Setrrtag» »or morgen». Abonnements-Annahme Iohomrt»gall» lt. bet unieren Trägern. Filialen. Spediteuren und Annahmrsiellen, sowie Postämtern and Brtesträgern. <kt»,,l»»rraa»»pr«»» bVi. Abend-Ausgabe. Mp.rWrTagMM - s 14692 lN°»te,schl>ch, uchUchchchch^ i s"«S2 kNacht^fthluv «ki.-Ä>>schi.!l«M Handetszetkung. rei..Änfchi.juW» Amtsblatt des Aales und des Votizeiamtes der Ltadt Leipzig. Lnzelgn»-Preis erhöht. XadattuachTartt. ««tlagegedübrtbelami- Mislag» S Äkk. p Taulrnd «rkl. Postgebühr. T-ildeilag» Häher. FefterteUt« Au« trag« können »ILt «urück- ae»»geu «erden. Für da» Erscheinen an desttörurten Tagen and Plätzea wird kein« Earanti« übernommen. An,»tgmr-Annahme: 2»ha»ai»galt» 8, de» sämtlichen Filiale» a. allen Annoncen» Elpedttioaea de» In» and Ausland«, D«L au» ««lag de» U«>»p,u lag«. blatte» V. Pol». Inhaber: Vaal kürste». and Umgebung ät-b»«Ne!laml. Ji Ps. Neklame > »»» vehörde, im aml- Sledattio» and <l»«Ichä>t»st,ll«: Iohanntsgass« kl -«»»< - Ailtai» Dre»d«a: Seestrab« < l lTelephon 4S21). Nr. 186 /rrtiag, üen 7. Juli lSll tos. Zshrgsng. Die vorliegenbe Ausgabe nmsaßt 8 Seiten. „Die neue Situation." Di.« erst« Erklärung in einem Parlament« der an der Marokkofrag« am lebhaftesten interessierten Staaten ist erfolgt. Im englischen Unter hause hat d«r Premierminister Asquith am Donnerstag die schon früher erwartete, aber bis zu diesem Termin hinausgeschobene Auskunft auf die Anfrage Masons über den Stand der Unterhandlun gen zwischen den Mächten in Marokko gegeben. Man ist gewöhnt, daß in solchen kritischen Situationen eng lische Minister sich einer äußersten Zurückhaltung be fleißigen und ihre Worte sehr klug und vorsichtig setzen. Die Auskunft, die Asquith gegeben hat, ent spricht denn auch vollständig dieser Gewöhnung. Der englische Premierminister stellt fest, daß zwischen den Mächten Unterhandlungen gepflogen werden, und gibt dem Vertrauen Ausdruck, daß diese Ver handlungen zu einem gedeihlichen Abschluß jähren. Zugleich deutet er an, daß ja nach dem eng lisch-französischen Abkommen von 1904 selbstverständ lich ist, daß England, wie auch schon in Algeciras, der Politik Frankreichs seine moralische Unterstützung nicht versagen werde. In dieser Beziehung gibt also die Auskunft Asquiths keinen Anlaß zu irgendwelcher Beunruhigung: sie bestätigt lediglich Bekanntes — d.ch nämlich Unterhandlungen schweben — und ent hält einige Liebenswürdigkeiten für Frankreich. Das Bemerkenswerte und Auffällige an der Erklärung von Asquith ist aber die Konsta- ricrung, daß sich in Marokko eine „neueSitua- t i o n" ergeben habe, und doß infolgedessen künftig eine direktere Berührung englischer Interessen mög lich sei, auf deren Wahrung die englische Regierung die schuldige Rücksicht nehmen werde, ebenso wie sie für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen gegenüber Frankreich einstehen werde. Was unter dieser „neuen Situation" zu verstehen ist, unterliegt im Augenblick noch verschiedenartiger Beurteilung. Man kann diese Worte auf die Veröffentlichung eines angeblichen Eeheimvcrtrngs zwischen Frank reich und England beziehen, der Frankreich gegen Vorschüsse und gegen eine Kreditgewährung bis zu Millionen Franken an den Sultan von Marokko im Lchcrifenlande genau genommen die unbedingte inilir:ns.hc Vorherrschaft sichert und außerdem auch noch oas Recht der Kenntnisnahme von allen internationalen Abmachungen des Sultans zugesteht. Danach würde also der Sultan von Marokko die französische Regierung auch von La idkonzrjsionen jeglickier Art zu unterrichten haben. Die Möglichkeit eines Einspruchs gegen derartige Verträge ist Frankreich in dem Vertrage nicht aus- d. erlich zugestanden worden, sie besteht aber in Wirk lichkeit, denn wenn sich der Sultan einem Widerspruch Frankreichs gegen solche Abmachungen nicht gefügig zeigen sollte, dann hat ja die Republik durch Ent- zreb'ing des Kredits und der Vorschüsse das beste Mittel in der Hand, den Sultan ihren Wünschen ge- ügig zu machen. Die Existenz dieses aufsehenerregen der Geheimabkommens ist allerdings sofort sowohl vom Foreign Office, wie von der „Agence Havas" aufs bündigste in Abrede gestellt worden. Die Ab-- leugnungsversuche lassen sich nun freilich nicht gut mit der Aeußerung von Asquith, es läge eine „neue Situation" vor, vereinbaren: umsoweniger, als Mit teilungen ähnlicher Art auch im „DaÄy Eraphic" enthalten sind. Während dieses Blatt noch vor we nigen Tagen der Entsendung eines deutschen Kriegs schiffs nach Agadir nicht unsympathisch gegenüber stand, erklärt es jetzt, England sei gegenüber Deutsch land in derselben Lage wie vor 1904, seine Politik laute also: „Die Hände weg!" Außer Frankreich und Spanien dürfe in Marokko niemand etwas bekommen. Diese sensationelle, alarmierende Nachricht ist aller dings. wie wir von gutunterrichteter Seite erfahren, völlig falsch. Bestehen bleibt freilich das viel deutige Wort von der „neuen Situation". Es ist nun sehr wünschenswert, daß darüber bald auchvonFrankreich her, eine Aufklärung erfolgt. Der Präsident Falliöres und der Minister des Auswärtigen de Selves, die heute mittag von ihrer holländischen Reise nach Paris zurückgekehrt sind, haben in Amsterdam noch sehr optimistische An- sprackxen gehalten. Die 'Nachrichten aus England sind aber eher geeignet, pessimistische Stimmungen zu er wecken. Zur Lage liegen folgende Drahtmeldungen vor: London, 7. Juli. (Eig. Drahtmeld.) Der Korre spondent der „Exchange Telegraph Eompany" in Tanger telegraphiert die Einzelheiten des Ge het in Vertrages zwischen Frankreich und dem Sultan von Marokko. Frankreich garan tiert danach die Souveränität des Sultans und sorgt für eine militärische Streitmacht, die stark genug ist, um dt« aufrührerischen Stämme der Autorität des Sultans zu unterwerfen, der alle Kosten für die Streitmacht bestreitet. Der Sultan wird es unter- ne.Men, mit Unterstützung einer französischen MlU- tärmission eingeborene Polizeitruppen zu organi sieren. Dieses Werk soll binnen fünf Jahren vollendet jein. Frankreich wird die jcherifische Regierung durch Gewährung gewisser Vorschüße in den Stand setzen, die angeworbeuen Truppen zu bezahlen. In dem Ver trag ist weiter festgesetzt, daß dr« jcherifische Regie rung wie bisher vollkommene Freiheit haben wird, andere internationale Verträge abzuschlicßen, wenn sie es wünscht, doch wurde die Bedingung festgelegt, daß die Vorschläge zu irgendeinem neuen Abkommen vorher der französischen Regierung unterbreitet wer den müssen. Die französische Regierung erklärt ihre Bereitwilligkeit, zur Bestreitung der gegenwärtigen Ausgaben der marokkanischen Negierung bei der Staatsbank einen Kredit bis zu 2'/^ Millionen Fran ken zu eröffnen. Paris, 7. Juli. (Eigene DrahtmeldungF Die „Agence Havas" meldet: Wir können nach Erkundi gungen an absolut autorisierter Quelle versickern, daß dcr angebliche Ge h e i m vc r t r a g zwischen Frankreich und Marokko, der in London von der „Exchange Telegraph Eompany" ver öffentlicht wird, apokryph ist. H Berlin, 7. Juli. (Eigene Drahtmeldung.) Die Meldung des „Daily Graphik" ist un richtig. Es ist von der englischen Regierung eine solche Mitteilung weder in London a« den deutschen Botschafter noch hier in Berlin an die Regierung ge langt. Eine solche Mitteilung wäre dem Sinne nach ganz unweg ig, weil die deutsche Note, die die Entsendung des „Panther" den Mächten mitteilte, zum Schluß feststellt, sobald Ruhe und Ordnung in Marokko wiedergekehrt sei, solle das Schiff den Hafen von Agadir wieder verlassen. Bor der Entscheidung in Paris. Paris, 7. Juli. (Eig. Drahtmeld.) Offiziös wird gemeldet: Der Präsident der Republik, der heute vormittag gegen 11'Uhr von seiner holländischen Reise in Paris wieder ein trifft, wird sofort nach seiner Rückkehr den Mi nisterpräsidenten empfangen, der ihn über die mit dem Londoner Kabinett in dem Zwischenfall von Agadir geführten Besprechungen unterrichten wird. Nachmittags wird der Ministerpräsi dent mit dem Minister des Auswärtigen eine Unterredung über die Lage haben. Im mor gigen Ministerrat wird die Antwort festge stellt werden, die der Minister des Auswärtigen auf die angekündigte Interpellation zu erteilen haben wird. Man glaubt, daß der Minister des Aus wärtigen, ebenso wie es Premierminister Asquith im Hause der Gemeinen getan hat, eine kurze Erklärung abgeben und die V e r t a g u n g der Interpellations debatte bis nach Beendigung der diplomatisck)en Ver handlungen verlangen wird. a. Amsterdam, 7. Juli. (Eig. Drahtmeld.) An läßlich des Empfanges des diplomatischen Korps Hel ten Falliöres und de Selves optimistisch gehaltene Ansprachen über die Weltlage und stellten ein Einvernehmen Frankreichs mit Deutsch land und Spanien in sichere Aussicht. Die sozialdemokratische Interpellation in der württembergijchen Zweiten Kammer. »vi. Stuttgart, 7. Juli. (Eig. Drahtmeld.) Für die heutige Sitzung der Zweiten Kammer hatten die Sozialdemokraten eine Interpella tion wegen Marokko eingcbracht. Die Minister bank blieb leer. In einem vom Präsidenten ver lesenen Schreiben gab der Ministerpräsident Meiz- saecker die Erklärung ab, er sei zurzeit nicht in der Lage, die Interpellation zu beantworten: später sei er eventuell dazu bereit. Der Kammerpräsident erklärte damit die Anfrage für heute erledigt. Gegenrevolution in Portugal? Wie wir berichteten, hat die republikanische Re gierung di« Depeschenzensur eingeführt. Einesteils sprechen nun die Nachrichten ron Straßenkämpfcn und meuterndem Militär — aber sie kommen nicht aus Portugal, sondern aus der spanischen Stadt Cadiz. Die Regierung dementiert alles. Ganz Portugal ist ruhig! Derartige Eeneraldementis machen aber äußerst mißtrauisch. — Folgende Drahtnachrichten liegen vor: London, 7. Juli. (Eigene Drahtmcldung.) Die Madrider Zeitung „Jmparcial" berichtet über Ba dajoz aus Lissabon: Die Besatzung des Arsenals hat gemeutert. Vom Arsenal rocht die Bour bon e n f a h n e. Die Meuterer haben aus der ersten Empore des Arsenals Geschütze auffahren lassen. Es heißt, daß die Regierung mit den aufständischen Offi zieren verhandelt. London, 7. Juli. (Eigene Drahtmeldung.) Der Ausbruch der monarchistischen Gegenrevolution hat in London alarmierend gewirkt. Blutige Zusammenstöße werden aus allen Städten gemeldet. In Castello Branco haben die Truppen einen mon archistischen Volksausstand niedergeworfen. In Lha- ves verlangen die Truppen doppelten Sold, ehe sie gegen die Monarchisten vorgehen, doch wird letztere Meldung amtlich bestritten. In Lovoa un weit Oporto stehen zuverlässige Truppen zusammen gezogen, um in Oporto einzumarschieren, falls der monarchistisch klerikal gesinnte Gemeindcrat einen Putsch unternimmt. Die meisten Truppen sind der Regierung ergeben, von den verhafteten Lissa bonner Marinesoldaten sind über 60 dem Kriegs gericht übergeben. Mehrere Marineoffiziere auf den vor Lissabon liegenden Schiffen befinden sich unter den Verhafteten. Direkte Nachrichten aus Lissabon fehlen, das meiste Londoner Nachrichten material kommt aus der spani schen Stadt Cadiz. ZUM Seemannsltreik. Der Streik, dcr England, Frankreich, Holland und Belgien beunruhigen sollte und in so feierlicher Weise durch Rakelenschüsse eingeleitet wurde, kann nicht leben und nicht sterben. Die Dockarbeitcr in Sunder land bekommen nun einen halben Penny pro Stunde mehr. Und in L i v e r p o o l ist der vollstän dige Stillstand dadurch abgcwendet, daß die Leute „einstweilen zur Arbeit zurückkchrten". Folgende Drahtmeldungen liegen vor: London, 7. Juli. (Eig. Drahtmeld.) In New Castle on Ty ne ging das Laden und Löschen in gewöhnlicher Weise vor sich. Der Sreik der Doll ar b e i t e r in S u n d e r l a n d ist nachmittags bei gelegt worden, da die Leute die Lohnerhöhung um einen lxalben Penny pro Stunde angenommen haben. Die Konferenz zwischen den Unternehmern und den Ausständigen in Leith ist ergebnislos ver lausen. Der Ausstand dauert dort fort. Der vollständige Stillstand der Arbeit, der in Liver pool durch die Schlepper angedroht wurde, -st vor läufig abgewandt, da die Leute einwilligten, einst weilen zur Arbeir zuriickzukehren. Amsterdam, 7. Juli. (Eig. Drahtmeld.) Im Hafen blieb gestern abend alles ruhig. Die Vereinigung der Dockarbeiter und Auslader proklamierte in einem Manifest für morgen die Ausdehnung des Streiks auf alle Transportunternehmungen im Hafen und appel lierte an die Solidarität aller. Es heißt, daß nachts zweihundert Arbeitswillige auf einem Schleppdampfer von Rotterdam eintreffen. Southampton, 7. Juli. (Eig. Drahtmeld.) Die Stauer nahmen die von den Reedern angeborenen Be dingungen einschließlich einer Lohnerhöhung von vier Pfennigen für die Stunde an. Dadurch sind alle Streitigkeiten mit den Arbeitern b e i g e l e g t. poUMche Nachrichten. Aussperrung von Glasarbeitern. Görlitz, 7. Juli. (Eig. Drahtm.) Di: General versammlung der mitteldeutschen B e - zirksgrnppe des Arbeitgeberschutzverbandes deut- scher Glasfabriken beschloß bezüglich des Ausstandes in Rauscha, sämtlichen organisierten Glasarbeitern des sächsischen, schlesischen und Lausitzer Bezirks zu kündigen, falls bis zum 17,. Juli keine Einigung erfolgt ist. In Betracht kommen 61 Fabriken mir 10 000 Arbeitern und Arbeiterinnen. Endergebnis der Wahlen in Galizien. Wien, 7. Juli. (Eig. Drahtmeld.) Gewählt sind 71 Mitglieder des Polenklubs, ein Mit- Die lchüne Erzeilen;. 36s Roman von T. Tschürnau. tNlichüriio verbot»'».! Frau Lotti behauptete, von ihrem Manne immer mit der größten Ungerechtigkeit und Lieblosigkeit be urteilt worden zu jein. Er hatte nie Geduld mit ihr haben, sich nie mit ihrem Charakter einleben wollen, wie cs Loch von Gott und Rechts wegen seine Pflicht gewesen wäre. Für ihre Pläne, die ihr doch stets von der reinsten Menschenliebe diktiert worden waren, hatte er iminer nur Spott gehabt, und es war ihm sehr gleichgültig gewesen, ob sein höhnisches Lächeln ihr durch die Seele geschnitten hatte. Was kümmerte er sich darum? Er fühlte kein Mitleid mit ihr, er liebte sie nicht. Wenn die Kinder nicht ihr Trost gewesen wären, und wenn sie nicht immer noch die Schwäche gehabt hätte, ihn zu lieben — so töricht war sie ja leider — dann — ja, dann . . . Hierauf war Frau Lotti sowohl mit ihrem Atem wie mit ihrer Fassung zu Ende. Sie brach in Tränen aus. Auf diesen Augenblick hatte Fritz Selbitz gewartet. Er saß sofort neben ihr, tröstete, besänftigte, küßte sie, nannte sie ein« liebe, kleine Törin und sich selbst ein Ungeheuer, versicherte sie, daß sie allerdings sehr beklagenswert sei, daß sie aber auch sehr geliebt werde, und daß er nicht im entferntesten daran ge dacht habe, sie beleidigen zu wollen, daß er sie so, wie sie eben sei — ein rechter kleiner Feuerteufel — nut keiner anderen Frau der Welt vertauschen möchte, und daß er keinen König um seinen Thron beneide, so lange er eine gewiße kleine, abscheuliche, aber doch sehr liebenswerte Frau sein eigen nenne. Rach fünf Minuten herrscht« wieder Friede und Freude in dem traulichen Gemach. „Du meinst also, Liebster, daß Sascha nicht für ihn paßt?" fragte Lotti mit jener Sanftmut, die sie allemal dann zu entfalten pflegte, wenn sic vorher ihrem Dämon die Zügel hatte schießen laßen. „Ganz und gar nicht! Ich wüßte kaum noch zwei Menschen, die weniger füreinander paßten. Selbst die schön« Exzellenz, jo wenig ich sie leiden kann — oder vielmehr gerade deshalb, weil ich sie nicht leiben kann — würde mir geeigneter erschienen sein für die Stellung einer Gräfin Gülzow. Es würde eine vornehme Ehe geworden sein, wie man sie eben zu Tausenden findet in unseren Kreisen, eine Ehe ohne Liebe, in der einer den anderen so wenig als mög lich geniert und, mit Ausnahme geringer Rück sichten auf die Dehors, genau so frei und ungebunden ist wie zuvor. Anders mit Erich und Sascha! Di« beiden würden unglücklich werden, verlaß dich dar auf. Sascha ist ein herziges Geschöpf, aber sehr jung, sehr phantastisch und voll der verkehrtesten Ideen über eine Welt, die sich in ihrem Kindeskopf ganz anders spiegelt, als sie in Wirklichkeit ist. Wenn sie ganz allmählich herniedersteigt aus den Wolken, in denen sie jetzt schwebt, so wird sie lernen, sich in die Wirklichkeit zu finden; stürzt sie aber aus ihren Himmeln herab, so geht sie daran zugrunde. Solche Naturen überleben schwere Enttäuschungen nicht. Denke an das Schicksal ihres Vaters! Sie ist in jedem Zuge sein Kino. Ob sie einwilligcn würbe, wenn Erich sie fragte, das weiß ich nicht. Täte sic es aber, so würde sie sich kurz entschließen, den Mann, dem sie sich zu eigen gäbe, auch grenzenlos zu lieben. Und er? Nun, soweit ich ihn kenne, beurteile ich ihn etwa so: Eine Weltdame, wie die schöne Ex zellenz, würde ihn vielleicht ein Jahr lang gefesselt haben. Ein harmloses Kind wird ihn langweilen binnen wenigen Monaten. Siine Hochherzigkeit wird ihn an sie fesseln; er wird ihr zu verbergen suchen, was eine Frau, die ihren Gatten liebt, dennoch durchschaut. Beide werden ihre Freiheit verloren haben, ohne Glück dafür einzutauschen, und das Ende wird Elend sein. Also hüte dich, Lotti! Mach's nicht wie der Zauberlehrling, der die Gewalten wohl heraufbeschwören konnte, sie dann aber nicht wieder zu bannen wußte." Frau Lotti stand vor ihm, wirbelte die miß handelnden Seidcnquasten durch die Luft, lächelte geheimnisvoll und sah ganz und gar nicht überzeugt aus. Als er geendet hatte, sah sie mit lachenden Augen zu ihm auf. „Eine prächtige Rede, mein sehr weiser Herr und Gemahl", sagte sie pathetisch. „Ich bewundere dich!" „Aber du glaubst mir nicht?" „Nein!" Sie legte ihm beide Hände auf die Schultern und hob sich auf den Fußspitzen, um ihm eindringlicher ins OKjicht reden zu können: „Was warst du, als ich dich heiratete?" „Hm — ein ziemlicher Taugenichts!" „Das ist sehr gelinde ausgedrückt — ein ganz ge waltiger, sagten andere Leute. Man nannte dich den tollen Selbitz und meine Bekannten schlugen die Hände über dem Kopfe zusammen, als sie hörten, daß ich ten kühnen Entschluß gefaßt hatte, deine Frau werden zu wollen. Man predigte mir Vernunft, man suchte mir die Tollheit meines Vorhabens klar- zumall>eil. Ich aber sagte: Nun gerade!" „Das sah deinem Eigensinn ähnlich." „Und ich habe es nie zu bereuen gehabt." „Obwohl du mir vor zehn Minuten das genaue Gegenteil versichert hast." „Willst du schweigen! Also — ich habe es nie zu bereuen gehabt. Aus dem flotten Gardeoffizier, der stets bis zu den Ohren in Schulden steckte, ist der solideste, beste, gewissenhafteste Ehemann geworden. Lstrrum sollte die Liebe nicht ein gleiches Wunder an Erich verrichten können?" Selbitz zog gedankenvoll die Spitze seines langen Schnurrbartes durch die Finger. „Ich glaube es nicht, Lotti", sagte er. „bei mir war das nur so ein Uebergang damals. Jeder nor mal veranlagte Mensch macht früher oder später solch einen Gärungsprozeß durch. Bei Erich sitzt das tiefer, der verändert sich nicht mehr; der ist ein hoff nungsloser Fall in dieser Beziehung." „Warum nicht gar!" lachte Frau Lotti. „Das ist auch eines der Vorurteile, die in der männlichen Eitel keit ihren Grund haben. Ihr Herren der Schöpfung bildet euch ein, daß ihr fix und fertig wie aus einem Gusse aus des Schöpfers Hand hervorgegangen seid, und daß an euch nichts zu tadeln und zu ändern ist. Ihr wollt durchaus nicht zugestehen, daß nur wir Frauen — wir allein — euch zu dem machen, was rhr seid, gut oder döse, leichtfertig oder gesittet. Erich hat noch nie unter dem Einfluß einer klugen, guten sxrau gestanden. Seine Mutter war ein Wesen ohne jede Energie, und die Damen, denen seine zahlreichen Leidenschaften galten, taugten, ob sie nun der ganzen oder der halben Welt angehörten, allesamt nicht v'cl; dran denen, die ihm ihre Eroberung schwer oder un-, möglich machten, wich er aus, weil ihm die Mühe nicht des Preises wert schien, und die anderen ver dienten eben, daß er sie leichtfertig wieder verließ, wie er sie leichtfertig gewonnen hatte. Und dann zulctzr die schöne Exzellenz! Nein, reden wir nicht von ihr, cs regt mich von neuem auf! Sprechen wir lieber von Sasckxa. Du nennst sie selbst ein herziges C-elchöp; Sie ist mehr; sie ist das lieblichste, hold seligste Wesen, dem ich je begegnet bin. Und sie sollt: Erich nicht ändern können, wenn sie ihn liebti Wir Frauen, wenn wir klug und, Inst vot Issst, wenn wir hübsch sind, wir wickeln euch törichte, ein gebildete Männer um die Finger — so!" Selbitz küßte die zierlichen, weißen Hände, die dicht vor seiner Nase in der Luft herumwirbelten, und hielt sie dann in den seinen fest. „Du versprichst mir dennoch. Lotti, dich nicht in diese. Ange'egcnheit zu mischen!" sprach er mit allem ihm zu Gebote stehenden Ernst. Sie seufzte. „Gut, ich verspreche es. Aber es ist jammerschade! Erich wäre eine brillante Partie für das arme Kind gewtsen." „O, ihr Heiratsstifterinnen mit euren brillanten Partien! Als ob Geld und Gut für eine unharmo nische Ehe entschädigen könnten!" „Vielleicht würde es eine sehr harmonische Ehe!" beharrte Frau Lottr „Nun, nun, mach nur kein so finsteres Gesicht, lieber Griesgram! Ich habe dir vcrsprochkN, daß ich mich nicht einmischen will, und halte mein Wort; aber ich wünsche von Herzen, doß Gott Amor den Heiratsvermittler zwischen Sascha und Errch spielen möge, nur damit du dich wieder einmal überzeugst wie recht ich gehabt habe, du alter, häß licher, zänkischer Mann du!" (Fortsetzung in der Morgenausgabe.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite